Alles nur für Dich - Andrew Grey - E-Book

Alles nur für Dich E-Book

Andrew Grey

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Beschreibung

Der einzige Weg zum Glück ist Freiheit: die Freiheit, im Leben und in der Liebe dem eigenen Herzen zu folgen. Diese Freiheit in Anspruch zu nehmen erfordert allen Mut, den ein junger Mann aufbringen kann … Aber er muss sich der Aufgabe nicht allein stellen. Im kleinen konservativen Sierra Pines, Kalifornien, ist Pastor Gabriel das Gesetz. Sein Sohn Willy folgt seinen Vorgaben … bis er in Sacramento einen Mann kennenlernt und ihn kurz darauf in seiner Heimatstadt wiedertrifft – genau vor der Nase seines Vaters. Reggie ist der neu ernannte Sheriff von Sierra Pines. Sein Engagement für den Beruf verlangt, dass er seine Sexualität nicht zur Schau stellt. Aber als er Will wiedertrifft, wird er das Gefühl nicht los, dass sie füreinander bestimmt sind. Er möchte Wills Geheimnis wahren, bis Will bereit ist der Welt zu zeigen, wer er ist. Als wäre es nicht schon genug, sich gegen die Kirche und die Stadtbewohner zu stellen, drohen die Gefahren von Reggies geliebtem Job der Romanze ein Ende zu bereiten, ehe sie noch richtig begonnen hat.

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Zusammenfassung

Widmung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

Epilog

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Copyright

Alles nur für dich

Von Andrew Grey

Der einzige Weg zum Glück ist Freiheit: die Freiheit, im Leben und in der Liebe dem eigenen Herzen zu folgen. Diese Freiheit in Anspruch zu nehmen erfordert allen Mut, den ein junger Mann aufbringen kann … Aber er muss sich der Aufgabe nicht allein stellen.

Im kleinen konservativen Sierra Pines, Kalifornien, ist Pastor Gabriel das Gesetz. Sein Sohn Willy folgt seinen Vorgaben … bis er in Sacramento einen Mann kennenlernt und ihn kurz darauf in seiner Heimatstadt wiedertrifft – genau vor der Nase seines Vaters.

Reggie ist der neu ernannte Sheriff von Sierra Pines. Sein Engagement für den Beruf verlangt, dass er seine Sexualität nicht zur Schau stellt. Aber als er Will wiedertrifft, wird er das Gefühl nicht los, dass sie füreinander bestimmt sind. Er möchte Wills Geheimnis wahren, bis Will bereit ist der Welt zu zeigen, wer er ist. Als wäre es nicht schon genug, sich gegen die Kirche und die Stadtbewohner zu stellen, drohen die Gefahren von Reggies geliebtem Job der Romanze ein Ende zu bereiten, ehe sie noch richtig begonnen hat.

Für Holly und Mike: Ihr seid Teil meiner Familie und dafür bin ich jeden Tag dankbar.

1

„WIE IST der neue Job?“, fragte Casey, als Reggie Barnett, der neu ernannte Sheriff von Sierra Pines, Kalifornien, bei Barney’s auf seine Freunde zukam.

Reggie rollte mit den Augen und ließ sich mit einem erleichterten Seufzen auf den einzigen freien Stuhl fallen. „Kann ich wenigstens ein Bier haben, bevor du hier einen auf spanische Inquisition machst?“, fragte er und fuhr sich über die Augen, um den Staub wegzuwischen und die lange Liste von Problemen auf dem Revier für ein paar Stunden aus dem Kopf zu bekommen.

„Niemand erwartet die spanische Inquisition“, imitierten seine Freunde den perfekten Monty Python Stil.

Reggie kicherte und entspannte sich etwas. Er hätte wissen müssen, dass es ihm guttun würde, die Jungs zu sehen. Sie waren zusammen auf dem College gewesen. Casey war jetzt Anwalt und dabei, sich einen guten Ruf zu erarbeiten. Vick war Pharmazeut in einem Krankenhaus. Und Bobby, der intelligenteste von ihnen, der in Davis als Jahrgangsbester abgeschlossen hatte, war jetzt in Berkeley, machte gerade seinen Master und plante seinen PhD in Mathematik. Er hatte einfach eine gute Beziehung zu Zahlen. Sie hatten während der gesamten Studienzeit eine Wohngemeinschaft gebildet. Reggie lächelte bei dem Gedanken, was sich alles in dieser Zeit in ihrer kleinen Dreizimmerwohnung abgespielt hatte.

Bobby stellte ihm ein Bier hin, Reggie nahm einen großen Schluck und seufzte.

„So schlimm?“, fragte Casey über die Geräuschkulisse von dutzenden überlappenden Unterhaltungen, sich anbahnenden Bekanntschaften und Musik, die vergeblich versuchte, dem Lokal Atmosphäre zu verleihen. Schönen Dank auch, das hier war eine Bar und kein Tanzclub. Schließlich schien jemand das zu bemerken und stellte die Musik ab.

„Schlimmer“, antwortete Reggie. „Viel schlimmer.“

„Deshalb haben sie dich ernannt“, sagte Bobby und klopfte ihm sanft auf die Schulter. Bobby war eine Bohnenstange mit Streberbrille und einem hinreißenden Lächeln. „Du bist der Beste und deshalb brauchen sie dich hier.“

Sie alle waren gewohnt, einander aufzuziehen, aber in Bobbys Augen fand sich kein Hinweis, dass es ein Scherz war.

„Was ist denn so schlimm?“, fragte Casey und drehte sein Glas mit Vodka Soda in seiner Hand. Er hatte immer schon mehr Energie als alle anderen gehabt, die sich ständig in kleinen Bewegungen ein Ventil zu suchen schien.

