Alistair Manor - Jeanette Keilwerth-Kinde - E-Book

Alistair Manor E-Book

Jeanette Keilwerth-Kinde

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Beschreibung

Ellisa erbt das unheilvolle Alistair Manor und gerät in einen Krieg mit dem fanatischen Kult des Anführers. An der Seite von Matteo und ihrem Söldner-Team stürmt sie das Anwesen, um die uralten, mystischen Bücher zu bergen und den Fluch zu brechen. Doch der Sieg im Turm fordert einen grausamen Blutzoll. Im Angesicht der Niederlage wird Matteo Zeuge eines verzweifelten Opfers, das ihm alles nimmt, was er liebt. Zurück bleibt nur grenzenloser Schmerz – und das geheimnisvolle, blutrote Buch der Runen.

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Seitenzahl: 221

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Erbe

Die Schatten des Schlafes ziehen Ellisa erneut in die vertraute Grauenhaftigkeit ihrer Albträume. Alistair

Manor. Schon der Name hallt in ihrer Seele wie ein düsterer Gesang. Ein Erbe, das eher einer Verdammnis gleicht, denn um dieses Gemäuer ranken sich

Geschichten, die das Blut in den Adern gefrieren lassen.

Doch eine Furcht übertrifft alle anderen: die Legende der uralten Bibliothek, die wie ein faulendes Herz tief unter dem Anwesen pulsiert.

Vor ihr erhebt sich Alistair Manor, eine gewaltige

Silhouette, die sich gegen den tiefschwarzen Nachthimmel abzeichnet. Zerbrochene Zinnen krallen sich wie knochige

Finger in die Dunkelheit, und die bleiverglasten Fenster starren wie blinde Augenhöhlen. Efeu, dick und

erstickend wie die Adern einer monströsen Kreatur,

umschlingt die verwitterten Mauern und scheint das Gemäuer langsam zu erdrosseln.

Der Wind pfeift heulend durch die zerbrochenen Scheiben und trägt das Stöhnen alter Steine sowie das leise

Klappern loser Fensterläden mit sich – eine unheilvolle

Melodie des Verfalls. Ein modriger Geruch, so alt wie das Haus selbst, hängt in der stickigen Luft und kündet von Dunkelheit und Vergessen.

Plötzlich verändert sich das steinerne Antlitz des

Herrenhauses. Schatten kriechen über die Fassade und formen fratzenhafte Gesichter in den Vertiefungen. Die blinden Fenster öffnen sich langsam und quälend, als würden die dunklen

Augenlider enthüllt. Aus der Tiefe des Hauses dringt ein leises, kratzendes Geräusch, das klingt, als

schleife Stein über Stein, und es zieht Ellisas Magen mit eisiger Angst zusammen.

In dieser Nacht erscheint Alistair Manor nicht wie ein geerbtes Anwesen, sondern vielmehr wie das

steinerne Maul eines gierigen Ungeheuers, das darauf wartet, sie zu verschlingen.

Ein schrei blieb ihr in der Kehle stecken, als sie die

Augen aufriss. Ihr Körper ist schweißnass, das Laken klebt unangenehm an ihrer Haut. Ihr Herz schlägt

wild gegen ihre Rippen, ein ungestümer Trommler, dessen pochen in ihren Ohren hämmert. Die

Dunkelheit in ihrem Schlafzimmer wirkt noch immer bedrohlich, als wären die Schatten des Traums nicht

ganz verschwunden. Sie tastet nach ihrer Brust, spürt den rasenden Puls und bemüht sich, ihren Atem zu beruhigen.

Alistair Manor: Sogar im wachen Zustand fühlt sich der Name wie ein kalter Stein auf ihrer Zunge an.

Ellisa liegt da und blickt an die Decke. Warum ausgerechnet Alistair Manor? Warum plagen mich

immer diese Albträume? Die schreckliche Gestalt des Herrenhauses, die blinden Fenster, das

unheilvolle Knarren – es fühlt sich jedes Mal so

lebendig und bedrohlich an. Gerade als sie beginnt, tiefer in diese quälenden Fragen einzutauchen,

ertönt plötzlich ihr Wecker, ein unerbittlicher Lärm,

der sie unsanft aus ihren düsteren Gedanken reißt.

Ellisa fühlt sich nicht nur erschöpft, sondern regelrecht ausgebrannt, als hätte der Albtraum ihr

Lebenselixier geraubt. Schwer atmend sinkt sie auf

die Bettkante, ihre Glieder wirken bleischwer und steif. Mit einer Hand tastet sie nach dem Wecker,

dessen grelles, unerbittliches Licht sie blendet, und stoppt das durchdringende Piepen. Zwar beruhigt sich das wilde hämmern ihres Herzens allmählich, doch die schrecklichen Bilder und das Gefühl der Gefangenschaft haften wie ein kalter, modriger Schleier an ihren Gedanken.

