Always and forever, Lara Jean - Jenny Han - E-Book

Always and forever, Lara Jean E-Book

Jenny Han

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Beschreibung

Lara Jeans letztes Highschool-Jahr könnte nicht besser verlaufen: Sie ist bis über beide Ohren in ihren Freund Peter verliebt, ihr Vater heiratet endlich die Nachbarin Ms. Rothschild, und Lara Jeans Schwester Margot wird den Sommer über nach Hause kommen. Doch während Lara Jean mit Feuereifer bei den Hochzeitsvorbereitungen hilft, zeichnen sich Veränderungen am Horizont ab. Sie muss große Entscheidungen treffen: Welches College soll sie besuchen, und was bedeutet das für ihre Beziehung mit Peter? Bald wird Lara Jean ihr Zuhause und ihre Familie verlassen müssen – und vielleicht auch ihre erste Liebe? Der lang ersehnte Abschluss der romantischen Bestseller-Trilogie über das Erwachsenwerden.

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Über das Buch

Lara Jeans letztes Highschool-Jahr könnte nicht besser verlaufen: Sie ist bis über beide Ohren in ihren Freund Peter verliebt, ihr Vater heiratet endlich die Nachbarin Ms. Rothschild und Lara Jeans Schwester Margot wird den Sommer über nach Hause kommen. Doch Veränderungen zeichnen sich am Horizont ab: Während Lara Jean mit Feuereifer bei den Hochzeitsvorbereitungen hilft, muss sie sich den großen Entscheidungen stellen, die sie zu treffen hat. Welches College soll sie wählen? Und was bedeutet das für ihre Beziehung mit Peter? Nach Margot ist Lara Jean nun an der Reihe, bald wird sie ihr Zuhause und ihre Familie verlassen müssen – und vielleicht auch ihre große Liebe?

Jenny Han

Always and Forever, Lara Jean

Aus dem Englischen von Anja Hansen-Schmidt

Carl Hanser Verlag

Liebe Leser, dieses Buch ist für euch.

»Ich weiß noch nicht, was hinter dieser Biegung auf mich wartet, aber ich glaube, es wird etwas Gutes sein …«

L.M. MONTGOMERY, Anne of Green Gables

1

Am liebsten beobachte ich Peter, wenn er es nicht merkt. Ich bewundere dann seine ebenmäßigen Züge, sein schön geschwungenes Profil. Sein Gesicht ist so offen, so unschuldig – es strahlt eine ganz besondere Freundlichkeit aus. Und es ist vor allem diese Freundlichkeit, die mein Herz berührt.

Am Freitagabend nach dem Lacrosse-Spiel hängen wir mal wieder bei Gabe Rivera ab. Unsere Schule hat gewonnen, und alle sind gut drauf. Peter hat besonders gute Laune, weil er das entscheidende Tor erzielt hat. Er spielt auf der anderen Seite des Zimmers mit ein paar Jungs aus der Mannschaft Poker und lehnt mit seinem gekippten Stuhl an der Wand. Seine Haare sind noch nass vom Duschen nach dem Spiel. Ich sitze mit meinen Freunden Lucas Krapf und Pammy Subkoff auf dem Sofa. Die beiden blättern in der neuesten Ausgabe der Teen Vogue und beratschlagen, ob Pammy sich einen Pony schneiden lassen soll.

»Was meinst du, Lara Jean?«, fragt sie und fährt sich mit den Fingern durch die karottenroten Haare. Pammy ist eine neue Freundin von mir – wir haben uns kennengelernt, weil sie mit Peters Freund Darrell zusammen ist. Sie hat ein rundes Puppengesicht, das, ebenso wie ihre Schultern, mit zarten Sommersprossen übersät ist.

»Also, ich finde, ein Pony sollte gut überlegt sein, weil du dich damit auf ziemlich lange Zeit festlegst. Je nachdem, wie schnell deine Haare wachsen, kann es ein Jahr oder länger dauern, bis sie wieder alle die gleiche Länge haben. Aber wenn du ernsthaft darüber nachdenkst, würde ich an deiner Stelle bis zum Herbst warten – bald ist Sommer, da kann ein Pony ziemlich nervig sein, man schwitzt darunter, und alles klebt …« Meine Augen wandern zurück zu Peter. Er sieht auf, merkt, dass ich ihn anschaue, und zieht fragend die Augenbrauen hoch. Ich lächele nur und schüttele den Kopf.

»Dann also keinen Pony?«

Mein Handy summt in meiner Tasche. Es ist Peter.

Willst du gehen?

Nein.

Warum siehst du mich dann so an?

Weil mir danach ist.

Lucas liest über meine Schulter mit. Als ich ihn wegschiebe, schüttelt er den Kopf und sagt: »Ihr schreibt euch ernsthaft Nachrichten, obwohl ihr nur ein paar Meter voneinander entfernt sitzt?«

Pammy zieht ihre Nase kraus. »Das ist so süß.«

Bevor ich antworten kann, kommt Peter mit zielstrebigen Schritten auf mich zu. »Zeit, meinen Schatz nach Hause zu bringen«, verkündet er.

»Wie viel Uhr ist es denn?«, frage ich. »Ist es schon so spät?«

Peter zieht mich vom Sofa hoch und hilft mir in meine Jacke. Dann nimmt er meine Hand.

Ich drehe mich noch einmal um und winke. »Tschüss, Lucas! Tschüss, Pammy! Und übrigens: Ich finde, ein Pony würde dir total gut stehen!«

»Warum hast du es denn so eilig?«, frage ich, als Peter mich durch den Vorgarten zur Straße zieht, wo sein Auto parkt.

Er bleibt vor dem Wagen stehen, nimmt mich in den Arm und küsst mich. »Ich kann mich nicht auf meine Karten konzentrieren, wenn du mich so anschaust, Covey.«

»Tut mir leid …«

Bevor ich weitersprechen kann, küsst er mich schon wieder, seine Hände fest an meinem Rücken.

Im Auto schaue ich auf das Armaturenbrett – erst Mitternacht. »Wir haben noch eine Stunde, bevor ich zurückmuss. Was sollen wir solange machen?«

Ich bin die Einzige, die abends zu einer bestimmten Uhrzeit zu Hause sein muss. Punkt ein Uhr ist für mich Zapfenstreich. Mittlerweile haben sich alle daran gewöhnt: Peter Kavinskys brave Freundin muss um eins im Bett sein. Aber es hat noch keinen Abend gegeben, wo mich das gestört hätte. Weil, mal ehrlich, es ist nicht ja so, als würde ich was verpassen. Es sei denn, man schaut gern zu, wie die Leute stundenlang Flip-Cup spielen. Nein danke, da verkrieche ich mich lieber in meinem kuscheligen Schlafanzug ins Bett, mit einer Tasse Gutenachttee und einem Buch.

»Wir könnten zu euch fahren. Ich hätte Lust, deinem Vater kurz Hallo zu sagen. Und wir könnten Alien zu Ende schauen.« Peter und ich arbeiten nach und nach eine Filmliste ab, die aus meinen Vorschlägen besteht (Lieblingsfilme von mir, die er nicht kennt), aus seinen Vorschlägen (Lieblingsfilme von ihm, die ich nicht kenne) und aus Filmen, die keiner von uns gesehen hat. Alien wurde von Peter ausgesucht und hat sich als richtig guter Film entpuppt. Und obwohl Peter immer behauptet hat, er finde Liebeskomödien langweilig, hat ihm Schlaflos in Seattle total gefallen. Ich war ziemlich erleichtert, weil ich unmöglich mit einem Jungen zusammen sein könnte, der den Film nicht mag.

»Ich will nicht nach Hause«, sage ich. »Ich hätte Lust, noch irgendwo hinzugehen.«

Peter überlegt und klopft dabei mit dem Finger auf das Lenkrad. Dann sagt er: »Ich weiß was.«

»Und was?«

»Wart’s ab.« Er öffnet das Fenster, frische Nachtluft zieht ins Auto.