Reggie nahm noch einen Schluck. „Zunächst einmal, dass ich drei Hilfssheriffs habe.“ Er hielt drei Finger hoch und zählte ab. „Einer ist ein Säufer. Ich habe ihn noch nicht dabei erwischt, dass er im Dienst alkoholisiert war, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Ich habe gesehen, wie er nach Hause getorkelt ist, nachdem er den ganzen Abend in einer Bar verbracht hat. Der zweite ist erst so kurz dabei, dass er den ganzen Tag eine Million Fragen stellt. Mein Vorgänger hat ihm nichts beigebracht, außer Strafzettel für zu schnelles Fahren auszustellen. Und der Dritte …“ Reggie rollte dramatisch mit den Augen. „Der hält sich für Gottes Geschenk an das Dezernat und sieht nicht ein, warum ich zum Sheriff ernannt wurde. Ich habe den Verdacht, dass der Typ mächtig Dreck am Stecken hat. Keine Beweise, nur ein Gefühl.“ Er leerte sein Bier und Bobby brachte ihm ein neues.

„Ich schätze, du fährst heute nicht mehr?“, fragte Vick über den Rand seiner zuckerfreien Cola. Er war der ruhigste in der Gruppe und trank nie. Er hasste den Geschmack von Alkohol und meinte, für ihn würde er wie Batteriesäure schmecken. Sie bezahlten gemeinsam seine Drinks und er sorgte dafür, dass sie am Ende des Abends alle sicher nach Hause kamen.

„Nein, das Auto steht auf dem Parkplatz. Ich kann es später holen. Ich muss erst Montag um acht zurück sein, also kann ich morgen Nachmittag zurückfahren.“ Reggie nahm noch einen Schluck. Zumindest für ein paar Stunden war das Leben in Ordnung.

„Prima.” Bobby legte einen Arm um Reggie. „Ich übernachte bei Casey.“

„Du kommst zu mir“, bot Vick an und lächelte. „Ich habe jetzt sogar ein ordentliches Gästebett, damit du nicht auf dem Sofa schlafen musst.“

„Mein Rücken und mein Arsch werden es dir danken“, erwiderte Reggie. „Manchmal glaube ich, ich werde alt.“

Die anderen stöhnten einstimmig. „Bitte“, sagte Bobby mit seinem tuntigsten Akzent. „Noch ist keiner von uns über dreißig. Also werden wir nicht alt. Ich für meinen Teil würde die letzten Jahre meines Twink-Daseins gerne genießen.“

„Du bist kein Twink und du warst nie einer“, schnaubte Reggie. Er drehte sich zur Tür, durch die gerade ein Mann Anfang zwanzig hereinkam. „Siehst du? Das ist ein Twink“, sagte er und deutete auf den Typen, der ein paar Schritte ins Lokal machte, sich umsah und dabei so dicht an der Wand klebte, als fürchtete er, es könnte sich jeden Moment von hinten jemand nähern und ihm seine Unschuld rauben wollen.

„Nein, das ist ein verängstigtes kleines Häschen“, sagte Casey grinsend. „Erinnerst du dich, als wir das erste Mal in einer Gay Bar waren? Ich glaube, wir haben alle so ausgesehen, nur dass wir zu viert waren, uns flüsternd zusammengedrängt und dabei auf alle wie Frischfleisch für die Wölfe gewirkt haben. Aber wir hatten einander und eine große Klappe.“

„Das hat sich nicht geändert“, warf Vick ein, machte eine ausladende Handbewegung und rutschte fast von seinem Stuhl. Er musste gar nicht erst trinken, um ein Tollpatsch zu sein.

Bobby hob Vicks Glas auf, zog die Nase kraus und schnupperte daran. Dann probierte er und stellte das Glas wieder ab. „Nur Limo.“ Alle lachten und Reggie sah wieder zurück, wo der Junge mit tellergroßen Augen an der Wand stand.

Gott, er erinnerte sich, wie sich das anfühlte. Die Freiheit, jene ersten Schritte in eine Welt zu machen, die einem vielleicht erlaubte zu sein, wer man ist, aber voller Angst, gesehen zu werden. Oder noch schlimmer, wenn niemand etwas sagen würde. Dann, nach einer kleinen Weile, wich das Zittern den ursprünglicheren Instinkten und man hoffte, dass ein netter Typ stehenbleiben und einen ansprechen würde. Denn der wahre Grund, warum man allen Mut zusammengenommen hatte, war der Wunsch, gevögelt zu werden.

„Und wie sieht dein Plan aus, das Revier auf den Kopf zu stellen?“, fragte Casey.

Reggie grunzte undefinierbar und beobachtete weiterhin den Jungen. Er hatte sandfarbenes Haar und selbst vom anderen Ende des Raumes konnte Reggie sehen, dass seine Augen so blau waren wie der Lake Tahoe an einem sonnigen Tag. Kurz gesagt, er war umwerfend und ihn umgab ein Hauch von Unschuld, der ihn noch anziehender machte.

„Ich glaube, Reggie ist nicht hergekommen, um über die Arbeit zu reden“, stellte Bobby fest. „Gib ihm eine Chance, sich zu entspannen und den Jungen dort drüben mit den Augen zu vernaschen.“

„Das habe ich nicht“, knurrte Reggie und drehte sich wieder zur Gruppe.

„Er ist aber wirklich süß“, sagte Casey und machte Anstalten, von seinem Stuhl aufzustehen.

„Lass ihn in Ruhe. Er braucht keinen von deinen miesen Sprüchen und auch nichts von deinem schleimigen Anwaltsgehabe.“ Reggie schickte Pfoten weg Schwingungen in die Runde und alle waren plötzlich auffällig an ihren Drinks interessiert. Nicht dass er etwas vorhatte. Der Typ war zu jung und Reggie wollte nicht die halbe Nacht damit verbringen, dem Jungen Nachhilfe zu geben.

Reggie hatte eine strikte Regel, nie ein Verhältnis in einer Stadt zu beginnen, in der er arbeitete. Keine Dates, kein Sex, kein Drama, keine Intrigen. Er hatte immer in kleineren Städten gearbeitet und war nach Sacramento oder San Francisco gefahren, wenn er Gesellschaft wollte und das Bedürfnis hatte, einen heißen Typen flachzulegen. Er hatte nicht oft Gelegenheit dazu und würde sie wahrscheinlich auch in Zukunft nicht haben, also wollte er aus jedem Abend möglichst viel herausholen.

Reggie drehte sich wieder zu dem Blondschopf um, der weiter in den Club vorgedrungen war und sich an einen der kleinen Tische gesetzt hatte. Er war bezaubernd. Er hatte seinen Stuhl an die Wand gerückt und den Tisch wie einen Schild vor sich.

