Am Arzt vorbei geht auch ein Weg - Alexandra Reinwarth - E-Book

Am Arzt vorbei geht auch ein Weg E-Book

Alexandra Reinwarth

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Beschreibung

Jeder kennt die Ratgeber, die versprechen, dass man gesund wird, wenn man nur fest daran glaubt, energetisch angereichertes Wasser trinkt, esoterische Rituale durchführt u. v. m. So recht überzeugen kann das meist nur Anhänger der jeweiligen Philosophie, wohingegen die meisten Menschen beim Gedanken an die esoterischen Wunderheilungen die Nase rümpfen. Unbestritten und nun auch erstmalig wissenschaft lich belegt ist aber die Tatsache, dass der menschliche Organismus tatsächlich ein großes Potenzial in sich trägt, sich selbst gesund zu erhalten oder gar zur Heilung beizutragen – und all dies ohne Hilfe von Medikamenten. Alexandra Reinwarth und die Medizinerin Jael Backe haben nun erstmalig die neuesten wissenschaft lichen Erkenntnisse und deren Alltagsbezug zu diesem Thema zusammengetragen und erläutern Phänomene wie: - Warum ist man krank ohne Befund? - Warum gibt es einen Placebo-Effekt, bzw. auch dasGegenteil, den Nocebo-Effekt? - Wie kann sich der Körper mit Hilfe von Enzymen, Proteinen, dem Immunsystem etc. selbst heilen? - Inwiefern kann die Psyche im Körper Schaden anrichten oder das Gegenteil bewirken? - Wie wichtig sind Ernährung und Spiritualität für Heilung? Die Autoren haben einen fundierten Ratgeber auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Forschung geschrieben, dessen Lektüre die Beziehung zu unserem eigenen Körper in neuem Licht erscheinen lassen wird.

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Seitenzahl: 286

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PROF. DR. MED. JAEL BACKEALEXANDRA REINWARTH

Am Arzt vorbei geht auch ein Weg

PROF. DR. MED. JAEL BACKEALEXANDRA REINWARTH

Am Arzt vorbei geht auch ein Weg

Die Kraft der Selbstheilung – eine medizinisch fundierte Anleitung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

5. Auflage 2019

© 2018 by mvg Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Neuausgabe des 2014 bei mvg erschienenen Titels Sei dein eigener Arzt

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Petra Holzmann, München

Umschlaggestaltung: Laura Osswald

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/Arttii Univerz

Satz: Grafikstudio Foerster, Belgern

Druck: CPI books GmbH, Leck

ISBN Print 978-3-86882-965-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-272-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-273-6

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

Wie viel Geist steckt im Körper?

Irgendetwas muss da sein

Die Beziehung zwischen Körper und Geist

Ohne Befund

Placebos, Konditionierung und Nocebos

Ärzte

Ist legitim, was hilft? – Das Esoterik-Problem

Salutogenese – Was uns gesund hält

Resilienz

Die Selbstheilungskräfte des Körpers

Wie funktioniert das?

Epigenetik – Epi … was?

Wie alt werde ich?

Was wir tun können

Meditieren Sie

Seien Sie sich wichtig

Suchen Sie das Landleben

Erkennen Sie Menschen, die Ihnen nicht guttun

Steigern Sie den Tonus Ihres Vagusnervs

Finden Sie Ihren Heiler

Seien Sie mit dem Erreichten zufrieden

Stellen Sie sich Konflikten

Aktivieren Sie Ihr Immunsystem

Essen Sie sich gesund

Der Darm – Warum er so wichtig ist

Bewegen Sie sich

Probieren Sie Biofeedback

Progressive Muskelentspannung & Autogenes Training

Mit Botox gegen Depression

Lächeln Sie

Entlasten Sie sich

Machen Sie sich Ihren Ärger bewusst

Finden Sie heraus, was Ihnen guttut

Verbessern Sie Ihren sozialen Status

Machen Sie nicht zu oft Überstunden

Hören Sie Musik

Versuchen Sie es mit Visualisierungen

Spiritualität – Glauben Sie

Helfen Sie Ihren Kindern

Beeinflussen Sie Ihre Gedanken durch »positive Affirmationen«

Symptom und Krankheit als Instrumente der Seele

Die Opferrolle – Befreien Sie sich davon

Verschaffen Sie sich gute Gefühle – Tun Sie ruhig mal etwas Verrücktes

»Zeige deine Wunde«

Hören Sie auf Ihren Körper

Finden Sie Ihre Bestimmung

Haben Sie keine Angst vor Veränderungen – Jetzt oder später

Holen Sie die Salutogenese in Ihr Leben

Befreien Sie sich aus der erlernten Hilflosigkeit

Vergeben Sie

Grenzen Sie Ihren beruflichen Stress ein

Nachwort

Anhang

Nützliche Adressen

Zu einzelnen Symptomen

Vorwort

Jeder von uns war schon einmal krank, ist vielleicht gerade akut oder chronisch krank, hat dauernd Schmerzen, leidet an einer Krebserkrankung oder betreut jemanden, der schwer erkrankt ist. Jeder kennt das Gefühl, für sich selbst oder andere Hilfe zu benötigen, weil Körper, Geist oder Seele nicht mehr im gewohnten Maße funktionieren. Das macht hilflos, denn wir fühlen uns ohnmächtig gegen das Wegbrechen der Gesundheit, es macht Angst, manchmal sogar Todesangst. Vielleicht fühlen wir uns aber seit einiger Zeit nur nicht wirklich wohl und spüren, dass unser Lebensstil nicht gesund ist: Der Körper revoltiert, wir schlafen schlecht, sind angespannt und nervös, haben hohen Blutdruck, dunkle Augenringe und immer weniger Freunde. Was machen wir dann? Wir suchen uns einen guten Arzt, der uns untersucht, uns ein Heilmittel gibt und oft geht es uns dann auch gleich viel besser. Bereits vor mehr als 50 Jahren sprach der Londoner Psychoanalytiker Michael Balint von der »Erkenntnis, dass nicht die Flasche Medizin oder die Tabletten ausschlaggebend [seien], sondern die Art und Weise, wie der Arzt sie verschreibe ...«1

