Altenteil - Rainer Nikowitz - E-Book

Altenteil E-Book

Rainer Nikowitz

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Beschreibung

«Wer bringt denn bitte Leute um, die sowieso bald von selber sterben?» Der Suchanek hat schon immer ein Drogenproblem gehabt. Findet zumindest der Richter und brummt ihm Sozialstunden im Altersheim auf. Einen ganzen Monat gleich! Nun wirkt die Lebensphase mit Nachmittagsbingo, Schnabeltasse und Erwachsenenwindel im grauen Wiener Winter natürlich noch einmal trüber, aber was soll's. Und natürlich sterben die Leute im «Haus Sonne» ohnehin wie die Fliegen. Nur geht das offenbar jemandem nicht schnell genug. Irgendeinem Angehörigen mit Erbwunsch? Dem Pfleger mit dem unappetitlichen Nebenerwerb? Oder einem von den Alten? Unter denen gibt es ja auch solche und solche. Mit dem widerborstigsten seiner Schutzbefohlenen verbindet den Suchanek bald so etwas wie eine Freundschaft. Der Mann ist Pflegefall, hasst alte Menschen und wird doch zur treibenden Kraft hinter Suchaneks Ermittlertätigkeit … Rainer Nikowitz und sein Held Suchanek: wochenlang Platz 1 auf der österreichischen Bestsellerliste!

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Seitenzahl: 354

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Rainer Nikowitz

Altenteil

Suchanek ermittelt

Kriminalroman

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

«Wer bringt denn bitte Leute um, die sowieso bald von selber sterben?»

 

Der Suchanek hat schon immer ein Drogenproblem gehabt. Findet zumindest der Richter und brummt ihm Sozialstunden im Altersheim auf. Einen ganzen Monat gleich! Nun wirkt die Lebensphase mit Nachmittagsbingo, Schnabeltasse und Erwachsenenwindel im grauen Wiener Winter natürlich noch einmal trüber, aber was soll’s. Und natürlich sterben die Leute im «Haus Sonne» ohnehin wie die Fliegen. Nur geht das offenbar jemandem nicht schnell genug. Irgendeinem Angehörigen mit Erbwunsch? Dem Pfleger mit dem unappetitlichen Nebenerwerb? Oder einem von den Alten? Unter denen gibt es ja auch solche und solche. Mit dem widerborstigsten seiner Schutzbefohlenen verbindet den Suchanek bald so etwas wie eine Freundschaft. Der Mann ist Pflegefall, hasst alte Menschen und wird doch zur treibenden Kraft hinter Suchaneks Ermittlertätigkeit …

 

Rainer Nikowitz und sein Held Suchanek: wochenlang Platz 1 auf der österreichischen Bestsellerliste!

Über Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz, geboren 1964, ist Kolumnist des Wochenmagazins «profil». Er lebt in Wien, und «Altenteil» ist nach «Volksfest» und «Nachtmahl» sein dritter Roman.

Help the aged

One time they were just like you

Drinking, smoking cigs and sniffing glue

Help the aged

Jarvis Cocker

1

Das war jetzt doch ein wenig ärgerlich. Der Höhepunkt der Woche und keine Zeugen.

«Das ist sie? Die suchen Sie?»

«Ein besseres Foto hab ich nicht.»

Der Baumarktverkäufer in dem speckigen roten Gilet schaute suchend über seine Schulter. Nicht ein Kollege in Sicht. Er fühlte sich wie ein Kunde.

«Da sind Sie bei mir falsch. Sie müssen zum Bahnhof Hütteldorf.» Er gab Suchanek das Foto zurück. «Gleis 2, 11.31 Uhr. Da fährt der Intercity nach Taka-Tuka-Land.»

–––

Wenn es jemanden gab, dem man keinesfalls das Bemühen absprechen konnte, im Haus Sonne für ein wenig Abwechslung zu sorgen, dann war das die Frau Zillinger. Frau Zillinger ging sehr gerne spazieren, und dies konnte man an sich nur uneingeschränkt loben. Dass regelmäßige Bewegung auch und gerade für unsere älteren Mitbürger sehr wichtig ist, darf wohl als im Kanon der populärmedizinischen Expertise fest verankert gelten. Allerdings hatte Frau Zillinger das kleine Problem, dass mitunter vor dem Eingang zu ihrem reichen Erfahrungsschatz, den sie in einem nun doch schon schöne 92 Jahre andauernden Leben zusammengetragen hatte, mitunter schlagartig der Vorhang fiel. Nicht immer. Aber immer öfter. Dass sie dann nicht mehr wusste, wer sie schnell noch einmal war, hätte dabei für sich allein genommen ihre Wanderungen noch gar nicht so schlimm beeinträchtigt. Auch gedankenverloren durch Hain und Flur schreitende Philosophen stehen bisweilen vor ähnlich kniffligen Fragestellungen. Als gröber hinderlich erwies sich eher, dass Frau Zillinger mit einem Mal auch nicht mehr wusste, wo sie war. Und dabei ging es nicht nur um die Feinheit, ob Hasengasse oder Gunschweg, Frau Zillingers Navigationsinsuffizienz war in Momenten wie diesen weitaus grundlegender. Welches Land? Und: Jupiter oder Neptun?

Frau Zillinger musste jetzt immer öfter wieder eingefangen werden. Damit wäre sie an sich schon ein Fall für die Pflegestation des Hauses Sonne gewesen, aber zwischen ihr und dem letzten Umzug lag eisern Frau Hamsik. Und die war nicht sehr kooperativ. So schwach und zerfallen sie in ihrem Bett auch aussehen mochte und so lang sie schon kein sinnstiftendes Wort mehr geäußert hatte – es war das Herz.

«Ein Herz wie ein Büffel», pflegte die Ärztin nach jeder Blutdruckmessung zu sagen. «Die wird uns noch hundert.»

Also durfte sich Frau Zillinger mangels Platz in der Pflegestation im Prinzip nach wie vor frei bewegen, denn so ein modernes Altersheim war ja kein Gefängnis, sondern praktisch eine riesige WG, in der jeder seine eigene Wohnung hatte und im Rahmen der Hausordnung tun und lassen konnte, was auch immer er wollte. Wann denn auch sonst, wenn nicht jetzt? Wo’s endlich egal war? Und nach einem Leben, das für alle Bewohner hier mehr Müssen als Wollen bereitgehalten hatte?

Meistens versuchte das Personal zwar, Frau Zillingers Bewegungsdrang in den hauseigenen Garten umzuleiten, aber manchmal entwischte sie eben doch. Für sich genommen kein Drama. Nur wohnte ab einer gewissen Zeit in dieser Kälte leider jeder weiteren Minute ihrer Abwesenheit zusehends die Gefahr schlechter Presse inne.

