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Die Geschichte handelt von einem 16. Jährigen Jungen, Aaron, der mehr zu seien scheint als ein normaler Teenager. Aufgrund seiner familiären Traumata sieht er sich mit einer unwirklichen Welt und noch unvorstellbareren Wesen konfrontiert, die allesamt eigene Ziele zu verfolgen scheinen. Es ist der Anfang einer epischen Fantasy-Thriller Trilogie ...
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Seitenzahl: 228
Veröffentlichungsjahr: 2023
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All Human Beings
Eigentlich bin ich Drehbuchautor. All Human Beings ist so etwas wie eines meiner Herzensprojekte, das, so hoffe ich, eines Tages in filmischer Form zu sehen sein wird. Da ich kein Millionär bin und mir der große Erfolg noch, Betonung auf noch, verwehrt blieb, ich aber die Geschichte in diesem Buch trotzdem mit anderen Teilen wollte, habe ich mich dazu entschieden, mein Drehbuch in einen verhältnismäßig kurzen Roman zu adaptieren. Es ist durchaus ein spannender Prozess gewesen, ein Drehbuch, das eigentlich als eine Art Anleitung der Filmcrew dient, in einen Roman zu transformieren, in dem nur die von mir geschriebenen Worte und die Gedanken der Leser darüber entscheiden, auf welche Weise die Geschichte wirkt.
All Human Beings ist als eine Trilogie gedacht, in der dieser Teil vielmehr so etwas wie einen langen Prolog darstellt, der als Grundlage dient, damit die eigentliche Geschichte beginnen kann. Was nicht bedeutet, dass in diesem Roman nichts passiert. Im Gegenteil, die Figuren durchlaufen Charakterentwicklungen und erleben eine Geschichte, die Konflikte erschafft und erschaffen wird, die über die Trilogie verteilt ihre Wirkung zeigen werden.
Es ist eine Geschichte, die sich mehrerer Mythen, Sagen und Erzählungen großer Religionen bedient, darunter das Christentum, der Islam und das vor allem das Judentum. Tatsächlich bin ich eigentlich kein großer Fan solcher Religionen. Betrachtet man die Geschichte, gibt es kaum einen Grund, der mehr Leid, Tod und Schrecken in der Welt verursacht hat und es noch tut. Trotzdem muss ich zugeben, besitzen sie alle Inhalte, Geschichten und Gedanken, die mehr sind, als nur ein pures Werkzeug der Kontrolle, Ausbeutung und Machterhalt. So bedenke man zum Beispiel, dass es kaum ein “Worldbuilding” in der Geschichte gab, in dem die Grenze zwischen Realität und Fiktion dermaßen klein war. Über Jahrtausende hinweg existieren in den Köpfen der Menschen ein Gott, Engel, Teufel und viele Wesen, Kräfte und Orte mehr, die für sie die Realität bestimmten. Natürlich haben wir all das heutzutage als reine Fiktion abgetan, zurecht, und trotzdem muss ich sagen bewundere ich diese Mythologien, die für den damaligen Menschen die Welt war, in der er lebte.
An meiner alten Schule bot mir ein Lehrer die Möglichkeit, in seiner Mittagspause, eben solche Religionen aus einer anderen Perspektive zu betrachten, ohne die ich gar nicht erst auf die Ideen, die in diese Trilogie einfließen, gestoßen wäre. Somit möchte ich damit auch meinen Dank dafür aussprechen.
Außerdem finde ich es spannend, wie sehr die Hilfe meines Umfelds während des Schreibprozesses in die Geschichte eingeflossen ist. Ob durch die Hilfe der besten Freunde oder der Eltern, auf gewisse Weise inspirierten diese Unterstützungen, einige der Handlungen innerhalb des Romans. Dafür Danke!
Das Dunkel der Nacht legte sich wie ein Schleier über die Straßen Rios. In der Ferne hörte man das Rauschen des Ozeans, aber es waren nicht nur die natürlichen Geräusche, die die Nacht erfüllten. Das Knistern und Prasseln, das in die Stille einschnitt, gehörte zu einem Haus der Mittelschicht, das am Ende einer schmalen Straße stand. Aus den Fenstern des zweistöckigen Gebäudes stieg dicker, grauschwarzer Qualm empor, der sich rasch mit der frischen Seeluft vermischte und einen beißenden Geruch hinterließ. Flammen, orangerot und unerbittlich, leckten an den Fensterrahmen und verschlangen gierig die Vorhänge, die sich hinter dem Glas bewegten.