Zögernd zwingt sie sich, aufzustehen. Sie wickelt ihren Morgenmantel fest um sich, als könnte der zarte Stoff sie vor den unsichtbaren Schatten

bewahren, die weiterhin in den Ecken des Zimmers zu lauern scheinen.

Der Weg in die Küche kommt ihr seltsam lang und bedrohlich vor, als ob die vertraute Umgebung leicht verzerrt ist, als hätte der Albtraum seine Spuren

hinterlassen. Mechanisch bereitet sie den Kaffee zu, während die leisen Geräusche der Maschine in der

angespannten Stille nahezu ohrenbetäubend klingen.

Während sie wartet, bemerkt sie ein altes Foto, das auf der Anrichte steht. Es zeigt ein älteres Paar – ihre

Großeltern, deren Gesichter sanft und lächelnd im

Sonnenlicht strahlen. Doch im Hintergrund, düster und erdrückend, erhebt sich Alistair Manor. Selbst in diesem ruhigen Moment wirkt das Haus mehr als nur ein

Gebäude; es scheint eine dunkle Präsenz zu sein, seine blinden Fenster starren kalt und abweisend aus dem Hintergrund.

Ellisa schaudert, obwohl die Küche warm ist. Sie erinnert sich nur an die wenigen Male, die sie als Kind an diesem

Ort verbracht hat. Bereits damals hat das Haus eine instinktive, tief verwurzelte Angst in ihr hervorgerufen – eine Furcht, die nicht nur aus der Ungewissheit stammt,

sondern von etwas Uraltem, Hungrigem, das in seinen verrottenden Mauern lebt. Die wiederkehrenden Alpträume sind lediglich ein blasses Echo dieser frühen, unbegreiflichen Furcht.

Eine düstere, beunruhigende Erinnerung drängt sich in Ellisas Geist auf, so lebendig wie die Bilder ihres Traumes.

Sie sieht ihren Großvater vor sich, nicht mehr den liebevollen Mann, sondern einen rastlosen Schatten, der in seinen letzten Monaten wie ein Getriebener durch die weiten, kalten Hallen von Alistair Manor schleicht.

Er murmelt wirre, fieberhafte Fragmente über alte Runen, verbotene Bücher und ein gefährliches, verborgenes

Wissen, das tief unter dem Haus schlummern sollte. Für das Kind, das sie einst war, ergab all dies keinen Sinn, nur eine wachsende, unheilvolle Angst. Und dann, von einem

Tag auf den anderen, war er verschwunden – spurlos, als wäre er vom Haus selbst verschlungen worden.

Ihre Großmutter hat ihn verzweifelt gesucht, jeden staubigen Winkel des Anwesens durchkämmt, die leeren, starrenden Räume nach einem Zeichen abgesucht.

Doch auch sie verschwindet – ebenso spurlos, auf eine

Weise, die noch mysteriöser und erschreckender war als das Verschwinden ihres Mannes. Es ist, als hätte Alistair

Manor sie beide gefordert, sie in seine dunklen, schweigsamen Tiefen gezogen.

Seit der nüchterne, kalte Brief des Notars eintraf, der ihr mit distanzierter Bürokratie eröffnet, dass sie dieses

verfluchte, vom Tod geprägte Anwesen geerbt hat, haben die Alpträume begonnen. Sie scheinen kein Ende zu

nehmen, kein Entkommen zu bieten. Diese Träume sind nicht nur flüchtige nächtliche Erscheinungen; sie fühlen

sich an wie Einladungen oder grausame Vorahnungen, angezogen von der dunklen, unheilvollen

Anziehungskraft des Hauses und den ungelösten

Geheimnissen rund um das Verschwinden ihrer

Großeltern, die wie ein kalter Nebel über Alistair Manor schweben.

Mit zitternden Händen greift Ellisa nach dem frisch gebrühten Kaffee. Der vertraute Duft durchdringt die

Küche, doch er vermag die modrige Kälte nicht zu vertreiben, die sich seit ihrem Traum in ihr festgesetzt

hat. Selbst in diesem alltäglichen Moment kreisen ihre

Gedanken unaufhörlich um Alistair Manor. Das Bild des düsteren Hauses, die Gesichter ihrer

verschwundenen Großeltern, die unheilvollen Legenden über die Bibliothek und das Murmeln von Runen – sie

lassen sie nicht los. Das Herrenhaus erscheint näher und realer, als es eigentlich sein sollte.