Was dann zwangsläufig folgte, durfte man als klassischen positiven Synergieeffekt verbuchen. Gesundheitsberufe sind ja für alle gesund, außer für jene, die sie ausüben. Das Personal im Haus Sonne war da keine Ausnahme. Tagtäglich alte Leute am Sterben zu hindern war anstrengend, ging auf die Bandscheiben und bei den Sensibleren auch aufs Gemüt. Nie kam man an die Luft, eine Extraration Sauerstoff gab es normalerweise höchstens im Raucherhof zwischen den hastigen Zügen an der Pausenzigarette, was die medizinische Bilanz erst recht wieder ins Soll trieb. Ein kleiner Ausflug war da doch eigentlich was Schönes. Und trotzdem musste man für den netten Spaziergang, der im Idealfall in der Dingfestmachung von Frau Zillinger gipfelte, nicht groß eine Warteliste anlegen. Die Auswahl erfolgte stattdessen nach einem der wesentlichsten Prinzipien, auf denen die menschliche Zivilisation seit Anbeginn fußt: Einer muss der Trottel sein. Und da man im Haus Sonne nunmehr über einen Suchanek verfügte, war für die nächste Zeit die doch oft belastende Unklarheit ausgeräumt, wer.

«Manchmal geht sie zum Würstelstand.»

«Schau zu der Bank in der Bujattigasse. Dort hat sie einmal den Bankomaten gegen alle verteidigt, weil sie gemeint hat, die stehlen ihr Geld.»

«Der Baumarkt ist auch ein guter Tipp. Sie scheint eine Schwäche für Schlagbohrmaschinen zu haben.»

«Und wenn sie da nirgends ist, dann bleibt noch die Ruinenvilla im Dehnepark. Hat einmal dem Willi Forst gehört, diesem Schauspieler von früher. Auf den steht sie. Er hat ihr angeblich einmal ein Autogramm gegeben, wie sie ein junges Mädchen war. Und ihr dabei auch noch ein Kompliment gemacht, wie hübsch sie ist. Selbst, wenn sie wieder einmal nicht weiß, wo hinten und vorne ist: Das vergisst sie nie. Und wenn du sie in einer Stunde nicht hast, ruf an. Dann kommt die Kavallerie.»

«Aber, selbst wenn ich sie finde», hatte Suchanek eingewendet, «warum sollte sie mit mir mitkommen? Sie kennt mich doch gar nicht.»

«Das ist egal. Wenn sie gerade wieder ein Blackout hat, kennt sie eh niemanden.»

Und dann hatte Suchanek noch etwas ausgespielt, das er irrigerweise für einen Trumpf gehalten hatte. «Ich weiß ja nicht einmal, wie sie aussieht.»

«Sie hat immer so einen Pelzhut auf. Nerz, glaub ich», hatte sich Robert, der Leiter der Hausbetreuung, sachdienlich gegeben. «An dem wirst du sie schon erkennen.»

Aber alte Frauen hatten doch quasi immer Pelzhüte auf. Sogar im Juli. Man wusste ja, dass verschiedene gesellschaftliche Gruppen ihre ungeschriebenen Gesetze hatten. Die Mafia hatte die Omerta, bei jugendlichen BMW-Fahrern mit eher südlichem Migrationshintergrund bestand Trainingshosen- und Heckspoilerpflicht. Und bei alten Frauen gab es da diese Pelzhut-Verordnung.

«Ich hab ein Foto!» Uschi, Assistentin in der Hausbetreuung, eine junge, dünne Frau mit der Ausstrahlung eines Regentages im November, war aufgesprungen und hatte es von der Pinnwand gepflückt.

–––

Suchanek betrachtete noch einmal ebendieses Foto, das ihm der Baumarktverkäufer gerade zurückgegeben hatte. Zwischen zwei jüngeren Frauen mit Fellohren stand eine merklich gealterte Pippi Langstrumpf. Einer ihrer Zöpfe war auch schon ganz schwach. Das Bild sei vom letzten Fasching, hatte Uschi noch angemerkt. Und: «Die Haare sind nicht echt.»

Nicht auszudenken, sie hätten Suchanek ohne diese Information losgeschickt.

Er verließ den Baumarkt und schaute missmutig nach oben. Wer hatte noch einmal immer schon gefunden, dass eine Kopfbedeckung prinzipiell spießig war? Der Wind schien sogar noch zugelegt zu haben und beschoss Suchanek von rechts oben mit scharfkantigen Graupeln. Im Jänner war nämlich auch in Wien Winter. Aber ein anderer. In den Bergen des Westens, wo sich die Menschen rätselhafter Sprache und interessanter Gewohnheiten befleißigten, mochte die Gletschersonne im Jänner ja durchaus so prächtig gleißen, dass sich bei Marijke noch eine Woche nach ihrer Rückkehr nach Leeuwarden die verbrannte Haut vom Nasenrücken schälte. Hoffentlich das einzige lästige Souvenir vom Skiurlaub. Andere brachten Gipsbeine heim. Oder Chlamydien. Diese Risiken waren in Wien überschaubarer. Auch die Lawinengefahr ging selten über Stufe eins hinaus. Aber ansonsten war der Jänner im Flachland nur dazu erfunden worden, um der Suizidrate nach dem Hoch zu Weihnachten keine allzu schlimme Konjunkturdelle zu bescheren. Die Wettervorhersage für den Winter wurde Anfang November erstellt und blieb dann bis Ende März dieselbe: Hochnebel. Manchmal gab es auch ein bisschen Abwechslung, wenn es nämlich aus dem Hochnebel schneite. Und wenn wieder einmal der Sturm ordentlich ging, konnte es sogar sein, dass der Hochnebel einmal Pause hatte. Aber nur kurz.

Trotz dieser erheblichen Hindernisse auf dem Weg zu einem glücklichen Leben war die Straßenbahn schon frühmorgens voller Leute gewesen. Das war erstaunlich, musste aber irgendwie mit dem Konzept der Lohnarbeit zu tun haben, von dem Suchanek schon einmal gehört hatte. Und neuerdings war er sogar Teil davon. Nur eben ohne Lohn.

Bei Frau Zillingers privatem Bankomaten war er schon gewesen und hatte dort festgestellt, dass ihr Geld dort zwar immer noch nicht sicher, aber dennoch unbewacht war. Nächster Halt also: Würstelstand. Suchanek schlug den Kragen hoch, rammte seine Fäuste tief in die Jackentaschen und ging los.

–––

«Was machen wir nur mit Ihnen, Herr Suchanek?», hatte der Richter gefragt. Ganz so, als ob die Antwort nicht glasklar auf der Hand gelegen hätte, weil sie natürlich nur lauten hätte können:

«Das ist alles ein unglaublicher Skandal! Ich möchte mich in aller Form für die Hexenjagd entschuldigen, der Sie durch die entmenschte Staatsanwaltschaft ausgesetzt waren, und Sie hiermit aber so was von freisprechen. Und als kleine Wiedergutmachung: Hätten Sie vielleicht gern die Telefonnummer von meiner Tochter?»

Aber darauf hatte Suchanek leider vergeblich gewartet, wie er so dagesessen und an seiner der Breite nach zu schließen in den späten siebziger Jahren geborenen Krawatte genestelt hatte, die ihm sein in Stylingangelegenheiten auch nicht letztgültig firmer Freund Grasel nicht nur geborgt, sondern auch noch so lang gebunden hatte, dass sie als blaugrün gestreiftes Textilsuspensorium bis weit zwischen die Schenkel heruntergereicht hatte.