Eine Frauenstimme, eindringlich und doch seltsam entrückt, schwebte in der Luft, als wäre sie der Wind selbst: "Verglühend in einem Kreislauf," begann sie, und ihre Worte klangen wie ein Gedicht, das von Schmerz und Verlust erzählt. "Geschaffen durch einen irregeführten Gedanken." Es war unklar, ob diese Worte die Geschichte des brennenden Hauses erzählten oder ob sie eine tiefere, universelle Bedeutung hatten.Passanten, angelockt durch den Rauch und das Feuer, sammelten sich auf der Straße. Einige zückten ihre Handys, um das Geschehen zu filmen, andere schrien um Hilfe oder riefen nach Wasser. Aber über all dem Lärm und der Hektik schien die Frauenstimme präsenter denn je, als würde sie über Zeit und Raum hinweg sprechen, als Zeuge eines ewigen Zyklus von Zerstörung und Neuanfang.
Inmitten des Chaos stand ein junger Mann, die Hände zu Fäusten geballt, Tränen in den Augen. Er schaute auf das Haus, das einst sein Zuhause gewesen war, und in seinem Blick lag eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und unendlicher Traurigkeit. War es sein irregeführter Gedanke, der zu diesem Inferno geführt hatte? Oder war es das Schicksal, das auf unergründliche Weise sein Leben verändert hatte? Das Innere des Hauses war ein Inferno. Das Wohnzimmer, einst ein Ort des Zusammenkommens und der Freude, war nun von Flammen und Rauch erfüllt. Doch das eigentümlichste Bild bot eine einzelne, majestätische Flamme, die sich mitten im Raum wie eine Säule empor hob. Sie schien von keiner physischen Quelle genährt zu werden und schwebte frei, fast so, als wäre sie lebendig. Vor dieser beinahe übernatürlichen Erscheinung kniete Aaron, der 16-jährige Junge. Sein Gesicht war schwarz von Ruß und Tränen hinterließen deutliche Spuren darauf. Er schaute unentwegt in das lodernde Herz der Flamme, als suchte er darin Antworten. Die gleiche Frauenstimme erklang erneut, diesmal klarer und deutlicher: "Den eines Ichs." Es war, als würde sie direkt zu Aaron sprechen, ihm eine Botschaft oder eine Erklärung für das Chaos um ihn herum geben wollen.
Shamar hastete durch die engen Gassen von Rio de Janeiro, den kleinen Aaron fest an sich gedrückt. Schweiß rann ihm von der Stirn, während er die vertrauten Straßen hinunterrannte. Es war eine scheinbar gewöhnliche Nacht, bis ein orientierungsloser Brasilianer plötzlich auf die Knie fiel, sich kurz schüttelte und dann, ohne Vorwarnung, einen Schuss abfeuerte. Die plötzliche Gewalt brachte die bereits nervöse Stimmung auf der Straße zum Eskalieren. Panik brach aus, Menschen schrien und rannten in alle Richtungen, einige suchten Schutz, während andere nur entkommen wollten. Shamars Herz raste. Er konnte den Schrecken und die Angst in Aarons Augen sehen, und er wusste, dass er ihn in Sicherheit bringen musste. Er dachte an Diego, einen alten Freund, der in der Nähe wohnte. Als er vor Diegos Haus ankam, klingelte er hastig, seine Augen immer noch auf die Straße gerichtet, halb erwartend, dass der Schütze ihnen gefolgt war. Diego riss die Tür auf, und die beiden Männer tauschten besorgte Blicke aus.
"Shamar! Das ging schnell," bemerkte Diego, seine Stimme zitterte. "Etwas passiert hier … in der Stadt," keuchte Shamar, "Du meinst die Schüsse?" fragte Diego.
Shamar nickte und setzte Aaron ab, der sich ängstlich an seinem Bein festklammerte. "Diego wird sich jetzt um dich kümmern. Er ist ein Freund," beruhigte er den Jungen.
"Du bleibst nicht?" fragte Diego, der die Dringlichkeit in Shamars Augen sah.
"Etwas sagt mir, das sollte ich nicht," antwortete Shamar düster. Er kniete sich vor Aaron, streichelte liebevoll seine Wange und suchte nach den richtigen Worten.