Ach, noch einmal so jung und unschuldig sein.

„Hör auf zu gucken. Ich glaube nicht, dass für dich heute Küken auf der Speisekarte steht“, neckte Casey.

„Auf keinen Fall.“ Reggie sah sich im Raum um und entdeckte am übernächsten Tisch einen Mann seines Alters. Er lächelte und Reggie erwiderte das Lächeln. Breite Brust, kräftige Arme, stark – ein richtiger Mann.

Einer der Kellner, die herumgingen, hielt am Tisch. Für einen Moment war es im Raum ruhig genug, um den Typen reden zu hören.

Fantasien waren wie Seifenblasen und es war so leicht, einen Mann zu sehen und sich augenblicklich ein Bild von ihm zu machen. Reggie stellte sich einen Holzfäller Typ vor. Er trug ein kariertes Hemd, das aus allen Nähten platzte und hatte die intensive Sonnenbräune eines Mannes, der im Freien arbeitete. Aber die Seifenblase platzte, als er den Mund aufmachte und mit einer beinahe Falsett-hohen Stimme einen Martini bestellte. Die Attraktivität löste sich auf der Stelle in Luft auf. Sieh Tarzan und höre Jane war ein sicheres Zeichen, dass der Kerl seine Tage im Fitnessstudio verbrachte und abends überlegte, welche Steroide ihm zu kräftigeren Waden verhelfen würden. Nein danke.

Reggie drehte sich weg, nahm einen weiteren Schluck Bier und schnappte sich einen der Salami- und Brezel-Snacks, die der Kellner gerade gebracht hatte. Essen war eine gute Idee und er schob ein Stück in den Mund und nahm das nächste, als Vick sich entschuldigte und zur Toilette ging.

„Bleib nicht zu lange weg, sonst wissen wir, was du gemacht hast“, neckte Casey. Das war ein lahmer Scherz und Vick zeigte Casey den Vogel.

„Oh-oh“, sagte Bobby und Reggie sah ihn an. Er deutete mit dem Kopf zur Wand und Reggie drehte sich um. Der Junge war noch immer am Tisch, aber nun waren rechts und links von ihm zwei Typen. Sie waren groß, stark und belagerten den Jungen. Das war eine klassische Einschüchterungstaktik und die Augen des Jungen erinnerten an ein Reh im Scheinwerferlicht eines Autos. Er stand auf, versuchte offenbar wegzukommen und einer der Männer legte die Hand auf seine Schulter. Auch eine Taktik. Der Junge setzte sich wieder und seine Augen spiegelten Furcht.

„Da sind wieder mal die bösen Trolle unterwegs“, kommentierte Casey. „Warum können solche Arschlöcher die Leute nicht zufriedenlassen? Um Himmels willen. Sie erreichen damit höchstens, dass sie den Jungen so verschrecken, dass er sich wieder im Schrank verkriecht und es Jahre dauert, ehe er sich traut, den nächsten Schritt zu machen.“

Reggie verstand. Er rutschte von seinem Stuhl. Er hasste brutale, aufdringliche Typen und würde nicht zulassen, dass der Junge verletzt wurde.

„Reggie, ist das eine gute Idee?“, fragte Bobby und legte ihm sanft eine Hand auf den Arm.

„Erinnerst du dich an Arschloch-Art?“, fragte Reggie.

Bobby zog die Hand weg, sein Blick wurde düster und er nickte. „Schnapp sie dir.“

Reggie richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schlenderte zu dem Tisch hinüber, als wäre es sein Lokal. „Gibt es hier ein Problem?“ Er richtete die Frage an den verängstigten Jungen, der die Tischkante umklammerte wie einen Rettungsring. „Belästigen sie dich?“

„Wir wollten mit ihm etwas trinken.“

Einer der großen Typen stand langsam auf und versuchte einschüchternd zu wirken, aber Reggie kannte das Spiel. „Verzieh dich, wenn du weißt, was gut für dich ist“. Die Meldung kam von der ersten Ratte mit den gelben Zähnen. Sein Atem roch, als hätte er sein Abendessen aus dem Mülleimer bezogen. Reggie hielt den Atem an. Beide Kerle rochen, als hätten sie schon länger nicht mehr geduscht.

„Wie wäre es, wenn ihr ihn selbst antworten lasst?“, sagte Reggie.

„Ich … sie … ich“, stammelte der Junge und umklammerte den Tisch, dass seine Fingerknöchel weiß waren.

„Ich verstehe.“ Reggie wandte sich den beiden Typen zu. „Ich schlage vor, ihr beide haut ab. Jetzt!“ Er griff in die Tasche und zog seine Dienstmarke hervor, ohne dass sie eine Chance hatten, sie genau zu sehen. „Ihr habt zehn Sekunden, um aufzustehen und euch vom Acker zu machen. Sonst rufe ich ein paar Freunde und wir nehmen uns eure Autos vor und sehen uns an, was ihr dort versteckt. Abschaum wie ihr hat immer was versteckt.“ Er lächelte. Die beiden Typen sahen sich an und hatten es plötzlich sehr eilig, zu verschwinden.

„Was willst du?“, fragte der Junge.

Reggie schüttelte den Kopf. „Von dir gar nichts. Aber ich kenne die Sorte.“

Der junge Mann griff nach seinem Drink, aber Reggie hielt seine Hand fest. „Haben die dir das gebracht?“, fragte Reggie. Der Junge nickte. „Dann schütte es weg. Da ist wahrscheinlich was drin.“ Reggie nahm das Glas und stellte es auf das Tablett eines Kellners zum Abservieren. „Ihr Plan war wahrscheinlich, dich unter Drogen zu setzen und dich dann an einen Ort zu bringen, wo sie mit dir machen können, was sie wollen und du hättest sie nicht stoppen können.“ Er trat einen Schritt zurück, um dem Jungen Raum zu lassen und ihm nicht das Gefühl zu vermitteln, dass er eine Gefahr gegen eine andere getauscht hatte. „Ich bin Reggie.“

„Willy.” Er schluckte. „War die Marke echt?“

„Ja. Ich bin Sheriff in einer Kleinstadt ein paar Stunden von hier entfernt. Ich wollte sie nur abschrecken.“ Reggie klopfte sanft auf die Tischplatte. „Ich gehe dann mal wieder zu meinen Freunden, aber sei vorsichtig. Bist du zum ersten Mal an einem Ort wie diesem?“

„Ja.“ Der ängstliche Blick war wieder da.

