Nachtmahl - Rainer Nikowitz - E-Book

Nachtmahl E-Book

Rainer Nikowitz

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Beschreibung

Hauen und Stechen. Sommerschwüle über Niederösterreich. Suchanek urlaubt - nicht ganz freiwillig - in einem traurigen Ort namens Feuchtkirchen. So viele Gelsen (hochdeutsch: Stechmücken) wie hier und heuer gab es noch nie! Beim Kennenlernabend auf dem «Erlebnisbauernhof» erklärt Suchanek den anderen Gästen deshalb die «Ceausescu-Methode»: Der Diktator habe Gefangene im Donaudelta durch Millionen von Gelsen zu Tode kommen lassen. Darüber amüsiert man sich prächtig am Grillfeuer. Aber nur bis zum nächsten Morgen, als eine gefesselte Leiche gefunden wird. Sie ist von Stichen übersät. Aber auch nicht unerheblich von Wildsauen angefressen. Hat Suchanek einen Psychopathen inspiriert? Vielleicht den Krisenspinner mit dem Bunker unterm Haus? Oder den seltsamen Grafen in seinem erzhässlichen Herrenhaus? Und das Morden geht weiter ... Rainer Nikowitz und sein Held Suchanek: wochenlang Platz 1 der österreichischen Bestsellerliste!

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Rainer Nikowitz

Nachtmahl

Kriminalroman

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Hauen und Stechen.

 

Sommerschwüle über Niederösterreich. Suchanek urlaubt – nicht ganz freiwillig – in einem traurigen Ort namens Feuchtkirchen. So viele Gelsen (hochdeutsch: Stechmücken) wie hier und heuer gab es noch nie! Beim Kennenlernabend auf dem «Erlebnisbauernhof» erklärt Suchanek den anderen Gästen deshalb die «Ceaușescu-Methode»: Der Diktator habe Gefangene im Donaudelta durch Millionen von Gelsen zu Tode kommen lassen. Darüber amüsiert man sich prächtig am Grillfeuer. Aber nur bis zum nächsten Morgen, als eine gefesselte Leiche gefunden wird. Sie ist von Stichen übersät. Aber auch nicht unerheblich von Wildsauen angefressen.

Hat Suchanek einen Psychopathen inspiriert? Vielleicht den Krisenspinner mit dem Bunker unterm Haus? Oder den seltsamen Grafen in seinem erzhässlichen Herrenhaus? Und das Morden geht weiter …

 

Über Rainer Nikowitz

Inhaltsübersicht

Widmung1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel

Für Brigitte und Andrej

1

Der Kommissar hatte schon viel gesehen. Aber das hier, das war echt was Besonderes. Wegen der ausgeweideten Leiche auch, klar. Wobei er so eine ähnliche sogar schon einmal gehabt hatte, als sich seinerzeit im Mostviertel dieser stille Buchhalter urplötzlich eingebildet hatte, im zweiten Bildungsweg Kannibale werden zu müssen. Obwohl er doch bis dahin Veganer gewesen war.

Aber: Was die hier unter einem Fremdenzimmer verstanden!

Kommissar Wimmer klopfte auf etwas, das zum Zeitpunkt seiner Entstehung, also ungefähr am Beginn der industriellen Revolution, vermutlich ein Fauteuil gewesen war. Trotz des Vergnügens, das er dabei empfand – es war ja nicht sein Zimmer –, ließ er eine gewisse Vorsicht walten. Denn heftigere Schläge hätten möglicherweise eine Staubwolke freigesetzt, deretwegen man dann den Flugraum über Mitteleuropa ein paar Tage hätte sperren müssen. Und wer, der kein an dem Gerede der Leute eher minder interessierter isländischer Vulkan war, wollte denn an so was schuld sein?

Zu behaupten, das Zimmer wäre nicht sehr groß, nicht besonders schön und auch nicht überbordend sauber gewesen, hätte sich der Wahrheit genauso stark angenähert wie der Satz: «Paris Hilton ist möglicherweise nicht ganz so genial wie Albert Einstein.» Neben dem Fauteuil waren ein Doppelbett, ein hoffentlich noch nicht ausgewachsenes Tischchen und ein Kasten, dessen Tür sich nicht schließen ließ und wegen der offensichtlichen Abschüssigkeit des Holzimitatbodens weit aufklaffte, die einzigen Einrichtungsgegenstände. Sofern man den offenbar aus den Resten eines kontrolliert gesprengten orangefarbenen Plastikkübels zusammengesetzten Lampenschirm nicht mitzählte. Und den Duschvorhang im Bad, der sich noch mit immerhin drei seiner sieben Haken an der Stange festhielt. Er war graugrün, wobei eine genauere Betrachtung verriet, dass das Grau ihm wohl erst mit der Zeit zugewachsen war – und ziemlich sicher lebte.

Über dem Bett hing ein gerahmtes, schon schwer blaustichiges Kalenderblatt vom Juni 2005. Es zeigte Heiligenblut mit dem Großglockner im Hintergrund, wohl um den Gast unaufdringlich, aber anhaltend daran zu erinnern, dass er besser dorthin gefahren wäre. Wimmer hatte es fest im Blick, als er sagte:

«Also, wenn ich Sie nicht schon ein wenig kennen würde, Herr Suchanek, dann würde ich jetzt zumindest in Betracht ziehen, dass schon allein die Unterbringung in diesem Zimmer ein Mordmotiv sein könnte.»

Ein lautloses Lachen gurgelte wie saures Aufstoßen in ihm hoch und schüttelte seinen kurzen, dafür aber umso breiteren Körper rhythmisch durch.

«Könnten Sie bitte damit aufhören?», fragte Susi genervt. Sie lag im Bett, blass, die Decke trotz der schwülen Hitze bis zum Kinn hochgezogen. «Da draußen ist ein Mensch bei lebendigem Leib von Wildschweinen aufgefressen worden – und Sie machen blöde Witze?»

Der Kommissar nahm Haltung an, räusperte sich und schüttelte den Kopf.

«Da muss ich Sie korrigieren. Nicht bei lebendigem Leib. Soweit mir bekannt ist, fressen Wildschweine nichts, was noch lebt. Außerdem müsste da rundherum literweise Blut sein, wenn das Opfer noch gelebt hätte, als die Schweine … Da ist aber keins.»

«Woran ist es denn dann gestorben?», fragte Suchanek.

«Das wissen wir noch nicht. Oberflächlich ist an der Leiche nichts festzustellen. Nur ein kleiner Bluterguss am Kopf. Wahrscheinlich wurde das Opfer niedergeschlagen. Und sonst ist es halt vollkommen von den Gelsen zerstochen, so was habe ich noch nicht gesehen.»

«Moment einmal», sagte Suchanek, meinte es aber nicht so. Es dauerte nämlich deutlich länger als einen Moment, jene Lava zu bändigen, die ihm ein soeben in seiner Magengegend neu entstandener Supervulkan bis unter die Schädeldecke eruptiert hatte. «Vollkommen zerstochen, sagen Sie?»