"Hör zu, Kleiner," flüsterte er, "egal was passiert, erinnere dich immer daran, dass ich dich liebe. Bleib bei Diego, bis ich zurückkomme." Aaron nickte, Tränen füllten seine Augen, während er versuchte, mutig zu sein. Shamar stand auf, sah Diego an und flüsterte: "Pass gut auf ihn auf."
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich Shamar um und stürzte sich zurück in das Chaos der Straßen von Rio, getrieben von einem Gefühl, das er nicht ignorieren konnte. Es war, als würde ihn eine unsichtbare Kraft zu einem bestimmten Ort ziehen, zu einer Bestimmung, die er noch nicht kannte.
Diego schloss die Tür, zog Aaron an sich und versuchte, ihn zu beruhigen.
Die Türen von Diegos Haus waren dicht verschlossen, und er beobachtete durch einen Spalt im Fenster, wie sich die Panik auf den Straßen von Rio weiter ausbreitete. Aaron, immer noch sichtlich verängstigt, klammerte sich an Diegos Hand. "Was ist los, Diego?" fragte Aaron mit bebender Stimme.
Diego zögerte einen Moment, bevor er antwortete: "Ich weiß es nicht genau, Aaron. Aber wir müssen hier sicher sein, bis alles vorbei ist." Während sie sprachen, drangen die fernen Schreie und das unregelmäßige Hupen von Autos zu ihnen durch. Diegos Gedanken waren wirbelnd. Er wusste, dass er sich nicht nur um Aaron, sondern auch um seine eigene Familie kümmern musste.
Da klopfte es plötzlich an der Hintertür. Diego zuckte zusammen, zog Aaron an sich und näherte sich vorsichtig der Tür. Durch den Türspion erkannte er die vertrauten Gesichter seiner Nachbarn, Maria und Paulo, ein älteres Ehepaar, das seit Jahren neben ihm wohnte. Er öffnete schnell die Tür, und beide stolperten ins Haus, außer Atem und sichtlich erschüttert.
"Diego, danke Gott, du bist in Ordnung," sagte Maria und umarmte ihn fest. "Was ist passiert? Was löst diese Panik aus?" fragte Diego, während er ihnen Wasser brachte. Paulo rieb sich die Schläfen. "Es gibt Gerüchte über Angriffe in der Stadt. Niemand weiß genau, was vor sich geht. Die Menschen sind einfach in Panik geraten." Diego dachte an Shamar, der sich in dieses Chaos gestürzt hatte.
"Wir müssen einen Weg finden, Nachrichten zu bekommen. Vielleicht gibt es im Radio Informationen." Er schaltete sein altes Radio ein, und nach ein paar Sekunden Stille ertönte eine besorgte Stimme. "Bürger von Rio de Janeiro, bitte bleiben Sie in Ihren Häusern. Es gibt Berichte über unerklärliche Gewalt in der Stadt. Die Behörden versuchen, die Situation zu klären." Die Nachrichten bestätigten ihre schlimmsten Befürchtungen. Irgendetwas Schreckliches geschah in Rio, und niemand schien zu wissen, warum. Die Nacht zog sich hin, und die vier hockten zusammen im Wohnzimmer, lauschten dem Radio und warteten auf Updates. Aaron war eingeschlafen, erschöpft von den Ereignissen des Abends, und lag eng an Diegos Seite. Stunden vergingen, und schließlich kündigte das Radio an, dass die Situation unter Kontrolle gebracht wurde. Die Straßen würden jedoch noch mehrere Stunden für die Öffentlichkeit gesperrt bleiben. Als der Morgen anbrach, schien Rio de Janeiro eine Geisterstadt zu sein. Die Straßen waren verlassen, und eine unheimliche Stille legte sich über die Stadt. Doch trotz der Ruhe war die Anspannung spürbar. Diego wusste, dass sie nicht ewig in seinem Haus bleiben konnten. Während er den schlafenden Aaron betrachtete, nahm er sich fest vor, den Jungen zu beschützen, egal was passieren würde. Der nächste Schritt war, herauszufinden, was in dieser verhängnisvollen Nacht wirklich in Rio passiert war und wie sie alle sicher durch die kommenden Tage kommen könnten.