Gerade als die Schwere ihrer düsteren Gedanken sie erneut zu überwältigen droht, durchbricht ein plötzliches, lautes Klingeln die bedrückende Stille.

Ihr Herz macht einen heftigen Sprung; für einen kurzen, beängstigenden Moment fürchtet sie, es könnte eine

weitere düstere Nachricht sein, möglicherweise sogar vom

Haus selbst. Ein Blick auf das Display bringt eine kleine, willkommene Erleichterung, wie ein schwacher

Lichtstrahl in der Dunkelheit: Es ist Matteo, ihr bester Freund.

Sein Name, ganz gewöhnlich und vertraut, der größte

Halt inmitten ihrer Ängste und zieht sie vorübergehend zurück in die sichere, greifbare Welt jenseits der Schatten von Alistair Manor.

Mit zitternden Händen, die den Kaffeebecher fest umklammern, nimmt Ellisa den Anruf entgegen. „Hallo, Matteo?“, sagt sie, und ihre Stimme klingt dünner als beabsichtigt.

„Ellisa! Hey! Schön, von dir zu hören. Aber... was ist los? Du klingst ja schrecklich. Ist alles in Ordnung?“ Matteos vertraute Stimme wird zu einem plötzlichen Anker in der stürmischen See ihrer Gedanken, doch die Besorgnis darin lässt Ellisa nur noch mehr zusammenzucken.

Sie zögert und sucht nach Worten, die nicht völlig absurd wirken. „Ich… ich hatte wieder diesen Albtraum, Matteo.

Von Alistair Manor.“ Es fällt ihr schwer, die Angst in ihrer Stimme zu verbergen. „Es wird zunehmend

schlimmer. Immer realistischer.“ Sie erzählt ihm von den bröckelnden Wänden, den blinden Fenstern, dem

bedrückenden Gefühl, beobachtet zu werden, und dem unheimlichen Kratzen aus der Dunkelheit.

Matteo hörte geduldig zu, sein anfänglich lockerer Ton offenbarte eine tiefe Besorgnis. „Wow, Ellisa. Das klingt... heftig. "Ein krasser Traum.“

„Es ist mehr als nur ein Traum, Matteo“, widersprach sie leise und flüsterte. „Es fühlt sich an, als würde das Haus

selbst in meinen Kopf kriechen. Und es hat Erinnerungen

hervorgebracht… erinnerst du dich noch an das, was mit meinen Großeltern geschehen ist?“ Die Frage hängt

schwer in der Luft. „Wie Großvater immer seltsamer wurde, besessen von diesem Haus, von Runen und

Büchern, und dann... einfach verschwunden ist? Und

Großmutter... wie sie ihn gesucht hat und dann ebenfalls weg war?“

Am anderen Ende der Leitung herrscht Stille, die länger dauert als nur einen Moment. „Ja“, sagt Matteo

schließlich, seine Stimme klingt jetzt ernst. „Natürlich

erinnere ich mich. Es ist... mysteriös. "Darüber spricht man nie wirklich, oder?“

„Nein“, bestätigt Ellisa. „Weil es keine Erklärung gibt.

Und jetzt... jetzt, wo ich den Brief vom Notar erhalten habe… seitdem ich erfahren habe, dass ich dieses Anwesen geerbt habe, hören die Albträume einfach nicht auf. "Es fühlt sich an, als wäre die Erbschaft ein Schlüssel, der etwas in mir weckt.“

Matteo seufzt. „Verdammter Mist, Ellisa. Das klingt wirklich furchtbar. Ich mache mir Sorgen um dich. "Du steigerst dich da nicht zu sehr hinein, oder?“

„‚Ich wünsche, ich würde es tun‘, antwortet sie, während eine Träne ihre Wange hinunterläuft. ‚Aber es fühlt sich an, als greift etwas in diesem Haus nach mir. Als würde es mich anziehen wollen.‘

‚Okay, okay‘, sagt Matteo hastig, als wolle er ihre Angst beruhigen. ‚Hör zu. Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Du klingst, als bräuchtest du jemanden zum

Reden. Jemanden echten, nicht nur eine Stimme am Telefon.‘

Ellisa nickt, auch wenn er es nicht sehen kann. ‚Ja … das wäre gut.‘“

„Lass uns einen Kaffee trinken gehen“, schlägt Matteo mit fester Stimme vor. „Irgendwo gemütlich, wo wir in

Ruhe reden können. Ich möchte sehen, dass es dir gut geht. "Oder zumindest, dass du nicht allein durch all diesen Scheiß musst.“

Ein kleiner Funke Hoffnung oder zumindest

Erleichterung flammt in Ellisas Brust auf. „Ja“, antwortet sie, diesmal entschlossener. „Ja, das wäre großartig. "Sehr gerne.“

Obwohl Matteos Stimme und das Versprechen eines

Treffens einen Spalt in die Dunkelheit bringen, weicht das kalte Gefühl der Bedrohung nicht vollständig. Alistair

Manor schwebt weiterhin in ihren Gedanken und seine

Schatten greifen nach ihr, selbst während sie mit ihrem besten Freund spricht.