Ich lehne mich in meinem Sitz zurück. Die Straßen sind leer, die meisten Häuser dunkel. »Lass mich raten. Wir fahren zum Diner, weil du Lust auf Blaubeerpfannkuchen hast.«

»Nö.«

»Hmm. Für Starbucks ist es zu spät, und Biscuit Soul Food hat schon zu.«

»He, ich denke nicht immer nur ans Essen«, widerspricht er. »Sind eigentlich noch Kekse in der Dose?«

»Die sind alle, aber zu Hause hab ich vielleicht noch welche, wenn Kitty sie nicht aufgefuttert hat.« Ich lasse den Arm aus dem Fenster hängen. Bald sind die kalten Nächte vorbei, in denen man eine Jacke braucht. Aus dem Augenwinkel mustere ich Peters Profil. Manchmal kann ich es immer noch nicht fassen, dass er mir gehört. Der hübscheste aller hübschen Jungs gehört mir, mir ganz allein.

»Was ist?«, fragt er.

»Nichts«, sage ich.

Zehn Minuten später fahren wir auf den Campus der University of Virginia, nur dass ihn niemand so nennt – alle sagen »Grounds« dazu. Peter parkt am Straßenrand. Es ist wenig los für einen Freitagabend in einer Uni-Stadt, aber die meisten Studenten sind vermutlich wegen der Frühlingsferien nach Hause gefahren.

Hand in Hand spazieren wir über die große Rasenfläche in der Mitte, als mich plötzlich eine Panikwelle überkommt. Ich bleibe wie angewurzelt stehen und frage: »Glaubst du, es bringt Unglück, hier herumzulaufen, bevor ich einen Studienplatz habe?«

Peter lacht. »Das ist doch keine Hochzeit. Du willst die UVA doch nicht heiraten.«

»Du hast leicht reden. Du hast ja schon eine Zusage.«

Peter hat schon letztes Jahr der Lacrosse-Mannschaft der UVA eine mündliche Zusage gegeben und sich dann im Herbst im Frühzulassungsverfahren beworben. Wie die meisten Sportler hat er seinen Studienplatz sicher, solange seine Noten einigermaßen in Ordnung sind. Nachdem im Januar die offizielle Zusage kam, hat seine Mutter eine große Party für ihn geschmissen. Ich habe einen Kuchen gebacken, auf dem in gelber Zuckerguss-Schrift Meine Tore für die UVA stand.

Peter zieht mich an der Hand und sagt: »Komm schon, Covey. Ob du hier studierst, hat doch mit Schicksal nichts zu tun. Außerdem waren wir vor zwei Monaten schon mal hier, bei dieser Veranstaltung im Miller Center.«

Ich beruhige mich wieder. »Oh, stimmt.«

Wir gehen weiter. Mittlerweile kenne ich unser Ziel: die Stufen vor der Rotunde. Der Rundbau wurde von Thomas Jefferson entworfen, dem Gründervater der Universität, und nach dem Vorbild des Pantheons gestaltet, mit weißen Säulen und einer großen Kuppel. Peter rennt die Steinstufen hoch wie Rocky und lässt sich fallen. Ich setze mich vor ihn und lehne mich zurück.

»Wusstest du eigentlich, dass die UVA sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass das Zentrum der Uni hier in der Rotunde eine Bibliothek ist und keine Kirche? Jefferson war nämlich der Überzeugung, Schule und Kirche sollten strikt getrennt sein.«

»Hast du das in der Uni-Broschüre nachgelesen?«, neckt Peter mich und drückt mir einen Kuss auf den Nacken.

Verträumt sage ich: »Das haben sie erklärt, als ich letztes Jahr den Campus besichtigt habe.«

»Davon hast du mir gar nichts erzählt. Warum machst du eine Besichtigung mit, wenn du hier in der Stadt wohnst? Du warst doch schon tausend Mal auf dem Campus!«

Es stimmt, ich war schon viele Male hier. Seit meiner Kindheit bin ich mit meiner Familie regelmäßig hergekommen. Als meine Mutter noch am Leben war, haben wir immer die Konzerte der Hullabahoos besucht, eine studentische A-cappella-Gruppe, die meine Mutter ganz toll fand. Auf der Wiese vor der Rotunde haben wir für Familienfotos posiert, im Sommer haben wir nach der Kirche hier gepicknickt.

Ich drehe mich zu Peter um. »Ich habe die Besichtigung gemacht, weil ich alles über die UVA wissen wollte. Sachen, die man nicht unbedingt mitbekommt, nur weil man hier lebt. Kannst du mir sagen, wann Frauen hier zum Studium zugelassen wurden?«

Er kratzt sich am Hals. »Äh … keine Ahnung. Wann wurde die Uni denn gegründet? Vielleicht Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts? So um 1920?«

»Nein. Frauen dürfen erst seit 1970 hier studieren.« Ich drehe mich wieder um und betrachte das Gelände. »Erst hundertfünfzig Jahre nach der Gründung.«

Fasziniert sagt Peter: »Was? Krass. Weißt du noch mehr Fakten?«

»Die UVA ist die einzige Universität, die in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen wurde.«

»Schon gut, das reicht«, wehrt er ab und bekommt dafür von mir einen Klaps aufs Knie. »Reden wir lieber über was anderes. Worauf freust du dich am meisten, wenn du hier studierst?«

»Du zuerst. Worauf freust du dich?«

Er antwortet sofort. »Ganz einfach. Darauf, mit dir zusammen als Flitzer den Campus aufzumischen.«

»Ernsthaft? Du freust dich darauf, nackt über den Campus zu rennen?« Hastig füge ich hinzu: »Außerdem würde ich so was niemals tun.«

Er lacht. »Das ist Tradition hier. Ich dachte, du stehst auf UVA-Traditionen.«

»Peter!«

»War nur ein Witz.« Er beugt sich vor, legt die Arme um mich und reibt seine Nase an meinem Nacken, wie er es gerne tut. »Du bist dran.«

Ich träume kurz vor mich hin. Worauf freue ich mich am meisten, wenn ich hier studieren darf? Da gibt es so vieles, dass ich gar nicht alles aufzählen kann. Ich freue mich darauf, jeden Tag mit Peter Waffeln in der Cafeteria zu essen. Mit ihm den Hang vor der Cafeteria runterzurutschen, wenn es schneit. Auf die Picknicks, wenn es warm ist. Darauf, die ganze Nacht wach zu bleiben und zu reden und dann aufzuwachen und noch mehr zu reden. Auf spätabendliche Besuche im Waschsalon und spontane Wochenendausflüge. Einfach … auf alles.

Schließlich sage ich: »Ich habe Angst, dass es Unglück bringt, wenn ich darüber rede.«

»Komm schon!«

»Okay, okay … Ich glaube, ich freue mich am meisten darauf … zum Lernen in den McGregor-Saal zu gehen.« Der Lesesaal der Uni-Bibliothek trägt auch den Spitznamen »Harry-Potter-Saal«, wegen der prunkvollen Teppiche, der Kronleuchter und Ledersessel und der Porträts an den Wänden. Die Regale reichen vom Boden bis zur Decke, und die Bücher werden durch Metallgitter geschützt, weil sie so wertvoll sind. Der Raum wirkt wie aus einer anderen Zeit, und es ist sehr still dort – eine fast ehrfürchtige Ruhe. Als ich etwa fünf oder sechs Jahre alt war, noch vor Kittys Geburt, besuchte meine Mutter ein Seminar an der UVA und setzte sich immer mit uns zum Lernen in den McGregor-Saal. Margot und ich haben dann gemalt oder gelesen. Weil wir uns dort nie gestritten haben, sagte meine Mutter immer, es sei eine magische Bibliothek. Wir waren beide jedes Mal mucksmäuschenstill, weil wir die vielen Bücher und die jungen Leute, die an den Tischen saßen und lernten, so bewundert haben.