Das Jugendzimmer, ein stilles Refugium mit blassen Wänden und abgenutzten Möbeln, war Aarons Festung gegen die Außenwelt. Es war keine Pracht zu sehen, sondern ein Ort des Rückzugs. An den Wänden hingen ein paar Fotos, die die wenigen lichten Momente seines Lebens zeigten: Lachende Augenblicke mit Penelope, entspannte Tage mit Diego. Aber ein spürbares Fehlen zog sich durch den Raum, das Fehlen von Shamar und dessen unerfülltem Versprechen.
Mit sechzehn Jahren war Aaron bereits ein Meister darin geworden, die Welt auszublenden. Seine Zurückhaltung war teils durch die Abwesenheit einer stabilen Vaterfigur bedingt und teils durch den ständigen, namenlosen Begleiter, der wie sein Spiegelbild schien, ihn jedoch nie verließ. Dieser Doppelgänger, den nur Aaron sehen konnte, war wie ein ständiger Schatten, ein leises Echo vergangener Zeiten und verpasster Chancen.
Als Aaron gerade dabei war, seinen Rucksack mit Schulmaterialien zu füllen, öffnete sich die Tür und Penelope, das quirlige, achtjährige Mädchen, schaute herein. Ihre dunklen Augen waren voller Neugier, als sie fragte: "Du sollst runter kommen! Wir müssen gleich los."
"Ich weiß, Penny", murmelte Aaron, während er seine Gitarre beiseite legte und einen kurzen Blick auf den Wecker warf. Penelope, die sich noch immer im Türrahmen befand, runzelte die Stirn. "Hast du geweint?"
"Nein!" erwiderte er schnell, etwas schärfer als beabsichtigt. Sie kicherte, ein fröhliches, unschuldiges Lachen. "Hast du! Ich sehe es!" "Verdammt, nein! Und jetzt geh raus und lass mich in Ruhe!" rief Aaron, seine Frustration kaum verbergend.
Sie zog eine Schnute und drehte sich um, um das Zimmer zu verlassen. Doch Aarons Stimme hallte hinter ihr her. "Tür!"
Mit einem übertriebenen Seufzen kam sie zurück und schloss die Tür hinter sich. Es war eine dieser alltäglichen Interaktionen, die Aaron an die Normalität erinnerten, auch wenn sein Leben alles andere als gewöhnlich war.
Seine Zurückhaltung war teils durch die Abwesenheit einer stabilen Vaterfigur bedingt und teils durch den ständigen, namenlosen Begleiter, der wie sein Spiegelbild schien, ihn jedoch nie verließ. Dieser Doppelgänger, den nur Aaron sehen konnte, war wie ein ständiger Schatten, ein leises Echo vergangener Zeiten und verpasster Chancen. Während Aaron seinen Rucksack mit Schulmaterialien füllte, flüsterte der Doppelgänger, stets besorgt um Aarons Wohlbefinden: "Du solltest dich beeilen. Der Unterricht beginnt bald."
Aaron seufzte, seine Augen flackerten mit einer Mischung aus Resignation und Entschlossenheit. "Jeder Tag ist wie ein Berg, den ich erklimmen muss."
Der Doppelgänger neigte den Kopf, seine stumme Präsenz war tröstlich und zugleich bedrückend. Obwohl sie nicht physisch interagierten, schien es, als würde er Aarons Emotionen teilen, als wäre er sowohl Zeuge als auch Teilnehmer an Aarons inneren Kämpfen.
Nach einem Moment des Innehaltens schluckte Aaron die aufkommende Melancholie herunter und straffte die Schultern. Mit neuem Elan und dem Bewusstsein, dass er nicht völlig allein war, verließ er das Zimmer, bereit, einem weiteren Tag in der Welt draußen zu begegnen.
In der Küche zog der Duft von frisch gebrühtem Kaffee seine Kreise. Diego, in einer entspannten Pose an der Arbeitsplatte lehnend, trank einen Schluck, während er durch das Küchenfenster blickte. Penelope, die kleineren Schritte im Eiltempo, eilte an den Tisch und griff nach einem Stück Brot.
„Guten Morgen“, murmelte Aaron, als er in den Raum trat und sich neben Penelope setzte.