„Die meisten Leute sind sehr nett und nicht wie diese Typen. Sprich Leute an, sei freundlich und sie werden sich mit dir unterhalten, das kann ich dir versprechen. Nimm keine Getränke von Menschen, die du nicht kennst, aber das ist nur eine Sicherheitsvorkehrung. Also geh es locker an und hab Spaß. Okay?“

Es tat Reggie leid, dass die erste Erfahrung des Jungen so beängstigend gewesen war. Er drehte sich um und ging zurück zum Tisch, wo ein Teller mit gefüllten Ofenkartoffeln auf seinem Platz stand und ein frisches Bier auf ihn wartete.

„Die Belohnung für den Helden“, sagte Bobby grinsend. „Das war wirklich nett von dir.“

Manchmal dachte Reggie, dass das Gefühl für Recht und Unrecht tief in ihm verwurzelt war. Er hasste Ungerechtigkeit und er hatte schon Unmengen davon erlebt. „Danke.“ Er stürzte sich auf das Essen und verschlang die erste Kartoffel in drei Bissen.

Als jemand ihm sanft auf die Schulter tippte, drehte Reggie sich um. Willy stand mit einem Bierglas hinter ihm. „Kann ich mit dir reden?“

Reggie brauchte einen Moment, um zu erfassen, was der Junge meinte. Dann lächelte er. „Klar, nimm dir einen Stuhl.“ Reggie stellte rasch alle vor.

„Ich bin zum ersten Mal … an einem Ort wie diesem … und …“

Reggie nickte. „Es ist eine Gay Bar und wenn du die Worte nicht aussprechen kannst, dann wirst du nie damit umgehen können, dass du hier bist und dass du tatsächlich – schwul bist.“ Er schob den Teller näher und Willy nahm zaghaft eine Kartoffel. Er aß sie beinahe so schnell wie Reggie. Reggie kicherte. „Langsam, niemand nimmt sie dir weg.“

„Ich war zu nervös, um etwas zu essen, bevor ich hierhergekommen bin“, gab Willy zu.

„Wie süß“, witzelte Vick.

„Hör auf damit. Erinnerst du dich, als du zum ersten Mal in einem solchen Lokal warst? Du hast auf deine Schuhe gekotzt und hättest dir beinahe in die Hosen gemacht, weil du solche Angst hattest.“ Reggie grinste.

„Das war eine verdorbene Pizza und das weißt du!“, protestierte Vick.

Das war jahrelang seine Ausrede gewesen, aber sie hatten alle dasselbe gegessen und niemandem sonst war übel geworden. Reggie ging nicht darauf ein.

„Kommt ihr oft her?“, fragte Willy.

Bobby schüttelte den Kopf. „Nein, Süßer. Wir waren alle zusammen auf dem College. Ich lebe in Berkeley. Casey und Vick wohnen hier in Sacramento und Reggie sitzt irgendwo am Arsch der Welt in den Hügeln der Sierra. Wenn es möglich ist, treffen wir uns, um etwas zu trinken, zu quatschen und über alte Zeiten zu plaudern.“

„Ihr seid nicht zusammen?“

„Nein“, antwortete Reggie. „Ich hatte mal was mit Vick für etwa drei Tage und auch mit Casey für eine Woche. Aber dann wurde uns klar, dass wir als Freunde viel besser dran sind und das sind wir schon ziemlich lange. Brüder von verschiedenen Müttern, sozusagen.“

Er hob sein Glas und alle stießen an und tranken.

„Wie hast du …? Wissen es deine Eltern?“ Willy zitterte und Reggie hatte den Verdacht, dass dies seine allerersten Schritte aus dem Gefängnis waren, das der Schrank sein konnte.

„Wir sind alle in unseren Familien geoutet und haben auch die Eltern der anderen getroffen.“

„Caseys Schwester Lila ist meine beste Freundin und ich war Trauzeuge bei ihrer Hochzeit“, erklärte Vick. „Wir wissen alles voneinander. Hast du irgendwelche engen Freunde?“

Willy nickte. „Aber keiner von ihnen ist … ihr wisst schon … schwul.“

„Nun, dann such dir schwule Freunde“, riet Casey.

Reggie war froh, dass Casey nicht mit dem Auto fuhr, denn er hatte bereits genug getrunken und wurde sehr gesprächig. Vick reichte das Essen herum und Willy nahm etwas davon.

„Hör nicht auf den Betrunkenen dort drüben. Mach einfach einen Schritt nach dem anderen. Das haben wir alle so gemacht. Nur hatten wir das Glück, einander zu finden und jemanden zu haben, auf den wir uns verlassen konnten. Reggie deutete auf den Teller, nahm noch ein Stück und bot Willy eines an. Nun, da er nicht mehr so ängstlich aussah, war er noch niedlicher als zuvor. Seine Augen waren von einem hellen Himmelblau und seine üppigen Lippen waren voll und rot. Er hatte eine kleine Nase mit einem kleinen Grübchen, das wahrscheinlich daher stammte, dass sie einmal gebrochen gewesen war.

„Ich möchte euch nicht belästigen. Das ist nur alles so neu.“ Als er lächelte, kam eine perfekte Zahnreihe zum Vorschein und seine Augen funkelten. Er war wirklich hübsch und süß wie alle Frischlinge. So verschämt, wie er immer wieder wegsah, vermutete Reggie, dass da wohl jemand Sternchen in den Augen hatte. Es kam Reggie komisch vor, es in Gedanken so zu formulieren, aber er hatte das Gefühl, dass Willy sich vielleicht ein wenig in ihn verguckt hatte.

Reggie bestellte eine weitere Runde Drinks und Willy entschied sich für Limonade wie Vick. Sie unterhielten sich eine Weile und die Zeit verflog. Bald war es Mitternacht und Reggie begann zu spüren, dass es ein langer Tag gewesen war.