Peter zieht ein enttäuschtes Gesicht. Bestimmt hat er etwas erwartet, das mit ihm zu tun hat. Mit uns. Aber diese Träume möchte ich vorerst lieber für mich behalten.

»Du kannst ja mit in den Lesesaal kommen«, sage ich. »Aber nur, wenn du versprichst, leise zu sein.«

Zärtlich entgegnet er: »Lara Jean, du bist echt der einzige Mensch, der sich für eine Bibliothek begeistern kann.«

Den vielen Fotos auf Pinterest nach zu urteilen, gibt es viele Leute, die sich darüber freuen würden, in einer so wunderschönen Bi­bliothek zu lernen. Aber eben nicht die Leute, die Peter kennt. Deshalb findet er mich ein wenig sonderbar. Ich habe nicht vor, ihm zu verraten, dass ich gar nicht so sonderbar bin und dass es in Wirklichkeit viele Menschen gibt, die gern zu Hause bleiben, Kekse backen und Scrapbooks basteln oder die in Bibliotheken gehen. Auch wenn die meisten schon mindestens fünfzig Jahre alt sein dürften. Ich finde es schön, wenn er mich anschaut, als wäre ich eine Elfe, die er eines Tages zufällig entdeckt und einfach mit nach Hause genommen hat.

Peter zieht sein Handy aus der Tasche seines Kapuzenpullis. »Halb eins. Wir müssen los.«

»Schon?«, seufze ich. Ich bin gern spätabends hier. Es kommt mir dann so vor, als würde das ganze Gelände nur uns gehören.

Tief in meinem Herzen war es schon immer mein Wunsch, später mal an die UVA zu gehen. Eine andere Uni ist für mich nie infrage gekommen. Darum wollte ich mich eigentlich auch schon im Frühzulassungsverfahren bewerben, wie Peter, aber Mrs. Duvall, meine Collegeberaterin, hat mir davon abgeraten. Sie sagte, es sei besser, noch zu warten, damit meine Halbjahresnoten in die Bewerbung einfließen können. Meine Erfolgschancen seien höher, wenn ich mich mit einem möglichst guten Notenschnitt bewerben würde.

Am Ende habe ich meine Unterlagen an fünf Unis geschickt. Zuerst sollte es nur die UVA sein, wo es am schwersten ist, einen Studienplatz zu bekommen und die nur eine Viertelstunde von zu Hause entfernt liegt. Das College of William and Mary, die Schule mit den zweitschwersten Aufnahmebedingungen und meine zweite Wahl, liegt zwei Stunden entfernt. Dann die University of Richmond und die James Madison University, beide nur eine Stunde von hier, beide gleichermaßen dritte Wahl. Alle vier liegen in unserem Bundesstaat. Aber dann hat mich Mrs. Duvall gedrängt, mich auch an einem College außerhalb von Virginia zu bewerben, nur um mir diese Möglichkeit offenzuhalten. Deshalb habe ich auch eine Bewerbung an die University of North Carolina in Chapel Hill geschickt. Es ist sehr schwer, an einer auswärtigen Uni einen Platz zu bekommen, aber ich habe sie gewählt, weil sie mich an die UVA erinnert. Sie hat ein gutes geisteswissenschaftliches Profil und liegt nicht zu weit entfernt, gerade noch nah genug, um im Notfall schnell zu Hause zu sein.

Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich immer für die UVA entscheiden. Ich hatte nie das Bedürfnis, irgendwo weit weg zu studieren. Ich bin nicht so wie meine große Schwester. Margot hat immer davon geträumt, hier rauszukommen. Sie will unbedingt die Welt sehen. Mir ist es wichtig, mich zu Hause zu fühlen, und die UVA ist nun mal wie eine Heimat für mich. Deshalb vergleiche ich auch alle anderen Universitäten mit ihr. Sie hat einfach einen Bilderbuch-Campus – rundum perfekt. Und dann ist da natürlich noch Peter.

Wir bleiben noch ein bisschen sitzen, ich erzähle Peter ein paar weitere Fakten über die UVA, und er spottet darüber, wie gut ich mich auskenne. Dann fährt er mich nach Hause. Es ist schon fast eins, als er vor unserem Haus hält. Im Erdgeschoss ist alles dunkel, aber im Schlafzimmer meines Vaters brennt noch Licht. Er geht immer erst ins Bett, wenn ich zu Hause bin.

Ich will aussteigen, aber Peter hält mich davon ab, die Tür zu öffnen. »Erst will ich meinen Gutenachtkuss«, verlangt er.

Ich lache. »Peter! Ich muss los.«

Er schließt stur die Augen und wartet.

Ich beuge mich vor und drücke ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen. »Hier. Zufrieden?«

»Nein.« Er küsst mich ausgiebig, als hätten wir alle Zeit der Welt, und fragt dann: »Was würde passieren, wenn ich zurückkomme, sobald alle eingeschlafen sind, die Nacht bei dir verbringe und morgen ganz früh verschwinde? Also noch vor Sonnenaufgang?«

Lächelnd sage ich: »Das geht nicht, deshalb werden wir es wohl nie erfahren.«

»Und wenn doch?«

»Mein Vater würde mich umbringen.«

»Nein, würde er nicht.«

»Er würde dich umbringen.«

»Nein, würde er nicht.«

»Vermutlich nicht«, stimme ich zu. »Aber er wäre sehr enttäuscht von mir. Und furchtbar wütend auf dich.«

»Nur, wenn wir erwischt werden«, widerspricht Peter, aber nur halbherzig. Er will es auch nicht riskieren. Er ist zu sehr darauf bedacht, es sich mit meinem Vater nicht zu verscherzen. »Weißt du, auf was ich mich in Wirklichkeit am meisten freue?« Er zieht mich am Zopf, bevor er weiterspricht. »Nicht Gute Nacht sagen zu müssen. Ich hasse es, Gute Nacht zu sagen.«

»Ich auch«, sage ich.

»Ich kann es kaum erwarten, bis wir auf dem College sind.«

»Ich auch.« Ich küsse ihn ein letztes Mal, dann springe ich aus dem Auto und laufe zu unserem Haus. Unterwegs schaue ich zum Mond hinauf und zu den vielen Sternen, die wie eine Decke über dem Nachthimmel liegen, und schicke einen Wunsch zu ihnen empor. Bitte, lieber Gott, lass mich einen Platz an der UVA bekommen.

2

»Soll ich Maries Perücke mit pinkfarbenem oder goldenem Glitter bestreuen?« Ich halte das Osterei vor den Monitor, damit Margot es begutachten kann. Ich habe die Schale in einem hellen Türkis bemalt und dann in Serviettentechnik ein Miniaturporträt von Marie Antoinette aufgeklebt.

»Halt es noch näher an die Kamera«, befiehlt Margot und starrt blinzelnd auf den Bildschirm. Sie trägt einen Schlafanzug, und auf ihrem Gesicht klebt eine weiße Pflegemaske. Die Haare reichen ihr schon bis zu den Schultern; vermutlich wird sie bald zum Friseur gehen. Ich habe das Gefühl, dass sie bei den kurzen Haaren bleiben wird. Sie stehen ihr auch richtig gut.

In Schottland ist es Abend und bei uns immer noch Nachmittag. Wir sind fünf Stunden und mehr als fünfeinhalbtausend Kilometer voneinander entfernt. Sie ist in ihrem Wohnheimzimmer, ich sitze an unserem Küchentisch, umgeben von Ostereiern, Farbschüssel, Strasssteinen, Aufklebern und flauschigen weißen Federn, die noch vom Weihnachtsschmuckbasteln übrig sind. Mein Laptop thront auf einem Stapel Kochbücher, damit Margot mir beim Eierbemalen Gesellschaft leisten kann.

»Ich werde ihr eine Perlenbordüre umlegen, falls dir das bei deiner Entscheidung hilft«, teile ich meiner großen Schwester mit.