Es reicht also nicht aus, ein Rezept über den Tisch zu reichen, um den Patienten zu heilen. Es geht immer auch um die Persönlichkeit des Heilers, damit seine Hilfe wirksam werden kann. Sicher haben viele von uns in entscheidenden Lebenssituationen nach einem charismatischen Arzt, nach einem »Medicus« gesucht, wie er uns in Noah Gordons wunderbarem Roman begegnet: einem Arzt aus Berufung, mit einer intuitiven Fähigkeit, sich in seinen Patienten hineinzuversetzen, und seinem Willen, ihm aufrichtig helfen zu wollen, seine gesunden Kräfte zu wecken und das Kranke in ihm mit viel persönlichem Einsatz zu bekämpfen. - Aber das Leben ist eben keine »Schwarzwaldklinik« und auch kein kitschiger Arztroman, deswegen haben viele Menschen ihren »Medicus« noch nicht gefunden. Besonders nicht die Menschen, die an einer Erkrankung leiden, die nicht in das rigide und etwas engstirnige Schubladensystem unserer Schulmedizin passt. Denn dann finden die Mediziner in ihren Köpfen keinen Namen für die Erkrankung, und die Betroffenen laufen in einer regelrechten Arzt­Odyssee verzweifelt von einem Arzt zum nächsten - und keiner kann »etwas« finden. So geht es besonders den Menschen, bei denen keine organische Ursache festgestellt werden kann, beispielsweise für die Enge im Hals, für die Bauchschmerzen, die Atemnot, das Herzstolpern, für Verdauungsbeschwerden, das Beklemmungsgefühl in der Brust oder die chronischen Schmerzen im Genitaltrakt.

Wir haben dieses Buch geschrieben, weil wir Sie bei der Suche nach einem geeigneten Arzt unterstützen wollen, dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Art Focus-Liste der angeblich besten Ärzte! Es gibt diesen Arzt in jedem von uns: Es ist unser persönlicher innerer Arzt, der »Medicus« in uns. Er ist in jeden Menschen serienmäßig »eingebaut«. Dieser Arzt bündelt alle uns innewohnenden schützenden Kräfte. Sein Potenzial ist unglaublich groß.

Wenn Sie jetzt skeptisch sind und die Existenz dieses inneren Heilers bezweifeln, dann lohnt es sich erst recht, dieses Buch zu lesen. Das hier ist kein esoterisches Gerede, diesen »Personal Doc« gibt es wirklich und die Wissenschaft unserer Zeit ist ihm zunehmend auf der Spur.

Dieses Buch hat zwei Teile: Wir schauen für Sie im ersten Teil des Buches in das diagnostische Repertoire des inneren Arztes und versuchen Ihnen zu zeigen, dass er eine regelrechte Koryphäe ist. Wir beobachten, welche Fähigkeiten er hat, welche Methoden er anwendet und was er sonst noch so drauf hat. Im zweiten Teil versuchen wir, Ihnen eine Anleitung zu geben, wie Sie sich mit diesem inneren Arzt verbünden, ihn zu Wort kommen und ihn gezielt zu Ihren Gunsten handeln lassen können. Was dabei herauskommt, ist ein Schritt - vielleicht sind es auch mehrere Schritte - in Richtung Selbstheilung. »Selbstheilung« bedeutet nicht Voodoo, Zauberei oder Magie. Selbstheilung meint die vielfältigen Fähigkeiten von Körper-Geist­Seele, innere oder äußere Verletzungen und Krankheiten aus sich selbst heraus zu heilen, zu reparieren mit dem Ziel der Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Organismus.

Betrachten Sie beispielsweise das Immunsystem des menschlichen Darms, das sich im Laufe der Zeit mit den darin lebenden Mikroorganismen zu einem Team verbündet hat, das man »Mikrobiom« nennt. Dieses Mikrobiom besteht aus allen Bakterien, Viren und Mikroorganismen, die in den verschiedensten Organen des Körpers einen Lebensraum gefunden haben. Es bildet eine Art schützendes »Superorgan« in unserem Körper. Es ist ein Werkzeug unseres inneren Arztes - ebenso wie die Fähigkeit des Menschen, allein durch die Kraft seiner Imagination eine reale Heilung zu ermöglichen. Untersuchungen mit Scheinmedikamenten, die Placebo- wie auch die Nocebo-Forschung konnten dies sehr eindrucksvoll nachweisen. Aber auch die spirituelle Ebene des menschlichen Geistes ermöglicht eine Heilung. Sie kann darin bestehen, ungeheure Kräfte für die innere Gesundung freizusetzen, oder darin, Heilung als eine sinngebende Neuorientierung am Ende des Lebens zu verstehen, was mit einer Umwertung der bisherigen Werte vor dem baldigen oder auch viel späteren Tod einhergeht. Zahlreiche wissenschaftliche Studien beschäftigen sich in letzter Zeit mit den positiven Auswirkungen bestimmter Meditationsformen auf das menschliche Hormon- und Immunsystem sowie auf das Nervensystem. So wie andauernder Stress uns krank machen kann, eröffnet eine durch Meditation geschulte innere Einstellung die Herbeiführung gesundheitsfördernder psychischer Zustände. Über diese und andere Fähigkeiten verfügt Ihr innerer Arzt. Es ist ihm sogar möglich, modifizierend auf das Erbgut einzuwirken - siehe hierzu das Kapitel über Epigenetik, einer neueren Wissenschaft über die Art und Weise, wie wir unser Erbgut durch unseren Lebensstil beeinflussen können.

Die Entscheidung liegt bei uns: wie wir leben und ob wir mit dem inneren Arzt kooperieren oder nicht, ob wir unsere innere Stimme beachten und auf uns achtgeben oder aber sie nicht beachten und blindlings und kopflos ohne Rücksicht auf unsere inneren Grenzen drauflosleben.