Ellisa nickt erneut, auch wenn Matteo es nicht bemerken kann. „Ja… das wäre gut. "Sehr gut.“ Das unkomplizierte

Angebot ihres Freundes ist ein kleiner, willkommener

Lichtblick in der erdrückenden Dunkelheit, die sie zu umschließen droht.

„Perfekt“, sagt Matteo, und seine Stimme fest, während ein Hauch von Erleichterung mitschwingt, dass er sie

erreichen kann. „Lass uns nicht hier in der Stadt bleiben. Erinnerst du dich an dieses charmante kleine Café, ‚Zum

Vergessenen Winkel‘, etwas außerhalb? Dort ist es ruhig, und wir können ungestört in aller Ruhe reden. Passt dir

das morgen?“

Ellisa überlegt kurz. Morgen. Abseits der gewohnten,

alltäglichen Pfade der Stadt. Der Gedanke an diesen

etwas versteckten, doch behaglichen Ort, an dem die Zeit

stillzustehen scheint und alte Holzmöbel zusammen mit verblichenen Tapeten eine skurrile, beinahe zeitlose

Atmosphäre erzeugen, ist wie eine kleine Erleichterung.

Ein Stück Normalität, weit entfernt von der erdrückenden Präsenz von Alistair Manor. „Ja, ich kenne den Ort“, sagt sie, ihre Stimme gewinnt an Entschlossenheit. „Das klingt

perfekt. Morgen, im ‚Vergessenen Winkel'. "Wann wollen wir uns treffen?“

Sie vereinbaren einen Zeitpunkt am Nachmittag.

Nachdem sie das Gespräch beendet hat, hält Ellisa das

Handy noch einen Moment lang fest in der Hand, als wäre es ein Talisman. Das bevorstehende Treffen mit

Matteo stellt einen kleinen, strahlenden Lichtblick dar in der bedrückenden Dunkelheit, die Alistair Manor wie ein

Leichentuch über ihr Leben legt. Er wird zuhören, versuchen zu verstehen und vielleicht sogar helfen. Doch die Kälte des Hauses, die Schatten ihrer Großeltern und die ungelösten, unheimlichen Rätsel bleiben bestehen.

Das Gespräch hat die erdrückende Last nicht beseitigt, aber es hat sie zumindest für einen kurzen Moment teilbar gemacht. Für den Moment.

Das Gespräch mit Matteo ist zu Ende, und der kleine

Hoffnungsschimmer, den es mit sich bringt, verblasst

allmählich. Die drückende, erdrückende Schwere ihrer

Ängste kehrt mit voller Wucht zurück. Das Warten auf den nächsten Tag scheint unerträglich lang, und die

quälenden Fragen in ihrem Kopf lassen ihr keine Ruhe.

Sie muss jetzt handeln, irgendetwas unternehmen, um das

Gefühl der Ohnmacht zu durchbrechen und vielleicht einen kleinen Funken Klarheit zu erlangen.

Der Gedanke, der sich in ihrem Kopf festsetzt, ist sowohl beängstigend als auch unvermeidlich: Sie muss mehr über

Alistair Manor erfahren. Mehr als nur die bruchstückhaften Erinnerungen, die beunruhigenden

Albträume und die düsteren Legenden. Mit widerwilligen, schweren Schritten nähert sie sich ihrem

Laptop, der auf dem Schreibtisch wie ein Portal zu unbekannten, dunklen Abgründen steht. Jede Faser ihres Körpers, jeder Muskel widersetzt sich dem, was sie vorhat.

Ihre Finger schweben über der Tastatur und zögern quälend lange. Die Angst ist spürbar, kalt und lähmend,

schnürt ihr die Kehle zu. Eine gewaltige, alles verzehrende Furcht vor dem, was sie entdecken könnte, ergreift von ihr Besitz.

Was verbergen die alten Mauern tatsächlich? Welche dunklen und verstörenden Geheimnisse verbirgt die

legendäre Bibliothek, die tief unter dem Anwesen liegt?

