Ammerseeherzen - Christina Kreuzer - E-Book

Ammerseeherzen E-Book

Christina Kreuzer

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Im Landkreis Starnberg geht ein grausamer Mörder um. Eine mumifizierte Leiche gibt der Kripo Starnberg Rätsel auf. Hauptkommissar Dippold und sein Team stoßen bei ihren Ermittlungen auf die DNA Spur eines totgeglaubten Serienmörders. Ein zweiter Mord auf der Schwedeninsel im Ammersee versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Die Kommissare finden bei ihren Recherchen heraus, dass beide Fälle irgendwie zusammengehören. Als auch noch die Tochter von Hauptkommissar Dippold entführt wird, eskaliert die Lage.

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Seitenzahl: 283

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Ammerseeherzen

Mein Buch

Im Landkreis Starnberg geht ein grausamer Mörder um. Eine mumifizierte Leiche gibt der Kripo Starnberg Rätsel auf. Hauptkommissar Dippold und sein Team stoßen bei ihren Ermittlungen auf die DNA Spur eines totgeglaubten Serienmörders. Ein zweiter Mord auf der Schwedeninsel im Ammersee versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Die Kommissare finden bei ihren Recherchen heraus, dass beide Fälle irgendwie zusammengehören. Als auch noch die Tochter von Hauptkommissar Dippold entführt wird, eskaliert die Lage.

Die Autorin

Christina Kreuzer

Die Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Zur Rechtschreibung

In Franken spricht man kein P (= hartes B) und kein T (= hartes D) und das C oder Ch wird durch ein G ersetzt. Beispiel: Babba (= Papa) und Grisdkindla (= Christkind). Diese Besonderheiten wurden in einigen Passagen der wörtlichen Rede in diesem Buch angewendet.

Titelbild

„Herz“ Aquarell von Gisela Preuß

Copyright © 2018 Christina KreuzerVerlag epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Die Personen:

Hauptkommissar – Robert Dippold – „Boschi“

Kommissar – Juliane von Jettenbach – „Jette“

Kommissar – Frank Maisetschläger – „Meise“

Revierleiter – Josef Brandl

Polizeiobermeister – Sascha Meier

Polizeiobermeister – Christian Müller

Oberstaatsanwalt – Franz Höglmeier

Leiter der Spurensicherung – Dr. Wolfgang Reiter

Kriminalkommissar – Hubert Rosenmüller – „Hubsi“

Andrea Dippold – „Boschis“ Tochter

Der Druide – Angus Streitberger

Antiquitätenhändler – Hans Köberlin

Vogelkundler – Albert Ott

Russischer Diplomat – Sergej Koslow

Seine zwei Bodyguards – Jurij und Igor

Spediteur – Otto Rasand

Student – Benjamin Sattler

Petr – Gastwirt vom Adria Grill

Gärtnermeister – Hans Peter Hübsch

Berlin, April 1945

Der Major der Luftwaffe, Erich Graf, erhielt seinen Einsatzbefehl am frühen Morgen. Er sollte einhundert Goldbarren und drei Holzkisten mit Goldmünzen auf den Obersalzberg nach Berchtesgaden bringen. Er überwachte die Anlieferung und verstaute persönlich die wertvolle Ware in seine Messerschmidt ME 262, den ersten Düsenjäger der Welt und der ganz Stolz von Adolf Hitlers Luftwaffe. Eigentlich wurden Transporte mit einer „Ju 52“ geflogen, doch die hatten keine Chance bei einem jederzeit möglichen Angriff der feindlichen Jagdverbände, die schon seit Monaten den Luftraum über Deutschland beherrschten. Erich Graf, mit 52 Abschüssen, Träger des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern, checkte auf dem Flugfeld die Instrumente und rollte seine ME 262 zum Start. Erich war in den letzten Wochen mehrmals die Strecke zum Regierungsflughafen Ainring bei Freilassing geflogen. Der Führer hielt sich seit Monaten fast nur noch auf dem Obersalzberg auf. Major Graf hatte wegen seiner schweren Ladung die beiden 250 kg Bomben am Boden gelassen, war dafür aber wendiger und konnte vor allem den zweiten Tank der Me 262 nutzen und damit seine Reichweite erhöhen. Amerikanische und englische Jagdstaffeln sorgten zurzeit mit ihrem überraschenden Auftauchen bei Start und Landung für hohe Verluste bei der deutschen Luftwaffe. Der Start ging gut, keine feindlichen Flieger waren in Sichtweite und schnell hatte Major Graf die Flughöhe von 6000 Metern erreicht. Leise vor sich hin pfeifend flog Erich, mit 800 km/h über den Wolken immer der aufgehenden Sonne entgegen.