Welche innere Stimme, fragen Sie sich?

Wenn wir über längere Zeit ungesund leben, antwortet unser Körper mit sogenannten Stressantworten, die wir zunächst nur als ein leises Flüstern wahrnehmen: Herzrasen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Gereiztheit, Einsamkeit, Völlegefühl oder Angst und der gelegentliche leise Gedanke: »Vielleicht sollte ich etwas ändern ...?«

Wenn wir auf unsere innere Stimme hören, auf die Bedürfnisse unseres Körpers eingehen, Stressreaktionen des Körpers vermindern und Entspannungsimpulse an den Körper geben, dann können wir die Entstehung einer wirklichen Krankheit wirkungsvoll verhindern und uns heilen. Wenn wir zufrieden, ausgeglichen, entspannt, vielleicht sogar glücklich sind, geben wir unserem Organismus die Chance, unglaubliche Leistungen des Selbstschutzes zu vollbringen. Dann gelingt es dem Körper sogar, Schäden im Erbgut zu reparieren, die zu Krebserkrankungen führen könnten, dann kann er Immunzellen stimulieren, schützende Enzyme aktivieren, freie Radikale abfangen, Reparaturzellen zur Verfügung stellen und noch so vieler mehr.

Ihr Körper hat ein wunderbares Potenzial zur Selbstheilung, das nur darauf wartet, für Sie aktiv zu werden. Wir wünschen uns, dass Sie ihm dies ermöglichen!

Wie viel Geist steckt im Körper?

Irgendetwas muss da sein

Gedacht hat man sich das ja schon immer: Dass da etwas ist, was weder Schulmedizin noch Forschung erklären können. Auch wenn man nicht regelmäßig die medizinische Fachpresse studiert und sich lediglich dann Gedanken um seine Gesundheit macht, wenn die jährliche Erkältung im Anmarsch ist: Hin und wieder schafft es ein populärwissenschaftlicher Artikel über ein medizinisches Phänomen in die Tagespresse und lässt einen mit dem Gefühl zurück: Irgendetwas muss da sein.

Zum Beispiel beim Bericht über eine Untersuchung, die der Mainzer Psychologe Dr. Michael Witthöft zusammen mit einem Kollegen am King’s College London durchgeführt hat. Dabei wurden 147 Probanden in zwei Gruppen eingeteilt. Der einen Hälfte wurde ein Dokumentarfilm des Senders BBC One gezeigt, der eindringlich über die gesundheitlichen Gefahren von Mobilfunk- und WLAN-Signalen berichtete. Die andere Hälfte der Probanden sah einen Bericht über die Sicherheit von Internet- und Handy-Daten. Im Anschluss wurden alle 147 Probanden einem WLAN-Signal ausgesetzt - das glaubten die Teilnehmer zumindest, tatsächlich aber war überhaupt keine Strahlung vorhanden. Obwohl sie also nicht »bestrahlt« wurden, klagten einige Teilnehmer über strahlenspezifische Krankheitssymptome: 54 Prozent der Testpersonen berichteten über Beunruhigung und Beklemmung, Beeinträchtigung ihrer Konzentration oder Kribbeln in den Fingern, Armen, Beinen und Füßen. Zwei Teilnehmer beendeten den Test vorzeitig, weil ihre Symptome so stark waren, dass sie sich nicht länger der vermeintlichen Funkstrahlung aussetzen wollten. Diejenigen Teilnehmer, die vor der vermeintlichen Strahlung den Dokumentarfilm über die möglichen Gefahren der Funksignale gesehen hatten, litten dabei am stärksten unter den Symptomen.2 Über die Hälfte der Probanden konnte also nach entsprechender Beeinflussung durch einen Medienbericht körperliche Symptome wahrnehmen, obwohl es nicht die geringste Veranlassung dafür gegeben hatte! Wie kann das sein?

Oder wie ist es möglich, dass Menschen mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung3 nicht nur verschiedene Charaktere, Begabungen oder Sprechweisen aufweisen, sondern ihren Blutzuckergehalt und sogar die Dioptrien verändern? Sie können, je nachdem welche ihrer Persönlichkeiten gerade »sichtbar« ist, verschiedene Handschriften, Hirnströme oder Krankheitssymptome aufweisen und tatsächlich vorübergehend Diabetes haben! Das heißt, dass während der Zeit, in der beispielsweise die Teilpersönlichkeit A die Kontrolle über den Körper hat, dieser gemäß dem Blutzuckerwert tatsächlich zuckerkrank ist. Der Zeitraum kann sich über Tage oder Monate erstrecken. Sobald dann jedoch Teilpersönlichkeit B die Kontrolle übernimmt, können sich die Blutwerte innerhalb weniger Stunden zu denen eines gesunden Menschen verändern, obwohl es sich um die Bauchspeicheldrüse von ein und derselben Person handelt - die aber in Abhängigkeit von den gerade in diesem Gehirn aktiven Mustern entweder funktioniert oder eben nicht.

Merkwürdig ist auch die Beobachtung, dass die in den USA geborenen Kinder von Migrantenfamilien aus Guatemala in der neuen Heimat im Schnitt fast zwölf Zentimeter größer werden als ihre Landsleute im Süden. Der Mediziner Michael Hermanussen und der Mathematiker Christian Aßmann gingen diesem Phänomen nach, und ebenso der Frage, warum wohlgenährte junge Männer aus guten Verhältnissen im 19. Jahrhundert nicht überdurchschnittlich groß wurden - nicht so groß wie dieselbe Bevölkerungsschicht heute wird. Nach der Auswertung umfangreichen Datenmaterials kamen sie zu dem Schluss, dass die landläufigen Erklärungen wie Genetik, Ernährung und Klima hierfür nicht ausreichen. Alles weist darauf hin, dass die Menschen ihre Körpergröße an ihre Peergroup4 angleichen. Die Wissenschaftler führen das darauf zurück, dass die Wachstumshormone an

Emotionen gekoppelt sind. Apropos Größerwerden: Die Männer in Europa sind innherlab von 110 Jahren im Durchschnitt um stolze elf Zentimeter größer geworden. Woran das liegt? Das weiß man nicht. Und wir werden nicht nur immer größer, wir werden auch immer schneller groß. Der Eintritt in die Pubertät findet durchschnittlich jedes Jahrzehnt drei bis vier Monate früher statt.