„Ich glaube …“, setzte er an und stand auf. „Ich bin gleich zurück.“ Reggie ging zur Toilette und erledigte sein Geschäft, ohne groß darauf zu achten, was sich in den Kabinen abspielte. Wäre er auf Streife gewesen, hätte er sie getrennt und verscheucht, aber es war nicht sein Lokal und nicht sein Problem. Als er zurückkam, waren die Jungs bereit zu gehen und auch Willy war aufgestanden.

Willy schien auf ihn zu warten und folgte ihm nach draußen. „Ähm … Reggie?“, sagte Willy. Reggie stoppte und ging ein paar Schritte zurück zum Eingang, wo Willy nervös von einem Fuß auf den anderen trat. „Möchtest du vielleicht noch irgendwo hingehen?“

Reggie schloss für einen Moment die Augen und dachte zurück an die Zeit, als er so jung gewesen war – ängstlich, unerfahren und geil. Es war dreimal passiert, dass er das Gefühl gehabt hatte, er würde sterben, wenn er keinen Sex hätte. Als er die Augen wieder öffnete, sah Willy ihn mit einer Mischung aus Nervosität und Verlangen an. Der Junge war entzückend und es wäre ganz leicht gewesen, Vick zu sagen, dass er nicht warten sollte. Er würde Willy mit in ein Hotelzimmer nehmen und sehen, was sich unter der schlecht sitzenden Kleidung verbarg. Er konnte sich leicht seinen schlanken, festen, hübschen Körper vorstellen. Er musste diese Gedanken stoppen, sonst würde er Willy geben, worum er bat, denn in seiner Hose wurde es eng.

„Das würde ich gerne“, sagte Reggie und Willy lächelte. „Aber ist es wirklich das, was du willst? Es ist dein erstes Mal, richtig?“

Willy biss sich auf die Lippe und nickte. „Ich meine, ich … einmal …“ Er machte eine Geste mit der Hand.

„Ich möchte nicht, dass dein erstes Mal mit jemandem passiert, den du ein paar Stunden zuvor in einer Bar getroffen hast, und es sollte mit Sicherheit nicht in einem billigen Hotel sein.“ Reggie wünschte, jemand hätte mit ihm so geredet, als er jung und dumm war. „Geh aus, finde Freunde, lerne Leute kennen. Geh mit Jungs aus und entscheide dann, wer dein Erster sein soll. Jemand, der sich die Zeit nimmt, um sicherzustellen, dass es so besonders und liebevoll ist wie nur möglich. Du hast nur ein erstes Mal, also verschwende es nicht an jemanden, der zu viel getrunken hat oder jemanden, den du kaum kennst.“

Er klopfte Willy auf die Schulter. „Ich weiß, du denkst jetzt, dass ich hier eine Moralpredigt halte und so, aber ich spreche aus Erfahrung. Du hast einen großen Schritt gemacht, indem du aus dem Schrank gekommen bist und dabei bist herauszufinden, wer du bist. Jetzt such dir jemanden, der dir mit dem nächsten Schritt der Reise helfen kann … und dir helfen kann, dabei glücklich zu sein. Jemand, der sich um dich sorgt und der dir wichtig ist. Okay?“

Reggie wäre nicht überrascht gewesen, wenn Willy ihm gesagt hätte, dass er sich verpissen sollte. Ja, er hatte wahrscheinlich verdammt selbstgerecht geklungen und sein innerer Zensor war nicht auf der Höhe.

Willy trat gegen den Boden und weigerte sich aufzusehen. „Okay, schätze ich. Aber da ist niemand …“ Er sah so verloren aus.

„Es wird jemand kommen. Mach nicht denselben Fehler wie ich, es zu überstürzen. Ich bin ziemlich schlimm verletzt worden.“ Reggie hatte keine Ahnung, warum er das jemandem erzählte, den er kaum kannte. Nur die Jungs kannten die Wahrheit, was mit ihm geschehen war. Nicht einmal seine Eltern kannten alle Details. „Nicht dass ich dir wehtun würde. Aber du kennst mich überhaupt nicht. Du verdienst etwas besseres als das.“ Mit etwas, das hoffentlich ein aufmunterndes Lächeln war, drehte Reggie sich um und ging zu Vicks Auto. Die anderen beiden waren auf dem Rücksitz, also zwängte er sich auf den Beifahrersitz des kleinen Wagens, schnallte sich an und schloss die Augen.

„Hast du die Angel ausgeworfen?“, neckte Casey.

„Nein. Er wollte, aber … ich bin zurückgewichen.“

Casey stöhnte und Bobby kicherte. Nur Vick sagte nichts, parkte aus und fuhr auf die Schnellstraße.

„Warum nicht? Du hättest ihn doch gut behandelt, oder?“

„Natürlich hätte ich das“, knurrte Reggie. „Aber er war so verängstigt und es war sein erstes Abenteuer da draußen. Ich sagte ihm, er solle warten und das erste Mal zu etwas Besonderem machen, mit jemandem, der ihm etwas bedeutet.“ Er drehte sich zum Rücksitz um, wo die beiden einander ansahen. „Erinnert ihr euch noch an euer erstes Mal? War es etwas Besonderes oder etwas Unsicheres, Lächerliches?“ Er kannte die Antwort bereits, denn sie hatten die Geschichten über ihre ersten Erfahrungen schon vor Jahren ausgetauscht.

„Aber du hättest es für ihn zu etwas Besonderem gemacht. Und jetzt wird irgendein Typ kommen und ihn wahrscheinlich furchtbar enttäuschen“, meldete sich Bobby zu Wort.