Vielleicht hätte es auch geholfen, wenn der Pflichtverteidiger zumindest einen Teil des Prozesses zu etwas anderem genützt hätte, als am Handy zu checken, ob sich auf Tinder endlich etwas von Körbchengröße D aufwärts ergeben hatte. Zum Verteidigen etwa. Nur so ein Gedanke.

Das Fehlen einer interessierten, wachen und kritischen Öffentlichkeit war natürlich auch von Nachteil gewesen. Die Republik hatte ihren hammurabischen Rachefeldzug gegen Suchanek unter Umgehung der einschlägigen Passagen der Menschenrechtskonvention extra in einem ganz kleinen Saal am Ende der Justizwelt versteckt, erreichbar über einen ewig langen, verwinkelten Gang, in dem jeder noch so ambitionierte Maulwurf an seiner Berufung zu zweifeln begonnen hätte. Wobei, Saal, was hieß da überhaupt Saal? Das war bestenfalls ein Kabinett gewesen, für das man nicht einmal in diesen beliebten «Bastlerhit!»-Immobilienanzeigen ein Weitwinkelobjektiv gebraucht hätte. Der Große Schwurgerichtssaal, den jeder Kiebitz mit verbundenen Augen fand, der wäre natürlich voll mit empörten Mitbürgern gewesen, die dann möglicherweise den Richter ausgepfiffen oder gar den nächststehenden, professionelle Teilnahmslosigkeit vorschützenden Wachschergen subversiv am Jackenzipfel gezogen oder überhaupt gleich die Revolution ausgerufen hätten. Aber so.

«Eigenbedarf …», hatte der Richter dann gesagt. «Alles Eigenbedarf, behaupten Sie? Wer soll Ihnen das denn glauben, bei der Menge? Das war ja nun wirklich ganz schön viel.»

10 Deka. Das war doch nicht viel! Und natürlich war das alles für ihn selber gewesen. Bei Gras kannte Suchanek kein Teilen oder Weitergeben, er war ja nicht die Caritas. Außerdem, wenn einer 10 Deka Kalbspariser oder was einkaufte, da machte ja auch keiner große Augen und fragte maliziös, wer denn da wohl alles mitesse. Einräumen musste man allenfalls, dass 10 Deka Gras im Vergleich zu Kalbspariser leider etwas auftrugen. Das sah dann möglicherweise für das ungeübte Auge gleich nach etwas aus. Und dann hatten Suchaneks 10 Deka halt auch noch dermaßen gestunken, dass der Polizist, der ihn auf dem Heimweg von seinem Versorger zur Verkehrskontrolle rausgewunken hatte, gar nicht erst groß nach dem Drogenspürhund funken hatte müssen.

–––

«Ich hab heute schon ein paar alte Frauen gesehen», sagte die Stimme des Standlers aus dem Wurstwasserdunst heraus. «Um die Ecke ist ein Heim.»

«Ich weiß. Da komm ich ja her.»

Der Würstelstand hieß «Iss mir Wurscht!». Er war gleich bei der Endstation der Straßenbahn und trotz der frühen Uhrzeit ganz gut besucht. In einem kleinen, auf einer Seite offenen Zelt, in dem ein Heizschwammerl die Temperatur zumindest über null hielt, saßen drei mittelalte Männer an einem länglichen Heurigentisch. Jetzt ist es nicht jedermanns Sache, den Tag mit einer Käsekrainer zu eröffnen. Darum hatten sich die Herren auch für Bier entschieden. Man glaubt ja immer, man muss was Warmes trinken gegen die Kälte. Dabei geht es nur um die Kalorien. Tee ist Wasser mit meist vernachlässigbarem Geschmack. Bier hingegen Brennstoff zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Und da reden wir noch gar nicht von Mineralien und Spurenelementen.

«Wie sieht sie denn aus?»

Suchaneks Hand zuckte kurz. Aber dann ließ er das Foto lieber doch, wo es war. «Sie hat einen Pelzhut auf.»

«Eine alte Frau mit einem Pelzhut? Echt jetzt? Welche besonderen Kennzeichen hat sie noch? Zwei Hände und zwei Füße?»

Suchanek drehte sich seufzend um. Er war schon dermaßen durchgefroren, dass er einen Sangria-Kübel am Ballermann alleine durch kurzes Eintauchen seiner Finger auf Betriebstemperatur gebracht hätte. Als er sich in Richtung dieser komischen Villa aufmachte, rief ihm der Standler noch nach: «Ist es wenigstens eine Erbtante?»

Man wusste von ja allerlei störenden Eigenheiten, die Alte so zu haben pflegten. Sie konnten sich nicht erinnern, was sie zu Mittag gegessen hatten, aber ganz genau, was sie an dem Tag getan hatten, an dem JFK erschossen worden war. Ständig hatte man an der Supermarktkasse Alte vor sich, die stundenlang in ihren abgewetzten Portemonnaies nach diesem einen Cent gruben, der vor einer Woche garantiert noch da drin gewesen war. Außerdem tendierten Alte dazu, bei jeder verfügbaren Körperöffnung leckzuschlagen und nach toter Katze zu riechen. Dennoch hatte der Richter gefunden, dass er Suchanek mit seinem Urteil einen großen Gefallen tat. Im Gefängnis lerne einer wie er schließlich nur noch mehr Blödheiten. Vielleicht stimmte das ja sogar. Und eigentlich kam Suchanek mit Alten eh genauso gut klar wie mit Jungen. Überhaupt nicht. So gesehen blieb es sich wiederum völlig gleich, an wem er sich gemeinnützig abzuarbeiten hatte. Sozialdienst ohne Sozialkontakt wäre das Optimum gewesen, aber von der Justiz so viel Weitblick zu erwarten, war vermessen. Wobei, wenn die Alten so waren, wie sie gehörten, also zwar noch nicht ganz tot, aber schon weitgehend bewegungsunfähig und verstummt, dann hatten sie eigentlich eh eine Menge mit Suchanek gemeinsam. Das hieß aber noch lange nicht, dass er an ihnen herumhantieren wollte. Keine Viertelstunde. Und erst recht nicht 200 Stunden.

Es ging bergauf. Leider hatte sich dieser Willi Forst damals eingebildet, seine Villa auf einem der lieblichen Hügel des Wienerwaldes errichten zu müssen. Als sich Suchanek, der sich seine nur bedingt wettertauglichen Schuhe mittlerweile mit dem Baikalsee teilte, bis zum Eingang des Dehneparks hochgekämpft hatte, war die Stunde, die ihm Robert gegeben hatte, um. Er hätte also jetzt anrufen und die anderen auch in den Blizzard schicken können. Andererseits machte es vielleicht doch einen schlanken Fuß, wenn er alleine erfolgreich war.

Wiederum andererseits, aber das fiel ihm erst zehn Minuten später ein, als er auf dem vereisten Weg, der sich weiter durch den kahlen Park hochschlängelte, schon bis knapp vor die Ruine gerutscht war, zog eine zufriedenstellende Erfüllung seines ersten Auftrags womöglich die Gefahr nach sich, dass der umgehend zum Dauerauftrag wurde.