»Dann nimm Pink.« Margot rückt ihre Gesichtsmaske zurecht. »Pink fällt mehr auf.«

»Das finde ich auch.« Mit einem alten Lidschattenpinsel trage ich den Glitter auf. Gestern habe ich stundenlang Eier ausgeblasen. Eigentlich sollte es eine nette Abendbeschäftigung für Kitty und mich sein, so wie früher, aber sie ist abgesprungen, weil Madeline Klinger sie zu sich eingeladen hat. Eine solche Einladung ist ein so seltenes Ereignis, dass ich ihr nicht böse sein konnte.

»Nicht mehr lange, dann bekommst du Bescheid, oder?«

»Irgendwann in diesem Monat.« Mit einem Stift male ich eine Reihe Perlen auf das Ei. Obwohl ich mir wünsche, dass das Warten endlich vorbei ist, bin ich irgendwie auch froh über diese Zeit des Nicht-Wissens, des Immer-noch-Hoffens.

»Sie werden dich schon nehmen«, sagt Margot entschieden.

Jeder um mich herum scheint zu denken, es wäre ausgemachte Sache, dass ich an der UVA studiere. Peter, Kitty, Margot, mein Vater. Meine Schulberaterin Mrs. Duvall. Und auch wenn ich es nie wagen würde, das laut auszusprechen, um kein Unglück heraufzubeschwören, glaube ich es irgendwie auch. Ich habe viel gelernt und im Collegetest ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Meine Noten sind fast so gut wie die von Margot, und Margot hatte damals eine Zusage bekommen. Ich habe alles getan, was nötig ist, aber wird das auch reichen? Jetzt kann ich nur noch abwarten und hoffen. Und noch mehr hoffen.

Bevor ich eine kleine weiße Schleife oben an mein Ei klebe, halte ich inne und schaue meine Schwester misstrauisch an. »Warte mal. Du willst mich aber nicht überreden, an eine andere Uni zu gehen, weil du findest, dass ich auf eigenen Beinen stehen soll?«

Margot lacht. Die Maske rutscht von ihrem Gesicht, und sie rückt sie wieder zurecht. »Nein, ich vertraue darauf, dass du selbst weißt, was am besten ist.«

Das meint sie ehrlich, das spüre ich. Und ihre Worte bewirken, dass es auch so ist: Ich vertraue mir. Ich vertraue darauf, dass ich dann, wenn die Zeit gekommen ist, weiß, was am besten für mich sein wird. Und das ist nun mal die UVA, davon bin ich überzeugt.

»Ich gebe dir nur den Rat, dir deine eigenen Freunde zu suchen. Peter wird tausend neue Freunde haben, allein schon durch das Lacrosse. Und diese Typen gehören vermutlich nicht unbedingt zu den Menschen, die du dir als Freunde aussuchen würdest. Deshalb solltest du eigene finden. Leute, die so sind wie du. Die UVA ist groß.«

»Das werde ich«, verspreche ich.

»Und vergiss nicht, mit anderen asiatisch-amerikanischen Studenten in Kontakt zu kommen. Das ist das Einzige, was mir hier in Schottland fehlt: eine Vereinigung von Leuten, die meiner Herkunft sind. Irgendwie macht man sich auf dem College plötzlich Gedanken über seine ethnische Identität. Bei Tim war das auch so.«

»Welcher Tim?«

»Tim Monahan aus meinem Jahrgang.«

»Ach, der«, sage ich. Tim Monahan ist koreanischer Abstammung und wurde adoptiert. Es gibt nicht viele Asiaten an unserer Schule, deshalb kennen wir uns alle, zumindest flüchtig.

»In der Schule hatte er nie was mit anderen asiatischstämmigen Schülern zu tun, und dann ist er zum Studieren auf die Virginia Tech gegangen und hat dort jede Menge Koreaner kennengelernt. Mittlerweile soll er sogar Präsident einer asiatischen Studentenverbindung sein.«

»Wow!«

»Ich bin echt froh, dass es hier in England nicht so viele Verbindungen gibt. Du hast doch nicht vor, bei so was mitzumachen, oder?« Hastig fügt sie hinzu: »Auch wenn das natürlich völlig in Ordnung wäre.«

»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.«

»Peter wird bestimmt einer Verbindung beitreten.«

»Dazu hat er bisher nichts gesagt …« Aber auch wenn er es nicht erwähnt hat, könnte ich mir das bei ihm gut vorstellen.

»Ich habe gehört, dass es ziemlich schwierig ist, wenn dein Freund in einer Verbindung ist und du nicht. Und wegen dieser ganzen Partys und so soll es angeblich praktischer sein, wenn du mit den Mädchen aus der zugehörigen Schwesternschaft befreundet bist. Keine Ahnung. Mir kommt das Ganze sowieso etwas albern vor, aber vielleicht lohnt es sich ja. Angeblich soll bei den Studentinnenverbindungen viel gebastelt werden.« Sie schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Apropos basteln.« Ich halte mein Ei in die Höhe. »Tadaaa!«

Margot beugt sich näher zur Kamera. »Du solltest eine Ostereierfirma gründen! Zeig mal die anderen.«

Ich halte den Eierkarton hoch. Darin liegen ein Dutzend bemalter, ausgeblasener Eier – rosa mit einer Borte aus pinker Zackenlitze, strahlend blau und zitronengelb, lavendelfarben und mit getrockneten Lavendelblüten besetzt. Ich war froh, dass ich die Blüten endlich mal verwenden konnte. Vor Monaten habe ich für eine Lavendel-Crème-brûlée eine ganze Tüte davon gekauft, seitdem steht sie in unserer Vorratskammer herum und nimmt Platz weg.

»Was willst du mit den Eiern machen?«, fragt Margot.

»Ich nehme sie mit ins Belleview, damit sie den Empfang damit schmücken können. Ich finde, dort sieht es immer so trostlos und krankenhausmäßig aus.«

Margot lehnt sich gegen ihre Kissen. »Wie geht’s den Leuten im Belleview?«

»Gut. Ich hatte so viel mit den College-Bewerbungen zu tun und dem ganzen anderen Kram, den man im letzten Schuljahr erledigen muss, dass ich in letzter Zeit kaum noch dort war. Seitdem ich nicht mehr offiziell dort arbeite, ist es ganz schön schwer, Zeit dafür zu finden.« Ich lasse das Ei in meiner Hand kreiseln. »Das hier werde ich Stormy schenken. Es passt zu ihr.« Ich lege das Ei mit dem Marie-Antoinette-Porträt zum Trocknen auf das Gestell und nehme ein lilafarbenes Ei, um bunte Strasssteine aufzukleben. »Von jetzt an will ich wieder öfter hinfahren.«

»Das verstehe ich gut«, stimmt Margot mir zu. »Wenn ich in den Frühlingsferien zu Hause bin, komme ich mit. Ich möchte, dass Stormy Ravi kennenlernt.«

Ravi ist seit einem halben Jahr Margots Freund. Seine Eltern stammen aus Indien, aber er wurde in London geboren und hat deshalb einen ganz vornehmen Akzent. Als ich ihn per Skype kennenlernte, habe ich sofort gesagt: »Du klingst genau wie Prinz William.« Er hat gelacht und sich bedankt. Er ist zwei Jahre älter als Margot, und vielleicht liegt es an seinem Alter oder daran, dass er Engländer ist, aber er wirkt sehr intellektuell und ganz anders als Josh. Nicht hochnäsig, einfach anders. Irgendwie kultiviert, vermutlich, weil er in einer richtigen Großstadt aufgewachsen ist. Er konnte regelmäßig ins Theater gehen und hat ständig irgendwelche Politiker getroffen, weil seine Mutter Diplomatin ist. Als ich Margot das sagte, lachte sie und meinte, ich würde ihn nur nicht richtig kennen. Ravi sei in Wirklichkeit ein ziemlicher Nerd und kein bisschen cool oder Prinz-William-mäßig. »Lass dich von seinem Akzent nicht täuschen«, sagte sie. Wenn sie Ravi in den Frühlingsferien mitbringt, kann ich mir selbst ein Bild machen. Er wird zwei Tage bei uns verbringen, dann fliegt er weiter nach Texas, um Verwandte zu besuchen, und Margot bleibt die restliche Woche bei uns.