„Halt die Klappe“, sagte Vick. „Sei kein Arsch. Reggie war nett und hat das Richtige getan. Die Hälfte der Typen in der Bar hat den Jungen angesehen wie ein Stück Fleisch.“ Er tätschelte Reggies Bein. „Ich bin stolz auf dich. Ja, du hättest landen können, aber du warst ein Gentleman und hast dem Jungen nicht nur geholfen, sondern ihm auch was zum Nachdenken gegeben. Das war ziemlich cool.“

„Ja, Reggie war nett. Der perfekte Held. Und zur Belohnung geht er mit seiner rechten Hand nach Hause, statt mit dem heißen, straffen Körper, der sich genau jetzt an ihn schmiegen könnte. Au!“, jammerte Casey, als Bobby ihm einen Schlag auf den Hinterkopf verpasste. „Wofür war das?“

„Dafür, dass du ein Arsch bist“, sagte Bobby. „Und jetzt hör auf.“ Er klopfte Reggie auf die Schulter. „Du hast recht. Du warst nett zu ihm. Es wäre gut gewesen, wenn wir damals auch so jemanden gehabt hätten, als wir versucht haben, uns zurechtzufinden. Mann, haben wir manchmal Scheiße gebaut. Es ist ein Wunder, dass wir nicht alle an gebrochenen Herzen gestorben oder in der Klapsmühle gelandet sind.“

Ja, Reggie wusste, dass er das Richtige getan hatte. Aber Casey hatte trotzdem recht und es wurmte ihn, dass in seinem Kopf Bilder davon aufblitzten, was er vielleicht gerade versäumt hatte.

2

„ICH HABE Sie gestern gar nicht in der Kirche gesehen“, sagte Sam Glade, als Reggie auf dem Weg zu seinem Büro an seinem Schreibtisch vorbeiging.

„Ich war nicht in der Stadt.“ Davon abgesehen hatte Reggie seit mindestens zehn Jahren keine Kirche mehr betreten und auch nicht die Absicht, nun damit zu beginnen.

„Pastor Gabriel hat nach Ihnen gefragt“, insistierte Sam und Reggie hielt die Luft an. Sam roch immer leicht nach Fusel und das machte Reggie misstrauisch. Er hatte ihn noch nie auf der Arbeit trinken sehen und diesmal roch auch sein Atem nicht. Aber ein Hauch war immer da, gerade genug, dass Reggie es wahrnehmen konnte. Als würde es aus seinen Poren dringen. „Ich sagte ihm, man sollte Sie vielleicht in der Gemeinde willkommen heißen.“ Sam rollte seinen Stuhl das kleine Stück bis zur offenen Tür von Reggies Büro. „Er meinte, er würde vorbeikommen und Sie besuchen.“

Das fehlte ihm gerade noch – ein Pfaffe auf der Dienststelle, der seine unsterbliche Seele retten wollte. „Dann richten Sie ihm bitte aus, dass er sich die Mühe sparen kann. Ich fühle mich so wohl und ich habe eine Menge Arbeit, die mich auch weiterhin beschäftigt halten wird.“ Reggie trat hinter seinen Schreibtisch, setzte sich und sah Sam an. „Haben Sie nichts zu tun?“, fragte er nachdrücklich.

„Nichts wichtigeres als Gottes Werk“, konterte Sam.

Reggie stand wieder auf, ging zu ihm hinüber und fixierte ihn. Der gesamte Betrieb auf dem Stützpunkt war lasch und alle taten so wenig wie möglich. Er musste sich behaupten. „Die Bewohner von Sierra Pines bezahlen uns dafür, dass wir für ihre Sicherheit sorgen. Das hier ist ein Arbeitsplatz und unsere Arbeit ist der Gesetzesvollzug. Punkt. Wenn Sie nichts zu tun haben, dann werde ich etwas für Sie finden.“ Er beugte sich näher zu Sam. „Und wenn Sie sich mehr um meine Seele sorgen als um die Arbeit, dann schlage ich vor, Sie wechseln ins Priesterseminar und ich engagiere einen Hilfssheriff, der daran interessiert ist, seinen Job zu machen.“

„Sheriff … Ich …“

„Wie wäre es, wenn Sie sich jetzt an die Arbeit machen“, knurrte Reggie und Sam kehrte an seinen Schreibtisch zurück. „Und bringen Sie Ihre Uniform in Ordnung, bevor Sie gehen.“ Reggie war schon bald zur Einsicht gelangt, dass er einen Hilfssheriff feuern musste, nur um klarzumachen, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Dafür boten sich zwei Kandidaten an.

„Marie“, rief er quer durch den Raum und deutete zur Stationssekretärin. Sie eilte herüber und kam in sein Büro.

„Sie müssen ein paar Dinge für mich erledigen. Bitte sehen Sie nach, wie die Kleidungsvorschriften für das Revier und den Bundesstaat allgemein lauten und stellen Sie sicher, dass alle Hilfssheriffs heute eine Kopie erhalten. Ich werde die Einhaltung ab morgen kontrollieren.“ Sein Revier würde nicht mehr aussehen wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Landeiern, die Polizisten spielten.

„Ja, Sheriff“, sagte sie mit einem zaghaften Lächeln.

„Außerdem wird sich das gesamte Personal regelmäßigen Drogentests unterziehen.“ Reggie war die ganze Nacht auf gewesen und hatte herausgefunden, dass der Staat ihm das erlaubte. Sie werden unangekündigt dann stattfinden, wenn ich es für angebracht halte. Ein auffälliges Resultat zieht eine sofortige Kündigung nach sich.“ Das sollte zumindest einen der Männer in Angst und Schrecken versetzen.

Marie machte sich Notizen. „Sonst noch etwas?“

„Schreiben Sie bitte dazu, dass jeder, der Fragen hat, sich direkt an mich wenden soll.“ Er lächelte, denn mit ihr hatte er kein Problem. Marie war eine gute, effiziente Sekretärin, die ihre Arbeit ordentlich machte.

„Das werde ich und ich sollte Ihnen die Memos noch vor der Mittagspause zur Ansicht geben können.“

„Perfekt, vielen Dank. Gab es Anrufe?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Gut, dann schicken Sie Jasper zu mir, wenn er kommt.“ Reggie hoffte sehr, dass er aus ihm einen guten Mitarbeiter machen konnte, dem er vertrauen konnte. Jasper wollte lernen. Er hatte nur einfach keine ordentliche Ausbildung bekommen und verbrachte normalerweise seine Tage in oder außerhalb der Stadt an der Hauptstraße und hielt nach Temposündern Ausschau. Er verdiente etwas Besseres.