Prolog

Kapitel 1

Der von allen für tot geglaubte Massenmörder Angus Streitberger versteckte sich am Ufer des Ammersees. Sein Leben bestand seit Wochen aus Enthaltsamkeit und Regeneration. Nachdem er am Strand halbtot aufgewacht war, sammelte er mit letzter Kraft Kräuter, wie Salbei, Johanniskraut und Spitzwegerich für seine schmerzenden Schusswunden und Prellungen. Dabei weihte er jedes Büschel mit einem geheimen Druidenspruch. Die Verletzungen ließen ihn schwer atmen, behinderten den alten Mann. Er konnte sich kaum aufrecht halten. Sein linker Oberschenkel war glatt durchschossen und an der Hüfte fehlte ihm ein faustgroßes Stück Haut. Außerdem hatte er am ganzen Körper schwere Prellungen und Schürfwunden. „Wie an Gold sich nie Rost ansetzt, so flieht der Spitzwegerich jede Fäulnis und faules Fleisch!“ Die Heilkunst von Pflanzen und Sternen, die er als Druide auswendig gelernt hatte, leisteten ihm jetzt gute Dienste. Sein Oberschenkel heilte schnell, doch die Wunde an der Hüfte entzündete sich immer wieder und wollte sich einfach nicht schließen.

Aus Ästen, Sträuchern, weggeworfenen Plastiktüten und einem großen Stück Segeltuch, das eines Tages am Strand angespült wurde, baute er sich im dichten Wald zwischen Herrsching und Breitbrunneinen Unterstand. Sein Scramasax, ein höllisch scharfes Jagdmesser, das er immer in einer kleinen Ledertasche am Gürtel trug, hatte er Gott sei Dank nicht im Wasser verloren. Das Messer war außer den Fetzen, die seinen zerschundenen Körper verhüllten, alles, was er noch hatte. Immer wieder schleppte er sich in den sicheren Wald, um nicht in die Sichtweite der Polizeihubschrauber zu geraten, die dauernd um den Ammersee kreisten und wahrscheinlich nach ihm suchten. Er musste aufpassen, sich weiterhin versteckt halten und ganz vorsichtig sein. Mit trockenem Holz, einem gefundenen Feuerstein, einem rostigen Stück Flacheisen, das im Sand am Ufer lag und trockenen Zunder aus alten Vogelnestern, fiel es Angus nicht schwer, ein fast rauchloses Feuer zu entfachen, das nur zur Zubereitung seiner mageren Mahlzeiten brannte. Nachts versuchte er mit Tannenzweigen und trockenen Moos der Kälte zu trotzen. Als er endlich wieder einigermaßen laufen konnte, klaute er in Buch, einer kleinen Gemeinde am Ammersee, auf einem Campingplatz, ein Hemd, eine Hose und ein paar alte Badeschlappen. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Kleidungsstücke dazu, die die Badegäste an den Stränden des Ammersees vergessen hatten. Er ernährte sich von kleinen Fischen und zahlreichen Fröschen. Vogeleier, Wildkräuter und essbare Blumenblüten verwandelten die kargen Speisen zu einem wahren Festessen. Einmal kratzte er sogar ein zusammengefahrenes Eichhörnchen von der Hauptstraße zwischen Breitbrunn und Inning. Nur langsam kam seine alte Stärke zurück. Die Schusswunden verheilten gut und bei seinen Streifzügen durch die Wälder am Ammersee Ostufer humpelte er kaum noch. Nur die Wunde an der Hüfte bildete immer wieder wildes Fleisch, das er sich mit dem Scramasax mehrmals selbst entfernte. Angus Streitberger trieb ein großes Ziel an, ließ ihn keinerlei Schmerzen spüren. Rache! An Hauptkommissar Dippold und seiner kleinen widerspenstigen Kollegin! Sie hatten sein Lebenswerk zerstört, ihn gedemütigt und verletzt. Die Rachegedanken rumorten in seinem kranken Gehirn. Nur wie sollte er Rache nehmen? Er besaß fast nichts mehr! Kein Geld, keine Papiere und seine wertvolle goldene Sichel ging bei seiner Flucht verloren. Mehrmals hatte er in den Abendstunden den Kienbach zwischen Andechs und Herrsching nach der geliebten goldenen Sichel abgesucht. Die hätte er zu Geld machen können. Doch seine Suche blieb erfolglos.