»Ich kann es kaum erwarten, ihn persönlich kennenzulernen«, sage ich, und sie strahlt.

»Du wirst ihn lieben.«

Ganz bestimmt werde ich das. Ich mag alle Menschen, die Margot gernhat. Aber noch schöner ist, dass Margot mittlerweile Peter besser kennt und sieht, wie besonders er ist. Wenn Ravi hier ist, können wir zu viert was unternehmen – richtige Pärchenabende.

Meine Schwester und ich sind gleichzeitig verliebt, und das ist so wunderbar, weil es uns noch mehr verbindet.

3

Am nächsten Morgen trage ich den mohnblumenroten Lippenstift auf, den Stormy so hübsch findet. Dann lege ich meine Ostereier in ein weißes Körbchen und fahre rüber zum Belleview. Ich gebe die Eier beim Empfang ab und plaudere ein bisschen mit Shanice. Ich frage sie nach Neuigkeiten, und sie berichtet, es hätten zwei neue Freiwillige angefangen, Studentinnen von der UVA. Das tröstet mein schlechtes Gewissen ein wenig, das mich plagt, weil ich in letzter Zeit so selten hier war.

Schließlich verabschiede ich mich von Shanice und gehe mit meinem Osterei zu Stormy. Sie öffnet mir in einem dattelfarbenen Kimono und mit passendem Lippenstift die Tür. »Lara Jean!« Nachdem sie mich ganz fest an sich gedrückt hat, fragt sie besorgt: »Dir ist bestimmt mein Haaransatz aufgefallen, oder? Ich weiß, ich müsste mir dringend die Haare färben.«

»Das sieht man kaum«, beruhige ich sie.

Sie freut sich sehr über ihr Marie-Antoinette-Ei und sagt, sie könne es kaum erwarten, es Alicia zu zeigen, ihrer Freundin und Rivalin. »Hast du Alicia auch eins mitgebracht?«, will sie wissen.

»Nur dir«, versichere ich, und ihre blassen Augen glänzen.

Als wir auf ihrem Sofa sitzen, droht sie mir mit dem Zeigefinger. »Du musst ja furchtbar vernarrt in deinen jungen Mann sein, wenn du keine Zeit mehr für mich hast.«

Reuevoll erkläre ich: »Es tut mir leid. Aber jetzt habe ich meine Collegebewerbungen abgeschickt und kann wieder öfter vorbeikommen.«

»Hmmm.«

Wenn Stormy beleidigt ist, besteht die beste Taktik darin, ihr zu schmeicheln. »Ich tue nur, was du mir geraten hast, Stormy.«

Sie legt den Kopf schief. »Und was habe ich dir geraten?«

»Du hast gesagt, ich soll mich ganz viel mit Jungs treffen und viele Abenteuer erleben, so wie du früher.«

Sie schürzt ihre orangeroten Lippen und versucht, ein Lächeln zu unterdrücken. »Nun, das war wirklich ein guter Rat von mir. Du musst nur immer schön auf die alte Stormy hören, dann wird alles ganz wunderbar laufen. Und jetzt will ich ein paar pikante Details hören!«

Ich lache. »In meinem Leben gibt es keine pikanten Details.«

Sie schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Habt ihr keine Schulfeste mehr? Wann ist der Abschlussball?«

»Erst im Mai.«

»Und, hast du schon ein Kleid?«

»Noch nicht.«

»Dann solltest du dich aber beeilen. Oder willst du, dass irgendein anderes Mädchen das Kleid trägt, das eigentlich für dich bestimmt wäre?« Sie begutachtet mein Gesicht. »Bei deiner Hautfarbe solltest du am besten Rosa tragen.« Auf einmal leuchten ihre Augen auf, und sie schnippt mit den Fingern. »Da fällt mir etwas ein! Ich habe da noch was für dich.« Sie verschwindet in ihrem Schlafzimmer und kehrt kurz darauf mit einem schweren Samtetui zurück.

Ich klappe es auf und schnappe nach Luft. Vor mir liegt der rosafarbene Diamantring, den sie von einem Veteranen geschenkt bekam, der sein Bein im Krieg verloren hatte. »Das kann ich nicht annehmen, Stormy.«

»Natürlich kannst du. Der Ring passt perfekt zu dir.«

Langsam nehme ich ihn heraus und streife ihn über den Finger meiner linken Hand und – oh, wie er funkelt! »Er ist wunderschön. Aber ich kann wirklich nicht …«

»Er gehört dir, Kleine.« Stormy zwinkert mir zu. »Hör auf meinen Rat, Lara Jean. Sag niemals Nein, wenn du eigentlich Ja sagen willst.«

»Dann – ja! Vielen Dank, Stormy! Ich verspreche dir, dass ich immer gut auf ihn aufpasse.«

Sie küsst mich auf die Wange. »Das weiß ich doch, Liebes.«

Sobald ich nach Hause komme, lege ich den Ring in meine Schmuckschatulle, damit er sicher verwahrt ist.

Später an diesem Tag sitze ich mit Kitty und Peter in der Küche und warte darauf, dass meine Schokoladenkekse abkühlen. Seit einigen Wochen habe ich mich der Aufgabe verschrieben, ein Rezept für den perfekten Schokoladenkeks zu entwickeln, und Peter und Kitty sind bei diesem Vorhaben meine treuen Helfer. Kitty zieht Schokoladenkekse mit einer eher flachen, brüchigen Textur vor, während Peter sie am liebsten mag, wenn sie noch ein bisschen weich sind. Für mich ist der perfekte Keks eine Mischung aus beidem. Knusprig, aber weich. Hellbraun, aber nicht blass in Farbe und Geschmack. Er sollte aufgehen, darf aber nicht zu dick sein – das ist der Keks, nach dem ich suche.

Ich habe sämtliche Backblogs studiert und Keksfotos verglichen: weißer Zucker oder eine Mischung aus braunem und weißem Zucker, Natron oder Backpulver, Vanilleschote oder Vanilleextrakt, Schokochips oder Schokostückchen oder sogar gehackte Schokoriegel. Ich habe den Teig zu Kugeln geformt und diese eingefroren. Ich habe die Kekse mit einem Wasserglas platt gedrückt, um eine gleichmäßigere Oberfläche zu erhalten. Ich habe den Teig in Form einer Rolle eingefroren und dann in Scheiben geschnitten. Ich habe ihn portioniert und dann gefroren. Gefroren und dann portioniert. Und trotzdem gehen meine Kekse immer noch viel zu stark auf.

Diesmal habe ich deutlich weniger Natron verwendet, aber die Kekse sehen trotzdem aufgebläht aus, und ich bin drauf und dran, die ganze Ofenladung in den Müll zu schmeißen, weil sie nicht perfekt geworden sind. Aber natürlich tue ich das nicht – es wäre eine Verschwendung der guten Zutaten. Stattdessen sage ich zu Kitty: »Hast du letzte Woche nicht erzählt, du hättest Ärger gehabt, weil du in der Lernzeit geredet hast?«

Sie nickt.

»Dann bring die Kekse doch deiner Lehrerin mit und sag ihr, es tut dir leid, und du hättest geholfen, sie zu backen.« Ich weiß langsam nicht mehr, wen ich noch mit meinen Keksen beglücken soll. Ich habe schon dem Briefträger welche geschenkt, Kittys Busfahrer und den Krankenschwestern in Daddys Krankenhaus.

»Und was machst du, wenn du das perfekte Rezept gefunden hast?«, fragt Kitty, den Mund voller Kekskrümel.