Und wie ist es zu erklären, dass Amerikanerinnen chinesischer Abstammung in der Woche vor dem Harvest Moon Festival mit 35 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit als in der übrigen Zeit des Jahres sterben? Das ergab die Analyse von Todesurkunden von David Phillips und Daniel Smith an der University of California, San Diego. In der Woche nach der wichtigen Familienfeier liegt die Sterblichkeit der chinesischen Amerikanerinnen um den gleichen Wert höher. Dieses Ergebnis scheint eine frühere Studie zu bestätigen, die zu dem Schluss kam, dass jüdische Männer mit dem Sterben warten, bis das Passahfest vorüber ist. Die Erfahrung zeigt auch, dass Todgeweihte manchmal Wochen am Leben hängen können, um einen Angehörigen noch einmal zu sehen; danach sterben sie innerhalb kürzester Zeit. Ratlos macht zudem das Ergebnis eines Experiments mit buddhistischen Mönchen: Wie kann es sein, dass meditierende tibetanische Mönche nicht froren, als ihnen in einem Raum, dessen Temperatur lediglich 4,5 Grad betrug, kalte, nasse Laken (9,4 Grad) um die Schultern gelegt wurden? Warum zitterten sie nach einer Stunde nicht unkontrolliert wie jeder andere »normale« Mensch und waren lebensbedrohlich unterkühlt, sondern, ganz im Gegenteil, warum waren am Ende die Laken trocken? Drei Laken konnten die Mönche innerhalb von sieben Stunden nur durch ihre Körperwärme trocknen, die sie mittels einer Meditationstechnik, die sich Tum-mo nennt, ausstrahlten.5

All diese Phänomene sind mit wissenschaftlichen Methoden untersucht worden und konnten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Blutdruck, Herzschlag und sogar Körpertemperatur - das alles können Menschen anscheinend beeinflussen.

Über den Einfluss des Geistes und die Zusammenhänge zwischen Leib und Seele denken wir ja nicht erst seit heute nach. Immerhin gibt es eine ganze Philosophie des Geistes, und am Leib-Seele-Problem haben sich ganze Generationen von namhaften Philosophen über Jahrhunderte die Zähne ausgebissen. Seit etwa zehn Jahren hat sich auch unsere hiesige strenge Naturwissenschaft mit Themen wie Meditation befasst. Geben Sie beispielsweise den Suchbegriff »Meditation« in die renommierte Suchmaschine für wissenschaftliche Literatur Pubmed6 ein, dann erhalten Sie dafür mehr als 2900 Treffer. Es finden sich dazu seriöse wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Themen wie beispielsweise dem Einfluss der Meditation auf Krebserkrankungen, auf Schmerzen, auf Stress, auf Angst, auf Depression, auf das Immunsystem, auf hohen Blutdruck und vieles mehr.

Eine der umfassendsten Studien dazu ist vermutlich das Shamatha Project, durchgeführt von Forschern des Center for Mind and Brain7 in Zusammenarbeit mit einem Team von 30 Wissenschaftlern von Universitäten aus ganz Amerika und Europa. Das Shamatha-Projekt untersuchte anhand einer randomisierten8 kontrollierten Studie, wie sich intensive Meditation auf das Denken und Fühlen auswirkt. Um die Fähigkeiten und das Verhalten der Testpersonen vor, während und nach dem intensiven Meditieren zu untersuchen, stellten sie kognitive und die Wahrnehmung betreffende Aufgaben, provozierten die Testpersonen auf emotionaler Ebene, ließen sie Fragebögen ausfüllen und überwachten ihre physiologischen und biochemischen Werte. Insgesamt wurden 60 gesunde Personen mit Meditationserfahrung untersucht. Dreißig von ihnen wurden zu einem drei Monate andauernden Meditations-Retreat (Intensivkurs) geschickt, die andere Hälfte nicht.9 Während dieser Zeit und unter der Anleitung von B. Alan Wallace praktizierten sie etwa sechs Stunden täglich, wobei besonderes Augenmerk auf die Förderung von Entspannung, Achtsamkeit, sowie Liebe und Mitgefühl für andere gelegt wurde. Die Auswertung brachte Erstaunliches zutage: Abgesehen von einer generellen Verbesserung von Wohlbefinden und Aufmerksamkeit konnten die Forscher einige Veränderungen von biologischen Merkmalen der Testpersonen feststellen, zum Beispiel Veränderungen der Telomerase. Telomerase ist ein Enzym, das die Endstücke unserer Chromosomen, die sogenannten Telomere, während der Zellteilung wiederherstellt. Diese Funktion, beziehungsweise der Wegfall derselben, verursacht zum Beispiel durch Stress, wird unter anderem für den Alterungsprozess verantwortlich gemacht.10 Die Blutuntersuchungen der Testpersonen, die am Meditations-Retreat teilnahmen, zeigten eine um 30 Prozent deutlich erhöhte Telomerase-Aktivität als die Vergleichsgruppe.11

Es ist schon erstaunlich, wie die Auswirkungen des In-sich-Gehens, diese Mischung aus Konzentrations-, Wahrnehmungs- und Atemübungen der Meditationspraxis, sich bis in die kleinsten Zellen, ja sogar bis auf die Ebene der molekularen Biologie nachweisen lassen, nicht wahr?

