Alle Wege führen zu dir - Kate Lewandowski - E-Book
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Kate Lewandowski

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Beschreibung

Stella ist kurz davor, ihren Traum zu leben. Sie liebt es zu schreiben und das am liebsten den ganzen Tag. Als Autorin von Dark Romance Büchern hat sie bereits eine kleine Fanbase aufgebaut. Doch in ihrem Kopf gibt es so viele prickelnde Geschichten, die unbedingt das Licht der Welt erblicken müssen. Um das zu schaffen, hat sie eine einfache Regel: Nicht ablenken lassen! Aber dann trifft sie Tom. Aus einem Flirt auf Distanz wird schließlich ein aufregender One-Night-Stand. Alles kein Problem, denkt sie, als sie sich aus seiner Wohnung schleicht. Doch was passiert, wenn ihr der Kerl und diese Nacht nicht mehr aus dem Kopf gehen? Plötzlich steckt sie mittendrin in einem wirren Gefühlschaos, das sie nie beabsichtigt hatte. Ist ihr Traum in Gefahr?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nein, ich werde eine andere Lösung finden.
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Epilog
Nachwort & Danksagung
Weitere Bücher der Autorin
Impressum

HOT FEELINGS

Alle Wege führen zu dir

 

 

 

 

 

 

 

Kate Lewandowski

 

Warnung

Dieses Buch enthält explizite Liebesszenen. Der Beginn dieser Szenen ist mit ••• markiert und endet mit einem ♥. Damit kannst du sie gegebenenfalls überlesen.

Samstag

 

Stella

 

 

Ein zartes Klingeln über der Tür kündigt meine Ankunft im »Juicy Food« an. Es duftet herrlich nach Kaffee und frisch gebackenen Kuchen. Die großen und kleinen Tortenkreationen schaffen es problemlos, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, als ich an der Auslage vorbeilaufe. Sie sind verziert mit Zuckerperlen, feinen Schokoladenornamenten, bunter Glasur oder Früchten. Auch wenn herzhafte Köstlichkeiten hier nicht zu kurz kommen, überwiegen die sündigen Törtchen mit all den verschiedenen Cremes. Ich bin im Himmel.

Nach ein paar kurzen Worten mit der Bedienung begleitet sie mich an den Tisch. Wie so oft bin ich die Erste, was den Vorteil hat, dass ich mir den besten Platz aussuchen kann. Ich wähle einen Stuhl an der Wand, denn da habe ich den perfekten Blick auf das übrige Geschehen, und setze mich.

Nachdem ich meine Jacke über die ebenholzfarbene Stuhllehne gehangen habe, lasse ich den Blick durch das Café schweifen. Der warme Holzboden sieht gepflegt aus und harmoniert auf angenehme Weise mit den dunkelgrauen Wänden, an denen bunte Makrofotografien hängen. Von meinem Platz aus sehe ich drei. Die unebene Oberfläche einer prallen roten Erdbeere, eine aufgeschnittene giftgrüne Kiwi und eine geöffnete Physalis, deren kräftige orange Farbe heraussticht.

Noch ist es verhältnismäßig ruhig, aber das würde sich in den nächsten Minuten ändern. Am meisten freue ich mich bei dem kleinen Abitreffen auf Daisy und Katharina. Wir waren damals das ultimative Dream-Team von der 11. bis zur 13. Klasse.

Ungeduldig starre ich zur Tür und lenke mich ab, indem ich in der Cocktailkarte blättere. Nach ein paar Minuten bestelle ich eine Erdbeer-Ananas-Margarita.

Ich erinnere mich an den ersten Tag der Einführungsphase zurück. Daisy kam zu spät, weil sie sich in dem alten verwinkelten Gebäude verirrt hatte. Zum Glück, denn das bescherte ihr einen Platz direkt neben mir. Katharina saß hinter uns und das Schicksal nahm seinen Lauf. Wir waren die Superheldinnen der Gruppenarbeit, mit dem Fokus auf Improvisation. Sobald wir zusammenkamen, verselbstständigte sich sogar das Sprachvokabular und zauberte in jeden Satz mindestens zwei Fachwörter. Zehn Jahre ist es jetzt her, dass wir gemeinsam die Abiprüfung bestanden haben.