Diego lächelte. „Wie hast du geschlafen?“ Aaron zuckte mit den Schultern. „Wie immer. Nicht sehr tief.“
„Du musst diesen ganzen Kram loslassen, Aaron“, meinte Diego sanft. „Es ist nicht gesund, immer so in der Vergangenheit zu hängen.“ Aaron senkte den Blick. „Es ist nicht so einfach.“
Penelope, die Marmelade auf ihr Brot strich, schaute von einem zum anderen. „Warum seid ihr immer so ernst am Morgen?“
Diego lächelte und tätschelte ihren Kopf. „Weil wir alte Männer sind, Penny. Alte Männer denken viel nach.“
Sie verdrehte die Augen. „Aaron ist kein alter Mann.“
„Danke, Penny“, sagte Aaron und lächelte gequält. Er schätzte es, dass Penelope immer versuchte, die Stimmung aufzuhellen. „Wir sollten bald los“, mahnte Diego, einen letzten Schluck Kaffee trinkend. „Die Schule wartet nicht.“ „Ich weiß“, seufzte Aaron und stand auf, um sein Frühstück wegzuräumen. Die morgendliche Stille wurde nur durch das Zwitschern der Vögel und das ferne Lachen einiger Kinder unterbrochen. Als Aaron und Penelope das Haus verließen, wartete der andere Junge bereits geduldig an der Straße. Er stand da, wie immer, blickte Aaron direkt in die Augen und lächelte ihm sanft zu. Seine Anwesenheit war für Aaron ebenso alltäglich wie das Aufgehen der Sonne am Morgen.
Penelope zog Aaron am Ärmel. „Komm schon, wir werden zu spät zur Schule kommen!“, rief sie und hüpfte ein Stück voraus. Doch Aaron konnte sich nicht sofort bewegen. Der Blick des anderen Jungen hielt ihn fest.
„Du solltest ihr von mir erzählen“, sagte der Junge leise, seine Stimme war sanft, fast tröstend.
Aaron schluckte. Wie immer wusste er nicht, wie er auf die Worte des Jungen antworten sollte. In all den Jahren hatte er nie herausgefunden, wer dieser Junge war, oder warum er ständig bei ihm war. Doch er spürte, dass dieser Junge ihm nahe stand, vielleicht näher als jeder andere.
„Die Schule wird nicht warten“, mahnte der Junge mit einem leichten Schmunzeln und nickte in Richtung Penelope, die ungeduldig ein paar Meter weiter wartete.
Penelope kam zurück und schnappte sich Aarons Hand. „Was ist los? Warum träumst du schon wieder?“, fragte sie und zog ihn weiter die Straße hinunter.
Penelope, voller kindlicher Energie, rannte ein paar Schritte voraus, die Schulbücher fest an ihre Brust gedrückt und die langen Haare flatterten im Wind. Ihre Lachen hallte zurück zu Aaron, der nun neben dem Jungen herging.
Der Junge warf einen Seitenblick auf Aaron, sein Ausdruck nachdenklich. „Vielleicht solltest du das Gitarre-Spielen lassen“, sagte er schließlich.
Aaron zuckte mit den Schultern, versuchte sich auf den Weg vor ihm zu konzentrieren, doch der Kommentar des Jungen blieb in seinem Kopf hängen. „Wieso? Jeder braucht ein Hobby“, entgegnete er, die Worte fast trotzig.
„Du scheinst aber nicht glücklich dabei zu sein“, bemerkte der Junge, seine Stimme sanft, aber bestimmt.
Aaron öffnete den Mund, um zu antworten, doch fand er keine Worte. Es stimmte. In letzter Zeit hatte er das Gefühl, die Musik würde ihm entgleiten, die Melodien wären nicht mehr so klar und lebendig wie früher. Doch warum konnte dieser Junge das sehen? Und warum fühlte es sich so an, als wüsste er mehr über Aaron, als er selbst?
Sie setzten ihren Weg zur Schule fort, wobei Penelope voranging und Aaron und der Junge in einem ruhigen, nachdenklichen Schritt folgten.
Das Morgenlicht schien durch die großen Klassenzimmerfenster und tauchte die Wände in ein warmes, goldgelbes Licht. Es war ein typisches Durcheinander vor dem Beginn des Unterrichts. Schüler redeten laut, kicherten, tauschten Neuigkeiten aus, während andere in ihren Büchern blätterten oder auf ihren Handys tippten.
Als Aaron und der Junge das Zimmer betraten, fühlte sich Aaron ein wenig unwohl bei dem Gedanken, wie die anderen Schüler auf seinen stummen Begleiter reagieren würden. Aber zu seiner Überraschung schien niemand den Jungen zu bemerken. Er war wie ein Schatten, der an Aarons Seite verweilte, unsichtbar für die anderen.