„Wird gemacht“, sagte Marie fröhlich und verließ das Büro.

Reggie setzte sich wieder und ging seine E-Mails durch, ehe er sich Berichten und anderem Papierkram zuwandte, der auch zum Job gehörte. Er hatte ein Chaos vorgefunden und erst Regeln einführen und ein ordentliches Ablagesystem schaffen müssen. Zum Glück hatte Marie sich gleich darauf gestürzt. Alles würde besser werden … er musste nur dafür sorgen.

Eine Stunde später klopfte Jasper an seine Tür und Reggie bat ihn, sich zu setzen.

Er hatte eine kleine Beschwerde vorliegen, die eingegangen war. Er ging sie mit Jasper durch und schickte ihn dann los, um sich darum zu kümmern.

„Sie meinen, heute keine Verkehrsüberwachung?“

„Genau. Gehen Sie und sehen Sie, was passiert. Geben Sie Bescheid, wenn Sie Hilfe oder Verstärkung benötigen. Zögern Sie nicht, das ist keine Schande.“

Jasper stürmte praktisch aus der Station und Reggie machte sich wieder an die Arbeit, bis ein weiteres Klopfen seine Konzentration unterbrach. Die Tür ging auf und ein schwarz gekleideter Mann mit einem weißen Kragen betrat das Büro.

„Sheriff Barnett?“, fragte er und Reggie stand auf. „Pastor Gabriel Thomas.”

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Reggie schüttelte seine Hand und beschloss, sich dumm zu stellen. „Wie kann ich Ihnen helfen? Hat es in der Kirche irgendwelche Probleme gegeben?“

„Nein.“ Pastor Gabriel schien überrascht. „Mir ist aufgefallen, dass Sie am Sonntag nicht in der Kirche waren und …“

Reggie entschied, dass es das Beste wäre, ehrlich zu sein. „Ich gehe nicht in die Kirche und zwar seit vielen Jahren nicht.“

„Das ist aber schade. Darf ich fragen, warum nicht?“ Der Pastor setzte sich. Er mochte vielleicht Anfang oder Mitte fünfzig sein. Sein schwarzes Haar wurde an den Schläfen grau.

„Eigentlich nicht“, sagte Reggie. Er wollte seine Gründe nicht öffentlich machen und er traute dem Pastor nicht so ganz.

Der Pastor richtete sich in seinem Stuhl auf. „Dies ist eine sehr christliche Gemeinde und beinahe jeder geht regelmäßig zur Kirche, einschließlich des Bürgermeisters und der Mitglieder des Stadtrates.“ Er beugte sich vor und sein Ausdruck veränderte sich ein wenig. „Ich denke, es ist immer das Beste, wenn die Leiter unserer Gemeinde allen ein gutes Beispiel geben. Wir müssen an die Kinder denken und welches Vorbild wir für sie sind.“

Reggie verschränkte die Hände auf dem Schreibtisch. „Ich stimme Ihnen zu. Wir sollten darüber nachdenken, welches Beispiel wir geben. Und ich finde es immer gut, wenn Menschen die Wahl gegeben wird, was sie mit ihrer Zeit anfangen. Freiheit ist eine wunderbare Tugend.“ Er stand auf und wandte sich der Flagge zu, die in der Ecke seines Büros stand. „Zu garantieren, dass in unserer Gemeinde das Gesetz eingehalten wird und dass alle sicher sind, ist ein hervorragendes Vorbild, finden Sie nicht?“ Reggie umrundete den Schreibtisch, lehnte sich dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Er konnte verdammt einschüchternd sein, wenn er es wollte und in diesem Moment wollte er.

„Wie ich schon sagte, der Bürgermeister und der Stadtrat gehen regelmäßig zur Kirche.“

Die Haltung des Pastors drückte eine unterschwellige Drohung aus.

„Gut für Sie. Führen Sie die Stadtväter ruhig auf den schmalen Pfad.“ Reggie lächelte und beugte sich ein wenig weiter vor, als der Pastor schluckte.

„Kann ich also darauf zählen, dass Sie sich ihnen anschließen werden?“

Reggie überlegte. „Wie ich bereits sagte, ich habe meine Gründe und werde Ihr Angebot sehr wahrscheinlich ablehnen. Aber ich wünsche Ihnen alles Gute und lassen Sie mich bitte wissen, wenn es Probleme geben sollte, die meine Unterstützung erfordern. Meine Hilfssheriffs und ich sind immer so schnell wie möglich zur Stelle. Und ich werde mich selbstverständlich an Sie wenden, sollte ich es mit einem Problem zu tun haben, das spiritueller Natur ist.“ Reggie öffnete die Tür des Büros. „Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen und ich weiß Ihren Besuch zu schätzen.“

Pastor Gabriel schien nicht zu wissen, wie ihm geschah. Er stand auf und verließ das Büro. „Sind Sie sicher, dass Sie es sich nicht noch einmal überlegen wollen? Wäre es nicht viel leichter, Ihrer Arbeit mit den Leitern unserer Gemeinde nachzukommen, wenn Sie ihnen in einem weniger formellen Rahmen auf neutralem Boden begegnen könnten?“

„Wir werden sehen. Nachdem der Staat die früheren Ordnungshüter dieser Stadt als nicht adäquat und nicht effizient eingestuft hat, wurde das vorgesehene Budget zurückgezogen. Dieses Revier untersteht nicht dem Bürgermeister oder dem Stadtrat. Ich wurde von der Justizbehörde von Kalifornien eingesetzt und ich werde als Teil meiner Routinearbeit hinlänglich mit dem Bürgermeister und den Ratsmitgliedern zu tun haben. Ich muss mich nicht auch noch aufdrängen, wenn sie in der Kirche sind.“ Reggie war ziemlich stolz auf sich. Er hatte es tatsächlich durch die Begegnung geschafft, ohne den Ausdruck zur Hölle zu benutzen. Er hatte von organisierten Religionen genug für mindestens zwei Leben. Aber es konnte nicht schaden, nett zu sein. „Bitte kontaktieren Sie mich jederzeit, wenn ich Ihnen helfen kann.“

Der Pastor richtete sich auf und sah Reggie an. „Dasselbe gilt auch für Sie. Mein Büro und meine Kirche sind immer offen.“

„Das ist gut zu wissen.“ Reggie wartete, während der Pastor nach links sah, wo ein Mann auf einer der Bänke auf ihn gewartet hatte und nun zu ihm kam.