Einige aus unserer Abschlussklasse haben sich in den letzten fünf Jahren beruflich umorientiert, auch mehrfach. So wie ich.

Plan A war es, schon in meiner Kindheit, Schriftstellerin zu werden. Aber dieser Traum geriet immer weiter in den Hintergrund. Die Stimmen von außen, es wäre eine brotlose Kunst, ließen mich einen Beruf wählen, bei dem man wenigstens etwas verdiente. Durch die Frau eines Arbeitskollegen meines Vaters landete ich in der Versicherungsbranche. Das waren harte drei Jahre. Den Leuten Versicherungen andrehen und in den Hintern kriechen zu müssen, nur für einen Abschluss? Nein, das war nicht mein Ding. Es schien, als wären die Ausbilder eher daran interessiert, die Azubis psychisch fertig zu machen, anstatt uns auf das Berufsleben vorzubereiten. Schnell wurde mir klar, dass ich einen Job brauchte, der anders war. Mal abgesehen vom Nervenzusammenbruch, der mich nachhaltig geprägt hat.

In meiner Freizeit versuchte ich, jede Minute mit dem Schreiben zu verbringen. In dieser Zeit war ich glücklich und es ging mir gut. Ich zog die Ausbildung zwar durch, aber der Preis dafür war hoch. Permanente schlechte Laune, Heulattacken nach Feierabend, jeden Morgen Bauchschmerzen. Das war kein Leben, das war eine Tortur.

»Schon wieder?«, reißt mich eine tiefe weibliche Stimme mit russischem Akzent aus der Erinnerung. »Ich habe mich extra beeilt.«

Vor mir steht Olga und lächelt breit. Ihre Worte deuten an, dass ich die Erste bin. Es war ein Spiel zwischen uns, das wir zum Ende der Abizeit begonnen hatten.

»Du schuldest mir etwas«, entgegne ich ernst, kann meine Mimik aber nicht lange beibehalten. »Schön, dass du da bist.« Lachend erhebe ich mich vom Stuhl, der leicht über den Boden kratzt, und drücke sie herzlich an mich.

»Ich habe geahnt, dass ich zu spät sein werde. Heute ist nicht mein Tag.« Sie lässt ihren dünnen Mantel über die Schultern gleiten und setzt sich. Kurz kramt sie in ihrer Handtasche und drückt mir einen Schokoriegel in die Hand. »Hier! Deal ist Deal.«

»Du verrücktes Huhn. Ich dachte, das Spiel wäre vorbei.«

Ihr freundlicher Gesichtsausdruck weicht einer ernsten Miene. »Vorbei? Es ist niemals vorbei. Ich habe dir ein Angebot gemacht, das du nicht ablehnen kannst.«

Irritiert sehe ich sie an und breche dann in schallendes Gelächter aus, weil mir plötzlich wieder ihre Vorliebe für Mafiafilme einfällt. Ich weiß nicht mehr genau, wie es zu unserem Spiel damals kam, aber in der 13. Klasse befanden wir uns in einer Art Pünktlichkeitswettstreit. Der Gewinner bekam dann eine Süßigkeit vom anderen. Dieser Energiebooster war teilweise sehr nützlich, denn in der Schule packte mich regelmäßig ein Nachmittagstief.

Während wir über die gute, alte Zeit plaudern, füllt sich allmählich der Tisch. Nur Daisy und Katharina bleiben verschollen. Ich schaue auf mein Handy. Eine Nachricht von Katha.

 

»Sorry, wir verspäten uns. Bis gleich.«

 

Mittlerweile sitzen wir zu sechst am Tisch. Während sich die anderen angeregt unterhalten, mustere ich jeden Einzelnen von ihnen. Ich beobachte lieber oder höre aufmerksam zu, anstatt selbst zu reden. Viele verwechseln das mit Schüchternheit. Schüchtern bin ich definitiv nicht.

Auch wenn ich die »Herde«, wie ich uns alle liebevoll nenne, bloß einmal im Jahr sehe – bis auf Daisy und Katha – fühlt es sich so an, als hätten wir erst kürzlich gemeinsam unseren Abschluss gemacht. Wir knüpfen problemlos an früher an. Das klappt nicht mit vielen Leuten, aber mit diesem wilden Haufen funktioniert es. Mit Cindy werde ich allerdings nicht warm, schon damals nicht, aber man muss sich ja nicht mit jedem blind verstehen.