Von dem verschachtelten Gemäuer stand nur noch ein Kranz gotisch anmutender Spitzbögen, in denen einmal die Fenster gewesen waren. Der Teil schien auch noch ganz gut beisammen zu sein. Darüber und darunter waren allerdings nur roh behauene Steine wie bei einer richtig alten Burg. Und nach der Geröllhalde darunter zu schließen, wurden die nur mehr durch ihre Willenskraft zusammengehalten. Suchanek ging den Drahtzaun entlang, der das Gebäude umgab. Er fand einen Eingang, der aber versperrt war. Dahinter war ein Türstock, über dem ein Schild hing: «Betreten der Baustelle verboten». Die Stadt Wien war ja nicht unbekannt dafür, dass es bei manchen Baustellen mitunter etwas länger dauerte. Aber wenn das hier ernst gemeint war, dann schlug es locker den Berliner Flughafen. Hier konnte die Alte nicht sein, über den Zaun wäre sie nie drübergekommen. Suchanek nestelte nach seinem Handy und wollte gerade Verstärkung anfordern, als er etwas hörte. Es kam von irgendwo aus der Ruine. Das war … eine Stimme. Schwach, aber doch.

«Hallo? Frau Zillinger?»

Das Geräusch brach wieder ab. Suchanek ging weiter den Zaun entlang – und tatsächlich: ein Loch. Er schlüpfte hindurch und betrat den ersten Raum. Der war ziemlich hoch und mit dicken Balken gepölzt. An den Wänden waren Graffitis, «Thug» stand da oder der gerade in diesem Bezirk an jeder Ecke zu findende Hinweis, dass hier Rapid Wien regierte. In der Mitte des Raumes lagen die Reste eines Lagerfeuers. Und überall ausgebrochene Mauersteine. In den nächsten Zimmern sah es ähnlich aus, nur die Graffiti wechselten. «Jenny + Nati», «Peace and Love» und ein eher mysteriöses, dafür aber umso größeres und kunstvolles «Senf». Im folgenden Raum war der Boden zur Hälfte weggebrochen – aber auf dem, was noch übrig war, lag ein Mensch. Er war in allerlei Fetzen und einen zerschlissenen Schlafsack eingemummt, sodass man sein Gesicht kaum sehen konnte. Einige leere Flaschen standen herum und das offensichtliche Getränk des Tages, eine angebrochene Tetrapackung Rotwein. Neben dem schlafenden Obdachlosen, auf einem großen Stein, saß Frau Zillinger. Sie sah Suchanek interessiert an.

«Frau Zillinger! Gott sei Dank hab ich Sie endlich gefunden. Ich komme vom Haus Sonne und soll Sie nach Hause bringen.»

Die Frau musterte ihn stumm. Dann rückte sie ihren Pelzhut zurecht, wandte sich wieder dem Schlafenden zu und begann dünn und zittrig zu singen.

«Du hast Glück beiiii den Frauen, Bel Amiii.»

2

Man sagte nicht mehr Altersheim. Das ging ja beides nicht. Heim klang nach Internierung und alt nach alt. In Wien hießen Altersheime «Häuser zum Leben», und das war natürlich schon ein schöner Name. Allerdings war Suchanek, als er auf Google Earth den richtigen Weg zum Haus Sonne gesucht hatte, aufgefallen, dass das Haus Sonne von oben besehen die Form eines großen Kreuzes hatte. Eine nicht unoriginelle Wahl. Da war der Architekt wahrscheinlich nicht nur einmal schenkelklopfend vor seinem eigenen Plan gesessen. Andererseits konnte man streng genommen eigentlich überhaupt jedes Haus «Haus zum Leben» nennen. Nicht nur solche, die hochkant als Grabstein für Godzilla getaugt hätten.

Von vorne sah man der Sonne nicht an, dass da 300 Apartments Platz hatten. Der Haupteingang war an der kurzen oberen Seite des Kreuzes, also dort, wo sie damals bei Jesus angeblich «INRI» hingeschrieben hatten, damit sich Barnabas neben ihm anbetungstechnisch nicht irgendwelche Schwachheiten einbildete, und rundherum standen hohe Nadelbäume, die den Rest des Gebäudes weitgehend verdeckten. Das Haus war in hellbrauner Tarnfarbe gehalten, alle paar Meter sprang ein senkrechter dunkelbrauner Streifen von Balkonen hervor. Über der automatischen Glastür stand in nüchternen blauen Lettern der Name, nur das O war eine gelbe Sonne. Drinnen war es hell, fast schon schmerzhaft hell. Alles weiß, der Steinboden, die Wände und Decken, auch die Sessel in der Eingangshalle. Das fiel wohl unter «freundliche Atmosphäre». Und viele stellten sich möglicherweise auch vor, dass es oben beim Himmelvater, dem sie bald die Hand schütteln durften, ähnlich aussah.

Gegenüber von Suchanek in der Halle saß eine Frau. Augen geschlossen, Kopf nach hinten gekippt, den Mund weit offen. Ihre falschen Zähne hatten der verhängnisvollen Wechselwirkung zwischen Schwerkraft und Billig-Haftcreme Tribut zollen müssen und hingen halb aus dem rechten Mundwinkel. Wahrscheinlich schlief sie. Womöglich mehr. Musste man am Ende Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten? Aber hatten die Alten in diesen Heimen nicht ohnehin alle Patientenverfügungen, in denen drinstand, dass sie nicht wiederbelebt werden wollten? Suchanek sah sich schon die Greisin nach einem Zettel abklopfen, auf dem stand: «Lasst mich sterben!» Gut, dass Roberts Besprechung gerade noch rechtzeitig aus war.

«So, jetzt hab ich endlich Zeit für dich!»

Manchen Menschen sagte man ja nach, sie hätten ein offenes Gesicht. Das war in der Regel positiv gemeint, aber nur, weil wieder einmal keiner Suchanek um seine Meinung fragte. Wobei Meinung auch wieder ein großes Wort war, denn sehr oft hatte Suchanek gar keine, weil ihm das meiste ergreifend wurscht war. Das offene Gesicht aber, das ihn jetzt anstrahlte, konnte ihm nicht wurscht sein, weil er es in nächster Zeit täglich sehen würde. Wuschelige Haare, die hinten zu einem kleinen Dutt zusammengeknäuelt waren, eine dieser um zwei Nummern zu großen Hornbrillen, die man heutzutage brauchte, um im antikapitalistischen Café hinter seinem Latte gute Figur zu machen. In den Hipster-Bezirken sah jeder Zweite so aus.

«Danke noch einmal, dass du mit der Zillinger gleich ins kalte Wasser gesprungen bist. Wir hätten sonst nicht gewusst, wie wir das machen sollen, es hatte ja keiner Zeit.»

In der nächsten Sekunde würde Suchanek garantiert ekliger Schleim zwischen den Fingern durchquellen, so batzweich war Robert Apfalters schweißiger Händedruck.

«Wie hast du sie denn zum Mitgehen überredet?»

«Ich hab gesagt, wenn sie nicht kommt, dann essen ihr die anderen den ganzen Kaiserschmarrn weg.»