Angus verhielt sich in seinem Versteck im Wald ruhig und so unauffällig wie möglich. Der Run der Urlauber, Badegäste und Windsurfer auf die schönsten Uferstreifen des Ammersees nahm bei Föhn und sonnigen Wetter bedenkliche Ausmaße an. Demnächst würden auch noch die neugierigen Schwammerlsucher dazu kommen. Angus wusste, früher oder später würde man ihn und sein Lager doch entdecken. Schon bald nahten kältere Nächte und er hatte weder genug zu essen, geschweige ein Dach über dem Kopf. Er musste hier weg. Angus beschloss in den nächsten Tagen an die Südseite des Ammersees zu übersiedeln. Dort gab es weniger Touristen und ein großes Naturschutzgebiet, die Schwedeninsel.

Angus lag tagsüber am Ufer des Ammersees in der Sonne, geschützt durch Schilf und Gras und verfolgte die Sprünge und Kapriolen einiger Windsurfer auf dem Wasser, die gefährlich nahe an seinem Lager in einem alten VW-Bus campten. Angus ging es immer besser, aber er war noch lange nicht im Vollbesitz seiner Kräfte um seinem einäugigen Totengott Gollmac zu dienen. Wäre dieser Hauptkommissar Dippold mit seiner jungen Kollegin Juliane von Jettenbach nicht gewesen, dann wäre er längst am Ziel seiner Träume. Nur ein Totenschädel hatte ihm noch zur Unsterblichkeit gefehlt. Er könnte jetzt in der Anderswelt seinem Totengott huldigen, stattdessen lag er verwundet und geschwächt am See seiner keltischen Urahnen. Diese verfluchten Schnüffler! Sie hatten seine Ehre beschmutzt. Sie hatten keine Ahnung mit wem sie sich da angelegt hatten, wussten nichts über seine Stärke und seine Macht. Sie wussten gar nichts über ihn. Sie hielten ihn immer noch für tot, ertrunken in einem Bach, im Wasser abgetrieben und verschollen im See. Innerlich lachte Angus über die beiden unwissenden Ermittler. Er dagegen kannte alle Schwachstellen der beiden Polizisten. Er hatte der hübschen Kommissarin, während der Gefangenschaft in der Höhle unter dem Kloster Andechs, jede Menge Auskünfte entlockt. Sie hatte ihm ihr ganzes Leben preisgegeben. Dazu alles was sie über seinen Todfeind Kommissar Dippold wusste, vor seinen Füßen ausgebreitet. Er brauchte nur noch darauf treten. Seine Rache würde fürchterlich sein.