Wenn man vom Teufel spricht, beziehungsweise denkt.

Cindy hat das Wort an sich gerissen – wie damals – und erläutert in ausschweifenden, nicht enden wollenden Sätzen ihren stressigen Alltag als IT-Spezialistin. In wiederkehrenden Abständen fährt sie sich durch das wellige, dunkle Haar. Der piepsige, jammernde Unterton in ihrer Stimme macht mich wahnsinnig. Ich rolle mit den Augen und lasse den Blick zu Rami schweifen, der neben ihr sitzt.

Das Basecap tief ins Gesicht gezogen, spielt er nervös an einem Bierdeckel. Die Finger sind mit winzigen Farbspritzern übersät. Vermutlich, weil er irgendwo im Großraum Berlin, einige Kunstwerke angebracht hat. Ob legal oder illegal sei dahingestellt. Ich könnte wetten, dass sich in seinem Rucksack ein paar Spraydosen befinden.

Seine Anwesenheit damals im Unterricht war eher sporadischer Natur. Dennoch hat er das Abitur knapp geschafft. Während der Zeit als Umwelttechniker hat er schadstoffarme Farbdosen entwickelt und verkauft sie im eigenen Internetshop.

Einige Eigenschaften oder Lebensumstände der »Herde« wurden bereits von mir in meinen Büchern verewigt.

Neben ihm sitzt Marius, der sich mit Cindy plötzlich eine politische Grundsatzdiskussion liefert. Wer da zwischen die Fronten gerät, kann sich vor Klugscheißereien kaum retten. Marius ist Vollblutmusiker und Teil einer mittelmäßigen ostdeutschen Hip-Hop Band. Was ihn von anderen Musikern unterscheidet, ist der unerschütterliche Wille, es unbedingt schaffen zu wollen. Seine Stimme ist sehr markant und die Worte rasen ihm über die Lippen wie ein Schnellzug. Nebenberuflich – so kommt es mir zumindest vor – ist er Anwalt für Familienrecht. Das Wort Hip-Hop-Anwalt ploppt in meinem Kopf auf. Bei dem Gedanken muss ich lächeln.

Mein Blick richtet sich auf Michelle. Sie lässt sich von der Debatte nicht beeindrucken. Voller Enthusiasmus zeigt sie Olga ihre frisch manikürten Fingernägel. Olga, Vorstandsvorsitzende eines renommierten Kosmetikkonzerns, verstrickt sie daraufhin in ein Fachgespräch über verschiedene Gelauffüller. Kurz beäuge ich meine eigenen Nägel. Ich bin zufrieden, wie sie sind. Ein fertiges Geschenk der Natur. Das höchste der Gefühle bei der Pflege ist eine Schicht Klarlack. Das künstliche Beautythema verfolge ich mit Desinteresse, bleibe aber dran, weil ich Olgas russischen Akzent, gepaart mit der tiefen Stimme, liebe und so hänge ich förmlich an ihren Lippen.

Plötzlich verstummt das Gerede und wird durch männliches, animalisches Begrüßungsgebrüll abgelöst. Es erinnert mich an eine Horde wilder Affen.

Patrice, mein Ex, kommt grinsend auf uns zu. Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Meine Freude, ihn zu sehen, hält sich in Grenzen. Wir kommen miteinander klar, aber auf Beifallsstürme würde ich verzichten.

Gelangweilt tippe ich auf dem Handy herum, als er anfängt, über die namhaften Bands zu reden, die er auf einigen Veranstaltungen betreut. Unsere Beziehung, die weit nach dem Abitur begann, scheiterte nicht nur an seinem großen Ego, sondern insbesondere an den unterschiedlichen Prioritäten, die wir einer Partnerschaft beigemessen haben. Und seiner Vorliebe für andere Frauen. Die Trennung liegt mittlerweile ein Dreivierteljahr zurück. Es war eine beschissene Zeit, aber nötig. Dank des Buches F*** Dich Herzschmerz brachte ich es endlich über mich und trennte mich von ihm. Jetzt im Nachhinein frage ich mich, warum ich diesen Schritt nicht schon früher gewagt habe, denn es war eine der besten und wichtigsten Entscheidungen meines Lebens. Auch wenn es noch immer ein wenig weh tut, wenn ich daran zurückdenke.