«Na, ist ja kein Wunder. Zuerst das Hochwasser, dann die Hitze. Heuer gibt es so viele Gelsen wie seit Menschengedenken nicht, sagen die Einheimischen. In der Nacht muss dieser Wald die Hölle sein», erwiderte Wimmer.

Das war er. Suchanek wusste das. Er war ja drin gewesen.

«Und kein Blut», fuhr er nachdenklich fort.

«Wollen Sie auf etwas Bestimmtes hinaus, oder ist das ein Word-Rap in Zeitlupe?», fragte Wimmer.

«Würden Gelsen eine Leiche stechen?»

Der Kommissar stutzte. Das war ja doch einmal eine gar nicht so dumme Frage.

«Nein. Das würden sie nicht. Mit geronnenem Blut können die nichts anfangen.»

«Also haben ihn zuerst die Gelsen traktiert. Dann ist er gestorben. Und dann sind die Wildschweine gekommen.»

«Vom Zeitablauf her muss es wohl so gewesen sein, ja.»

Suchanek ging zum Fenster und schaute in den Hof, der sonst immer leer gewesen war. Jetzt wuselte es da unten wie am ersten Sommerschlussverkaufstag auf der Mariahilferstraße.

«So eine verdammte Scheiße», murmelte er.

«Suchanek, was ist los?», fragte Susi. «Was hast du denn?»

Wimmer schloss sich an. «Ich würde es auch sehr schätzen, wenn Sie mir erklären könnten, worum es geht.»

Suchanek atmete tief durch. Und dann sagte er: «Um den Ceaușescu.»

Ach so. Das erklärte alles.

«Um den Ceaușescu», wiederholte der Kommissar.

«Ja.»

Wimmer lockerte seinen Krawattenknopf. Der Kerl nervte. Aber eigentlich war das ja nichts Neues. In Wirklichkeit nervte der Suchanek, seit er ihn kennengelernt hatte. Und Wimmer hatte auch noch lange nicht verdaut, dass es dieser ständig bekiffte Schlafwandler vor ein paar Monaten geschafft hatte, die Mordserie in Wulzendorf aufzuklären. Wo dort doch auch ein wirklich erfahrener und gerissener Krimineser vor Ort gewesen war, dem dieser Erfolg viel besser zu Gesicht gestanden hätte: Kommissar Gernot Wimmer.

«Kommt da jetzt irgendwann noch eine Erläuterung, oder muss ich mit dieser nagenden Ungewissheit weiterleben?», sagte er missmutig.

Suchanek starrte weiter bewegungslos aus dem Fenster. Und er konnte selbst nicht glauben, was er dann sagte.

«Es sieht so aus, als hätte ich etwas mit diesem Mord zu tun.»

Susi fuhr hoch. «Was redest du da daher?»

Und auch der Kommissar hatte mit vielem gerechnet – aber sicher nicht mit so einem Geständnis.

«Sie? Das gibt’s doch nicht!»

«Ich fürchte doch. Weil … das mit der Ceaușescu-Methode – das war ich.»

Der Kommissar ließ alle Rücksicht auf die kommerzielle Ausbeutbarkeit des Luftraumes fahren und sich selbst in den vermutlichen Fauteuil fallen.

«Also gut. Nicht, dass ich jetzt auch nur im Geringsten verstanden hätte, was Sache ist. Aber es hört sich jedenfalls nicht gut an. Dann erklären Sie mir das mal. Was genau waren Sie? Und was ist diese Ceaușescu-Methode, von der Sie da stammeln? Oder nein, warten Sie! Fangen Sie am besten überhaupt ganz von vorne an. Denn zuallererst stellt sich ja einmal die Frage: Warum sind Sie überhaupt hier? Was zur Hölle haben Sie in diesem Kaff verloren?»

Ja, da merkte man halt den Profi. Denn das war natürlich eine ziemlich gute Frage. Die Antwort begann mit einem Telefonat, das Suchanek einige Wochen zuvor geführt hatte.

2

«Tut mir leid, aber der Herr Magister ist bei Tisch.»

«Ha! Gewonnen!»

«Bitte?»

«Ich habe gerade eine Wette gegen mich selber gewonnen. Ich muss mir jetzt drei Mal mein Auto waschen.»

«Äh… Aha.»

«Weil ich doch gestern eineinhalb Stunden später angerufen habe und der Herr Magister da auch bei Tisch war. Sie können sich sicher noch erinnern.»

«Dunkel.»

«Und vorgestern wiederum war er schon um halb elf weg und um halb zwei immer noch nicht zurück. Und vorvorgestern und letzte Woche und die Woche davor – immer, wenn ich anrufe, ist er bei Tisch.»

«Wollen Sie dem Herrn Magister vorschreiben, wann er Hunger haben darf?»

«Um Himmels willen, nein! Das wäre ja praktisch Amtsanmaßung. Wenn einer bestimmen darf, wann der Magen vom Herrn Magister zu knurren hat, dann ist das natürlich der Landeshauptmann. Aber es scheint doch eindeutig so zu sein, dass ich einen ungeheuren Riecher für das Bei-Tisch-Sein als solches habe. Kaum dass sich der Herr Magister hingesetzt hat und über der ewigen Frage zu schwitzen beginnt, welche von den Gabeln jetzt für die Vorspeise gehört – wusch, schon verspüre ich das dringende Bedürfnis, seine Nummer zu wählen. Das muss man auch erstmal können. Glauben Sie, dass man diese Begabung irgendwie zu Geld machen kann?»

«Ich, äh … also, wie gesagt: Der Herr Magister ist nicht da. Und ich weiß nicht, wann er zurückkommt.»

«Wissen Sie, langsam glaube ich ja, dass der Herr Magister in Wirklichkeit gar nicht die rechte Hand vom Landeshauptmann ist.»

«Was sollte er denn sonst sein?»

«Gourmetkritiker. Weil, so oft und so lang wie der bei Tisch ist, muss er einfach ein Profi sein. Und man kann für ihn nur hoffen, dass das wenigstens auf Spesen geht. Na ja, wahrscheinlich tut es das so oder so.»

«Nur dass das klar ist, Herr Suchanek: Wenn Sie jetzt auch noch ungut werden, dann lege ich sofort auf.»

«Was heißt ‹auch noch›? Was hab ich denn sonst noch angestellt?»

«Fragen Sie mich das im Ernst? Seit Wochen rufen Sie praktisch jeden Tag bei mir an. Wie komm ich eigentlich dazu? Das grenzt ja schon an Stalking.»

«Stalking? Na, das ist ja ein toller Beweis für Bürgernähe, wenn sich eine Vorzimmerdame in der Landesregierung darüber beschwert, dass jemand anruft.»

«Haben Sie mich gerade Vorzimmerdame genannt?»

«Ja. Und?»

«In welchem Jahrhundert leben Sie? Ich bin Executive Head of Office Management.»

«So was gibt es? Echt? In Niederösterreich? Was heißt denn das?»

«Das heißt … Hören Sie, ich hab auch noch was anderes zu tun.»