Und was geschah wirklich mit ihren Großeltern, nachdem ihr Großvater anfing, von Runen und verborgenem Wissen zu murmeln? Der Gedanke, dass sie bald

Antworten finden könnte, ist fast ebenso erschreckend wie die Ungewissheit selbst.

Doch die Neugier, vielleicht auch eine düstere Vorahnung, die in ihr brodelt, treibt sie unwiderstehlich voran. Mit zitternder Hand, als würde sie etwas Verbotenes berühren, tippt sie die gefürchteten Worte in die

Suchleiste: „Alistair Manor“. Sie klickt auf „Suchen“ und hält den Atem an.

Was nun geschieht, lässt ihr das Blut in den Adern gefrieren und die Luft in ihren Lungen stocken. Statt nur einiger übersichtlicher Suchergebnisse, die sie in Ruhe durchsehen kann, öffnet sich Seite um Seite, Link um

Link, als ob eine unsichtbare Kraft am Werk ist. Ein

Fenster nach dem anderen springt auf, als würde das

Internet selbst mit einem überwältigenden Ansturm düsterer, chaotischer Informationen auf den Namen Alistair Manor reagieren.

 

Schatten der Vergangenheit

Schlagzeilen über aktuelle Unglücke und Todesfälle, vergilbte Artikel über die Familie und ihr seltsames

Verschwinden, sowie Hinweise auf alte Legenden und beunruhigende Gerüchte über das Anwesen – all dies

strömt auf sie ein, zu schnell, zu viel, überwältigend. Ihr

Blick huscht panisch über die Bildschirme, über düstere, grobkörnige Fotos des Anwesens, die selbst auf den

harmlosesten Seiten bedrohlich wirken, als würden die blinden Fenster sie direkt anstarren und urteilen.

Ein eisiger Schauer durchläuft ihren Rücken, so stark, dass es wirkt, als greife eine unsichtbare, kalte Hand nach

ihr und halte sie von hinten fest. Panik überkommt sie mit

voller Wucht und lähmt sie für einen Moment, bevor der reine Fluchtinstinkt die Oberhand gewinnt. Der

Bildschirm, der Laptop – es scheint beinahe, als trete das

Haus selbst aus der Technologie hervor und werfe seine bedrohlichen Schatten sowie Geheimnisse in ihr Zimmer.

Mit einem keuchenden Geräusch, das wie ein Schrei und ein Würgen zugleich klingt, knallt sie den Laptop zu, mit einer panischen Kraft, die das Plastik unter ihren Händen knarren und splittern lässt.

In der Zwickmühle

An die geschlossene Tür gelehnt, zittert sie am ganzen Körper, während ihr Herz wild gegen die Brust hämmert. Sie murmelt leise zu sich selbst, die Worte stolpern über ihre Lippen, flehend: „Nein… das kann ich nicht alleine

schaffen. Nicht so. Ich mache es morgen… morgen mit Matteo.“

Zitternd, als haftet die Kälte des Laptops und der aufgewirbelten Geheimnisse noch immer an ihr, zieht sich

Ellisa allmählich von der geschlossenen Tür zurück. Das wilde, dröhnende Pochen ihres Herzens hallt laut in ihren Ohren und übertönt das Geräusch ihres hastigen Atems.

Jeder Schatten im Flur scheint zu leben, und jede Stille lauert auf eine Gelegenheit.

Irgendwie gelangt sie ins Bad, getrieben von einem plötzlichen, verzweifelten Bedürfnis nach Reinigung, nach dem Abwaschen der Panik und der dunklen,

eindringlichen Bilder. Ein Ort, der Sicherheit bieten soll.

Mechanisch dreht sie den Wasserhahn auf, stellt die

Dusche ein und wartet, bis der Strahl warm wird. Sie stellte sich unter das entspannende Wasser, das für einen kurzen Moment wie eine kleine, schützende Oase wirkt.

Leise seufzt sie, während die Wärme ihre verspannten

Muskeln ein wenig löst. Sie schließt die Augen und versucht, nur dem Rauschen des Wassers zu lauschen.

Doch die zarte Erleichterung hält nicht lange an.

Plötzlich überkommt sie ein beklemmendes, erstickendes

Gefühl der Enge, als würden die Wände des kleinen Bades näher zusammenrücken und der Wasserdampf ihr die

Luft rauben. Ein weiterer, intensiver Schauer durchfährt

ihren Rücken, diesmal begleitet von dem schrecklichen, unaufhaltsamen Gefühl, nicht allein zu sein. Es ist, als

würde jemand – oder etwas – direkt hinter ihr stehen, so nah, dass sie jeden Moment eine Berührung erwarten

könnte: eine eiskalte Hand auf ihrer warmen Haut, ein leises Flüstern in ihrem Ohr.