Die buddhistischen Mönche sind gefragte Versuchskaninchen der Neurowissenschaft. Von folgenden spektakulären Fallstudien, die von Richard Davidson durchgeführt wurden, haben Sie bestimmt schon mal gehört oder gelesen.12 Richard Davidson ist Professor für Psychologie, er unterrichtet an der Universität in Madison in Wisonsin, USA, und ist einer der bekanntesten Neurowissenschaftler unserer Zeit. 2008 gründete er das Forschungsinstitut CIHM, das sich gänzlich der Untersuchung neurologischer Auswirkungen von Meditation verschrieben hat.13 Der Dalai Lama höchstpersönlich, seit Langem ein Mentor von Davidson, war es, der diesen anregte, angewandte Forschung zu betreiben. So könne Menschen geholfen, wissenschaftliches Wissen vermehrt und der Wert der Meditation aus einer wissenschaftlichen Perspektive vermittelt werden. Das war die Geburtsstunde des Instituts. Anhand der Forschungen in diesem Institut will Davidson herausfinden, wie und warum Meditation das Gehirn verändert und wie man die Ergebnisse nutzbar machen kann, zum Beispiel wie man Kriegsveteranen besser helfen kann, mit belastenden Erfahrungen fertig zu werden, oder anderen Patienten, die Hilfe brauchen können. Das Institut versucht eine Antwort darauf zu finden, ob und wie Mitgefühl trainiert werden kann und ob der Mensch die Ausrichtung seiner Gene bewusst beeinflussen kann. Davidson, der selbst seit Langem Meditation praktiziert, ist es gelungen, anhand von Untersuchungen im Magnetresonanztomografen14 zu beweisen, wovon er schon lange überzeugt war. Er machte: »... die Entdeckung, dass unser Gehirn durch unsere Erfahrungen im Leben verändert wird, was darauf hindeutet, dass wir durch mentales Training positiv darauf einwirken können«.15

Das CIHM hat seine Räume im Waisman Center der Universität, das Davidson leitet, dort steht ihm eines der besten Laboratorien der Welt für die Forschung mit bildgebenden Verfahren am Gehirn zur Verfügung - und ein Meditationsraum, komplett mit ökologischem Korkboden. Für einen Test lud Richard Davidson einen indischen Mönch in sein Labor ein und schob ihn während dessen Meditation in den Magnetresonanztomografen. Die MRT-Bilder zeigten in der linken Gehirnhälfte des Würdenträgers eine überdurchschnittliche Aktivität im linken präfrontalen Gehirnareal. Eine Erregung dieses Areals wird mit einer positiven Grundstimmung in Zusammenhang gebracht, sie hält schlechte Stimmung im Zaum und ist vermutlich verantwortlich für Ausgeglichenheit und Gemütsruhe und dieses heitere Lächeln, das die buddhistischen Mönche ziert. »Glück ist eine Fertigkeit, die sich erlernen lässt wie eine Sportart oder das Spielen eines Musikinstruments. Wer übt, wird immer besser«, so Davidson.16 Um dieses Phänomen eingehender zu beleuchten, suchte der Dalai Lama höchstpersönlich acht Buddhisten aus seinem engeren Kreis aus, die zu Davidson in die USA reisten und mit denen das Experiment wiederholt wurde. Dabei handelte es sich um Meditationsprofis mit mindestens 10.000 Stunden praktischer Meditationserfahrung. Zusätzlich wurden 150 Vergleichspersonen untersucht. Wieder wurde bei den Buddhisten eine hohe Aktivität im linken Stirnlappen festgestellt, die Werte erreichte, die keine der Vergleichspersonen auch nur annähernd zuwege brachte.

Die Ergebnisse machten deutlich, dass Meditation und mentale Disziplin tatsächlich nachweisbare Veränderungen im Gehirn bewirken können. Je routinierter die Versuchsperson war, desto leichter war es ihr möglich, diesen Bereich des Gehirns aktiv werden zu lassen.

Als Nächstes wurde eine Meditationspraktik untersucht, die sich »Meditation des vorbehaltlosen Mitgefühls« nennt; das ist eine Form der Meditation, während der die Praktizierenden von Liebe und einem vorbehaltlosen Mitgefühl durchdrungen werden. Mit über 250 über den Kopf eines Buddhistenmönchs verteilten Messfühlern konnte Davidson mit der Methode der Elektroenzephalografie vermehrt Gamma-Wellen feststellen.17 Die Gruppe von Vergleichspersonen, allesamt Meditations-Neulinge, hatte nichts dergleichen vorzuweisen. »Häufig nachweisbare« Gamma-Wellen wie die bei den Gehirnen der Buddhistenmönche treten auf, wenn wir kognitive Höchstleistungen erbringen, sie stehen für Aufmerksamkeit und Konzentration und treten normalerweise nur kurz in vereinzelten Arealen des Hirns auf. Bei den Mönchen jedoch »flossen« die Wellen anhaltend über das gesamte Gehirn.

Der deutsche Psychologe und Meditationsexperte Ulrich Ott bezeichnete die erreichten Werte eines der Mönche sogar als »Jenseits von Gut und Böse«. Das heißt, während es von außen so aussieht, als hielten die Buddhisten ein Nickerchen im Sitzen, befinden sie sich tatsächlich in einem Zustand, der zwar entspannt, aber zugleich von höchster Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist.

Aber nicht nur »die vermehrte Nachweisbarkeit von Gamma-Wellen« erstaunte die Forscher. Die Gamma-Wellen in den Gehirnen der Mönche schienen sich koordiniert, nahezu geordnet zu verbreiten. Eine Form, die so normalerweise nie zu sehen ist. Der Journalist Ulrich Kraft erklärt das Phänomen der Gamma-Wellen in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung so: Wenn wir vor einer Tasse Kaffee sitzen, sehen wir das Gesamtbild, eben eine Tasse Kaffee. Im Gehirn aber sind verschiedene Bereiche für die einzelnen Teile dieses Bildes zuständig: Ein Bereich erkennt den Geruch des Kaffees, ein anderer Bereich die Tasse, und ein ganz anderer erkennt die

Farbe Braun. Wo und wie nun aber die ganzen Puzzleteile zusammenlaufen und das Bild »Eine Tasse Kaffee« entsteht, weiß man nicht. Vielleicht, so die Vermutung, sind die Gamma-Wellen so etwas wie ein übergreifender Code: Senden die Nervenzellen im Hertzbereich der Gamma-Wellen die Impulse Tasse, braun und Kaffeegeruch im Gleichtakt, erscheint vor unserem inneren Auge eine Tasse Kaffee. Die Gamma-Wellen wären dann die Instanz, die die verschiedenen Areale des Gehirns synchronisiert und zusammenfügt - was die Entstehung von Wahrnehmung erklären würde.