«Das hoffe ich. Und wenn Sie mich endlich einmal mit dem Herrn Magister verbinden würden, dann könnten Sie das ja auch tun. Dann haben Sie endlich wieder eine Ruhe von mir.»

Die Vorzimmerdame seufzte. Dann sagte sie leise: «Der reißt mir den Kopf ab.»

«Das heißt also, er ist da?»

Schweigen.

«Wissen Sie, was? Sagen Sie ihm, wenn er nicht endlich mit mir redet, dann geh ich in die Zeitung. Ohne mich würde der Mörder von Wulzendorf immer noch frei herumlaufen. Der Landeshauptmann verspricht mir zum Dank für meinen selbstlosen Dienst an der Allgemeinheit einen Erholungsurlaub. Aber sowie die Kamerateams weg sind, hat er das wieder vergessen. Das wäre doch ein gefundenes Fressen für die Presse!»

«Für die niederösterreichische Presse? Sie sind nicht von hier, oder?»

«Wollen Sie jetzt endlich eine Ruhe von mir haben – oder nicht?»

«Na gut. Bleiben Sie dran.»

Suchanek atmete tief durch. Das war zumindest einmal ein Etappenerfolg. Der Suchanek von früher hätte vielleicht ein-, zweimal angerufen, sich abwimmeln lassen, und aus. Wenn er denn überhaupt angerufen hätte. Aber wenn er aus seinen jüngeren Erlebnissen etwas gelernt hatte, dann, dass er nicht immer so leicht aufgeben durfte. Manchmal musste man eben kämpfen. Und man musste sich auch einmal breitbeinig hinstellen und mit fester Stimme sagen: «Ich bin der Held von Wulzendorf. Und wer sind Sie?»

In diesem gerade eben noch zart in Richtung Erfreulichkeit tendierenden Moment hätte es allerdings auch gereicht, sich breitbeinig hinzustellen und sich den Rest zu denken.

«Wer ich bin? Magister Kerschbaum mein Name», tönte es aus dem Telefon. «Und Sie sind … lassen Sie mich raten: der Held von Wulzendorf?»

Obwohl man gerade, wenn man Suchanek war, im Laufe eines zwar nicht unbedingt ereignisreichen, aber doch auch schon wieder jahrzehntelangen Lebens durchaus die eine oder andere Möglichkeit gehabt hatte, sich an peinliche Situationen ausreichend zu gewöhnen, war es immer wieder so schön und frisch wie beim ersten Mal.

«Ich … Na ja, ja. Aber nicht, dass Sie jetzt glauben, ich habe das selbst erfunden. Sie wissen ja, wie die Presse ist.»

«Oh ja, das weiß ich sehr gut. Was die immer daherschreiben, ha? Jeden Tag muss ich mich über was anderes ärgern. Fehlte nur noch, irgend so ein Schmierfink würde behaupten, dass mein Chef seine Versprechen nicht hält.»

Suchanek vergrub seine beiden oberen Einser in der Unterlippe. Wenn er jetzt zurückzuckte, dann war die für seine Verhältnisse mehr als erstaunliche Sturheit, mit der er es zumindest einmal bis hierher geschafft hatte, umsonst gewesen.

«Hören Sie, Herr Magister: Ich will Ihnen wirklich keine Schwierigkeiten machen. Aber warum soll ich auf etwas verzichten, das er mir großmächtig versprochen hat?»

«Herr Suchanek! Wissen Sie eigentlich, wie angespannt die Budgetsituation des Landes Niederösterreich ist? Wir mussten sogar schon den Heizkostenzuschuss für Bedürftige halbieren. Der Landeshauptmann hat deshalb nächtelang nicht schlafen können.»

«Wieso nicht? Ist heuer noch eine Wahl?»

«Jetzt passen Sie einmal auf, ja? Sie haben immerhin das Silberne Ehrenzeichen für besondere Verdienste um das Land Niederösterreich bekommen. Was wollen Sie denn noch?»

«Entschuldigung schon, aber das Silberne Ehrenzeichen, das ist so ziemlich die beschissenste Auszeichnung, die ihr habt. Das kriegt doch praktisch jeder. Da braucht einer nur lang genug Vizebürgermeister in Unterstinkenbrunn gewesen sein. Oder Kapellmeister von Feuchtkirchen.»

Der Magister schwieg unangenehm lang. Und dann sagte er:«Feuchtkirchen also. So, so.»

«Ich gebe das Silberne Ehrenzeichen auch gerne zurück, wenn ich dafür endlich meinen Urlaub bekomme. Es ist wie neu, hat keine Kratzer und nichts. Das kann man sofort dem nächsten dankbaren Deppen umhängen.»

«Also gut. Ich sag Ihnen was: Ich will nicht, dass diese Situation noch weiter eskaliert. Ich werde schon eine Lösung finden. Hauptsache, wir schaffen diese blöde Geschichte aus der Welt. Und ich hab da auch schon eine Idee.»

«Ehrlich? Welche denn?»

«Na ja, wissen Sie, ich kenn da jemanden, der ist mir noch einen Gefallen schuldig, den werde ich einmal anrufen. Eine Woche war ausgemacht?»

«Für zwei Personen, ja.»

«Gut. Geben Sie mir ein paar Tage, um das zu organisieren. Ich lasse Ihnen dann per Post einen Gutschein zukommen.»

«Das klingt ja echt super!»

«Aber nur, wenn Sie mir versprechen, dass ich dann nie wieder etwas von Ihnen höre.»

«Ja. Versprochen. Vielen Dank, Herr Magister.»

«Ich bin froh, dass ich helfen konnte.»

«Und … die Sache hat auch sicher keinen Haken?»

3

Suchanek und Wimmer hätten beide empört zurückgewiesen, auch nur irgendetwas gemeinsam zu haben. Womit sie allerdings erst recht wieder etwas gemeinsam hatten. Wenn man den Kommissar mit dieser Behauptung an einem schlechten Tag erwischt hätte, dann wäre eventuell sogar ein Verfahren wegen Beamtenbeleidigung die Folge gewesen. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass sie zumindest über ein ähnlich feines Sensorium verfügten. Dem Suchanek war nämlich das mit dem Zimmer auch gleich bei der Ankunft am Urlaubsort aufgefallen.

Selbst Susi, die gütige, geduldige Susi, atmete nach dem Erstkontakt mit dieser auf rätselhafte Weise aus dem Weißrussland der siebziger Jahre hierher gebeamten Wohneinheit einmal ganz tief ein und blies die Luft dann mit geblähten Backen stoßweise wieder aus, um sich zu sammeln. Und dann sagte sie: «Also, es ist … eh.»

So war sie halt, die Susi. Einfach ein netter Mensch. Aber die Antwort darauf war natürlich: nein. Das hier war in seiner allumfassenden Armseligkeit nicht einmal annähernd «eh».