*

In der Nacht bevor Angus Streitberger sein ärmliches Lager, zwischen den kleinen Fichten, angeflogenen Birken und Haselnusssträuchern verließ, entzündete er am Ufer des Sees ein loderndes Feuer. Er brachte Belenus dem Sonnengott ein Tieropfer. Er kam sich erbärmlich und armselig vor, denn er hatte für die lange Reise seines Sonnengottes nur eine verletzte, magere Wildente, die er ihm opfern konnte. Feierlich, um Mitternacht, trennte er der quakenden Ente den Kopf mit seinem Messer ab und fing das Blut in einem Plastikbecher auf. Er weihte das Tier, entriss ihm das noch zuckende kleine Herz und schlang es hastig hinunter. Angus schmatzte und fühlte, wie sein Körper die kleine Stärkung aufnahm. Das gesammelte Blut schmierte sich der Druide ins Gesicht und in die Haare. Danach tanzte er singend um das Feuer und sprang immer wieder durch die Flammen. Nach altem Glauben reinigte er seinen Körper und neutralisierte die negativen Energien. Erst im Morgengrauen sank der erschöpfte Druide nieder und träumte von Lebenskraft, vom Kreis der Seelen, der keinen Anfang und kein Ende hat.

In der nächsten Nacht brach er zur Schwedeninsel auf. Er lief am Ufer des Ammersees bis zum Ortsanfang von Herrsching entlang. Kein Mensch war um diese Zeit unterwegs, alle Häuser stockdunkel, kein Lichtschein von fahrenden Autos. An der Abzweigung zur Fachhochschule benutzte der Druide die spärlich beleuchtete Seepromenade, vorbei am Segelclub und kam in den Kurpark.

„Huhu!“ Angus zuckte zusammen. Er schaute sich um und sah einen Mann auf einer der Parkbänke aufgeregt winken. „Huhu!“ Schwerfällig stand der höchstens 20-jährige auf. Offensichtlich war er betrunken, denn er wankte schwankend auf Angus zu. „Hallo Opi! Hey du …! Hast vielleicht fünf Euro für mich?“

Die rechte Hand des Druiden umfasste blitzschnell den Griff seines Scramasax. Wollte ihn etwa dieser kleine, angetrunkene Wicht aufhalten? „Verschwinde!“, zischte Angus, den zwei Köpfe kleineren Halbstarken in der schwarzen Lederjacke an. „Geh mir aus dem Weg!“

„Hey du … du alter Tattergreis, rück schon die Kohle raus, oder ich mach dich alle!“ Drohend stand der Jüngling vor ihm. Zweimal versuchte Angus an ihm vorbei zu gehen, doch jedes Mal torkelte der Bursche auf den Druiden zu und versperrte ihm den Weg. „Haha, kommst nicht vorbei, alter Sack! Du Mummelgreis kommst hier nicht…“ Das letzte Wort brachte er nicht mehr über die Lippen. Erstaunt schauten seine Augen nach unten auf seinen Brustkorb, in dem plötzlich ein Messer steckte.

Bevor der Sterbende zu Boden ging, griff Angus den Mann unter die Arme und setzte ihn neben seiner leeren Bierflasche auf die Parkbank. „Huuhuuu!“, unterbrach ein Waldkauz die Stille im Kurpark. „Du schwacher, kleiner Mensch! Wieso legst du dich ausgerechnet mit Angus, dem Pförtner der Anderswelt an“, waren die letzten Worte, die der junge Mann in seinem Leben hörte. Der Druide setzte sich kurz neben die Leiche, sah sich um und sein Blick fiel auf die Boote am Steg des Segelclubs, die in der leichten Dünung des Sees hin und her dümpelten. Kurzerhand packte Angus den Toten an der Lederjacke und schleifte ihn zur Anlegestelle der Segelboote. Achtlos ließ er den Körper einfach auf dem Landungssteg liegen und versuchte eines der Boote aufzubrechen. Erst beim fünften Versuch hatte Angus Glück bei einer Yacht, die bereits auf einem Bootsanhänger verladen war und zum Abtransport neben dem Steg am Ufer stand. Die Kajüte war nicht gesichert. Mit letzter Kraft zerrte er die Leiche über den Anhänger ins Schiff und bahrte den Oberkörper auf dem Kajüten Tisch auf. Er zog behutsam das Messer aus der Brust des Toten und beugte sich schmatzend über ihn. Wie ein Vampir stürzte sich der Druide auf den austretenden Blutschwall und saugte schlürfend das dampfende, noch warme Blut auf. Dann fiel er im Blutrausch, wie eine wilde Bestie über den Leichnam her.