»Ja, was für einen Sinn hat das überhaupt?«, fragt Peter. »Ich meine, wen kümmert es, ob der eine Schokokeks acht Prozent besser ist als der andere? Es ist und bleibt ein Schokokeks.«

»Ich finde den Gedanken einfach schön, im Besitz des perfekten Schokoladenkeksrezepts zu sein. Und irgendwann kann ich es an die nächste Generation von Song-Mädchen weitervererben.«

»Oder Jungen«, meint Kitty.

»Oder Jungen«, stimme ich zu. Dann frage ich sie: »Kannst du bitte hochgehen und ein großes Einmachglas für die Kekse holen? Und Geschenkband?«

Peter fragt: »Bringst du mir morgen welche in die Schule mit?«

»Mal sehen«, sage ich, weil ich es so süß finde, wenn er schmollt. Und er verzieht auch sofort das Gesicht. Ich tätschele ihm die Wange. »Du bist ein richtiges Baby.«

»Das gefällt dir doch.« Er schnappt sich noch einen Keks. »Komm, lass uns mit dem Film anfangen. Ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich nachher noch im Laden vorbeikomme und ihr helfe, ein paar Möbel umzustellen.«

Peters Mutter besitzt ein Antiquitätengeschäft namens Linden & White, und Peter hilft ihr, so oft er kann.

Der heutige Film von unserer Liste ist Romeo und Julia, in der Verfilmung von 1996 mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes. Kitty hat ihn schon mindestens zehn Mal gesehen, ich nur ein paar Ausschnitte, und Peter kennt ihn gar nicht.

Kitty zerrt ihren Sitzsack nach unten und macht es sich mit einer Tüte Mikrowellenpopcorn bequem. Unser Terrier-Mischling Jamie Fox-Pickle legt sich sofort neben sie, in der Hoffnung, ein paar he­runterfallende Popcornkrümel zu ergattern. Peter und ich kuscheln uns zusammen aufs Sofa.

Sobald Leo in seinem marineblauen Anzug auf dem Bildschirm erscheint, bekomme ich Herzrasen. Er sieht wie ein Engel aus, ein wunderschöner, kaputter Engel.

»Wieso ist er so gestresst?« Peter klaut sich eine Handvoll von Kittys Popcorn. »Ist er nicht ein Prinz oder so?«

»Er ist kein Prinz«, erkläre ich. »Er ist nur reich. Und seine Familie ist sehr einflussreich.«

»Er ist mein Traummann«, sagt Kitty besitzergreifend.

»Na ja, mittlerweile ist er ja schon erwachsen«, sage ich, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. »Er ist praktisch in Daddys Alter.« Trotzdem …

»Warte mal, ich dachte, ich wäre dein Traumtyp«, protestiert Peter. Das sagt er zu Kitty, nicht zu mir. Er weiß, dass er nicht mein Traumtyp ist. Mein Traummann ist Gilbert Blythe aus Anne auf Green Gables – attraktiv, treu, gut in der Schule.

»Iiiih«, sagt Kitty. »Du bist doch wie mein Bruder.«

Peter wirkt aufrichtig gekränkt, deshalb tätschele ich ihm die Schulter.

»Findet ihr ihn nicht ein bisschen dürr?« Peter lässt nicht locker.

Ich bedeute ihm, still zu sein.

Er verschränkt die Arme. »Ich begreife nicht, warum ihr euch bei einem Film unterhalten dürft und ich die Klappe halten soll. Das ist total ungerecht.«

»Es ist unser Haus«, meint Kitty.

»Deine Schwester sagt auch bei mir zu Hause immer, ich soll still sein!«

Wir ignorieren ihn beide.

Im Theaterstück waren Romeo und Julia erst dreizehn. Im Film sind sie eher siebzehn oder achtzehn, auf jeden Fall Jugendliche. Woher wussten sie, dass sie ihre große Liebe gefunden hatten? Reichte ein Blick durch ein Aquarium dafür wirklich aus? Wussten sie in dem Moment schon, dass es eine Liebe sein würde, für die es sich zu sterben lohnt? Denn davon sind sie überzeugt. Das kann natürlich auch daran liegen, dass die Leute damals viel früher geheiratet haben als heute. Realistisch gesehen bedeutete »Bis dass der Tod euch scheidet« vor ein paar Jahrhunderten gerade mal fünfzehn oder zwanzig Jahre, weil die Leute nicht so lange gelebt haben.

Aber als sich ihre Augen durch dieses Aquarium hinweg begegnen … als Romeo zu Julias Balkon kommt und ihr seine Liebe gesteht … da glaube ich es auch. Ich kann nicht anders. Obwohl ich weiß, dass sie sich kaum kennen und dass ihre Geschichte vorbei sein wird, noch bevor sie richtig begonnen hat, und obwohl die echte Herausforderung im Alltäglichen liegen würde, darin, dass sie sich trotz aller Schwierigkeiten füreinander entschieden haben. Trotzdem glaube ich, sie hätten es geschafft, wenn sie nur am Leben geblieben wären.

Als der Abspann läuft, rollen mir Tränen über die Wangen, und sogar Peter sieht betrübt aus. Nur die unsentimentale kleine Kitty springt mit völlig trockenen Augen auf und verkündet, sie würde jetzt mit Jamie Fox-Pickle Gassi gehen. Weg sind sie. In der Zwischenzeit sitze ich von meinen Gefühlen überwältigt auf dem Sofa und trockne mir die Augen. »Sie hatten einfach den perfekten Meet-Cute«, krächze ich heiser.

»Was ist das denn?« Peter liegt nun auf der Seite, den Kopf auf seinen Ellbogen gestützt. Er sieht so süß aus, dass ich ihm in die Wangen kneifen könnte, aber das sage ich ihm lieber nicht. Er ist auch so schon eingebildet genug.

»Der Meet-Cute ist der Moment, wo sich Held und Heldin zum ersten Mal begegnen – auf eine irgendwie besondere, charmante Weise. Dadurch weiß man, dass sie sich am Ende kriegen. Je romantischer, desto besser.«

»So wie in Terminator, wenn Reese Sarah Connor vor dem Terminator rettet und sagt: ›Komm mit mir, wenn du leben willst.‹ Ziemlich cooler Satz, oder?«

»Klar, das wäre theoretisch auch ein Meet-Cute … Aber ich dachte eher an so was wie in Es geschah in einer Nacht. Den müssen wir auch noch auf unsere Liste setzen.«

»Ist der in Farbe oder Schwarz-Weiß?«

»Schwarz-Weiß.«

Stöhnend lässt sich Peter in die Sofapolster fallen.

»Schade, dass wir keinen Meet-Cute hatten«, überlege ich.

»Du hast dich damals auf dem Gang in der Schule auf mich gestürzt und mich geküsst. Ich fand das ziemlich süß.«

»Aber wir kannten uns ja schon, deshalb zählt das nicht.« Ich verziehe das Gesicht. »Schon irgendwie traurig, dass wir uns nicht mal daran erinnern, wie wir uns kennengelernt haben.«

»Ich weiß noch genau, wie ich dich zum ersten Mal gesehen habe.«

»Quatsch! Du Lügner!«

»He, nur weil du dich nicht daran erinnerst, muss es mir nicht auch so gehen. Ich erinnere mich an vieles.«

»Okay, wie haben wir uns kennengelernt?«, frage ich herausfordernd. Was er mir jetzt auftischen wird, kann nur eine Lüge sein.

Peter will etwas sagen, überlegt es sich aber doch anders. »Sag ich nicht.«

»Siehst du! Dir ist so schnell nichts eingefallen!«

»Nein, du verdienst es nicht, dass ich es dir erzähle, weil du mir sowieso nicht glaubst.«

Ich verdrehe die Augen. »Du bist so was von eingebildet.«

Nachdem ich den Film ausgeschaltet habe, setzen Peter und ich uns auf die Veranda vor dem Haus und trinken den Eistee, den ich am Vorabend angesetzt habe. Es ist kühl hier draußen, in der Luft liegt eine Frische, die anzeigt, dass der Frühling noch nicht ganz da ist. Aber bald. Der Hartriegelstrauch in unserem Vorgarten beginnt schon zu blühen, und es weht ein angenehmer Wind. Ich glaube, ich könnte den ganzen Nachmittag hier sitzen und zusehen, wie die Zweige sich wiegen und die Blätter tanzen.