Michael, der Lehrer, mit kurzgeschnittenem Haar, das schon erste graue Strähnen zeigte, und einer Brille auf der Nase, hob den Blick, als er Aaron bemerkte. "Guten Morgen, Aaron!", begrüßte er ihn herzlich und kam auf ihn zu.
"Morgen Herr...", Aaron zögerte, sein Gedächtnis schien ihm einen Streich zu spielen. Das war merkwürdig, er kannte Michael doch schon seit dem Schuljahresbeginn. "Herr...", wiederholte er unsicher.
Michael lächelte und schien das Zögern nicht weiter zu bemerken oder darauf einzugehen. "Na, wie war so dein Wochenende?", fragte er, während er Aaron freundschaftlich auf die Schulter klopfte.
"Es war... es war langweilig", antwortete Aaron, der sich fragte, warum er den Namen seines Lehrers nicht mehr wusste.
"Könnte schlimmer sein!", erwiderte Michael mit einem Schmunzeln und wandte sich dann an die ganze Klasse. "Dann mal auf eure Plätze!"
Aaron machte sich auf den Weg zu seinem Schreibtisch, gefolgt von dem Jungen, der immer noch keine Anstalten machte, sich hinzusetzen oder irgendeine andere typische Schüleraktivität zu zeigen. Stattdessen stand er einfach da, schaute sich um und schien die Atmosphäre des Raumes aufzunehmen.
Während Aaron seine Bücher und Hefte auspackte, versuchte er, das seltsame Gefühl, das er hatte, zu ignorieren. Wer war dieser Junge? Und warum konnte er ihn sehen und die anderen nicht? Fragen, die ihn den ganzen Tag beschäftigten und keine klaren Antworten fanden. Das Klassenzimmer füllte sich schnell mit Stimmen, doch für Aaron schienen sie alle gedämpft, als ob er in einer anderen Welt wäre, zusammen mit dem mysteriösen Jungen an seiner Seite.
Während der Unterricht begann, konzentrierte sich Aaron darauf, die Stimme von Michael zu hören. Es ging um ein neues Kapitel in Geschichte, das Goldene Zeitalter. Aber Aarons Gedanken schweiften immer wieder ab, und er warf heimliche Blicke zu dem Jungen, der in einer Ecke des Klassenzimmers stand, ihn beobachtete und scheinbar nichts um sich herum wahrnahm.
In einer kurzen Pause flüsterte der Junge zu Aaron, ohne dass seine Lippen sich bewegten: "Hier ist viel Wissen. Doch nicht alles ist wahr." Aaron rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Der Kommentar des Jungen verwirrte ihn noch mehr. Neben Aaron saß Lara, ein Mädchen mit langen blonden Haaren und scharfzüngigem Humor. Sie bemerkte seine Unruhe und zupfte ihn am Ärmel. "Alles okay mit dir? Du wirkst heute so abwesend", flüsterte sie besorgt.
Aaron zuckte zusammen und versuchte, sich auf sie zu konzentrieren. "Ja, alles gut", murmelte er, wobei er das Gefühl hatte, dass das nicht stimmte. Er wusste, dass er mit niemandem über den Jungen sprechen konnte, zumindest nicht jetzt. Der Unterricht ging weiter, und Aaron versuchte, sich zu konzentrieren. Doch das Gefühl, dass er nicht allein war und dass eine tiefere Bedeutung hinter alldem steckte, ließ ihn nicht los.
Der Junge, der das Fenster wie eine unsichtbare Barriere zwischen sich und der Außenwelt betrachtete, schien in einer Art Trance zu sein. Er war so vertieft in das, was draußen passierte, dass er Aarons forschenden Blick nicht bemerkte. Seine Anwesenheit im Raum schien niemandem sonst aufzufallen, doch für Aaron war er genauso real wie jeder andere im Raum.
Während Michael weiter über die europäischen Entdecker und ihre Ankunft in Brasilien sprach, bemerkte Lara Aarons Ablenkung. Sie folgte seinem Blick zum Fenster, doch für sie war es nur ein normales Klassenzimmerfenster mit einem Blick auf den Schulhof. "Was schaust du denn?", flüsterte sie.
Aaron zögerte einen Moment. "Nichts Besonderes, nur... Gedanken", murmelte er zurück und versuchte, sich wieder auf den Unterricht zu konzentrieren.