Willy. Es war Willy von der Bar. Reggie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als der Pastor sich wieder zu ihm drehte.

„Sheriff, das ist mein Sohn William.“

Willy sah noch ängstlicher aus als in der Bar zwischen den zwei üblen Gestalten. Er war blass, hatte den Blick gesenkt und seine rechte Hand zitterte ein wenig. Großer Gott, er war Pastor Gabriels Sohn. Reggie war sicher, dass der Pastor nicht zu diesen erleuchteten New Age Geistlichen gehörte. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass Gabriel gegenüber Homosexuellen eine Haltung von leben und leben lassen vertrat.

„Nett dich kennenzulernen.“ Reggie streckte die Hand aus und Willy blinzelte. Er schien zu merken, dass sein Leben doch nicht gleich zu Ende sein würde.

„Gleichfalls, Sir.“ Ein Händedruck.

„Was machst du so?“, fragte Reggie.

Pastor Gabriel räusperte sich. „William wird in meine Fußstapfen treten. Er und ich haben ausführlich über seine Zukunft gesprochen und wir haben uns geeinigt.“

William widersprach nicht, aber er stimmte auch nicht zu.

„Einen guten Tag, Sheriff.“ Vater und Sohn verließen die Station und Reggie wandte sich zu seinen Mitarbeitern, die ihn alle mit großen Augen beobachteten.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte er in den Raum und alle wandten sich sofort wieder ihrer Arbeit zu, worauf Reggie in sein Büro zurückkehrte. Ein nervöses Räuspern ließ ihn von seinem Schreibtisch aufblicken. „Ja, Marie?“

„Ähm.“ Nun hatte sie den ängstlichen Kaninchen-Blick. „Ich habe die Memos fertig.“ Sie gab sie ihm und sah aus dem Zimmer. „Sie … Ich … nun … Ich werde Sie vermissen.“

Reggies Augen wurden schmal. „Wohin gehe ich denn?“

„Er … der Pastor … nun, er entscheidet, was hier geschieht. Die Leute hören auf ihn und die Stadtväter tun das auch. Wenn er es so will, werden die Sie feuern.“ Sie zitterte wie ein Blatt. „Und dabei haben Sie jetzt schon so viele gute Dinge getan.“

„Keine Sorge, Marie. Nichts dergleichen wird passieren. Erstens bin ich ziemlich gut in meinem Job und ich werde ein kompetentes, gut geführtes Sheriffbüro aufbauen, auch wenn ich es von Grund auf tun muss. Und zweitens habe ich eine Schwester, die mit dem Sohn des Gouverneurs verheiratet ist. Ich kann eine Nachricht nach Sacramento schicken, die im Kapitol schneller gehört wird, als der Pastor die Kommunion austeilen kann. Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin.“ Reggie lehnte sich zurück. „Ich mache von dieser Verbindung niemals Gebrauch, wenn ich nicht unbedingt muss. Unter anderem deshalb ist es sehr wirkungsvoll, wenn ich es doch tue. Also machen Sie sich keine Sorgen.“ Er sah die Memos durch, genehmigte sie und gab sie ihr zurück. „Bitte sorgen Sie dafür, dass heute noch jeder eines bekommt. Danke.“

Eines stand fest. Niemand würde damit durchkommen, ihn unter Druck zu setzen.

„Das werde ich und da kam gerade ein Anruf rein.“ Sie gab ihm die Details und er verließ das Büro, um sich auf den Weg zu einem Ort zu machen, der offenbar Schauplatz eines Motorradrennens war.

DAS AUFHEULEN von Motoren drang an seine Ohren, noch ehe er die Kuppe des Hügels erreicht hatte. Zwei Motorräder rasten auf ihn zu und belegten beide Fahrspuren. Er schaltete sein Blinklicht ein, die Räder kamen schlitternd zum Stehen, wendeten und fuhren in die andere Richtung davon.

„Jasper“, rief er über Funk. „Wo sind Sie?“

„Auf dem Rückweg zum Revier auf dem Sierra Drive.“

„Zwei Motorräder fahren in Ihre Richtung. Blockieren Sie die Straße. Ich komme von der Stadt. Sie dürfen nicht davonkommen, halten Sie Ihre Waffe bereit. Schießen Sie nicht, wenn Sie nicht in Gefahr sind, aber halten Sie sich bereit.“

Reggie drückte das Gaspedal durch und fuhr einen weiteren Hügel hinauf, als den Motorradfahrern klar wurde, dass ihnen der Fluchtweg abgeschnitten war. Reggie hielt an und stieg aus.

Jasper stand hinter der Tür seines Wagens, die Waffe im Anschlag. „Runter auf den Boden, jetzt!“

Reggie war so stolz auf ihn.

„Wissen Sie, wer ich bin?“, fragte einer der maskierten Männer, als er vom Bike stieg und sich auf den Boden legte. „Wer wir sind?“

„Ja, weiß ich. Ihr seid die Arschlöcher, die die Straße entlangrasen und alle in Gefahr bringen, die euch entgegenkommen. Und nun bleib da.“

Reggie hatte keine Ahnung, was die beiden vorhatten und band ihnen zur Sicherheit die Hände auf dem Rücken zusammen, ehe er sie nach ihren Namen fragte.

Jasper räusperte sich. „Das sind Clay und Jamie Fullerton.“

„Wie in Bürgermeister Fullerton?“, fragte Reggie grinsend.

Jasper nickte, offensichtlich aufgeregt.

„Na eben, da sehen Sie es“, sagte einer.

„Wie alt seid ihr, Jungs“, fragte Reggie und kniete sich neben den größeren der beiden.

Der Junge verstummte und Reggie packte ihn an den Fesseln und zog seine Arme hoch. Er wollte ihm nicht wehtun, aber ein wenig Angst konnte nicht schaden.

„Ich bin achtzehn und er ist siebzehn“, antwortete Jamie.