Wir haben noch ein bisschen Zeit, bevor Peter losmuss, um seiner Mutter zu helfen. Ich würde ihn ja begleiten und die Kasse bewachen, während er Möbel schleppt, aber beim letzten Mal, als Peter mich mitgenommen hat, schaute seine Mutter uns streng an und erklärte, ihr Laden sei kein Ort zum Herumlungern. Peters Mom zeigt nicht offen, dass sie mich nicht leiden kann, und ich glaube, sie mag mich schon irgendwie. Aber sie kann mir einfach nicht verzeihen, dass ich letztes Jahr für kurze Zeit mit Peter Schluss gemacht habe. Sie ist nett zu mir, aber immer mit einem gewissen Misstrauen, einem Argwohn. So einem Mal-abwarten-was-passiert-Gefühl: Mal abwarten, ob du meinem Sohn nicht noch mal wehtust. Eigentlich hatte ich mir immer vorgestellt, ich würde mich blendend mit der Mutter meines ersten Freundes verstehen. Mit ihr Abendessen kochen, Tee trinken und nette Gespräche führen oder an Regennachmittagen Scrabble spielen.

»Woran denkst du?«, fragt Peter. »Du hast wieder diesen Blick.«

Ich kaue an meiner Unterlippe. »Ich wünschte, deine Mutter würde mich mögen.«

»Aber sie mag dich doch.«

»Peter.« Ich sehe ihn an.

»Wirklich! Sonst würde sie dich nicht zum Essen einladen.«

»Sie lädt mich zum Essen ein, weil sie dich sehen will, nicht mich.«

»Quatsch.« Ich merke, dass ihm dieser Gedanke noch nie gekommen ist, aber es ist schon etwas Wahres dran, und das weiß er auch.

»Ihr wäre es am liebsten, wir würden uns trennen, bevor wir aufs College gehen«, platzt es aus mir heraus.

»Deiner Schwester auch.«

Ich trumpfe sofort auf: »Ha! Dann gibst du also zu, dass deine Mutter es besser fände, wenn wir Schluss machen!« Ich weiß nicht, warum ich so tue, als hätte ich einen Sieg erzielt. Der Gedanke ist ziemlich deprimierend, auch wenn ich es schon geahnt hatte.

»Sie findet es eben nicht gut, wenn man so jung schon eine ernste Beziehung eingeht. Das hat nichts mit dir zu tun. Und ich habe ihr gesagt, nur weil es bei ihr und Dad nicht funktioniert hat, heißt das noch lange nicht, dass es bei uns auch so sein wird. Ich bin nicht so wie mein Vater. Und du bist nicht wie meine Mutter.«

Peters Eltern haben sich scheiden lassen, als er in der sechsten Klasse war. Sein Vater lebt etwa eine halbe Stunde entfernt, mit einer neuen Frau und zwei jüngeren Söhnen. Peter redet nicht viel über seinen Dad, nicht mal beiläufig, aber dieses Jahr hat sein Vater aus heiterem Himmel angefangen, wieder mehr Kontakt zu ihm zu suchen. Er hat ihn zu einem Basketballspiel eingeladen oder zum Abendessen zu sich nach Hause. Bisher hat Peter eisern alles abgelehnt.

»Sieht dein Vater eigentlich so aus wie du?«, frage ich. »Ich meine, seht ihr euch ähnlich?«

Er zieht ein mürrisches Gesicht. »Ja. Das sagen zumindest alle.«

Ich lege meinen Kopf an seine Schulter. »Dann muss er richtig gut aussehen.«

»Damals vermutlich schon«, räumt er ein. »Mittlerweile bin ich größer als er.«

Das ist etwas, das Peter und ich gemeinsam haben: Er hat nur seine Mutter, ich habe nur meinen Vater. Er findet, ich sei besser dran als er, weil ich eine Mutter verloren habe, die mich geliebt hat, während sein Dad zwar noch am Leben, aber ein Drecksack ist – seine Worte, nicht meine. Zum Teil stimme ich ihm da zu, weil ich so viele schöne Erinnerungen an Mommy habe und er fast keine an seinen Vater.

Ich habe es geliebt, nach dem Baden im Schneidersitz vor ihr zu sitzen und fernsehen zu dürfen, während sie mir die Haare kämmte. Ich erinnere mich noch, dass Margot es hasste, so lange stillzusitzen, aber mich hat das nie gestört. Solche Erinnerungen sind mir am liebsten – wenn sie eher ein Gefühl sind als ein konkreter Moment. Ein unterschwelliges Rauschen, leicht verschwommen, zart und ganz alltäglich, zu einem Augenblick verschmolzen. Eine andere solche Erinnerung ist, wie Mommy und ich Margot zur Klavierstunde gefahren haben und uns dann heimlich ein Eis auf dem McDonald’s-Parkplatz gönnten. Einmal Karamellsauce, einmal Erdbeersauce, und ich durfte immer ihre Erdnüsse haben. Einmal habe ich sie gefragt, warum sie keine Nüsse auf ihrem Eis möge, und sie sagte, sie möge sie schon, aber ich würde sie lieben. Und sie liebe nun mal mich.

Doch trotz dieser schönen Erinnerungen, Erinnerungen, die ich um nichts in der Welt eintauschen möchte, wäre es mir lieber, meine Mutter könnte noch hier bei mir sein, selbst wenn sie eine dumme Kuh wäre. Und ich hoffe, dass Peter eines Tages seinem Vater gegenüber auch so empfindet.

»Woran denkst du?«, fragt Peter.

»An meine Mutter.«

Peter stellt sein Glas ab, streckt sich lang aus und legt den Kopf in meinen Schoß. »Schade, dass ich sie nicht kennengelernt habe.«

»Sie hätte dich bestimmt sehr gemocht.« Ich streiche ihm über das Haar. Dann frage ich vorsichtig: »Glaubst du, ich werde deinen Dad irgendwann mal kennenlernen?«

Ein Schatten zieht über sein Gesicht, und ich wünschte, ich hätte nichts gesagt. »Das willst du gar nicht«, meint er. »Er ist es nicht wert.« Dann kuschelt er sich enger an mich. »He, vielleicht sollten wir uns dieses Jahr an Halloween als Romeo und Julia verkleiden. An der UVA wird Halloween immer richtig groß gefeiert.«

Ich lehne mich zurück. Peter versucht, das Thema zu wechseln – ich merke das, spiele aber mit. »Sollen wir als die Leo-und-Claire-Version von Romeo und Julia gehen?«

»Genau.« Er zieht mich am Zopf. »Ich werde dein Traumprinz sein.«

Ich berühre sein Haar. »Hast du nicht Lust, dir die Haare ein bisschen länger wachsen zu lassen? Und sie vielleicht … blond zu färben? Sonst halten die Leute dich noch für einen ganz normalen Ritter.«

Peter muss so lachen, dass er den Rest meines Satzes nicht mehr hört. »Oh Gott, Covey. Du bist so was von witzig!«

»Das war doch nur Spaß!« So halb jedenfalls. »Aber du weißt, dass ich beim Verkleiden keine halben Sachen mache. Wennschon, dennschon.«

»Okay, ich könnte eine Perücke tragen, aber ich verspreche nichts. Das wird unser erstes Halloween an der UVA sein.«

»Ich war schon mal an Halloween an der UVA.« In dem Herbst, nachdem Margot ihren Führerschein gemacht hatte, sind wir mit Kitty zum Süßigkeitenbetteln über den Campus gezogen. Damals war sie als Batman verkleidet. Vielleicht hat sie ja dieses Jahr wieder Lust dazu.