Plötzlich bemerkte er, wie der Junge langsam seinen Kopf zu ihm drehte und ihm direkt in die Augen sah. Eine leichte Kühle durchzuckte Aarons Körper. Sie schauten sich für einige Sekunden an, bevor der Junge seine Aufmerksamkeit wieder nach draußen richtete.
Michael fuhr fort: „Brasilien war für die Portugiesen ein echter Schatz. Denkt daran, wie wichtig der Zuckerrohranbau für die europäische Wirtschaft war. Die europäischen Mächte waren auf der Suche nach neuen Landen und Reichtümern und..."
Ein plötzliches Rauschen und Flüstern ging durch den Raum, als ein Vogel gegen das Fenster flog und mit einem dumpfen Schlag auf den Boden fiel. Alle Schüler im Raum zuckten zusammen, einige Mädchen kreischten. Michael ging zum Fenster, sah den leicht benommenen Vogel an, der sich schließlich wieder erhob und davonflatterte.
„Ein kleiner Zwischenfall. Aber wir lassen uns nicht ablenken“, sagte Michael mit einem kleinen Lächeln, versuchend die Stimmung im Raum wieder zu normalisieren. „Wie dem auch sei, zurück zu den Europäern in Brasilien. Die Ankunft der Portugiesen hatte massive Auswirkungen auf die Ureinwohner und die Kultur des Landes.“
Während Michael fortfuhr, blieb Aarons Aufmerksamkeit auf dem leeren Platz am Fenster. Wo war der Junge hin? Ein leises Flüstern neben ihm ließ ihn aufschrecken. Er drehte sich um und sah den Jungen direkt neben ihm sitzen, als wäre er immer da gewesen.
Der Junge neigte seinen Kopf zu Aaron und flüsterte: "Wieso hörst du ihm überhaupt zu? Geschichte ist doch langweilig." Aaron, obwohl er ein wenig überrascht war, nickte nur leicht. Er versuchte, die Worte des Jungen zu ignorieren und sich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber sein Geist war abgelenkt.
Ein anderer Schüler meldete sich. "Sir, wie haben die Europäer und die Ureinwohner miteinander kommuniziert?"
Michael lächelte. „Das ist eine ausgezeichnete Frage. Anfangs gab es sicherlich viele Missverständnisse. Aber sie nutzten Gesten, Zeichen und im Laufe der Zeit entwickelten sie gemeinsame Kommunikationsmethoden. Einige der Ureinwohner lernten sogar Portugiesisch.“
Die Stunde zog sich weiterhin dahin, mit Michael, der lebhaft über die Geschichte Brasiliens sprach, während Aaron versuchte, den mysteriösen Jungen und seine Anwesenheit aus seinen Gedanken zu verbannen. Doch das Bild des Jungen, der so plötzlich am Fenster stand und dann direkt neben ihm saß, war tief in seinen Gedanken eingebrannt. Es war, als ob er eine ständige Präsenz in Aarons Leben geworden war, selbst wenn er nicht physisch da war. Ein Rätsel, das Aaron nicht ignorieren konnte.
Der Lärm des Schulendes war ohrenbetäubend. Schüler strömten aus den Klassenzimmern, lachend, plaudernd, ihre Pläne für den Abend besprechend. Aaron war dabei, sich der Menge anzuschließen, als eine vertraute Stimme seinen Namen rief. "Warte noch kurz, Aaron." Aaron drehte sich um und sah Michael, seinen Lehrer, auf ihn zukommen. Er runzelte die Stirn, fragend. "Ja?", antwortete Aaron.
"Ich hoffe, du denkst an heute Abend", sagte Michael.
Aarons Gedanken rasten. Hatte er etwas vergessen? "Was ist heute Abend?", fragte er verwirrt.
Michael lächelte. "Deine Eltern haben mich zum Essen eingeladen. Es wäre schön, wenn du auch zu Hause bist."
Aaron zögerte einen Moment, dann antwortete er: "Wo sollte ich sonst sein?" Michael zuckte mit den Schultern. "Gute Frage."
"Dann... bis heute Abend", sagte Aaron, während er sich zum Gehen wandte. Doch bevor er gehen konnte, fügte er hinzu: "Es sind meine Adoptiveltern!"
