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Ein einsamer Frachter, ein fremdes Schiff – und eine Entscheidung zwischen Leben und Tod. Für Maren ist es ein Routineflug durch das Alpha-Centauri-System. Doch als sich ein unbekanntes Objekt nähert, wird aus dem Alltag plötzlich ein Kampf ums Überleben. Gefangen an Bord ihres eigenen Schiffs, bedroht von Piraten und mit kaum einer Chance auf Flucht, muss Maren Entscheidungen treffen, für die niemand je ausgebildet wurde. "Alleine im All" ist eine ruhige, eindringliche Science-Fiction-Erzählung über Isolation, Überlebenswillen und stille Hoffnung im grenzenlosen Schwarz des Alls.
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Seitenzahl: 37
Veröffentlichungsjahr: 2025
Dirk Brechmann
Alleine im All
Science-Fiction
Ich war gerade eingenickt, halb zusammengesunken im Steuerstuhl, als das Alarmsignal aufflackerte. Erst dieses metallisch-hohle „Blipp“, dann das rote Leuchten über der Konsole – kurz, scharf, nervig wie eine Mücke im Schlaf.
„Nicht schon wieder“, murmelte ich, ohne die Augen zu öffnen. Ich kannte den Ton. Ich kannte das verdammte Licht.
Die Diagnostik bestätigte, was ich befürchtet hatte: ein Reaktionssensor in der Fusionsleitung, wieder einmal fehlerhaft kalibriert. Ich hatte ihn letzte Woche erst ausgetauscht, mit einem frisch geprüften Modul aus dem Lager. Gebraucht, klar. Aber geprüft.
Ich richtete mich auf, rieb mir das Gesicht. Der Raum war dämmrig, erfüllt vom leisen Summen der Lebenserhaltung. Vor mir tanzten Sternensplitter an der Sichtkuppel – weit entfernt, still, gleichgültig.
„Bist du wach, Maren?“ fragte die KI.
„Ich war nie richtig weg.“ Ich stöhnte leise, pellte mich aus dem Stuhl und streckte mich.
Das rote Licht blinkte weiter. Stur. Als hätte es Spaß daran.
„Warnung“, sagte Otto mit seiner gewohnt trockenen Stimme. „Kalibrierfehler im Reaktionssensor der Primärleitung.“
Ich seufzte. „Danke, Otto. Ohne dich hätte ich das blinkende Licht glatt übersehen.“
„Möchtest du eine Anleitung zur Fehlerbehebung?“
„Nein, ich möchte, dass du mir einen Kaffee machst.“
„Meine Protokolle beinhalten keine Barista-Funktion.“
Ich schnaubte und griff nach dem Werkzeugmodul. „Dann langweil mich nicht mit Infos, die ich schon habe.“
„Verstanden. Ich werde dich ab sofort nur noch auf Bedrohungen hinweisen, die unmittelbar zum Tod führen.“
Ich hielt kurz inne, sah zur Konsole. „Du bist heute richtig charmant.“
„Ich wurde nicht für Charme programmiert.“
„Glaub ich dir sofort.“
Ich klemmte mir das Reparaturmodul unter den Arm, stieß mich vom Schott ab und glitt in den Verbindungsgang. Die eigenartige Stille, wie sie nur Schwerelosigkeit kennt war hier besonders spürbar. Kein Schritt, kein Hauch. Nur das leise Surren aus den Wänden, das Pochen meines Pulses im Ohr.
Vor mir zog sich der lange, metallene Korridor durch den Frachtraum. Containerwände an Containerwänden, silbern und grau, gesichert mit Magnetlaschen und kaum mehr als durchnummerierte Klötze. Alles Routine. Alles vertraut. Und doch jedes Mal ein bisschen gruseliger, wenn man sich daran erinnerte, dass außerhalb dieser Wände nichts war. Nichts als Vakuum.
„Du solltest in Erwägung ziehen, bei Gelegenheit ein Ersatzteilset höherer Qualität zu ordern“, tönte Otto aus dem Mobile Device. Er war immer höflich, wenn er passiv-aggressiv war.
„Ich bestelle, was ich kriege, Otto. Das hier draußen ist nicht gerade ein Premium-Versorgungssektor.“
„Notiert. Mangelhafte Wartungsbedingungen gelten ab sofort als Teil deiner Einsatzbeschreibung.“
„Füg gleich noch hinzu: Pilotin, Technikerin, Lagerverwalterin und moralische Instanz in Personalunion.“
„Ein beeindruckendes Kompetenzprofil. Es erklärt die Effizienzrate von…“
„Sag’s nicht.“
Ich duckte mich unter einem Rohrbogen hindurch, stieß mich leicht ab und schwebte weiter. Meine Knie schlugen fast an eine lose Sicherungslasche.
„Verdammter Schrott“, murmelte ich, mehr zu mir selbst. „Sensoren, die kaum ein Jahr alt sind und schon flackern wie ein Lagerfeuer im Wind.“
„Fehlerquote liegt laut Datenbank bei 17,4 Prozent“, informierte Otto nüchtern.
„Und trotzdem schicken sie uns die Dinger, weil irgendjemand bei der Zentralvergabe seine Bonuspunkte einlösen will.“ Ich stieß mich ab, gleitete weiter. „Ich hoffe, die Piraten klauen denen mal den Schreibtisch.“
Otto schwieg einen Moment. Dann: „War das Sarkasmus?“
Ich grinste. „Du lernst schnell, Otto.“
Der Reaktorraum empfing mich mit summender Wärme und bläulichem Licht. In der Schwerelosigkeit schwebte jeder Ton länger, vibrierte fast körperlich in den Knochen. Ich bremste meinen Flug mit einem Griff an die Haltestange, zog mich vorsichtig an das Kontrollpanel heran. Dort – direkt oberhalb der Versorgungsleitungen – blinkte der Übeltäter. Reaktionssensor 3B. Schon wieder.
„Ich bin am Ziel“, murmelte ich und ließ das Reparaturmodul neben mir schweben.
„Arbeitsanweisung wird eingeblendet“, verkündete Otto. Und tatsächlich: In meinem Sichtfeld erschien eine durchsichtige AR-Grafik, die über dem Sensor schwebte. Explosionszeichnung, Demontage, Austausch. Standardprozedur.
Ich rollte innerlich mit den Augen. „Nein, Otto. Diesmal kein Austausch.“
„Kalibrierung wird nicht empfohlen. Zuletzt führte Kalibrierung zu temporärem Funktionsverlust nach 11.000 Betriebszyklen.“
„Temporär heißt funktionierend. Ich brauch den Sensor nur stabil genug, bis wir die nächste Wartestation erreichen.“
„Berechne erhöhtes Ausfallrisiko innerhalb der nächsten acht Tage.“
„Und ich berechne, dass mir sonst bald die Ersatzteile ausgehen.“ Ich zog den Kalibrierschlüssel aus dem Modul und schob mich näher an die Leitung. „Also, was ist dir lieber – Risiko oder Totalausfall, weil du mir in zwei Wochen mitteilen musst, dass wir keinen Sensor mehr haben?“
Otto schwieg für eine Sekunde. Für ihn war das fast ein Seufzer.
„Kalibrierungsprotokoll wird angepasst. Ich vermerke die Abweichung.“
„Du bist ein Schatz.“
„Bitte benutze diese Bezeichnung nicht. Sie ist kontextuell unpräzise.“