*

Gestärkt von einem köstlichen Mahl, enterte Angus Stunden später seelenruhig ein Ruderboot beim Bootsverleih an der Seepromenade und ruderte damit zur Schwedeninsel. Das Boot überließ der Druide gleich nach seiner Ankunft wieder dem See. Um sich nicht zu verraten, ließ er es einfach abtreiben. Die Insel im Naturschutzgebiet war Sperrgebiet und niemand würde ihn hier stören. Bis zum Sonnenaufgang verbrachte er die Zeit am Ufer und starrte auf das Wasser. Der Vollmond spiegelte sich bis zum Morgengrauen im See, die kleinen Wellen glitzernden und brachen sich wie Millionen Edelsteine am Ufer. Der einäugige Totengott Gollmac meinte es gut mit ihm. Er hatte ihn ins Paradies geführt. Diese Ruhe! Die leichte Brise säuselte in den Blättern der halbhohen Bäume und als die Sonne aufging, veranstalteten die Vögel ein einzigartiges Konzert. Der Druide war glücklich! Angus, der Druide fing leise zu Summen an und träumte von Rache, Unsterblichkeit und Reichtum.

Am folgenden Tag richtete sich Angus Streitberger auf der Halbinsel im Ammersee häuslich ein. Er entdeckte die Reste eines Gebäudes, einen gemauerten Grundriss, versteckt unter alten Balken und Brettern. Daraus baute sich der Druide, einige Meter entfernt zwischen kleinen Bäumen, eine behelfsmäßige Hütte. Er sammelte Pilze, Holz und trocknete Kräuter über einem fast rauchlosen Feuer. Der See versorgte ihn reichlich mit frischen Fisch. Der Herbst konnte kommen. Angus Streitberger genoss die Einsamkeit und vermisste nichts. Seine Wunden verheilten gut und schon bald würde er wieder der alte sein. Nur einmal wurde er in den letzten Wochen gestört. Angus bemerkte gerade noch rechtzeitig einen in den Schilfwiesen umherstreifenden Mann. Er trug ein großes Fernglas, beobachtete anscheinend Vögel und machte sich irgendwelche Notizen. Angus versteckte sich schnell in einem dichten, jungen Birkenbestand, der von hohen Binsen und Gräsern umgeben war. Kurz kam dem Druiden in den Sinn, der Mann könnte ein weiteres Opfer für seinen Totengott Gollmac sein. Der Neugierige würde seinen zerschundenen Körper stärken. Aber dann müsste Angus erneut seinen Standort wechseln. Ihm gefiel es auf der Insel, hier fand er genug Nahrung und er würde in kürzester Zeit wieder zu vollen Kräften kommen. „Hau ab! Verschwinde, sonst zahlst du mit deinem Leben!“, zischte der Druide leise. Als hätte der Mann die Warnung gehört, kehrte er kurze Zeit später um und kam Angus nicht näher. Ungestört verbrachte Angus Streitberger den ganzen Winter auf der Insel.