Nicht für jedes Beziehungsproblem ist Trennung die Lösung, aber für mich war es die richtige Wahl. Seit dieser Zeit ist einiges passiert. Endlich habe ich zu mir selbst gefunden und weiß, was ich vom Leben erwarte. Patrice war es nicht. Ich habe auf meine Bedürfnisse und Wünsche gehört und mich als Romanautorin selbstständig gemacht. Dieser Kindheitstraum hat mich nie losgelassen und als ich im ersten Jahr als ausgelernte Versicherungskauffrau plötzlich mit einem Nervenzusammenbruch und Panikattacken zu kämpfen hatte, gab es einen aufrüttelnden Klick in meinem Kopf. Es war wie der nötige Umschalter, der mich in die richtige Richtung katapultiert hatte. Mir war klar, dass ich einen Beruf brauchte, der mich erfüllt und mir Spaß macht und mich nicht zugrunde richtet. Normalerweise weiß ich das, aber die eigenen Grenzen, die sich in meinem Kopf eingenistet hatten, hinderten mich daran, groß zu träumen und diese Träume zu verwirklichen.

Eigentlich hatte ich keine Lust zu diesem Abi-Revival zu kommen, ich wollte lieber eine neue Idee in den Laptop tippen.

Auch, wenn die Schriftstellerei mein Traumberuf ist, kann ich bisher nicht davon leben. Darum bin ich bemüht, viel zu schreiben und zu veröffentlichen. Um über die Runden zu kommen, arbeite ich halbtags in einer Kita als Hilfskraft im Büro.

Dass ich jetzt hauptberuflich Bücher schreibe, verdanke ich auch Anissa, meiner Schreibschwester. Wir lernten uns vor anderthalb Jahren während der BuchBerlin, der drittgrößten Buchmesse Deutschlands, kennen und seither ist sie ein wichtiger Teil meines Lebens.

»Geh aus und unterhalte dich mit den Leuten. Das kann dir ordentlich Input geben«, riet sie mir am Telefon. Und sie hat recht. Das Schreiben kann ein einsamer Job sein und diese kleine Auszeit von dem Alleinsein wird mir guttun. Da sie in einem anderen Bundesland lebt, haben wir uns bisher nur zweimal getroffen, aber wir telefonieren mindestens einmal in der Woche miteinander. Es ist unglaublich, aber trotz der Entfernung stehen wir uns sehr nah. Vielleicht liegt es an den gleichen Interessen und dem ähnlichen Sinn für Humor, der uns zusammenschweißt.

Während ich der Ankunft von meinen beiden Freundinnen entgegenfiebere und die anderen weiterhin beobachte, fallen mir ein paar Szenen für ein neues Buch ein.

Es ist egal, wo ich mich befinde oder was ich gerade tue, mein Hirn ist diesbezüglich ruhelos, scannt die Umgebung, filtert Gesprächsfetzen heraus und erstellt daraus ein inspirierendes Kopfkino. Jeder noch so unbedeutende Moment ist fähig, mir Stoff für die nächsten Romane zu liefern. Feierabend ist ein Fremdwort. Als Autorin bin ich gedanklich 24/7 im Einsatz und liebe es. Wenn sich der Job nicht nach Arbeit anfühlt, dann ist es das Beste, was einem passieren kann.

Erneut beobachte ich die Gruppe und schmunzle. Einige Macken meiner Mitschüler sind schon in Bücher geflossen, so wie der penible Ordnungstick von Cindy. Ihr Arbeitsplatz sah damals aus wie geleckt. Jedes Schreibutensil hatte seinen akkuraten Platz auf dem Tisch. Und wehe, jemand rüttelte an dieser Ordnung. Der Hulk ist ein Kuschelhase dagegen. Ein bisschen kann ich diesen Spleen nachvollziehen. Ich fühle mich selbst nicht wohl, wenn ich über einige Dinge keine Kontrolle habe. Zum Beispiel, wenn ich ein Buch veröffentliche und trotz umfangreicher Überprüfung durch das Korrektorat und die Testleser Fehler im fertigen Roman finde. Das fühlt sich an wie ein Juckreiz im Kopf, den ich nicht kratzen kann. Mittlerweile habe ich eine Strategie für mich entwickelt, die es mir möglich macht, darüber hinwegzusehen. Und zwar, nach der Veröffentlichung nicht mehr ins Buch zu schauen. Das hat mich einiges an Überwindung gekostet, erleichtert mir das Leben aber ungemein. Zumindest so lange, bis ich mich für eine Lesung vorbereite und dann doch darin lese.