Wenn einer schon mit Vornamen «Magister» hieß, hätte eine an sich unfehlbare Menschenkenntnis wie jene Suchaneks («Arschlöcher. Alle.») eigentlich allein deshalb in den Alarmmodus hochschalten müssen. Und wenn dieser Magister zusätzlich auch noch einen Hauptwohnsitz in der Mitte eines mächtigen Hinterns als ausreichende Daseinsberechtigung ansah (was zu der physikalisch hochinteressanten Frage Anlass gab, wie ein Loch in einem Loch existieren konnte), dann umso mehr. Aber das Hochgefühl über den dem Hauptquartier des Bösen abgerungenen Sieg hatte Suchanek leider im entscheidenden Moment seinen unbestechlichen Blick verstellt. Er hatte nicht einmal Lunte gerochen, als der Magister am Telefon auf die abschließende Frage, wohin denn nun die große Reise gehen werde, beinahe enthusiasmiert «Lassen Sie sich überraschen!» geraunt hatte.

Als dann der Gutschein in der Post lag, hatte Suchanek umgehend einräumen müssen, dass dem Magister die Überraschung absolut gelungen war. Wenn er die Susi nicht schon vorher mit großem Pomp zum gemeinsamen Urlaub eingeladen hätte, stolz, eh klar, weil er endlich, endlich einmal was anderes zu bieten hatte als die immer gleiche ungepflegte Langeweile – mit diesem Gutschein in der Hand hätte er es sich auf keinen Fall getraut. Und auch alleine wäre er natürlich nie und nimmer ausgerechnet hierhergefahren. Aber die Susi, Vorfreude und alles, war wieder einmal ganz Pragmatikerin. So ist es jetzt nun einmal, und die Oma hat schon zugesagt, dass sie sich eine Woche um die Kinder kümmert, und wer weiß, ob die Oma jemals wieder einen dermaßen sträflich schwachen Moment hat, und darum fahren wir da jetzt hin und aus.

Und jetzt schau halt nicht so.

Also hatte Suchanek an diesem gleißenden Samstag im August, an dem es schon vormittags so abartig heiß war, dass die zwei Buben von der Susi beim Winken nicht ruhig barfuß auf dem glühenden Gehsteig stehen konnten, sondern herumtänzeln mussten wie nervöse Hengste, knapp bevor sie in die preiswerte Tiefkühllasagne wanderten, um 10.17 Uhr in Wulzendorf Susis Auto gestartet. Denn Susis Auto war für so eine Urlaubsreise, bei der es ja vor allem auf Ausdauer und Verlässlichkeit ankam, ohne Zweifel die bessere Wahl als seines. Weil es doch etwas besser beisammen war. Und nur zum Beispiel nach der jährlichen Überprüfung sogar noch Kennzeichen gehabt hätte.

Die Fahrt hatte dann leider wesentlich länger gedauert als bei der Routenplanung kalkuliert. Zwischen Altenbrunn und Enzeshof war nämlich der Bahnschranken zu gewesen. Das wusste Suchanek an sich aufgrund seiner sehr persönlichen Beziehung zu Zügen durchaus zu schätzen. Allerdings verlängerte es im speziellen Fall aber eben die Reisedauer um gute 16 Prozent. Und somit hatte Suchanek den Motor, der diesen Langzeittest mit Bravour überstanden hatte, erst um 11.08 Uhr wieder abgestellt.

Und nein. Auch dann war immer noch nicht der Augenblick, bislang Versäumtes mannhaft nachzuholen und der Susi mitzuteilen, man habe möglicherweise vielleicht unter Umständen ein ganz klein wenig dazu beigetragen, dass sie der miese Magister ausgerechnet hierher verfrachtet hatte.

Nach Feuchtkirchen. Zu einem Abentheuer-Urlaub. Mit th.

Der Hof der Familie Abentheuer lag nicht direkt im Dorf, sondern gut einen Kilometer außerhalb, gleich beim Hochwasserschutzdamm. Dass er erfüllte, was sein Name doch irgendwie insinuierte, war eher auszuschließen. Es war ein für diesen Teil Niederösterreichs eher unüblicher Dreiseithof. Das langgezogene Wohnhaus stammte sicherlich aus den siebziger Jahren, war also in einem Stil erbaut, der keiner war. Graues Welleternitdach, rissige Fassade, zwei Reihen vollkommen identischer goldfarbener Alufenster. Ein Windfang aus Milchplastik, hinter dem die Eingangstür völlig zu Recht versteckt wurde. Der gegenüberliegende Stall schaffte es zum Glück, dieses architektonische Niveau zu halten. Am hinteren Ende des Grundstückes schließlich stand eine Lagerhalle aus unverputzten Schalsteinen. Alles in allem musste man zugeben, dass dies zumindest rein optisch ein Anwesen der Superlative war. Denn eine größere Scheußlichkeit wäre wohl nur unter Mitarbeit eines Jahrhundert-Erdbebens zu erreichen gewesen.

Suchanek starrte auf den Gutschein in seiner Hand. «Abenteuer beim Abentheuer! Entspannen in intakter Natur! Top-Inklusivleistungen! Komfortzimmer! Gutbürgerliche Küche! Schwimmbiotop! Wildschweingehege! Interessante Ausflugsmöglichkeiten!»

Abgesehen davon, dass man mit den ganzen Rufzeichen genügend Startkapital für die Gründung einer eigenen Boulevardzeitung beisammengehabt hätte: Waren sie hier jetzt eigentlich im Komfortzimmer – oder doch im Wildgatter?

Nein. Das konnte sich der neue Suchanek, der kämpferische Suchanek, ohne dessen ungeheure Durchschlagskraft sie ja gar nicht hier wären, jetzt nicht auch noch bieten lassen. Er hatte schließlich einen Ruf zu verlieren.

Gut, okay. Natürlich hatte er keinen Ruf zu verlieren. Aber männliches Auftreten sollte ja durchaus als sexy gelten.

Suchanek gab sich einen Ruck.

«Ich geh da jetzt runter und misch es denen einmal ordentlich. Die sollen uns gefälligst ein anderes Zimmer geben.»

Als er unten an der Rezeption ankam, die eigentlich nur aus einem der Länge nach halbierten, unbehandelten Baumstamm bestand, der mit unzähligen Ringen von im Lauf der Jahre achtlos darauf abgestellten Kaffeetassen und Gläsern verziert war, fiel ihm – wie doch öfter einmal mit leichter Verspätung – etwas auf. Dem Lächeln, das Susi ihrem weißen Ritter bei seinem Abgang Richtung Schlachtfeld geschenkt hatte, war ein bisschen gar viel Milde beigemischt gewesen. Und jetzt befiel Suchanek der schreckliche Verdacht, es könnte sich hierbei eventuell um die Milde des besseren Wissens gehandelt haben. Des Wissens darum nämlich, wie sein Kampfeinsatz ausgehen würde.

«Nein. Das geht leider nicht.»

Die Abentheurerin, eine ausbaufähig blondierte Mittdreißigerin, der man, wenn man denn unbedingt wohlwollend hätte sein wollen, das Attribut «burschikos» verliehen hätte, schüttelte energisch den Kopf.