«Ah! Es gibt heute Kaiserschmarrn?»

«Nein.»

Robert schob sich mit dem Zeigefinger die Brille hoch. «Das war recht gefinkelt, vor allem fürs erste Mal. Aber normalerweise versuchen wir hier schon, unsere Bewohner nicht anzulügen.»

Ist mir recht, dachte Suchanek. Ihr könnt das gerne weiter versuchen.

«Also: Hausführung?»

«Gern.»

«Diesen Teil hier kennst du eh schon. Direktion, dahinter die Hausbetreuung, also unsere Räume. Anschließend kommt noch ein Fernsehzimmer und ein Abgang in den Keller. Da drüben ist der Lift für den Bewohnertrakt. Und daneben der Eingang zur Pflegestation. Die schauen wir uns am Schluss an. Jetzt gehen wir einmal in den Speisesaal.»

Die Halle war in der Zwischenzeit voller Alter. Natürlich traf man sie überall in der Stadt, wie sie mit ihrem typischen steifen Wackelgang daherpendelten wie auf Adagio gestellte Metronome oder sich auf Gehstöcke und Rollatoren gestützt mit einer Schrittlänge im einstelligen Zentimeterbereich einem Ziel entgegenschoben, das immer fern lag. Aber dermaßen geballt traten sie selten auf. Selbst in einem Altersheim.

 

«Wo wollen die alle hin?», fragte Suchanek und wies mit dem Daumen auf die träge fließende Prozession der Lahmen und Gebeugten. «Ist es nicht noch ein bisschen früh fürs Mittagessen?»

«Die gehen zum Plenum. Oder wie die Direktorin auch sagt: zur Klagemauer. Jeden Montag um zehn.»

Es war gerade einmal halb zehn. Aber das wusste man ja über das Geriatriegeschwader. Frühe Vögel allesamt. Flügellahm zwar, aber früh. Beim Aufstehen, beim Essen, bei allem. Wenn du willst, dass ein Alter um drei irgendwo ist, sag ihm, er soll um vier kommen.

«Das ist der Speisesaal.» Das hatte Suchanek schon vermutet. So viele Tische und Sessel konnten durchaus als Indiz gelten.

«Die meisten Bewohner essen hier. Aber manche wollen auch im Zimmer bleiben, denen bringen wir das Essen rauf. Und hier finden auch die meisten von unseren Nachmittagsaktivitäten statt. Da ist immer was anderes los. Entweder ein Vortrag oder wir machen ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier oder es wird was gebastelt.»

Wenn Suchanek mit seinem handwerklichen Talent den Alten beim Basteln unter die Arme griff, würde es für die aber schwer bis unmöglich werden, Menschen zu bleiben, die sich nicht ärgerten.

«Das heißt also, das wird meine Hauptarbeit sein.»

«Ja. Und was du sonst noch tun wirst, das sind eigentlich so die klassischen Tätigkeiten von den Ehrenamtlichen, also von unseren Helfern, die sich freiwillig hier im Haus engagieren.»

Es gab also Menschen, die unbezahlt hier arbeiteten, obwohl sie andererseits klug genug gewesen waren, sich nicht beim Kiffen erwischen zu lassen. Die Welt war voller Wunder.

«Sie begleiten zum Beispiel Bewohner, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, bei ihren Spaziergängen. Manche sind überhaupt auf den Rollstuhl angewiesen, wenn die an die Luft wollen, geht das schon gar nicht ohne Hilfe. Oder man erledigt kleine Wege für sie, Einkaufen, Post, so etwas.»

Suchanek ging nie spazieren. Und wenn ausnahmsweise doch einmal, dann war binnen Minuten er es, der Hilfe brauchte.

«Aber das Allerwichtigste ist sowieso, dass die Leute jemanden haben, der ihnen zuhört.»

Zuhören, das war machbar. Zumindest so tun. Solange niemand über Gebühr anspruchsvoll war, also zum Beispiel irgendwann eine Antwort erwartete oder so.

«He!» Ein Gehstock fuhr in Augenhöhe auf Suchanek zu. An seinem Ende saß eine Frau, die ihn argwöhnisch anstarrte. «Den kenn ich nicht!»

Robert lächelte. «Daran musst du dich gewöhnen. Sie sind sehr … nun ja, sagen wir: interessiert.»

Sie fuhren mit dem Küchenaufzug nach unten. «Und? Wie lange bleibst du bei uns?», fragte Robert im Lift.

«Wenn ihr hier eine 40-Stunden-Woche habt, dann fünf Wochen.»

Robert wackelte mit dem Kopf und seufzte. «So ein Scheiß, was? Und das alles nur wegen einem bisschen Gras. Und was machst du sonst so, beruflich meine ich? Wie geht sich das aus, dass du fünf Wochen am Stück abdienen kannst?»

«Im Moment bin ich arbeitslos. Da passt das ganz gut.» Wer sagte denn, dass ein Moment nicht 18 Jahre dauern konnte? Das Universum und Suchanek rechneten da großzügig.

Der Lift führte direkt in die Küche, und als die Tür aufging, dachte Suchanek, er wäre in einer Fertigungshalle für Autoteile gelandet. Lange Straßen aus Nirosta durchzogen den Raum, Fließbänder und rätselhafte Gerätschaften, die nach allem aussahen, nur nicht nach einem Herd. Weiß gekleidete Leute wuselten herum.

«Frühstück, Mittag- und Abendessen für 400 Personen inklusive Personal. Da geht was weiter, was? Da nebenan ist der Kühlraum, den brauchst du nicht von innen sehen, weil da wirst du nie reinmüssen. Außerdem weiß ich die Kombination gar nicht», sagte Robert und wies auf das Zahlendisplay. «Und die Stiege da geht ins zweite Untergeschoß. Zu den Katakomben. Da unten ist nichts, was für dich interessant wäre, Haustechnik, Heizungszentrale, Fettabscheider und solche Sachen. Da gehen nur die Hausarbeiter runter. Und auch die nicht freiwillig. Ah, übrigens: Da kommt ja gerade einer.»

Suchanek drehte sich um. Der Mann, der da auf ihn zusteuerte, konnte mit seiner Statur für eine Sonnenfinsternis sorgen.

«Das ist der Ivo, unser Stier von Serbien!» Suchaneks Hand begab sich in der ausgestreckten Pranke des bärtigen Riesen kurzfristig auf Abgängigkeit. «Der Suchanek ist jetzt eine Zeitlang bei uns, Ivo. Wenn er irgendwas braucht, hilfst ihm, gell?»

«Muss ma schauen», sagte Ivo und ging weiter. Robert führte Suchanek den Gang hinunter, bis er links in eine offene Tür einbog.

«Waschküche», sagte er und machte eine ausladende Handbewegung wie ein Hacienda-Besitzer, der von einem Hügel aus seine Latifundien präsentiert. Fast die Hälfte des Raumes wurde von großen blauen Plastikwannen auf Rädern eingenommen. Alle waren voll mit Wäsche.