*

An einem nebligen Februarmorgen saß Angus am Ufer und hielt seine Angel ins klare Wasser. Die hatte er aus einen einfachen Haselnussstock, einem Faden von einem alten Fischernetz und einem verrostenden Stück Draht, selbst gebaut. Die Sonne tat sich an diesem Tag schwer den dichten Nebel aufzulösen. Gerade als der erste Fisch gebissen hatte durchdrang der erste Sonnenstrahl die Nebelsuppe und tauchte den ruhigen See in eine silbern glänzende Scheibe. Angus zog den zappelnden Fisch an Land, hackte ihn mit seinem Scramasax den Kopf ab und nahm den Fisch an Ort und Stelle aus. Den Kopf und die Eingeweide warf er zurück ins Wasser. Dabei fiel sein Blick auf etwas Glitzerndes, etwas Goldenes im See, nur drei Meter vom Ufer entfernt. Neugierig watete er ins flache Wasser und sah zwischen Sand und grauen Kieselsteinen einen goldfarbenen Block liegen. Angus dachte, er träumt. Unter Wasser scharrte er mit den Fingern einen schweren Barren aus dem Sand und hob ihn triumphierend in den Himmel. „Gold!“, schrie er zuerst laut. Dann sah er sich nach allen Seiten um und flüsterte leise „Gold!“ Der Barren war echt. Goldstempel und Punzen glänzten in der Sonne. Ein Grinsen erschien in den hohlen Wangen des Druiden. Er konnte es nicht fassen. Sein Gott ließ ihn nicht im Stich. Bald schon würde er fürchterlich Rache nehmen.

Kapitel 2

Hauptkommissar Robert Dippold, gebürtiger Franke aus Schweinfurt, Leiter der Kripo Starnberg, parkte seinen alten VW Käfer gut gelaunt vorm Kommissariat. Endlich waren die kalten Tage vorbei und die warme Frühlingssonne kitzelte in seiner Nase. „Hatschi!“

„Gesundheit Boschi!“ Juliane von Jettenbach stand lächelnd am Eingang des Kommissariats. Nur sie und Revierleiter Sepp Brandl durften den Chef beim Spitznamen rufen. „Guten Morgen! Hast du dich etwa letzte Nacht verkühlt?“

„Ach geh zu! Wer hat mir denn dauernd die Bettdecke geklaut? Haha!“ Boschi lachte und schaute stolz auf seine hübsche Kollegin, die seit drei Monaten auch seine Freundin und Lebensgefährtin war. Ihre blonden Haare strahlten im Sonnenlicht und Boschi fand den Vergleich der Kollegen mit Britney Spears traf eindeutig auf Jette zu. Sie waren ganz frisch verliebt, beide spürten noch die Schmetterlinge im Bauch und verhielten sich zeitweise wie pubertierende Jugendliche. Ein intimes Verhältnis unter Arbeitskollegen war bei der Polizei zwar nicht so gern gesehen, doch mit den beiden gab es keinerlei Probleme. Dienst blieb Dienst und Jette und Boschi hielten sich eisern daran. Noch wohnten sie nicht zusammen und beide ließen sich die Freiheiten, die jeder brauchte.

Juliane von Jettenbach, die bei allen nur Jette hieß, schaute Boschi grinsend an. „Mein Teil Bettdecke bestand aus einem einen so kleinen Zipfel.“ Jette zeigte mit ihren Händen ein etwa Handtuch großes Stück.

„Ach geh zu! Das kann nicht sein! Wo war dann der Rest der Decke? Mein Teil war genauso groß!“ Boschi drehte sich schnell nach neugierigen Beobachtern um und begrüßte Jette mit einem Kuss. Zwar wussten inzwischen alle Kollegen von ihrem Verhältnis, machten sogar hin und wieder eine Anspielung, doch Boschi wollte einfach noch nicht offiziell zu Jette stehen. Schließlich war er glücklich geschieden. Jette dagegen war das egal. Hauptsache sie konnte mit ihrem Traummann zusammen sein.

„Jette, warst du schon beim Sepp? Gibt es was Neues?“, fragte Boschi dann ganz diensteifrig.