«Was heißt, das geht nicht? Entschuldigung schon, aber in ihrem Prospekt hier …», Suchanek wachelte ihr, für seine Verhältnisse fast schon hochgradig erregt, mit dem bunten Papier vor der fettig glänzenden Nase herum, «… in ihrem Prospekt steht: ‹Komfortzimmer!› Mit Rufzeichen! Jetzt verraten Sie mir bitte eines: Wenn das Loch, das Sie uns gegeben haben, ein Komfortzimmer ist, wie schaut dann eigentlich eines ohne Komfort aus? Fehlen bei dem die Fenster? Oder muss man da in der Nacht raus aufs Plumpsklo? Über ein Minenfeld?»

Offensichtlich nicht sonderlich angetan von Suchaneks Renitenz, verformte die Abentheurerin ihre kleinen Schweinsaugen, soweit es eben möglich war, in Richtung Katze.

«Bei der Reservierung ist ausdrücklich dazugesagt worden, dass ein Standardzimmer ausreicht», sagte sie kühl.

«Wer hat das gesagt? Der miese Magister?»

«Ich kenn keinen Magister. Jemand vom Grafen hat angerufen und das gebucht.»

«Ich kenn wiederum keinen Grafen.»

«Na, unser Graf halt. Der mit der Straußenzucht. Die Herrschaft.»

Die Herrschaft. Es war ja erst knapp hundert Jahre her, dass der Adel in Österreich abgeschafft worden war. In diesem kosmischen Wimpernschlag konnte sich das klarerweise noch nicht bis hierher durchgesprochen haben. Und die Herrschaft hatte offenbar dem Magister den Gefallen geschuldet.

«Sie haben diesen Urlaub doch irgendwie gewonnen oder so, nicht?», fuhr die Abentheurerin fort. «Kennen Sie eigentlich das Sprichwort mit dem geschenkten Gaul?»

Gewonnen? Das traf es ja nun so was von überhaupt nicht. Aber Suchanek wollte die unbedarfte Frau jetzt gar nicht erst auf den himmelhohen Unterschied zwischen der Teilnahme an einem peinlichen Preisausschreiben und der Leistung hinweisen, für die der Held von Wulzendorf diesen Aufenthalt als bescheidene Anerkennung erhalten hatte. Es war nicht sein Stil, mit so was zu protzen. Also sagte er:

«Gewonnen? Das trifft es ja nun so was von überhaupt nicht. Aber ich will Sie jetzt gar nicht erst auf den himmelhohen Unterschied zwischen der Teilnahme an einem peinlichen Preisausschreiben und der Leistung hinweisen, für die der Held von Wulzendorf diesen Aufenthalt hier als bescheidene Anerkennung erhalten hat. Es ist nämlich nicht mein Stil, mit so was zu protzen.»

Jetzt blieb der Mund über der rot-blau karierten Holzfällerbluse, aus der sicherlich bald ein Trend werden würde, zumindest in dem menschenleeren Landstrich da oben in Nord-Nordkanada, halb offen stehen. Und dann sagte er: «Oh. Sie sind das? Der mit den Morden in Wulzendorf? Sie waren in der Zeitung!»

Das klang zumindest einmal nach leichter Ehrfurcht, wenngleich man noch nicht mit letzter Sicherheit davon ausgehen konnte, dass darauf folgen würde: «Es tut mir ja so leid. Der Butler wird Ihre Sachen sofort in die Suite bringen.»

«Es tut mir ja so leid.» – Ha! Die Dinge schienen sich also doch noch in die richtige Richtung zu entwickeln! – «Sie haben also jetzt den Typ ‹Graureiher› … Na ja, ich hätte da schon auch noch eines vom Typ ‹Weißstorch›. Das wäre ein Superiorzimmer.»

Das klang so weit ziemlich gut. Bis auf den Konjunktiv.

«Aber da müsste ich dann den Aufschlag extra verrechnen. Weil, der Graf zahlt wie gesagt nur den Standardpreis.»

Das war natürlich ganz und gar unerhört vom Grafen.

«Und wie viel würde das kosten?»

Die Holzfällerin legte ihm wortlos einen Zettel hin und tippte auf eine Zahl darauf. Auf eine viel zu große. Wobei: Nicht, dass sich Suchanek eine kleinere hätte leisten können. Und jetzt die Susi auch noch anschnorren, nach allem, was bei ihrem ersten gemeinsamen Urlaub schon schiefgelaufen war, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte, das war ja nun wirklich zu peinlich.

Als er mit leicht verhärteter Miene ins Zimmer zurückkam, hatte Susi schon ausgepackt. Wissen ist eben Macht. Aber sie bemühte sich sofort, die von ihr antizipierte Schmach Suchaneks der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. «Komm!», strahlte sie ihn an. «Erkunden wir einmal ein bisschen die Gegend!»

Jetzt hatte die Zimmerniederlage aber im Verein mit jener, überhaupt hier zu sein, aus dem neuen, dem kämpferischen, dem aktiven Suchanek umgehend wieder den alten gemacht. Und auf dessen persönlicher Hitliste von Dingen, die man unbedingt noch tun musste, bevor man den Löffel abgab, nahm die Erkundung von Gegenden, denen man schon auf den ersten Blick ansah, dass man auch beim zweiten nichts sehen würde, nicht unbedingt eine Spitzenposition ein. Andererseits war diese Liste verdammt kurz. Denn wenn man etwas tat, war es ja doch meistens mit beträchtlichem Aufwand verbunden – der sich bei weitem nicht immer lohnte. Und gerade in puncto Aufwand war Suchanek generell sehr darauf bedacht, jedes unnötige Risiko zu vermeiden. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er stattdessen den Joint angesteckt, den er sich in weiser Voraussicht schon zu Hause gerollt hatte, um am Urlaubsort nicht unnötig Zeit verschwenden zu müssen, und ein, zwei Stunden ausdrucksstark auf Heiligenblut gestarrt. Er sah allerdings ein, dass das für Susi möglicherweise etwas weniger ansprechend war als für ihn. Also trottete er doch mit nach draußen.

Im Innenhof standen sie dann sofort vor der schwierigen Frage, wo die Gegend denn jetzt begann. Rechts führte die schmale Staubstraße, auf der sie gekommen waren, zum Dorf. Geradeaus war eine große umzäunte Weide, auf der sie bei der Herfahrt ganz hinten im Eck einige Pferde gesehen hatten. Danach musste irgendwann eine sogenannte «Siedlung Wasserwelt» kommen. Zumindest war das auf einem Wegweiser gestanden. Und nachdem der Horizont in dieser Richtung von zwölf riesigen Windrädern dominiert wurde, mussten diese nach der Siedlung kommen. Sofern sie nicht mittendrin standen. Das wäre Siedlern, die glaubten, unbedingt hier siedeln zu müssen, nur recht geschehen.