Die angenehme Wärme verwandelt sich in drückende, unerträgliche Hitze; die Dusche wird zur Falle, das

Plätschern des Wassers verwandelt sich in ein bedrohliches Grollen. Sie hält es keinen Moment länger aus, reißt den Duschvorhang zur Seite und springt

keuchend und zitternd aus der Wanne, während das

Wasser von ihrem Körper abperlt. Zitternd vor Angst greift sie nach einem Handtuch, während ihr Blick wie

magisch zum beschlagenen Spiegel hingezogen wird. Mit zitternder Hand wischt sie hastig einen Bereich frei, während ihr Atem in hektischen Stößen geht.

Ein bleiches, von blankem Schrecken gezeichnetes Gesicht einer jungen Frau Anfang dreißig tritt in den

Vordergrund. Ihr kurzes, schwarzes, nasses Haar klebt in wirren, dunklen Strähnen an Stirn und Wangen und unterstreicht die weit aufgerissenen, angsterfüllten Augenhöhlen.

Ihre Locken hängen nass und zerzaust, ihr

Gesichtsausdruck spricht Bände des Entsetzens. Es ist zwar ihr Spiegelbild, doch in diesem Augenblick erscheint es fast fremd – wie die Maske einer Frau, die zu lange in

die Abgründe schaut und von der Dunkelheit gezeichnet

ist, die aus den Tiefen von Alistair Manor zu kommen scheint und sich nun in ihrem eigenen Antlitz widerspiegelt.

Noch immer von Angst umgeben und am ganzen Körper zitternd, hüllt sich Ellisa in ein Handtuch und taumelt aus dem Badezimmer. Die Panik der letzten Minuten gräbt

sich tief in ihre Knochen ein und lässt ihre Glieder schlaff

und kalt zurück. Mechanisch zieht sie sich das Nächste

über, das ihre Hände finden – einen viel zu großen, weichen Pullover, in dem sie förmlich zu versinken

scheint, sowie eine weite Jogginghose. Diese Kleidung wirkt mehr wie ein Schutzschild als wie etwas für ein

bevorstehendes Treffen und lässt darauf schließen, dass sie bis morgen nicht vorhat, die sichere Umgebung ihres Hauses zu verlassen.Getrieben von einer inneren Unruhe, die sich nicht abschütteln lässt, oder vielleicht von einer unbewussten

Suche nach etwas Greifbarem inmitten des Chaos, schreitet sie langsam und schleichend durch ihr Zuhause.

Wie in einem Trancezustand gleiten ihre Finger über die

Oberflächen der Möbel, über die Bücherregale, die staubige Oberfläche eines Klaviers und all die vertrauten Objekte, die in diesem Moment seltsam fremd wirken, als würden sie ebenfalls von einer unsichtbaren, unheilvollen Präsenz berührt.

Jetzt bleiben ihre Finger abrupt an einem bestimmten Buchrücken in einem der Regale im Wohnzimmer stehen.

Es ist ein altes, bemerkenswert dickes, ledergebundenes

Buch, dessen Einband sich rau und schwer unter ihrer

Berührung anfühlt. Eine Welle der Erinnerungen überkommt sie, getrübt von Trauer und dem

zunehmenden Schatten des Unbekannten.

Großvater hat es ihr geschenkt, irgendwann vor seinem Verschwinden. Sie erinnert sich noch lebhaft an den

Moment, als er ihr das schwere Buch überreicht – seine großen, warmen, aber damals schon leicht zitternden

Hände, und die Augen, die eine merkwürdige Mischung aus Hoffnung, Dringlichkeit und Besorgnis zeigen.

Heute wundert sie sich über das Geschenk und ist verärgert über diesen altmodischen, unhandlichen

Gegenstand in einer Zeit der digitalen Medien. „Ein

Buch?“, denkt sie, jugendlich und ungeduldig, „Tz. Dafür gibt es doch Handys und E-Reader, auf denen man

tausend Bücher gleichzeitig haben kann und die kaum

Gewicht haben.“ Doch sie nimmt es, um ihn nicht zu enttäuschen, stellt es irgendwo ins Regal und vergisst es schnell im Strudel des Alltags.