Als ich eine weitere Anekdote aus Patrice’ ruhmreichem Leben mitbekomme, die er den anderen erzählt, wende ich mich mit einem Augenrollen ab und lasse den Blick durch das mittlerweile gut besuchte Restaurant gleiten. Ich bleibe bei einem blonden Typ mit gepflegtem Dreitagebart am Nachbartisch hängen, der mich angrinst. Fragend ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe. Er schüttelt lachend den Kopf und widmet sich seinem Getränk, ohne mich aus den Augen zu lassen. Das, was ich sehe, gefällt mir.

»Bella Stella«, quäkt eine schrille Stimme durch den Raum und unterbricht damit unseren Blickkontakt. Grinsend drehe ich mich um und blicke, mit einer Mischung aus peinlicher Berührung und Aufregung, auf die Frau mit den langen pechschwarzen Haaren. Es ist Daisy »Pocahontas« Richter. Ein undefinierbares Quieken stiehlt sich aus meinem Mund und ich stürme auf sie zu, als hätten wir uns Jahrzehnte nicht gesehen. Dabei versuchen wir, uns mindestens alle paar Monate zu treffen. Dahinter Katharina, die mich sofort an sich drückt und mir ihren dunkelblonden Pferdeschwanz unabsichtlich ins Gesicht klatscht.

»Ach, meine Süße. Es ist so schön, dich wiederzusehen. Ich vermisse unsere gemeinsamen Fahrten zur Schule«, nuschelt sie mir liebevoll ins Ohr.

Es fühlt sich so gut an. Ich habe die beiden wahnsinnig vermisst. Das viele Lachen, die sarkastischen Sprüche und das gemeinsame Lernen. »Du sprichst mir aus der Seele, Katha.«

Wir setzen uns zu den anderen an den Tisch und das Schwelgen in Erinnerungen beginnt.

»Ich bekomme immer noch Schweißausbrüche, wenn ich daran denke, dass wir für die Bioprüfung erst wenige Tage vorher gelernt haben«, erklärt Daisy, auf deren Wangen sich hektische rote Flecken bilden.

»Ich werde nie vergessen, wie du …« Katha zeigt auf mich und fängt breit an zu grinsen, »… bei der einen Biologieklausur deinen Spicker unter die Klausurzettel gemischt hast.«

Olga sieht mich mit großen Augen an. »Du hast was?«

Auch das Interesse der anderen ist geweckt und alle Blicke sind auf mich gerichtet. Und schon stehe ich im Mittelpunkt. Klasse.

Marius ergreift als erster das Wort. »Mein Weltbild von der ruhigen und besonnenen Stella gerät ins Wanken.«

»Stille Wasser sind tief«, antworte ich mit einem Schulterzucken.

»… und dreckig«, vervollständigen Daisy und Katha gleichzeitig den Satz.

Rami und Marius lachen laut auf.

Das Abitur war mir nie sonderlich wichtig. Ich habe es nur gemacht, weil ich nicht wusste, was ich damals werden wollte. Dank meiner Mitschüler hatte ich aber eine verdammt geile Zeit. Wenn du von Leuten umgeben bist, die ähnlich ticken wie du, die das Beste aus jeder Situation machen und dazu einen begnadeten Humor haben, dann ist das wie ein Sechser im Lotto.

»Gib uns mal mehr Details! Wie hast du das gemacht?«, fordert Cindy neugierig.

»Ich habe die Klausur zu Hause vorgeschrieben, sodass es zumindest so aussah. A4 Blätter, der gewünschte breite Rand, Name und Datum oben auf jeder Seite.«

»Aber am besten war, dass sie bei einer Aufgabe nur die Nummer hinschreiben musste«, übernimmt Katha und lacht dreckig auf. Sie weiß, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn ich zu sehr in den Fokus gerate. Entsetzte und amüsierte Augenpaare starren mich an.