Hinter ihnen lag der Damm und dahinter die Au. Das schien gegendtechnisch leider noch die am wenigsten wenigversprechende Möglichkeit zu sein. Suchanek hatte sich schon beinahe damit abgefunden, dass er sich in ein paar Stunden mit letzter Kraft, von Dornensträuchern zerschunden und mit einer Zeckenkolonie in der Arschfalte, ins Speisezimmer des Abentheuerbauern schleppen und «Wasser!» wimmern würde. Doch dann entdeckte Susi den hölzernen Pfeil am Ende des Stallgebäudes, der nach links wies und auf dem weiß gepinselt zwei Worte standen: «Schwimmbiotop» und «Wildschweingehege».

«Gehen wir doch einmal zu diesem Biotop», schlug sie vor. «Es ist so unerträglich heiß. Vielleicht können wir eine Runde schwimmen.»

«Ich hab jetzt aber keine Badehose mit.»

Susi lächelte maliziös und machte: «Huch!»

Der Pfeil wies durch eine Art Tunnel, der mit Weinreben überwuchert war, und zwar so ausgiebig, dass man darin kaum aufrecht gehen konnte. Nach einigen Schritten tat sich rechts eine Öffnung auf, durch die ein Gemüsegarten zu sehen war. Also, eine Art von. Zwischen ausgewachsenen Salatobelisken, einem Singulärkürbis, der es durch das Dickicht von Unkraut geschafft hatte, und einigen braunfleckigen Tomatenstauden stand ein weißhaariger, stoppelbärtiger Mann. Er trug ein schmutziges weißes T-Shirt und eine wohl auch einmal hell gewesene Knickerbocker mit einer Art Schürze darüber und starrte regungslos auf ein Beet mit einigen Kräuterstauden.

«’n Tag», sagte Suchanek. Der Mann hob abrupt den Kopf.

«Jetzt hätt ich geglaubt, der Estragon wächst gescheiter», sagte er langsam. Dann schaute er wieder zu Boden. Suchanek wartete noch eine Weile, ob dieser hochinteressanten Eröffnung irgendetwas folgen würde. Schließlich zog Susi ihn weiter.

«Was war jetzt das?», fragte Suchanek entgeistert, obwohl er ja schon allein durch den beinahe täglichen Blick in den Spiegel an eigenartige Typen gewöhnt war.

«Keine Ahnung. Ein anderer Gast vielleicht?»

«So dreckig, wie der ist, muss er aber schon lange hier sein.»

Susi zuckte mit den Schultern. «Ist doch auch egal. Schau einmal, da ist das Wasser!»

Das Schwimmbiotop war ein kleiner Teich, von dessen hellgrauer Grundfarbe sich dunkelgrüne Algenschlieren abhoben, die sich an manchen Stellen zu elegant geschwungenen Spiralteppichen zusammenfanden. Am Ufer stand eine Art Skulptur aus nackten, geschwungenen Ästen, mit einem Schlauch daran, aus dem ein schwacher, brackig riechender Wasserstrahl in die Pfütze schlich. Daran und an der dicken schwarzen Plastikfolie, die rund um den Teich aus dem Schotter herausragte, war sofort zu erkennen, dass dieses Gewässer natürlich nicht natürlich war. Susi stocherte enttäuscht mit ihrem nackten Fuß unter der Plane herum.

«Wegen den Kindern», ertönte auf einmal eine Stimme hinter ihnen. Der alte Mann von vorhin war ihnen nachgegangen. Susi sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

«Wegen den Kindern», wiederholte er. «Man muss die Plane sehen können. Weil, wenn die Stadtkinder sie nicht sehen, dann glauben sie, dass das ein echter Teich ist. Und dann gehen sie uns nicht rein. Haben wir alles schon gehabt.»

«Und die Algen stören die Kinder nicht?», fragte Susi. Suchanek hatte gar nicht gewusst, dass sie so spitz reden konnte.

«Die sind wegen der Hitze», antwortete der Alte ohne erkennbares Bedauern. «Seid ihr heute frisch gekommen?»

«Ja. Und Sie sind … der Bauer?»

Der Mann machte eine wegwerfende Handbewegung.

«Schon lang nicht mehr. Alles weg. Das Feld. Die Kühe. Aber dafür haben wir jetzt Wildschweine, die man nicht fressen darf.»

Er machte eine kleine Pause. Und dann spuckte er noch zwei Worte aus, als wären sie sauer gewordene Milch. «Und Gäste.»

Dann drehte er sich um und ging weg. Susi rief ihm nach: «Apropos Essen: Wir hätten Hunger. Gibt es eigentlich was zu essen?»

Der Altbauer blieb nicht stehen, als er sagte: «Wir haben schon gegessen.»

4

Der Kommissar war begreiflicherweise ausgesprochen beeindruckt von der Hartnäckigkeit, mit der sich Suchanek diesen Platz an der Sonne erkämpft hatte.

«Der Held von Wulzendorf …», sagte er grinsend. «Sagen Sie, tragen Sie Ihr Silbernes Ehrenzeichen eigentlich manchmal? Beim Einkaufen vielleicht? Oder am Arbeitsamt?»

Das Publikum reagierte leider nicht sonderlich enthusiastisch auf diese Pointe. Also kehrte Wimmer wieder zur Arbeit zurück. «Gut. Somit ist zumindest einmal geklärt, warum Sie hier sind. Jetzt widmen wir uns dem schwierigeren Teil: Warum bin ich hier? Das Opfer … Wann haben Sie das eigentlich kennengelernt?»

«Gleich am Abend von unserem ersten Tag. Und glauben Sie mir: Ich hätte es mir gern erspart.»

«Wie darf ich das verstehen?»

Suchanek sah Susi an. Eigentlich hätte er jetzt völlig wertfrei sagen müssen: «Wenn sie nicht gewesen wäre, dann wäre ich an jenem Abend im Zimmer geblieben, hätte mir einen Joint in der Größe einer Mittelstreckenrakete angesteckt, und niemand hier wüsste auch nur irgendwas von der Ceaușescu-Methode. Vor allem nicht die Leiche da unten.»

Aber das ging ja nicht. Weil man der Susi und – soweit Suchanek das mit seinem ungeheuren Erfahrungsschatz, der sich immerhin aus der persönlichen Bekanntschaft mit noch so ein, zwei Frauen speiste – nicht nur der Susi allein, sondern überhaupt gar keiner Frau mit Wertfreiheit zu kommen brauchte. Also sagte Suchanek stattdessen: «Wissen Sie, was ‹aktives Kennenlernen› ist?»

5

Jemanden kennenzulernen, das war ja per se schon eine hochproblematische Angelegenheit. Vor allem, wenn es sich dabei um Leute handelte, die man vorher noch nicht gekannt hatte. Einer sprach einen an, meist ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, und dann wollte er in der Regel eine Antwort und alles. Und ehe man sichs versah, betrachtete man zerknitterte Kinderfotos, die hinter der ÖAMTC-Klubkarte im Portemonnaie geduldig auf ihren Einsatz gewartet hatten («Da war er vier. Jetzt ist er 22.»), wusste den Grund für den letzten Krankenhausaufenthalt («Wenn so ein Abszess nicht von allein aufgeht, muss man eben schneiden. Du glaubst nicht, was da alles rauskommt.») und musste sich schlussendlich garantiert der spanischen Inquisition stellen, die in der grausamen Frage kulminierte:

«Und was machst du so?»