Jetzt, viele Jahre nach seinem rätselhaften Verschwinden und dem ihrer Großmutter, sowie all den gruseligen

Ereignissen, die Alistair Manor umgeben und sie in ihren

Albträumen verfolgen, verspürt sie eine merkwürdige

Erleichterung, ja fast Dankbarkeit, dass sie es noch besitzt. Es ist mehr als nur ein verstaubtes Relikt

vergangener Zeiten; es fühlt sich an wie eine greifbare

Verbindung zu ihm und zu den Geheimnissen, die er am

Ende seines Lebens so verzweifelt zu entschlüsseln versucht – Geheimnisse, die ihm möglicherweise das

Leben gekostet haben. Vorsichtig zieht sie das Buch aus dem Regal, während der alte Duft von Papier und Leder

ihr in die Nase steigt. Vielleicht birgt dieses unscheinbare, längst vergessene Buch den Schlüssel zu dem, was in Alistair Manor tatsächlich geschieht.

Mit dem schweren, alten Buch in ihren Händen verspürt

Ellisa ein Gefühl der Unruhe, gepaart mit einer seltsamen, drängenden Notwendigkeit. Sie begibt sich

zum Sofa, setzt sich darauf und hüllt sich in eine weiche, kuschelige Decke, als wolle sie sich nicht nur gegen die

Kälte von außen schützen, sondern auch gegen die innere Unruhe, die seit dem Albtraum und der misslungenen Suche an ihr nagt.

Sie legt das Buch behutsam auf den kleinen Couchtisch vor sich. Es wirkt schwerfällig und abweisend mit seinem

dunklen, abgenutzten Ledereinband – ein Fremdkörper in ihrem ansonsten vertrauten Wohnzimmer. Ihr Herz

schlägt unregelmäßig und schneller, als ihr Blick darauf fällt. Was wird sie darin entdecken? Nur veraltete,

unverständliche Texte über längst vergangene Zeiten?

Oder vielleicht etwas, das direkt mit Alistair Manor, den geheimnisvollen Legenden und dem plötzlichen

Verschwinden ihrer Großeltern in Verbindung steht?

Zögernd und fast ängstlich, als ob sie eine verschlossene

Tür zu etwas Gefährlichem öffnet, hebt sie die Hand, um die erste Seite aufzuschlagen. Der alte Einband knarrt leise, ein leiser Protest des abgenutzten Leders.

Tatsächlich findet sie auf der Innenseite in der zittrigen, aber unverkennbar vertrauten Schrift ihres Großvaters eine Widmung. Ellisas Augen gleiten über die Zeilen, während ihr der Atem stockt:

„Für meine geliebte Ellisa.

Möge dieses Buch Licht bringen, wo Dunkelheit herrscht.

Bewahre das Wissen, das darin verborgen ist, egal, was es kostet.

Sei stark und fürchte dich nicht, wenn die alten Mauern zu sprechen beginnen und die Tiefen nach dir rufen.

In Liebe und mit der Hoffnung auf Schutz,

Dein Großvater“

Die letzten Worte, die ein Mann vor einer Ewigkeit verfasst hat und der im Dunkeln von Alistair Manor

verschwindet, erscheinen jetzt wie eine unheilvolle, direkte Botschaft aus der Vergangenheit – eine Vorahnung, die auf beängstigende Weise Wirklichkeit wird. Das Buch fühlt sich plötzlich noch schwerer an,

nicht nur aufgrund seines physischen Gewichts, sondern auch wegen der Last der Geheimnisse, die es möglicherweise birgt.

Ellisa blickt auf die Worte ihres Großvaters, und die Tinte scheint sich vor ihren Augen zu winden. Ihr Atem ist

flach und stockend, als hätte jemand ihr die Luft

genommen. Die Widmung ist keine liebevolle Erinnerung

an glückliche Tage; sie ist vielmehr eine Warnung, eine unheilvolle, wahnsinnige Prophezeiung. Das Wissen

bewahren? Wenn die Mauern zu sprechen beginnen? Der

Klang erinnert an den fieberhaften Wahnsinn, der ihren Großvater letztlich erfasst, kurz bevor er für immer verschwand.

Ihre Hand liegt immer noch auf der ersten Seite und zittert so stark, dass sie das alte Papier sanft zerknittert. Die Vorstellung, die nächsten Seiten umzublättern und tiefer in das Buch einzutauchen, um seine verborgenen Geheimnisse zu entdecken, erscheint plötzlich wie eine unmögliche und nahezu gefährliche Aufgabe. Ihre Angst lähmt sie, fesselt ihre Glieder an das Sofa und lässt sie erstarren wie ein Insekt im Bernstein.