Michael blickte ihm nach, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. "Das weißt du also", murmelte er leise vor sich hin, während er Aaron dabei beobachtete, wie er sich durch die Menge schob und aus der Schule hinausging.
Aaron schob sich weiter durch den Flur, der ständig von Stimmen und Lachen widerhallte. Das Gespräch mit Michael ließ ihn nachdenklich werden. Obwohl er immer das Gefühl gehabt hatte, dass er adoptiert war, hatten es seine Eltern nie wirklich angesprochen. Und dass Michael davon wusste, war für Aaron beunruhigend. Der Junge, der immer bei ihm war und den nur er wahrnehmen konnte, schien die Unsicherheit in Aarons Augen zu bemerken. Er trat an Aarons Seite, als dieser am Schulschließfach stand. "Ist alles in Ordnung?", fragte er leise.
Aaron nickte, ohne den anderen Jungen anzusehen. "Ja, es ist nur... es ist kompliziert." Bevor der Junge antworten konnte, stieß jemand von hinten gegen Aaron. Er drehte sich herum und sah zwei Jungs aus seiner Klasse, Rafael und Tiago, die breit grinsten. "Oh, entschuldige, Aaron! Ich habe dich nicht gesehen", sagte Rafael mit einem sarkastischen Ton. Tiago lachte. "Ja, wir sehen immer durch dich hindurch." Aaron verdrehte die Augen und beschloss, sie zu ignorieren. Er wollte keinen Streit. Aber der Junge schien wütend zu sein, obwohl er keine Emotionen zeigte. "Lass sie einfach reden", flüsterte er.
Aaron nickte und schloss sein Schließfach. Während er sich auf den Weg zum Ausgang machte, dachte er über das Abendessen nach. Wie würde es sein, Michael außerhalb des Unterrichts zu sehen? Und was würde er über die Adoption sprechen? Fragen wirbelten in Aarons Kopf herum, während er das Schulgebäude verließ, den Jungen immer an seiner Seite.
Während Aaron die gewundene Treppe zur Bibliothek hochstieg, schimmerte der alte Holzboden im flackernden Licht der Leuchtstofflampen. Aaron suchte nach einem ruhigen Ort, an dem er sich sammeln und über das Gespräch mit Michael nachdenken konnte. Der Junge folgte ihm leise, ein ständiger Schatten an seiner Seite. Die Bibliothek von Aarons Schule war beeindruckend – hohe Regale voller alter Bücher, die den Geruch von Geschichte und Leder in der Luft verbreiteten. Eine riesige hölzerne Weltkugel stand im Zentrum des Raumes, und die schweren, roten Vorhänge an den Fenstern dämpften das Licht der Nachmittagssonne.
Aaron setzte sich an einen der alten Eichentische, legte seine Tasche neben sich und atmete tief durch. Er zog ein Notizbuch heraus und begann, seine Gedanken niederzuschreiben. Warum hatte Michael das Thema seiner Adoption angesprochen? Hatte er eine besondere Bindung zu seiner Familie?
Der Junge trat an einen der Fensterbänke und blickte nach draußen, als wollte er sich nicht in Aarons Gedanken einmischen. Doch nach einer Weile spürte Aaron seinen Blick auf sich. Ohne Worte fragte der Junge, ob alles in Ordnung sei.
Eine Gruppe von Schülern betrat die Bibliothek, darunter Rafael und Tiago. Ihre lauten Stimmen durchbrachen die Stille, und sie lachten und scherzten miteinander. Sie bemerkten Aaron und kamen grinsend auf ihn zu.
"Alleine hier, Aaron?", spottete Rafael. "Oder hat dir dein unsichtbarer Freund Gesellschaft geleistet?", fügte Tiago hinzu. Aaron versuchte, die Bemerkungen zu ignorieren. "Ich habe nur einige Gedanken notiert", erwiderte er ruhig.
Rafael schnappte sich das Notizbuch und begann, laut daraus vorzulesen. "Warum hat Michael das Thema meiner Adoption angesprochen?", las er und brach dann in schallendes Gelächter aus. Der Junge ballte unbemerkt die Fäuste, aber Aaron stand auf und entriss Rafael das Notizbuch. "Kümmere dich um deinen eigenen Kram", sagte er mit fester Stimme.
Die beiden Jungs starrten ihn überrascht an. Rafael knurrte und stieß Aaron an der Schulter vorbei, als sie den Raum verließen.