«Bei 300 Leuten fällt natürlich eine Menge an, wie du dir vorstellen kannst. Der Dunja und der Gordana geht die Arbeit nie aus.» Eine der beiden Frauen, die vor zwei riesigen, sicher um die vier Meter hohen Waschmaschinen standen und bügelten, drehte sich um und lächelte schwach. In der Mitte ihres Blondkopfes machte sich ein dunkler Nachwuchsstreifen schon ziemlich breit. Sie sah geschafft aus.

«Ein Neuer?», fragte sie.

«Vorübergehend», antwortete Robert. «Weißt eh, so wie der Georg, der vor ein paar Wochen da war.»

«Ah so», sagte Dunja desinteressiert und drehte sich wieder weg.

Robert führte Suchanek weiter, zu einem Teil des Kellers, der für die Bewohner da war: Turnsaal, Massageraum, Sauna.

«Eine Sauna? Wird die auch benützt?»

«Oh ja. Da gibt es so eine Runde, die hat jeden Mittwoch ihren fixen Abend. Und sie freuen sich immer, wenn ihnen einer von uns Gesellschaft leistet.»

Da wäre doch einmal eine Abendgestaltung nach deinem Geschmack, Suchanek! Du triffst dich mit ein paar 90-jährigen Faltensäcken, ihr springt fröhlich gemeinsam aus der Panier und transpiriert euch dann gegenseitig an.

«Da drüben ist dann noch die Rettungs- und Lieferantenzufahrt. Solltest du auch wissen, wenn einmal was ist. Und jetzt nehmen wir am besten gleich diesen Lift hier wieder rauf. Das ist ein besonderer.»

«Wieso?»

«Wirst du gleich sehen.»

«Von der Größe her ist das ein Bettenlift. Für die Rettung.»

«Nicht direkt.»

Als sie oben ankamen, öffnete Robert die Tür und sagte: «Oh, shit. Besetzt.»

In dem Zimmer war es deutlich kühler als im Rest des Hauses. Das Licht war diffus, und auf einem kleinen Sims an der Stirnseite flackerten zwei elektrische Kerzenimitate, zwischen ihnen an der Wand ein Bild von einem leicht benebelten Herbstwald. Davor stand ein Bett. Und in dem lag eine Frau mit geschlossenen Augen, die Decke bis zum Kinn hochgezogen.

«Gott sei Dank sind gerade keine Angehörigen da, das wäre sonst richtig peinlich geworden», flüsterte Robert.

«Ist die … tot?»

Robert nickte. «Das ist unser Verabschiedungsraum. Wenn jemand stirbt, bringen wir ihn hierher, die Verwandten können kommen und sich da drin die Zeit nehmen, die sie brauchen. Und dann fahren wir gleich runter in den Keller zum Bestattungsauto. Das ist gescheiter so. Ich hab früher in einem anderen Heim gearbeitet, da haben sie die Toten beim Haupteingang rausgeführt. Das war irgendwie für die anderen nicht so prickelnd. So, hoffentlich sieht uns jetzt keiner, wenn wir hier rauskommen. Das haben sie nicht so gern, wenn wer mit dem Totenlift fährt.»

Die Hoffnung erwies sich als hochgradig trügerisch. Als sie auf den Gang hinausschlüpften, dröhnte es nämlich sofort:

«Robert! Sind wir wieder einmal von der Maschek-Seite gekommen?»

Der Mann hatte weiße Pflegerkleidung an. Seine Haare waren stoppelkurz abrasiert, der Nacken schlug drei speckige Falten, und im linken Ohrläppchen steckte eine dieser eigenartigen schwarzen Gummirollen mit Loch in der Mitte. Auf alte Leute musste diese Erscheinung eher minder vertrauenerweckend wirken. Ob die Frau mit den wirren Strubbelhaaren und dem leeren Blick, die er gerade am Arm festhielt, wohl deshalb so energisch versuchte, sich zu befreien?

«Ich habe ja nicht gewusst, dass wer drin ist», antwortete der Dutt betreten.

«Ist da jemals niemand drin?»

«Ja, okay. War das letzte Mal.»

«Und dann noch dazu mit einem Hausfremden», sagte der Mann und wies auf Suchanek.

«Der ist nicht hausfremd. Das ist der Suchanek. Unser neuer …» Robert stockte. Es war Suchanek auch schon aufgefallen, dass es für seine Tätigkeit hier eigentlich keine Berufsbezeichnung gab. So etwas gehörte eigentlich geändert, schon aus Gründen der Nichtdiskriminierung von zu Resozialisierenden. Etwas großkotzig Englisches, aus dem man eine eminent wichtig klingende Abkürzung bauen konnte, hätte ihm gefallen. Vielleicht CEHOAN. «Chief Executive Head of Absolutely Nothing».

«Ah, Monatsanfang», übernahm der Mann für ihn. «Bist du vielleicht unser neues Justizopfer?»

«Kann man so sagen», antwortete Suchanek.

«Ich bin der Mike.» Der Pfleger ließ die Frau los, um Suchanek die Hand hinzustrecken. Die Alte nützte die Chance sofort und machte sich zielstrebig auf den Weg zum Ausgang.

«Geh bitte!» Mike holte sie mit drei schnellen Schritten ein, drehte sie um und schubste sie in die andere Richtung. «Dort spielt die Musik, Lassie! Und wenn du brav bist, darfst du dir auch mit den Fingerfarben eine Kriegsbemalung machen.»

Dann sah er Suchaneks Gesicht, das sich wohl zu einem Fragezeichen verformt hatte, und grinste. «Die heißt eigentlich Lisi. Aber sie beißt. Also hat sich in ihrem Namen eine kleine Lautverschiebung ergeben. Willkommen auf der Pflegestation!» Mike schob Lassie vor sich her und wies auf eine Koje am Ende des Ganges, in der gerade Weißkittel-Vollversammlung zu sein schien. «Und hier haben wir: Irmi, Imelda, Elfi, Frau Doktor Schneider und die Hanni. Meine Damen, das ist der Herr Suchanek, zu uns geschickt im Namen der Republik.»

Alle hatten Vornamen, nur die Frau Doktor nicht. Suchanek fühlte sich mit einem Mal auch ein wenig akademisch, obwohl er die Alma Mater einst nur zum Immatrikulieren von innen gesehen und dann gefunden hatte, dass diese Massenuni mit Vorlesungen um acht Uhr früh, Gerangel um Seminarplätze und pädagogisch fraglos längst überholtem Prüfungsstress nichts für eine doch sehr sensible Gelehrtenseele wie die seine war.

«Irgendwelche Erfahrungen mit alten Leuten?», fragte Mike und bugsierte Lassie an der Schwesternstation vorbei. Dahinter teilte sich der Gang, Suchanek konnte einen Tisch sehen, an dem eine andere Frau saß, die zusammengesunken auf eine leere Tasse vor sich starrte. Aus einem ihrer Mundwinkel hing ein langer Speichelfaden.

«Na ja … Eigentlich nicht.»