»Ja, ich weiß. Das war moralisch gesehen nicht richtig, aber ich wollte Frau Becker unbedingt beweisen, dass ich es draufhabe«, spiele ich den Betrug mit einem schiefen Lächeln herunter.

»Die hatte aber auch Haare auf den Zähnen«, mischt sich Patrice ein und alle nicken zustimmend.

Frau Becker war streng, lachte kaum und erinnerte mich immer an strenge Ausbilder aus Militärfilmen.

»Unmöglich, meine Liebe. Und ich habe mich schon gewundert, warum du so schnell fertig warst«, ruft Daisy aus und schüttelt den Kopf. Hätte sie es damals gewusst, hätte sie ihre Prüfung vor lauter Nervosität bestimmt verhauen. Ein weiterer Grund, warum ich es vorerst für mich behielt.

Uns in dieser Runde zu sehen, macht mich glücklich. Ich bin so froh, dass ich Daisy und Katha kennengelernt habe. Die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, will ich um keinen Preis mehr missen. Und die Freundschaft fürs Leben, die daraus entstanden ist, ebenso wenig.

Mein Blick bleibt an Katha hängen. Irgendetwas hat sich seit ihrer Ankunft im Restaurant verändert. Ein geflochtener Zopf zieht sich auf einmal von ihrem Haaransatz bis hinter das Ohr. Sie tut es schon wieder. Ich muss schmunzeln. Wenn sie damals im Unterricht langsam müde wurde, fing sie an, mit ihren Haaren zu spielen und jedes Mal, wenn ich zu ihr gesehen habe, hatte sie eine neue Frisur. Das war manchmal etwas verstörend.

Als sich Daisy und Katha den anderen widmen, um Neuigkeiten auszutauschen, die ich schon kenne, nehme ich einen Schluck von meinem fruchtigen, süßen Cocktail und lasse erneut den Blick schweifen. Ich bleibe wieder an dem blonden Kerl von vorhin kleben. Er ist in ein Gespräch mit seinem Gegenüber vertieft. Unverhohlen beobachte ich ihn. Sobald er lächelt, bilden sich zarte Falten um die Augen. Das finde ich attraktiv.

Das Einzige, was ich momentan an einer Beziehung überhaupt vermisse, ist der Sex. Seit über sechs Monaten sitze ich diesbezüglich auf dem Trockenen. Schließlich habe ich Bedürfnisse und es ist an der Zeit, dass diese befriedigt werden. Die Mußestunden mit dem Vibrator sind ganz nett, aber nicht zu vergleichen mit einem echten Kerl zwischen den Schenkeln.

Der blonde Typ sieht zu mir. Ein Lächeln umspielt seine Lippen, während er mit den Fingern versucht, das Etikett der Bierflasche zu lösen, die vor ihm auf dem Tisch steht. Seine Augen fixieren die meinen. Ohne den Blick von mir abzuwenden, erhebt er sich und kommt zu uns an den Tisch. Er beugt sich zu mir hinunter und flüstert mir etwas Anzügliches ins Ohr. Sein warmer Atem auf meiner Haut hinterlässt eine Gänsehaut. Seine Worte lassen mir die Hitze zu Kopf steigen. Etwas überrascht nicke ich ihm zu, sodass er meine Hand nimmt und mich mit sich zieht. Die Berührung lässt es mir heiß und kalt über den Rücken laufen. Verwundert sehen uns alle am Tisch nach. Wortlos steigen wir die Treppen hinunter. Mein Herz hämmert aufgeregt gegen den Brustkorb, als würde es flüchten wollen. Nervös schaue ich mich immer wieder um und hoffe, dass uns niemand erwischt. Wir gehen bis zu einer Tür mit der Aufschrift: Lager. In einem unbeobachteten Moment huschen wir hinein. Nur das spärliche Licht der Notausgangsbeleuchtung, lässt erahnen, wo wir uns befinden.