Aber heute, an diesem ersten Abend, den es am Abentheuer-Hof irgendwie runterzubiegen galt, waren die Aussichten ja noch viel düsterer. Susi und Suchanek hatten sich nach dem schönen Erfolg mit dem Schwimmen und dem Essen wieder aufs Zimmer zurückgezogen und sich wenigstens mit den Keksen zu sättigen versucht, die Susi mithatte. Dann war kurz die Aufnahme sexueller Aktivitäten im Raum gestanden, aber nur so lange, bis sich Suchanek geschickt schlafend gestellt hatte, als Susi vom Klo zurückgekommen war. Man musste das verstehen. Es war entsetzlich schwül. Und er war nicht so in der Übung. Jeder Arzt hätte da zu extremer Vorsicht geraten.

Irgendwann war Suchanek dann, ermattet von seiner oscarreifen Simulation, tatsächlich eingeschlafen. Als er wieder aufwachte, war Susi schon dabei, sich für die Abendgestaltung zurechtzumachen.

«Aktives Kennenlernen!», schnaubte Suchanek verächtlich und wachelte mit einem Zettel, auf dem «Hanni & Werner» – bei seinem Glück waren die wahrscheinlich auch noch ein Volksmusik-Duo – alle Hausgäste zu einem «gemütlichen, aber auch motivierenden Abend» einluden. Geübte Suchanek-Exegeten hätten sofort erkannt, dass seinem Schnauben neben der Verachtung ein mindestens gleich großer Anteil von Angst innewohnte. Zum Glück gab es ja nicht viele geübte Suchanek-Exegeten. Eigentlich nur eine. Aber die war blöderweise gerade hier.

«Was soll das denn bitte sein: ‹Aktives Kennenlernen›? Muss man da seinen Namen tanzen? Oder ist das mit Anfassen? Kommt dann ein Typ zu dir und sagt: ‹Hallo, ich bin der Hans-Georg. Darf ich deine Titten auch begrüßen?›»

Susi stand vor dem Spiegel und hörte kurz auf, an ihren Haaren herumzuzupfen. Dann fuhr sie sich mit der flachen Hand in den Ausschnitt ihres Tanktops und lupfte zuerst die linke und dann die rechte Brust ein wenig nach oben. «Ja, genau so wird das sein. Und ich werde antworten: ‹Aber sicher! Wenigstens einer, der sich für meine Titten interessiert.›»

In diesem Moment erwies es sich natürlich wieder einmal als Fluch, dass Suchanek jeden noch so subtilen Hinweis, der an ihm vorüberwehte, jeden noch so verschämt angelegten Wink mit dem Zaunpfahl aufgrund seiner unerhörten Sensibilität sofort verstand. Allerdings hatte er sich im Laufe der Zeit eine Strategie zurechtgelegt, wie man damit am besten umging – schon um die emotionalen Belastungen, die sich aus so einer schmerzhaften Hellhörigkeit zwangsweise ergaben, einigermaßen erträglich zu halten: Ignorieren.

«Warum bitte soll ich mit irgendwelchen nervtötenden Typen fraternisieren, nur weil die auch blöd genug sind, an einem Ort Urlaub zu machen, der in einer gerechten Welt ein Atombomben-Testgelände wäre? Wenn ich eine beschissene Gruppenreise machen will, dann buch ich eine.»

«Jetzt komm schon, Suchanek! Vielleicht sind ja auch nette Leute dabei. Und außerdem müssen wir endlich was essen. Wir gehen da runter, trinken ein Bier, grillen ein paar Würstl. Und wenn es fad ist, sind wir in einer Stunde wieder heroben in unserer … Suite.»

«Grillen auch noch! Jö! Ein Haufen Langeweiler steht im Kreis und schaut dem in der Mitte dabei zu, wie er Kohlen föhnt.»

«Es ist ein Lagerfeuer. Kein Griller», sagte Susi gedehnt. Und geübte Susi-Exegeten hätten jetzt womöglich bemerkt, dass selbst ihre beinahe grenzenlose Geduld langsam erschöpft war.

«Na, hoffentlich hat dann auch einer die Wanderklampfe mit, und wir reichen uns alle die Hände und singen dreistimmig ‹Blowing in the Wi…›»

Der Knall der zugeworfenen Badezimmertür unterbrach Suchaneks Ausführungen. Dann drosch Susi mit der Faust auf den Lichtschalter, kniff zornig die Augen zusammen und sagte: «Ich geh da jetzt jedenfalls runter. Und was du machst, ist mir bis auf weiteres hochoffiziell wurscht!»

Als sie weg war, überdachte Suchanek kurz seine Situation. Ergebnis: Er hatte recht. Und: Er hatte Hunger. Also wartete er noch ein Weilchen, bis ihm die Dauer der Schmollphase angemessen schien, und dackelte anschließend auch nach unten. Es dämmerte schon, aber es war immer noch nicht wirklich kühler. Suchanek kämpfte sich, von Gelsen umschwirrt, durch den Weintunnel und stieß auf die verdorrte Wiese neben dem Schwimmbiotop vor, auf der ein beachtlich großes Feuer brannte. Sofort stürzte ein Mann auf ihn zu.

«Sie müssen der Herr Suchanek sein! Na, dann sind wir ja endlich komplett.» Er schleuderte Suchaneks Hand auf und ab, als wäre sie ein Cocktail-Shaker. «Werner Abentheuer! Ich bin der Mann von der Chefin, und ich mache hier das Animationsprogramm.»

Animationsprogramm. Nun wusste Suchanek immerhin, dass es sehr wohl ein Wort gab, das ihn noch mehr erschreckte als «Kehlkopfkrebs».

«Kommen Sie, die anderen warten schon.» Abentheuer hatte Suchaneks Hand immer noch nicht losgelassen und zerrte ihn jetzt ganz zum Feuer. Susi saß auf der anderen Seite, unterhielt sich angeregt mit einer hageren Frau mit grauen Igelhaaren und würdigte Suchanek keines Blickes.

«Darf ich vorstellen: Das ist der Herr Suchanek. Und hier haben wir einmal das Ehepaar Manschein …»

Herr Manschein winkte und sagte: «Ich bin der Arnold! So wie Schwarzenegger!»

Frau Manschein neben ihm hatte diesen Spruch wohl schon oft genug gehört, um so zu tun, als sei sie gar nicht da, und am Boden ihres Pappbechers eingehend nach spannenden Mikroorganismen zu suchen.

«So wie Schwarzenegger! Hehe!», schrie der Animateur, weil er offenbar schon das für recht animierend hielt. «Und die junge Dame hier ist die Tochter, die Amelie, richtig?» Wenn Amelie wirklich Amelie hieß, dann war ihr das ergreifend egal. Sie spielte mit ihrem Smartphone und ignorierte den Clown mit einer Konsequenz, wie sie einfach nur Pubertierende hinkriegen.

«Ja und da drüben, neben Ihrer Frau, haben wir dann noch die Frau Doktor Lillinger.»