«Das macht nichts. Wir haben uns noch jeden hingebogen», sagte Hanni, die Suchanek, obwohl wahrlich nicht mit Kennerblick ausgestattet, sofort als die Hübscheste von allen Schwestern identifiziert hatte. Sie hatte ihr Haar ganz oben am Kopf zusammengebunden, sodass es aussah wie eine kleine rote Palme. «Manche von euch sind halt nur ein bisschen … langsam.» Sie zwinkerte. «Ich hab keine Ahnung, woran das liegt.»

«Na, woran schon. Weich in der Birne von den Drogen», zeigte sich die Frau Doktor ironieresistent. Ihr Kittel war nicht zugeknöpft und gab den Blick auf einen dunkelblauen Faltenrock und eine überdimensionale Wyatt-Earp-Masche an ihrer weißen Bluse frei. Zusammen mit den Perlenohrsteckern besagte das zweifelsfrei Nobelviertel. Grinzinger Cottage-Viertel, das jedermann sofort wissen lassen wollte, dass es Grinzinger Cottage-Viertel war.

«Die Herrschaften wissen ja gar nicht, was sie ihrem orbitofrontalen Cortex antun.»

Suchanek konnte mit Gewissheit behaupten, dass er seinem orbitofrontalen Cortex nie etwas Böses gewollt hatte. Und daran hätte sich auch nichts geändert, wenn er schon früher gewusst hätte, dass er einen besaß. Aber man musste nun einmal Prioritäten setzen. Zum Glück verspürte Robert den starken Drang, diese peinliche Unterhaltung nicht weiter ausufern zu lassen. Das Plenum beginne nämlich jetzt. Eine tolle Gelegenheit, ein paar Bewohner kennenzulernen. Also nichts wie hin.

«Und da frag ich mich schon. Wozu haben wir so einen Automaten da stehen, wenn dann die Chips sowieso immer aus sind?»

«Aber in dem Automaten gibt es ja andere Sachen auch, was weiß ich, Schokolade oder Erdnüsse.»

«Wollen Sie mich sekkieren? Schokolade darf ich nicht wegen dem Zucker und Erdnüsse bitte? Erdnüsse?? Da brauch ich bis nach meinem Begräbnis, bis ich die wieder aus meinem Gebiss draußen habe.»

Die Diskussion über die Problematik, dass man zwar auf jedem Bewohnerstockwerk Snacks kaufen konnte, wenn einen außerhalb der Küchenöffnungszeiten und angesichts einer wieder einmal besonders aufreibenden Ausgabe der Carmen-Nebel-Show Heißhunger auf Chips überfiel, man aber mit einer schwer zu verkraftenden Enttäuschung konfrontiert wurde, wenn einige andere diesen schon früher verspürt hatten, zog sich jetzt doch schon ein wenig. Eva Heinze, die Direktorin, stand auf einer kleinen Bühne und bewies endlosen Langmut. Sie war vielleicht Mitte fünfzig, hatte sich aber gut gehalten, fand Suchanek. Enges Business-Kostüm, ein sich durchaus auszahlender Ausschnitt.

«Wie gesagt, wir werden uns darum kümmern», betonte sie zum vierten Mal, jetzt schon ein wenig sehr bemüht freundlich. Die Beschwerdeführerin gab dann zwar auf, es war ihr aber anzumerken, dass sie über das Ausbleiben einer geharnischten Sanktion enttäuscht war. Irgendwas, das sie noch aus ihrer Jugend kannte, hätte ihr sicher gefallen. Also wenigstens ein Nachmittag Pranger oder so. Als Nächste meldete sich eine Frau mit Strichen statt Lippen und mit Mundwinkeln, die nach unten kein Ende zu kennen schienen. Sie beschwerte sich, jemand habe schon die dritte rosa Zyklame, die sie im Gang vor ihrer Tür auf dem Fensterbrett platziert habe, mit Schnaps totgegossen.

«Slibowitz. Ich hab’s genau gerochen! Und ich weiß auch, wer’s war», sagte sie streng und verzehrte ihre Restlippen.

«Haben Sie denn einen Beweis, Frau Ströck?», fragte Frau Direktor Heinze nicht unsüffisant.

Die Stimme der Alten überschlug sich: «Wenn Sie endlich eine Kamera da montieren würden, dann hätten Sie den Beweis.»

«Ich soll eine Überwachungskamera für eine Zyklame installieren? Meinen Sie das ernst?»

Zum Glück holte eine andere Wortmeldung das Plenum aus diese unerquicklichen Debatte. Der Mann, der etwas sagen wollte, war klein und rund, hatte eine tiefrote Nase und nur noch einen schmalen Kranz aus gut eingefetteten Flaumhaaren. Er trug eine Brille, deren Gläser man offenbar aus einem Flaschenboden geschnitten hatte, und sein Hosenbund saß knapp unter den Brustwarzen. Möglicherweise sogar darüber, aber so genau wollte es Suchanek auch wieder nicht wissen.

«Bitte schön, Herr Obermüller!»

Der Mann stand auf. «Ich möchte als Vorsitzender des Bewohner-Beirates bekanntgeben, dass es uns gelungen ist, ein Kontingent an verbilligten Karten für die Eisrevue in der Stadthalle zu bekommen. Die Vorstellung ist nächste Woche am Donnerstagnachmittag. Wer sich interessiert, bitte zu mir kommen oder zur Frau Gumprecht.»

«Ist das das amerikanische Klumpert da, dieses Holiday on Ice? Die haben immer so eine Tschinbumm-Musik, die will ich nicht», quäkte eine Frau.

«Es gibt halt nur eine Eisrevue», sagte der Vorsitzende leicht ratlos.

«Ja, aber wie die Trixi Schuba noch dabei war, da haben sie Walzer und alles gespielt. Das war schön.»

«Das ist doch mehr als 40 Jahre her, Hermi», wandte eine andere Frau ein. «Wer weiß, wenn du ein Glück hast, dann zieht die Trixi Schuba bald neben dir ein.»

Der Vorsitzende stand immer noch und sah jetzt sehr unglücklich aus. Er versuchte das allgemeine Gelächter mit Würde zu übertönen.

«Außerdem möchte ich euch noch darauf hinweisen, dass in einem Monat der neue Beirat gewählt wird. Die Kandidatenliste hängt am Schwarzen Brett vor der Direktion zur Einsicht aus.»

«Ach, deswegen die Eisrevue! Am Abend wird der Faule fleißig, oder, Franz?», ätzte die Trixi-Schuba-Aficionada. «Und hängt da eigentlich am Brett nur deine Liste oder auch die von der Konkurrenz?»

Obermüllers Nase kippte jetzt in ein sattes Dunkelblau. «Natürlich hängen da beide Listen!» Er schrie jetzt schon fast. «Wir haben es zwar bis jetzt nie für nötig befunden, dass man da gegeneinander antritt, sondern immer versucht, alles gemeinsam zu lösen, aber bitte. Wir leben schließlich in einer Demokratie.» Das konnte er ja wohl leider nicht ändern. Obwohl der Verdacht bestand, dass er sich durchaus zielführendere Gesellschaftsformen vorstellen hätte können. Er setzte sich wieder hin und verschränkte beleidigt die Arme. Die Direktorin hatte während des kleinen Scharmützels mehrmals Luft geholt und zu einer Intervention angesetzt, war aber nicht dazu gekommen. Jetzt wirkte sie sichtlich erleichtert.