In der hintersten Ecke, im Schutz zweier Regalreihen, drücke ich ihn schließlich gegen die Wand. Sein Gesicht ist meinem ganz nah. Ich spüre seinen Atem auf der Haut und den angenehmen Duft, den er verströmt. In mir kribbelt es. Erst im Bauch und dann zwischen den Schenkeln. Noch bevor ich zu viel nachdenke, presse ich meine Lippen auf seine. Es dauert nicht lange und seine Zunge fordert Einlass, den ich ihr gewähre. •••

Mit den Händen umfasst er meine Hüften und rutscht genüsslich tiefer, bis zum Hintern hinunter. Ein angenehmes Prickeln durchfährt meinen Körper und kündigt ein wohliges Gefühl zwischen den Beinen an. Sanft zupft er am Rock, der daraufhin hochrutscht. Ungestüm zerre ich sein Hemd aus der Hose und reibe über die feste Wölbung, die sich unter dem blauen Jeansstoff abzeichnet. Ein Stöhnen ringt sich aus seiner Kehle. Es ist ein Ausruf der Lust, der sich tief in meinen Kopf drängt und mich nur noch mehr anstachelt. Jede Berührung macht mich an. Ich bin heiß. Heiß auf ihn und was er mit mir machen wird. Seine Finger schieben den Slip beiseite und gleiten fast widerstandslos in … ♥

»Stella?«

Erschrocken wirble ich herum. Katha sieht mich fragend an. Dieses Mal mit einem seitlichen Zopf.

»Wie bitte?«, räuspere ich mich und streiche mir verlegen eine imaginäre Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Patrice hat gefragt, ob ihr euch nachher ein Taxi teilt.«

»Was? Nein, ich habe noch etwas vor«, lüge ich, denn das Letzte, was ich will, ist, mit meinem Ex nach Hause fahren. Mein Gesicht wird heiß und es fühlt sich an, als ob sie mich ertappt hat. Ein künstliches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Dann schaue ich verstohlen zum Nachbartisch, der blonde Typ mit dem umwerfenden Lächeln sieht mich unvermittelt an und zeigt mir ein verschmitztes Grinsen. Ob er mich beobachtet hat? Ich spüre erneut Röte in die Wangen schießen.

»Was hast du denn vor?«, fragt Patrice neugierig.

Ohne den Fremden aus den Augen zu lassen, damit er nicht auf die Idee kommt, er würde mich nervös machen, auch wenn es stimmt, antworte ich beiläufig: »Ich bin zum Nachtisch verabredet«. Eine weitere Lüge, die auf der Ersten aufbaut. Warum ich das Wort Nachtisch erwähnt habe, weiß ich nicht. Um erneute Fragen von Patrice und dem Blick des Fremden zu entgehen, entschuldige ich mich und stehe auf. Dann laufe ich zügig die Stufen zu den Toiletten hinunter.

 

Kaltes Wasser tropft mir vom Gesicht und bringt mich wieder auf Zimmertemperatur. Der attraktive Fremde und die heiße Fantasie, die ich eben von ihm hatte, gehen mir nicht aus dem Kopf. Ich hatte schon oft erotische Gedanken, aber diese hier fühlte sich so intensiv an, als wäre es wirklich passiert.

»Mann, Stella, reiß dich zusammen«, rufe ich meinem Spiegelbild zu. Mit einem Papierhandtuch tupfe ich vorsichtig etwas verlaufene Wimperntusche unter den Augen weg und atme einmal tief durch. Schließlich zwinkere ich mir aufmunternd zu und verlasse den Waschraum.

Während ich um die Ecke biege, gerate ich ins Straucheln, als ich unsanft gegen einen fremden Körper pralle, der sich mir in den Weg stellt.

»Huch, Entschuldigung.« Als ich aufschaue, blicke ich in die grünen Augen des Typen vom Nachbartisch, der mich um eine halbe Kopflänge überragt.

»Kein Problem.« Dieses Mal grinst er nicht, aber in seinen Augen glaube ich, ein wildes Flackern zu sehen. Sein Blick durchdringt mich, als würde er mein kleines Geheimnis kennen. Ich spüre, wie meine Handflächen feucht werden, aber ich halte ihm stand. Die Luft zwischen uns ist wie elektrisiert. Dann beugt er sich in Zeitlupentempo zu mir hinunter. Mein Herz rast, als wäre es auf der Flucht, doch mein Atem steht still. Ich starre auf seine leicht geöffneten Lippen. Mir wird heiß und ich kann kaum klar denken. Was passiert hier?