»Ich meine, dass wir endlich auf die Halloween-Partys an der UVA gehen können. Also, ganz offiziell, ohne uns reinschleichen zu müssen. In der Zehnten sind Gabe und ich mal bei einer Verbindungsparty rausgeflogen. Das war echt der peinlichste Moment meines Lebens.«

Ich bin überrascht. »Du? Dir ist doch nie was peinlich.«

»Na ja, das schon. Ich wollte mich mit einem Mädchen unterhalten, das als Kleopatra verkleidet war, da kamen ein paar ältere Typen und sagten: ›Schwing deinen Hintern hier raus, du Zwerg‹, und das Mädchen und ihre Freunde haben mich ausgelacht. Diese Idioten.«

Ich beuge mich vor und küsse ihn auf beide Wangen. »Ich würde niemals lachen.«

»Du lachst die ganze Zeit über mich«, sagt Peter. Er hebt den Kopf und zieht mich zu sich, und wir versinken in einem Spiderman-Kuss.

»Dir gefällt es doch, wenn ich über dich lache«, meine ich. Er zuckt nur lächelnd mit den Schultern.

4

Heute startet in der Schule die Senior-Woche, was bedeutet, dass jeder Tag unter einem anderen Motto steht. Der Montag hat »Unsere Schulgemeinschaft« zum Thema, weshalb ich Zopfgummis in den Farben unserer Schule trage – Hellblau und Weiß – und dazu Peters Lacrosse-Trikot. Peter hat eine Hälfte seines Gesichts blau und die andere weiß angemalt. Als er mich heute Morgen abgeholt hat, habe ich bei seinem Anblick ganz erschrocken aufgeschrien.

Das Programm der restlichen Woche sieht so aus: Dienstag ist Siebzigerjahre-Tag, Mittwoch Schlafanzug-Tag, Donnerstag Verkleidungstag (auf den freue ich mich besonders), und am Freitag beginnt unsere Abschlussfahrt. Wir konnten zwischen New York und Disney World wählen, und New York hat gewonnen. Wir fahren mit einem Reisebus übers Wochenende hin. Es ist der perfekte Zeitpunkt für einen Ausflug, weil die ganze Klassenstufe momentan ungeduldig auf die Collegebescheide wartet und alle langsam durchdrehen. Ein bisschen Ablenkung tut uns sicher gut. Abgesehen von denjenigen, die sich frühzeitig beworben und ihren Studienplatz schon sicher haben, wie Peter oder Lucas Krapf, der auf das Sarah Lawrence College in New York gehen wird. Die meisten meiner Mitschüler bleiben allerdings in Virginia. Unsere Collegeberaterin Mrs. Duvall hat schon recht, wenn sie sagt, dass wir die vielen tollen Unis und Colleges in unserem Staat ausnutzen sollten. Ich finde es schön, dass so viele von uns hierbleiben und wir uns nicht in alle Himmelsrichtungen zerstreuen.

Als Peter und ich mittags in die Cafeteria schlendern, bekommt eine Elftklässlerin gerade ein Ständchen dargebracht. Ein paar Schüler singen den Song Will you still love me tomorrow? mit dem Text: »Bitte geh mit mir zum Prom, Gina!« Wir bleiben stehen und hören zu, bevor wir uns in die Schlange vor der Essensausgabe einreihen. Der Abschlussball findet erst in ein paar Monaten statt, aber ein paar der Jungs fangen schon an, Mädchen einzuladen. Der coolste Antrag kam letzte Woche von Steve Bledell, der sich in den Schulcomputer hackte und die Ankündigungen auf der Anzeigentafel der Schule durch Willst du mit mir zum Prom gehen, Liz? ersetzte. Es dauerte zwei Tage, bis die IT-Abteilung das wieder in Ordnung gebracht hatte. Und heute Morgen hat Darrell Pammys Schließfach bis oben hin mit roten Rosen gefüllt und mit Blütenblättern PROM? an die Tür geschrieben. Der Hausmeister hat getobt, aber die Fotos auf Pammys Instagramseite sehen toll aus. Ich habe keine Ahnung, was Peter geplant hat. Er ist nicht so der Typ für romantische Gesten.

Als Peter an der Essenstheke einen Brownie nehmen will, halte ich ihn auf. »Warte, ich habe Kekse dabei.«

Er strahlt und fragt sofort, ob er einen haben kann. Ich hole die Tupperdose aus meiner Tasche.

Peter nimmt sich einen. »Ich finde, wir sollten sie ganz allein aufessen«, schlägt er vor.

»Zu spät.« Unsere Freunde haben uns längst entdeckt.

Darrell singt: »Her cookies bring all boys to the yard«, als wir zu ihrem Tisch kommen.

Ich stelle die Tupperdose auf den Tisch, und die Jungs rangeln sich darum, schnappen sich die Kekse und verschlingen sie wie Trolle.

Pammy kann gerade noch einen ergattern. »Ihr seid ja wie Tiere.«

Darrell wirft den Kopf in den Nacken und stößt ein lautes Monstergebrüll aus.

Pammy kichert.

»Die sind so lecker«, stöhnt Gabe und leckt sich die Schokolade von den Fingern.

Bescheiden sage ich: »Sie sind ganz okay, aber nichts Besonderes. Nicht wirklich perfekt.« Ich breche ein Stück von Peters Keks ab. »Frisch aus dem Ofen schmecken sie viel besser.«

»Warum kommst du nicht mal bei mir vorbei und backst mir welche, damit ich weiß, wie sie frisch aus dem Ofen schmecken?« Gabe beißt in einen weiteren Keks und schließt verzückt die Augen.

Peter klaut sich ebenfalls einen. »Hört auf, die ganzen Kekse meiner Freundin zu futtern!«

Auch nach einem Jahr noch überläuft mich ein Schauder, wenn ich ihn »meine Freundin« sagen höre und weiß, dass ich gemeint bin.

»Du wirst noch fett, wenn du weiter so viel Süßkram frisst«, meint Darrell.

Peter beißt von seinem Keks ab, lüpft sein T-Shirt und tätschelt sich den Bauch. »Sixpack, Baby.«

»Was bist du doch für ein glückliches Mädchen, Song«, meint Gabe.

Darrell schüttelt den Kopf. »Nö, Kavinsky ist der Glückspilz.«

Peter schaut mich augenzwinkernd an, und mein Herz klopft schneller.

Wenn ich mal in Stormys Alter bin, werde ich mich vor allem an diese Alltagsmomente erinnern: Peter, der mit gesenktem Kopf dasitzt und in einen Schokoladenkeks beißt. Die Sonne, die durch das Fenster scheint und auf seinem braunen Haar schimmert. Der Blick, mit dem er mich ansieht.

Nach der Schule muss Peter zum Lacrosse-Training. Ich setze mich währenddessen auf die Tribüne und mache Hausaufgaben.

Peter ist der einzige Junge im Team, der auf ein College gehen wird, das eine Erstliga-Mannschaft hat. Coach White jammert bereits darüber, was ohne Peter aus dem Team bloß werden soll.

Ich kapiere die Lacrosse-Regeln nicht wirklich, aber ich weiß, wann ich jubeln und wann ich Buh! rufen muss. Ich mag es einfach, ihm beim Spielen zuzuschauen. Er ist fest davon überzeugt, dass jeder Schuss von ihm trifft, und so kommt es meistens auch.

Daddy und Ms. Rothschild sind mittlerweile offiziell liiert, und das schon seit letztem September. Kitty ist total aus dem Häuschen deswegen und betont bei jeder Gelegenheit, dass das allein ihr Verdienst sei. »Das hat alles zu meinem Plan dazugehört«, brüstet sie sich. Vorstellungskraft hat sie, das muss man ihr lassen. Schließlich hat sie auch Peter und mich entgegen allen Erwartungen wieder zusammengebracht, und jetzt sind wir total verliebt.