„Nix los Boschi! Es gab letzte Nacht nur einen Einbruch in einer Lagerhalle in Gauting. Den Fall hat „Meise“ schon übernommen“. Meise war der Spitzname von ihrem Kollegen Frank Maisetschläger, ein junger Kommissar, frisch von der Polizeischule und als zukünftiger Schwiegersohn von Oberstaatsanwalt Franz Höglmeier ein Beamter mit Aufstiegschancen. Er war bei den Ermittlungen in ihrem letzten Fall als Verstärkung nach Starnberg versetzt worden und war ein Meister im Beschaffungswesen. Ihm oder vielleicht doch dem Schwiegervater war es zu verdanken, dass sich das Kommissariat technisch auf dem neuesten Stand befand. Frank Maisetschläger war karrieregeil und hoffte durch eine einhundertprozentige Aufklärungsrate auf eine schnelle Beförderung. Jedenfalls musste er seinem Schwiegervater und zuständigen Oberstaatsanwalt jeden Tag beweisen, dass er gut genug für seine Tochter ist. Für Boschi war er nichts anderes als ein Arschkriecher. Er konnte diesen Typ Mensch einfach nicht leiden. Außerdem war Meise Nichtraucher und meckerte dauernd herum, wenn Boschi im Büro rauchte. Meise hatte ihm sogar ein Raucherbankerl besorgt, das aber meist einsam und verlassen vor der Inspektion stand. Dagegen fand Jette Frank eigentlich ganz sympathisch.

„Für einen Einbruch bekommt er aber keinen Orden vom Höglmeier“, murmelte Boschi in seinen Dreitagebart. „Komm Jette, machen wir erst mal Frühstück!“

*

Kurz darauf saßen Jette und Boschi mit Josef Brandl, dem Revierleiter der Polizeiinspektion Starnberg, beim zweiten Frühstück im Büro des Kommissariats, bei Butterbrez`n und dampfenden Kaffee. Sepp Brandl stand kurz vor der verdienten Rente und schwärmte gerade davon, was er in seinem Ruhestand alles unternehmen wollte.

Boschi grinste den Revierleiter, den guten Geist der Inspektion, während seiner Aufzählung an. „Hast du nicht etwas vergessen Sepp? Du wolltest doch abnehmen. Jetzt schwärmst du uns von einer Kreuzfahrt und riesigen Buffets vor. So wird das nix!“

Sepp sprang beleidigt auf, richtete die Hose über seinen Bauch und strich sich die viel zu langen Haare über seine Halbglatze. „Jette, hilf mir! Schau her! Ich bin doch nicht …“ Das Diensttelefon unterbrach seine Rechtfertigung. Das Display zeigte die Nummer von Kollege Frank Maisetschläger. Sepp stellte den Apparat gleich auf Lautsprecher. „Frank, was gibt`s?“

Sie hörten Kommissar Maisetschläger schwer atmen. „Ich … Einbruch in der Lagerhalle … Bestialischer Gestank von einer Segelyacht.“ In der Aufregung brachte er nur Wortfetzen hervor.

„Ruhig Frank! Tief durchatmen! Was ist passiert?“, rief Boschi dazwischen. „Brauchen sie Hilfe?“

Kommissar Maisetschläger riss sich zusammen und holte tief Luft. „Ah, Chef! Gott sei Dank! Kommen Sie schnell! Wir haben hier eine Mumie!“

„Ach geh zu! Meise halten Sie durch! Haha! Wir sind schon unterwegs!“, lachte Boschi und schnappte sich seine abgetragene Lederjacke von der Stuhllehne. Jette nahm ihren modischen Mantel und die teure Gucci Handtasche von der Garderobe und folgte ihm. „Sepp, sagst du bitte Dr. Reiter Bescheid?“

„Mach ich sofort!“ Sepp wählte schon die Nummer der Spurensicherung. Dr. Wolfgang Reiter war der für Starnberg zuständige Rechtsmediziner, Leiter der Spusi, KTU und Pathologie in München. Er hatte in den letzten drei Jahren sehr viel Arbeit mit der Außenstelle Starnberg.

Jette und Boschi waren inzwischen schon auf dem Hof des Kommissariats und stiegen in Jettes Mini Cabrio. „Langsam Jette!“ Boschi hasste ihren Fahrstil. Er hielt sich an der rechten Seitenarmlehne fest und bremste jedes Mal mit. Jette fuhr schnell, für Boschi etwas aggressiv, aber sicher. „Lass dir Zeit, Jette! Die Leiche ist schon tot!“

„Boschi, denk doch mal an unseren armen Kollegen! Frank ist ganz allein mit einer Mumie!“

„Der hat doch Polizeiobermeister Meier und Müller dabei. Er wird sich schon nicht in die Hose machen.“ Boschi dachte an die beiden Polizisten, die meist seinem Kommissariat unterstellt waren und inzwischen jede Menge Erfahrung mit Mordopfern gesammelt hatten.