Ich erinnere mich wieder ans Atmen und hole Luft. Kurz bevor sich unsere Nasenspitzen berühren, stoppt er. Nun ist es an mir den restlichen Raum zwischen uns zu überwinden oder zu gehen. Er lässt mir die Wahl. Die Umgebung scheint zu verschwimmen. Nichts ist mehr wichtig. Es gibt nur ihn und mich und diese magische Anziehungskraft zwischen uns, sonst nichts.

In dem Moment, als ich mich entscheide, den kleinen feuchten Traum von vorhin wahr werden zu lassen, ganz egal wo wir uns im Augenblick befinden, schießt jemand um die Ecke.

»Bella Stella, wo bleibst du so lange?« Es ist Daisy.

Ertappt zucke ich zusammen und umrunde den Fremden, der wieder zu grinsen anfängt, wie ich im Augenwinkel wahrnehme. »Hier, wieso?«

»Die ersten wollen langsam los und wir wollten doch noch ein Gruppenfoto machen.«

»Ich komme.« Mit diesen Worten lasse ich den attraktiven Mann stehen, dessen bloßer Anblick mir ein warmes, kribbliges Gefühl beschert hat. Als wir die Stufen hochgehen, bereue ich, dass ich ihn ohne ein Wort habe stehen lassen. Das ist nicht meine Art, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr, denn Daisy hakt sich bei mir ein und zieht mich mit sich. Viel zu perplex, um zu widersprechen, lasse ich es zu.

 

Nach unzähligen Schnappschüssen halbiert sich unsere Gruppe. Dieses Mal folge ich den Gesprächen nicht aus Desinteresse, sondern, weil ich mich kaum konzentrieren kann. Jede Faser meines Körpers befindet sich noch immer unten vor den Toiletten und wünscht sich diesen elektrisierenden Moment zurück. Aber er ist vorbei. Wie ein Windhauch hat er sich verflüchtigt. Ab und zu sehe ich verstohlen zu ihm, aber es kommt kein Blickkontakt mehr zustande. Dieses Kapitel scheint beendet zu sein, noch ehe es begonnen hat.

 

Es ist kurz nach zehn, als sich am Nachbartisch Aufbruchsstimmung breitmacht. Mit einem angedeuteten Nicken verabschiedet er sich bei mir. Am liebsten würde ich ihn aufhalten, aber mein Körper fühlt sich an wie Blei. Ich rege mich nicht einen Millimeter. Nur meine Augen sagen: Geh nicht! Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in ihnen lesen kann? Wehmütig sehe ich der kleinen Gruppe hinterher, als sie das Restaurant verlässt. Ich ärgere mich darüber, dass ich mich vorhin so schnell von ihm losgerissen und ihm nicht einmal meine Nummer zugesteckt habe. Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob Ablenkung im Moment gut für mich ist. Immerhin arbeite ich daran, bald von meinem Autorinnenbusiness leben zu können. Dafür muss ich fokussiert bleiben. Nichts und niemand wird mich von diesem Plan abbringen. Auch nicht dieses Sahneschnittchen von Kerl.

Ich besiegle meine Entscheidung mit der Bestellung eines weiteren Cocktails. Es ist besser so. Dann beteilige ich mich wieder rege an den Gesprächen.

Tom

 

 

Tom verabschiedet sich von Sandro und Mick, nachdem sie aus der S-Bahn gestiegen sind. Im Gegensatz zu ihm wollen sie noch um die Häuser ziehen und die Sau rauslassen. Trinken und feiern, lautet die Devise. Wer umfällt, hat verloren. Vielleicht liegt es daran, dass die zwei Familienväter sind und sich der Alltag so massiv verändert hat. Ob sie das Gefühl haben, ihnen entgleitet das Leben?

Tom kann diesem Abfeiern nichts abgewinnen. Im Moment ist ihm seine Karriere wichtiger. Allein der fette Brummschädel am nächsten Morgen, der ihn einen ganzen Tag kosten würde, schreckt ihn ab.

Schon als kleiner Junge wollte er Architekt werden und hat seitdem alles für diesen Traum getan. Er hat es geschafft. Aber damit ist es nicht genug. Es gibt noch viele Stufen, die er erreichen will. Die Nächste wird die Anstellung bei Odgers & Odgers sein. Einem renommierten Architekturbüro, von dem er eine Menge lernen will. Man sollte nie aufhören, zu wachsen und sich weiterzubilden.

---ENDE DER LESEPROBE---