»Wenn alle Nervenzellen synchron schwingen«, so schlussfolgert Ulrich Ott, »wird alles eins, man differenziert weder Subjekt noch Objekt. Exakt das ist die zentrale Aussage der spirituellen Erfahrung.«18 Fazit: Die Mönche konnten nicht nur per Meditation großartige Gamma­Wellen über ihr Hirn laufen lassen, es zeigte sich auch, dass ihre Gamma­Aktivität generell erhöht war. Davidson sah dies als Beleg dafür, dass mentale Arbeit nachweisbare Veränderungen im Gehirn erreichen kann.

Die Beziehung zwischen Körper und Geist

In der Volksweisheit ist das Wissen um die enge Beziehung zwischen Körper und Geist seit jeher fest verankert. Nicht umsonst gibt es jede Menge körperbezogene Redewendungen wie: etwas »bleibt uns im Halse stecken«, »bricht uns das Herz« oder »liegt uns im Magen«. Dass sich psychische Konflikte und Stress in körperlichen Beschwerden ausdrücken können, ist inzwischen auch in der Medizin (wieder) anerkannt. Das Ausmaß allerdings, wie sehr unser Körper durch unser Seelenleben, unseren Geist, unser Verhalten beeinflussbar ist, erschließt sich erst allmählich.

Bis vor Kurzem war dieses Feld den verschiedensten spirituellen, esoterischen oder heilerischen Richtungen überlassen, die den Abgrund zwischen dem intuitiven Volkswissen und der Starrheit der Medizin geschickt für sich nutzen konnten. Sie waren die Einzigen, die dem Volkswissen entgegenkamen. 1983 erschien schließlich das Buch Krankheit als Weg, ein Werk des mittlerweile verstorbenen Diplompsychologen und Psychotherapeuten Thorwald Dethlefsen und des Arztes Dr. med. Ruediger Dahlke. Darin vertreten die Autoren die These, dass jede Krankheit einen Hinweis des Körpers auf ungelöste Probleme repräsentiert. Es ist die Auslegung eines Weltbilds, dass Krankheiten einen Sinn haben, nämlich den Menschen in Richtung höherer Verwirklichung zu führen. Das Erkennen, Beschreiben und Erklären des Phänomens, dass hinter einem Krankheitssymptom ein persönlich deutbarer Sinn steckt, gehört zu den ganz großen Stärken dieses Werks. - Das war ein großer Schritt und viele Menschen damals erkannten das Prinzip des ganzheitlichen Ansatzes, der die Verantwortung und damit auch die Möglichkeit der Heilung dem Einzelnen selbst in die Hand gibt, intuitiv als richtig. Andererseits sah und sieht man sich als Betroffener unter Umständen mit oberflächlichen Diagnosen in diesem Buch konfrontiert, die einem aufstoßen können. Ohne jeden wissenschaftlichen Beleg aufgestellte Behauptungen in diesem Buch sind zum Beispiel:

• Wer Liebe haben will, aber keine Liebe geben kann, wird Asthmatiker.

• Die Ursache für schlechte Zähne ist fehlende Vitalität.

• Ein Baby hat Milchschorf, weil die Mutter es zu wenig berührt bzw. es emotional vernachlässigt.

• Allergiker haben eine lebensfeindliche Einstellung.

• Gallensteine gelten als versteinerte Aggressionen.

• Die Ursache einer kranken Leber sind Maßlosigkeit und zu hohe Ideale.

• Kurzsichtigkeit ist begründet durch eine mangelnde Selbsterkenntnis.

• Krebs ist ein Zeichen für nicht gelebte Liebe!19

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass dies bei dem einen oder anderen Betroffenen schon damals für Verwirrung, wenn nicht sogar für Ärger gesorgt hat. Trotz seines wissenschaftlich-neutralen Anstrichs beruhen die im Buch postulierten Zusammenhänge rein auf Spekulation und auf dem feinen Gespür der Autoren für Symbolik. Dreißig Jahre später hat sich viel getan:

Dank engagierter Ärzte und Wissenschaftler, die keine Angst haben, die strikte Trennung von Körper und Seele (oder Geist oder Psyche, nennen Sie es, wie Sie wollen) infrage zu stellen, gelingt es inzwischen immer mehr, das Wie zu erforschen: Wie kommt der Geist in den Körper? Wo ist der Auslöser im Körper, der Verbitterung zu einem Magengeschwür werden lässt? Und vor allem: Wenn wir darüber Bescheid wissen, wie das Magengeschwür hineinkommt - dann müssten wir doch auch einen Wegweiser in der Hand haben, der uns sagt, wie wir die Krankheit wieder herausbekommen?

Trotz gezielter Forschung und erstaunlicher Erkenntnisse sieht der Besuch beim Hausarzt und ebenso der bei den meisten Fachärzten nicht selten genau so aus wie vor dreißig Jahren: Ein Kranker geht mit seinem Symptom, sagen wir mit Schmerzen, zum Arzt, dieser führt verschiedene Untersuchungen durch und schließt aus, welche Erkrankungen nicht hinter dem Symptom stecken. Er findet keine Entzündung, er findet keine bösartige Erkrankung, auch eine rheumatische Erkrankung kann nicht diagnostiziert werden. Dies teilt der Arzt dem Patienten mit. Er kann nichts Schwerwiegendes feststellen. Der Patient nimmt seinen Hut, bedankt sich und steht wieder vor der Tür des Arztes. Aber der Schmerz ist noch da. Der Patient fühlt sich unverstanden. Wo soll er jetzt Hilfe suchen?