«Gut, wenn sonst nichts mehr ist … Dann möchte ich noch wie immer zu einer Gedenkminute für diejenigen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner aufrufen, die uns vergangene Woche verlassen haben.» Sie blickte kurz auf einen kleinen Zettel in ihrer Hand. «Gerlinde Mittermeier, Pauline Sobczak, Frieda Jelinek und Hermann Gruber. Sie werden uns fehlen. Ich bitte um einen kurzen Moment der Stille.»

Der Moment der Stille war dann tatsächlich sehr kurz. Denn nun begann ein Mann ausgesprochen laut zu flüstern.

«Wer ist gestorben? Die Frieda?»

«Ja», sagte die Frau neben ihm.

«Wer?»

«Die Frieda!!»

«Ach so. Und ich hab schon geglaubt, die Frieda.»

«Danke», beendete Heinze die leicht imperfekte Stille. «Dann sehen wir uns also nächsten …»

«Ich möchte doch noch etwas sagen, bitte!» Die Frau, die die Hand gehoben hatte, trug eine in diesem Meer von Pastell sehr auffällige Frühlingswiese als Bluse. Aber sie war offenbar dennoch nicht so von der fröhlichen Abteilung.

«Ich wollte über die Sicherheit reden. Also ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber: Ich habe Angst. Gestern am Abend war schon wieder so ein Dunkler bei mir am Gang, den ich noch nie gesehen habe. Dauernd rennen da am Abend Leute herum, die keiner kennt.»

«Was soll das heißen, ein Dunkler?», fragte die Direktorin.

«Schwarze Haare, Bart. Kein Hiesiger, das hat man gleich gesehen.»

«Gehen S’, Frau Smutek! Haben Hiesige leicht keine schwarzen Haare?» Offenbar roch die Chefin hier einen Fall von Racial Profiling.

«Es wird so viel eingebrochen. Ich weiß nicht, wie diese Leute immer ins Haus hereinkommen.»

«Na ja, irgendwer von den Damen und Herren muss sie wohl reinlassen. Und dass so viel eingebrochen wird, ist schon stark übertrieben. Seit gut zwei Monaten ist nichts mehr passiert. Wir sperren um 21 Uhr den Haupteingang ab, das wissen Sie ja. Aber wir können nicht kontrollieren, wer dann in seiner Wohnung den Türöffner drückt, wenn unten einer läutet.»

«Man könnte aber auch die Sicherheitsmaßnahmen verstärken», beharrte Frau Smutek. «Mit einem Wachdienst für die Nacht zum Beispiel.»

«Eine Kamera für eine Zyklame und jetzt auch noch einen Wachdienst? Wie stellen Sie sich das vor? Nein, nein, ich kann nur an Sie alle appellieren, dass Sie vorsichtig sind und den gesunden Menschenverstand walten lassen.» Den Zwischenrufer, der jetzt einstreute: «Wenn man einen hat!», überging Heinze geflissentlich. «Es ist jedenfalls nicht drin, dass ich da einen Nachtwächter patrouillieren lasse. Dafür habe ich leider nicht genug Personal. Aber apropos Personal, ich wollte noch …» Sie blickte suchend umher. «Wir haben da eine neue Aushilfe, die ich Ihnen vorstellen möchte. Wo versteckt er sich denn? Herr Suchanek?»

Ein Auftritt vor großem Publikum, jö. Das liebte Suchanek. Annähernd so sehr wie aufgeplatzte Fieberblasen. Er löste sich von der Wand und hob verlegen einen Zeigefinger.

«Ah, da ist er ja. Der Herr Suchanek ist jetzt ein paar Wochen … er macht ein Praktikum bei uns. Also, wenn Sie jemanden brauchen, der Ihnen ein wenig zur Hand geht, dann schnappen Sie ihn sich.»

Es gab tatsächlich einen Begrüßungsapplaus. Gemeinhin wurde Suchanek wesentlich weniger enthusiastisch empfangen. Außer vielleicht bei seinem Dealer, dem hatte er schließlich schon eine Eigentumswohnung finanziert. Aber die Realität hatte ihn ohnehin nur kurz in Sicherheit gewiegt, um dann umso erbarmungsloser zuschlagen zu können. Als der Applaus nämlich verklungen war, sagte ein Mann in die Stille hinein:

«Ist das wieder einer von diesen Haschern?»

3

Suchanek stand mit dem Rücken zur Wand. Wie damals in der Disco. Nein. Viel schlimmer als damals in der Disco. Nicht, dass Suchanek so furchtbar oft in einer gewesen wäre, aber eine mittelkurze Zeitlang hatten die paar Hormone, die sein Körper zusammengekratzt hatte, ja doch von ihm gefordert, sich auf die Pirsch zu begeben. Er war unter den einschlägigen Karnivoren stets am ehesten der Kondor gewesen. Allerdings weniger wegen seiner Eleganz im Anflug, sondern wegen der Beute, auf die er sich notgedrungen spezialisiert hatte: Auf das Aas, das nach einer langen Nacht irgendwo herumlag und günstigenfalls schon damit fertig war, das ganze Cola-Rum wieder zurückzugeben. Dass Suchanek damals zu den Wallflowers gehört hatte, die im hintersten Hintergrund herumlehnten, ein Bein angewinkelt, eine Hand in der Hosentasche, in der anderen meist eine Zigarette, verzweifelt bemüht, ihrem Hauptwohnsitz in der Verlierer-Zentrale irgendwie so etwas wie Würde oder gar Coolness zu verleihen, das überraschte nicht so wirklich. Er hatte zum Tanzen weder Willen noch Talent und schon gar nicht das Selbstbewusstsein.

Verstand man unter Tanzen hingegen mehr die mittelostnordeuropäische Variante, also verbeamtetes Rechts-links-Schließen plus Drehung streng nach Vorschrift, dann hatte seine Mutter einst vorgesorgt. Sie hatte Suchanek in einen Tanzkurs gezwungen, da ihr dieser auf dem Weg zu dem, was sie für die einzig zulässige Menschwerdung hielt (Matura, Hinterbänkler-Job in einer Bank, Frau mit gemeschter Dauerwelle und breitem Becken, Reihenhaus, zwei Kinder, denen man zu Matura, Hinterbänkler-Job in einer Bank und Reihenhaus verhilft – und dann, nach einem solcherart prall erfüllten Leben, baldiger Tod), unabdingbar erschienen war. Also war Foxtrott praktisch Suchaneks zweiter Vorname. Und das, wo kaum jemand seinen ersten wusste.

Das hieß aber noch lange nicht, dass man das widerstandslos zugeben musste. Die Direktorin hatte es aber auch sehr gefinkelt angelegt. Schon bei ihrem ersten Treffen am Morgen hatte sie gesagt:

«Schauen Sie, Herr Suchanek: Sie finden nicht, dass Sie etwas getan haben, das Strafe verdient, und ich finde das auch nicht. Da sind wir uns schon einmal einig. Aber vielleicht werden wir uns ja auch darin einig, dass das gar keine