Sie kann die Hand nicht bewegen, um die Seite umzublättern und sich den Wahrheiten zu stellen, die das

Leben ihrer Großeltern gekostet haben. Stattdessen versinkt sie tiefer in die Ecke der Couch und zieht die

weiche, kuschelige Decke fester um sich, als wäre sie eine letzte, unzerbrechliche Rüstung gegen das Grauen des Buches und die bedrohliche Widmung.

Sie schließt die Augen, nicht unbedingt um zu schlafen, sondern um die Bilder der Worte ihres Großvaters und die drohende, unsichtbare Präsenz von Alistair Manor auszublenden.

Die tiefgreifende Erschöpfung, die seit dem ersten

Albtraum unaufhörlich in ihren Gliedern nagt, vermischt sich mit einer überwältigenden,

erdrückenden Angst und zieht sie in eine schwere,

unwirkliche Benommenheit. Trotz ihrer Furcht und der unerledigten Fragen, die vor ihr auf dem Tisch

liegen, schläft sie bald ein, die Decke fest umklammert, als könnte sie sie festhalten und daran hindern, abzurutschen.

Doch der Schlaf bringt keine Befreiung, sondern lediglich einen Übergang. Erneut fangen sie die Fänge des Traumes ein und ziehen sie zurück in die vertraute, quälende

Grauenhaftigkeit. Wieder steht sie vor dem Alistair

Manor, dem steinernen Ungeheuer ihrer Albträume, das sich gegen den tiefschwarzen Himmel abhebt. Die

monströse Silhouette erhebt sich, während die

zerbrochenen Zinnen sich in die Dunkelheit krallen und Efeu die Mauern wie strangulierende, blutgefüllte Adern umschlingt.

Doch diesmal ist alles anders. Etwas Neues und zutiefst

Beunruhigendes sorgt dafür, dass sich ihr Magen zu einem kalten Knoten zusammenzieht. Die große,

kunstvoll verzierte Eichentür, die normalerweise fest

verschlossen ist und für die Unzugänglichkeit sowie die verborgenen Schrecken im Inneren steht, steht nun weit offen. Dahinter gähnt eine tiefe, pechschwarze Leere – eine Einladung oder eine Drohung, die finsterer und verlockender wirkt als die abweisende, geschlossene

Fassade. Ein eisiger Wind scheint aus der Dunkelheit zu wehen und trägt das Flüstern vergessener Geheimnisse sowie ein leises, kratzendes Geräusch mit sich – das

Geräusch, das sie schon einmal gehört hat, das Geräusch des Hauses, das sich berührt, das sich öffnet. Und es wartet.

Ellisas Angst schießt ins Unermessliche – eine Welle reinen Horrors, die droht, sie in diesem Albtraum zu

zerreißen. „Nein… Nein!“, stammelt sie, obwohl ihr

bewusst ist, dass es in diesem Traum keinen Laut gibt, der ihre Panik ausdrücken könnte. „Das kann nicht sein! Das

ist nicht echt! Es ist doch nur ein Traum! Das kann nicht real sein! Das gibt es nicht!“ Ungläubig, panisch und

verzweifelt kämpft ihr Geist gegen die erschreckende,

unausweichliche Logik des Albtraums an und versucht, sich gegen das zu wehren, was ihre Augen erblicken: die offene, gähnende Leere hinter der Tür, die sie wie ein schwarzes Loch in sich zu ziehen scheint.

Mit einem scharfen, keuchenden Atemzug wendet sie sich von der offenen, pechschwarzen Dunkelheit der Tür ab. Hektisch und verzweifelt sucht sie nach einem Ausweg, einem Weg zurück in die Sicherheit, einem Spalt in der Albtraumrealität, durch den sie entkommen kann.

Sie rennt, doch ihre Füße scheinen im morastigen Boden gefangen zu sein; jede Bewegung fällt ihr schwer und

erfolgt quälend langsam. Es gibt keinen Ausweg. Nur die unheilvolle Stille des Anwesens hinter ihr und die undurchdringliche Dunkelheit vor ihr.

Plötzlich erstarrt sie. Ihre Nackenhaare richten sich auf, und jeder Muskelstrang spannt sich an. Das Gefühl ist unverkennbar, obwohl sie in der Dunkelheit um sich

herum nichts erkennen kann. Etwas steht direkt hinter ihr

– eine Präsenz. Kalt. Sie hört ein flaches, tiefes Keuchen, ganz nah an ihrem Ohr, wie der Atem von etwas

Verrottendem, das seit Jahrhunderten im Erdreich ruht.

Dann ein Flüstern, das nicht aus der Luft zu stammen scheint, sondern sich direkt in ihren Geist schleicht, ein Versprechen von Dunkelheit und Verfall.