Obwohl Psyche, Seele, Geist und Emotionen einen immensen Einfluss auf den Körper ausüben, mit diesem verflochten sind und einen wichtigen Zugangsweg zur Entstehung von Erkrankungen und ihrer Heilung darstellen, suchen Ärzte auch heute, mehr als 120 Jahre nach der Begründung der Psychoanalyse durch Sigmund Freud, immer noch strikt nach ausschließlich körperlichen Ursachen. Dadurch schicken sie ihre Patienten auf einen Irrweg durch das Gesundheitssystem, immer mit der gleichen Diagnose: Ohne Befund.

Ohne Befund

Steht am Ende einer Untersuchung als Ergebnis »Ohne Befund«, dann heißt das, es wurde nichts Auffälliges gefunden. »Alles in Ordnung« könnte man meinen, aber es ist eben nicht immer alles in Ordnung.20 Laborwerte, Blutdruck, Atemfunktion, EKG, EEG und Röntgenaufnahmen können völlig unauffällig sein, aber das Herzrasen, das Kopfweh, der Durchfall, die Rückenschmerzen oder das Zahnweh sind vielleicht trotzdem einfach da.

Sind keine körperlichen Ursachen festzustellen und stellt sich der Patient dennoch wiederholt wegen seiner Beschwerden in der Praxis des Arztes vor, dann kann es schnell zu einem Konflikt mit dem professionellen »Heiler« kommen. Der Patient wird als unangenehm fordernd empfunden, manchmal werden die geäußerten Beschwerden auch nicht ernst genommen. Es kann schnell die Meinung aufkommen, derjenige habe gar nichts, wolle nur Aufmerksamkeit oder bilde sich das alles schlicht ein. »Schön wär’s«, können die Betroffenen da nur sagen, denn das ist ja die Krux: Auch wenn Seele, Psyche oder Geist für die Symptome verantwortlich sind, die Symptome sind im Körper - nicht im Geist.

In diesem Kapitel erfahren Sie, warum verschiedene praktische Anleitungen, die wir Ihnen im zweiten Teil des Buches ans Herz legen werden, wichtig für Ihre Gesundheit sind.

Schätzungen zufolge wird bei jedem dritten Patienten vom Arzt oder Facharzt keine Ursache für die oft quälenden Beschwerden gefunden. In den Krankenhäusern liegen ebenfalls 20 bis 30 Prozent der Patienten, ohne dass eine Ursache dafür gefunden werden kann. Das heißt: Würde man alle technischen medizinischen Verfahren einsetzen, die in der modernen Medizin zur Verfügung stehen, käme nur heraus, dass diese Patienten vollkommen gesund sind! Da tatsächlich jede Menge Untersuchungen absolviert werden, um nach den körperlichen Ursachen der Beschwerden zu suchen, erhöht sich die Zahl auf 50 Prozent. Das heißt: Die Hälfte aller Untersuchungen ist ergebnislos und umgangssprachlich gesprochen: für die Katz. Unter Ärzten tröstet man sich mit dem Ausspruch: »Kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis.« Das bedeutet, dass der Ausschluss schwerwiegender Erkrankungen auch ein wichtiges Resultat von Untersuchungen sein kann, unsere heutige Medizin basiert sogar zu einem großen Teil auf diesen sogenannten Ausschlussdiagnosen.

Manfred Stelzig konkretisiert in seinem Buch Krank ohne Befund diese Zahl: »... Je nach Fachspezialisierung schwanken die Häufigkeiten zwischen 37 Prozent in der Zahnmedizin und 66 Prozent in der Gynäkologie ...«21 Das muss man sich mal vor Augen führen: Ein Viertel bis die Hälfte aller Patienten, die mit Ihnen im Wartezimmer sitzen, werden die Arztpraxis verlassen, ohne dass eine weiterführende klärende Ursache ihrer Beschwerden gefunden werden kann. Vielleicht betrifft das sogar Sie selbst, denn entgegen der landläufigen Meinung, nicht organisch verursachte Krankheiten seien etwas für Spinner, Dauer-Deprimierte oder Psychos, kann es jeden treffen. Bezeichnend ist, dass ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens mit einer sogenannten Somatoformen Störung zu kämpfen haben - wobei diese bei den meisten von selbst wieder verschwindet. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass Sie ebenfalls damit Bekanntschaft gemacht haben oder machen werden:

Sie müssen sich noch nicht einmal besonders gestresst oder sich sonst in irgendeiner Weise unwohl fühlen - wenn nur der lästige Rückenschmerz (das Kopfweh, die Verdauungsstörung ...) nicht wäre. Vielleicht haben Sie auch schon den Arzt gewechselt, weil Ihr Hausarzt einfach nichts finden konnte, vielleicht haben Sie eine zweite Meinung eingeholt oder haben den Rat eines Bekannten befolgt und sind bei dem Dr. Soundso vorstellig geworden, mit dem Ihr Bekannter gute Erfahrungen gemacht hat. Eventuell waren Sie auch schon beim Osteopathen, bei der Akkupunktur oder beim Heilpraktiker, und Ihr Zustand war auch kurz besser, aber jetzt ist der Schmerz wieder da, und wenn das so weitergeht, überlegen Sie vielleicht, eine Spezialklinik aufzusuchen. So getan und wieder entlassen, sind Sie unzufrieden, dass trotz genauester Untersuchung nichts gefunden wurde, was Ihre Schmerzen erklären könnte. Sie bilden sich die ja nicht ein. Inzwischen beeinträchtigt Sie der Schmerz in Ihrem Alltag, und so wie es aussieht, nimmt das Ganze einen chronischen Verlauf. Hoffen wir für Sie, dass Sie deswegen keine depressive Störung oder eine Angststörung entwickeln, das ist nämlich häufig der Fall. Vielleicht war die depressive Verstimmung von Ihnen unbemerkt auch schon vorher da und ist die eigentliche Ursache dieser Symptome ...