«Das ist nicht meine Frau», schoss es aus Suchanek heraus, und er erschrak sofort selber darüber, wie uncharakteristisch energisch er das gesagt hatte. Susi hob den Kopf und schaute ihn wortlos an. Links hinter ihr flammte ein gewaltiges Wetterleuchten am Horizont auf.

«Nicht Ihre Frau …», wiederholte Abentheuer irritiert und verlor kurz den Faden. «Ja. Äh … Also dann fangen wir jetzt am besten an!»

Hinter einem Heurigentisch stand die Holzfällerin und machte eine einladende Geste in Richtung der Bierflaschen, die zur Kühlung vor ihr in einer kleinen Wanne lagen. Suchanek schüttelte den Kopf und nahm sich nur eine der Käsekrainer-Würste, die schon grillbereit auf Holzstöcke gespießt auf einem Tablett lagen. Dann umrundete er das Feuer, setzte sich auf den freien Klappsessel neben Susi und raunte ihr ins Ohr: «Können wir reden?»

Susi drehte sich zu ihm und sagte: «Ich rede eh gerade.» Dann wandte sie sich wieder Frau Doktor Lillinger zu.

Da ging man einmal wirklich über eine Grenze, ja? Und es war zweifellos eine gut bewachte Grenze, ein Eiserner Vorhang praktisch, über den sich einer wie der Suchanek drüberwuchten musste, um sich den Satz «Können wir reden?» zu entsteißen. Und das hatte man dann davon.

«Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste! Ich darf euch nochmals alle herzlich hier bei uns am Abentheuer-Hof willkommen heißen!» Der Animateur hatte sich auf ein Podest aus drei übereinandergestapelten Paletten gestellt, um seine Ansprache auch aus einer würdigen Position halten zu können.

«Aktives Kennenlernen. Manche von euch werden sich vielleicht gefragt haben, was denn das sein soll.» Bemerkenswert scharfsinnig, dachte Suchanek und folterte seine Wurst, indem er sie noch tiefer in die Flammen versenkte. Irgendwer musste schließlich für das alles hier büßen.

«Nun, ihr alle miteinander habt euch ja wohl nicht zufällig den Abentheuer-Hof ausgesucht, um ein Stück von der schönsten Zeit des Jahres hier zu verbringen, nicht wahr? Ihr habt alle eure Gründe. Möchte jemand vielleicht sagen, was sein Grund ist? Was er sich von dieser Woche hier am Hof erwartet?»

Niemand.

«Niemand? So schüchtern? Na, das werden wir euch schon noch austreiben, hehe! Also, ich sag einmal, ihr wollt was erleben. Und ihr wollt hier in der unberührten Natur vielleicht auch wieder ein Stück zu euch selbst finden. Euch wieder einmal so richtig spüren, oder? Und ich kann euch dabei helfen.»

Das stimmte. Abentheuer hatte Suchanek schon jetzt dabei geholfen. Er spürte etwas. Es tat weh. Das ferne Gewitter erleuchtete wieder stumm den Horizont. War es zu viel verlangt, wenn es seinen Arsch endlich hierherbewegte?

«Ich habe in meinem Leben schon viel ausprobiert. So allerhand Erfahrungen gemacht.» – Die machte jeder. Und die meisten behielten sie für sich. – «Eine der prägendsten Erfahrungen war aber meine Zeit im Sport. Ich war … – nun, aufgrund der Tatsache, dass es eher eine Randsportart ist, steht man zwar nicht so im Rampenlicht, aber ich darf ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass ich in meiner Disziplin immerhin in der erweiterten europäischen Spitze war. Ich weiß nicht, haben wir Sportinteressierte hier?» Abentheuer schaute suchend in die Runde. Die war aber, soweit Suchanek das sehen konnte, in ihrer Gesamtheit ähnlich desinteressiert wie er. Einzig Arnold wie Schwarzenegger schien an einer guten Mitarbeitsnote interessiert zu sein.

«Waren Sie nicht … warten Sie einmal, also …», hob er an und tat zumindest so, als sei ihm die zweifelsfrei gewaltige Prominenz des Schwätzers nur kurz entfallen. «Waren Sie nicht sogar im Nationalteam?» Abentheuers schon leicht ins Besorgte driftende Miene hellte sich auf.

«Ja!», strahlte er. «Dass das tatsächlich noch jemand weiß! Ist schließlich schon ein paar Jährchen her. Und es interessieren sich ja leider nicht so viele Leute fürs Sportkegeln.»

«Ach so!», sagte Arnold. «Sportkegeln. Na, dann war das eine Verwechslung.»

Der Motivationstrainer verarbeitete diesen Tiefschlag vorbildlich. «Nun ja, das hätte mich ja auch gewundert. Obwohl das ein sehr ernst zu nehmender Sport ist. Leider nicht olympisch. Was ja eh ein Wahnsinn ist, wenn man bedenkt, was alles olympisch ist. Curling! Kennt ihr das? Da schmeißt einer so eine Art Bügeleisen, und die anderen rennen vor dem her und wischen mit einem Besen wie deppert das Eis. Oder Dressurreiten! Wer braucht denn das bitte? Abgesehen davon, dass es Tierquälerei ist. Aber egal, ich schweife ab. Worum es mir geht, ist Folgendes: Spitzensport ist das beste Persönlichkeitstraining, das es gibt. Und was ich gelernt habe, gebe ich jetzt in Seminaren weiter. Für euch mach ich heute eine Schnupperstunde gratis. Wer das dann vertiefen möchte, kann ja im Lauf der Woche noch was dazubuchen. Es geht um die ganz großen Fragen: Wer bin ich wirklich? Was möchte ich im Leben erreichen? Und vor allem: wie?» Er blickte mit bedeutsam gehobenen Augenbrauen in die Runde. «Wir wollen gemeinsam, als Gruppe versuchen, das für uns herauszuarbeiten. Das aktive Kennenlernen hat da eine doppelte Bedeutung: Die anderen in der Gruppe kennenlernen – und ein Stück auch gleich sich selbst. Und das funktioniert natürlich nur mit eurer Mitarbeit. Also: aktiv!»

Suchaneks Wurst platzte auf, der Käse tropfte ins Fegefeuer und verschmorte, noch bevor er den Boden erreichte, zu kanzerogenen Kokskügelchen. Der kleine Knall, den die Wurst dabei machte, war für Suchanek der Startschuss in seiner bevorzugten Sportart. Die würde zwar auch niemals olympisch werden, aber er war mit seinem Platz im erweiterten nationalen Spitzenkreis in der Disziplin «So-schnell-wie-möglich-und-so-weit-wie-nötig-Flucht» durchaus zufrieden. Allerdings durfte man das Training nicht vernachlässigen. Suchanek ließ die Käsekrainer ganz ins Feuer fallen und sprang auf.

«Ich, äh … ich muss dringend noch einmal ins Zimmer. Ich hab was Wichtiges vergessen.»

Abentheuer runzelte die Stirn. «Sollen wir warten?»