Derweil wäre es gar kein Hexenwerk, Ihnen eine angemessene und vor allem erfolgreiche Behandlung zukommen zu lassen, denn was Sie allem Anschein nach haben, ist eine sogenannte Somatoforme Störung. Nichts Seltenes, nichts Exotisches und vor allem: behandelbar.

Und worin besteht dieses Hexenwerk, der Ausweg? Es ist das ärztliche Gespräch. Nur im einfühlsamen Gespräch miteinander ist es möglich zu erfahren, welche Stimmung der Patient hat, welche Probleme es vielleicht in seinem Umfeld zu Hause oder beruflich geben mag und aus welchen Kindheitserfahrungen heraus seine Symptome »geboren wurden«. Die Art und Weise, wie ein kranker Mensch seine Beschwerden schildert, ist oft sehr aufschlussreich und gibt Gelegenheit, das Gesagte erst wirklich zu verstehen, es als Realität zu akzeptieren und die Hintergründe auszuleuchten. Jedes Symptom zählt hier, auch wenn es nicht »objektiviert« werden kann, wie es im geschwollen-arroganten medizinischen Fachjargon heißt. Es ist eine vom Patienten empfundene, subjektive und ernst zu nehmende legitime Realität und wird vom Arzt verstehend akzeptiert. Das ist der Ausweg aus dem ganzen Wirrwarr diagnostischer Strudel und den Irrwegen durch die verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen, den viele Menschen durchlaufen. Das ist der erste Schritt zur Heilung. Diese Selbsterkenntnis kann der Arzt häufig vermitteln und »anschubsen«, den entscheidenden Schritt muss der »innere Heiler« oder der »innere Arzt«, der gesunde Anteil im kranken Menschen, vollziehen.

Doch zurück zur Somatoformen Störung selbst.

Was ist eine Somatoforme Störung?

Somatoforme Störungen werden anhaltende oder häufig wiederkehrende subjektiv beeinträchtigende körperliche Beschwerden genannt, denen keine feststellbare organische Erkrankung zugrunde liegt. Was aber nicht heißt, dass die Beschwerden eingebildet sind. Sie werden körperlich wahrgenommen und sind Realität.

Der Begriff »Somatoforme Störungen« wurde bereits 1980 in das medizinische Klassifikationssystem ICD-10 (International Classification of Diseases) eingeführt und ist ein viel diskutiertes Thema bei Nervenärzten. Problematisch am Begriff der Somatoformen Störung sehen Psychiater heute unter anderem die überholte dualistisch polarisierende Sichtweise einer Krankheit als »psychogen« versus »körperlich bedingt«. Zudem gibt es keine klaren definitorischen Grenzen für diese Störung, sie geht nicht auf die unterschiedliche Ausprägung von Symptomen in verschiedenen Kulturen ein und - das ist der wichtigste Kritikpunkt - die gegenwärtige Terminologie ist für betroffene Patienten schwer akzeptabel. Sie fühlen sich »abgestempelt«. Man überlegt derzeit, ob man die Erkrankung nicht mit einem positiven Definitionsaspekt umbenennen sollte, etwa in »komplexe körperliche Symptomstörung«.22

Somatoforme Störungen werden nach ICD-1023 unterteilt in:

F45.0

Somatisierungsstörung

F45.1

Undifferenzierte Somatisierungsstörung

F45.2

Hypochondrische Störung

F45.3

Somatoforme autonome Funktionsstörung

F45.4

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung

F45.8

Sonstige somatoforme Störungen

F45.9

Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet

24

Somatoforme Störungen können sich in einer nahezu unerschöpflichen Menge an Symptomen äußern, wobei das Auftreten mehrerer Symptome die Regel ist. Diese können sich auf jeden Körperteil oder jedes System des Körpers beziehen. Charakteristisch sind vielfältige, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome. Beispielsweise können Patienten Brustschmerzen oder ein Druckgefühl in der Herzgegend bemerken, was die Betroffenen nicht selten an einen drohenden Herzinfarkt denken lässt - besonders diejenigen, die schon einen hatten. Und diese Sorge besteht nicht zu Unrecht: Experten schätzen, dass bei vier von fünf Herzinfarkten die Psyche den Ausschlag gibt.

Das Herz ist bei 15 Prozent der Betroffenen Symptomträger, es kann aber auch jedes andere Organ und jedes Organsystem sein. Vielleicht ist ein Teil des Verdauungsapparats betroffen, was sich als Beschwerden im Bereich der Speiseröhre oder des Magens äußert. So haben Sie vielleicht »einen Kloß im Hals«, oder Sie fühlen sich oft wie aufgebläht und denken, eine Fastenkur wäre genau das Richtige. Der Magen kann brennen, als wäre ein Sodbrennen etwas nach unten gerutscht, vielleicht klagen Sie über Bauchschmerzen und Übelkeit, haben einen schlechten Geschmack im Mund oder eine stark belegte Zunge, leiden an Erbrechen, Würgen, Durchfall oder schlucken Luft, was sich Aerophagie nennt. Auch ein zu häufiger Stuhlgang kann ein Hinweis sein. Insbesondere das Reizdarmsymptom macht etwa 50 Prozent der Besuche beim Spezialisten aus. Es gibt auch den sogenannten Py-

lorospasmus, einen Krampf des Magenpförtners. Durch eine erhöhte Muskelspannung kommt es dabei im Bereich des Magenausgangs zur Behinderung der Passage des Nahrungsbreis vom Magen in den Zwölffingerdarm. Oder Sie haben häufig Schluckauf, Blähungen, krampfhafte Unterbauchschmerzen, Zähneknirschen ...

Möglich wären auch Probleme mit der Atmung. Vielleicht sind Sie plötzlich völlig außer Puste, ohne dass Sie sich angestrengt hätten, bekommen schwer Luft oder haben das Gefühl, Sie müssen schneller atmen, um genügend Luft zu haben.