„So aufgeregt habe ich Frank noch nie erlebt.“, entgegnete Jette und fuhr gerade bei dunkelorange über eine Ampel. „Das ist doch seine erste Leiche!“

„Ach geh zu!“ Boschi überlegte. Im letzten Fall war Frank bei keinem Leichenfund dabei. „Stimmt! Da muss er jetzt durch! Jette, das schafft der schon.“

Zehn Minuten später kamen sie in Gauting an. Das Rolltor der Halle stand weit offen und im grell beleuchteten Innenraum parkte der Dienstwagen von Polizeiobermeister Sascha Meier und Christian Müller mit eingeschaltetem Blaulicht. Die Alarmanlage der Halle blinkte rot und johlte, wie die Sirene der Feuerwehr. Die beiden jungen Polizisten lehnten an der Motorhaube und hielten sich die Ohren zu.

„Hey Jungs, macht den Alarm und das Discolicht aus!“, brüllte Boschi den beiden zu. „Guten Morgen! Wo ist Kommissar Maisetschläger?“

„Guten Morgen Chef. Der krabbelt irgendwo da hinten rum!“ Obermeister Müller zeigte zum Ende der Lagerhalle, an deren rechte Seite eine große Segelyacht auf einem Anhänger parkte. „Wir haben versucht die Anlage abzuschalten. Klappt aber nicht! Dafür brauchen wir einen Keycode. Die Halle gehört zur Spedition Rasand und der Ausflugsdampfer in der Ecke dem Besitzer der Spedition, einem gewissen Otto Rasand. Er ist bereits auf dem Weg hierher.“

Jette blickte sich um. „Die Halle ist ja leer! Haben die alles bis auf das Schiff mitgenommen?“

„Das wissen wir noch nicht!“, antwortete Obermeister Meier. „Das Rolltor ist definitiv aufgebrochen. Was alles gestohlen wurde kann uns nur der Besitzer sagen.“

„Ok! Ihr kümmert euch um den Mann, wenn er kommt. Ich will eine Liste von allem was fehlt. Wer hat den Einbruch gemeldet?“

„Ging automatisch! Die Alarmanlage ist mit unserer Außenstelle Gauting verbunden.“

„Ach geh zu!“ Boschi zupfte Jette am Ärmel. „Ich sehe jetzt nach Frank. Jette, willst du mit oder bleibst du lieber hier?“

„Blöde Frage! Komm Boschi!“ Jette marschierte zielstrebig voran, in Richtung der Yacht.

Am Segelschiff, das etwa zehn bis zwölf Meter lang war, angekommen, riefen sie nach ihrem Kollegen. „Frank! Hallo Frank, wo sind Sie?“ An der Reling stand eine Leiter, die fast zwei Meter nach oben an Deck führte. Frank meldete sich nicht. Boschi griff die Leiter mit beiden Händen und schaute zu Jette. „Du zuerst!“

„Hihi! Boschi, bekommst du nicht genug von meinem Hintern?“ Jette lachte und stieg die Leiter aufreizend langsam hoch.

„Wir sind im Dienst Jette! Mach weiter!“ Erst jetzt bemerkte Boschi seinen Fauxpas und grinste schelmisch. „Sorry Jette, natürlich hätte ich zuerst hinaufsteigen sollen!“

Oben angekommen stürzte ihnen Frank Maisetschläger mit gefährlicher Schnappatmung entgegen. „Chef! … Jette! … So eine Sauerei habe ich noch nicht gesehen!“ Frank musste würgen und stand in seinem teuren Designeranzug, wie ein Häufchen Elend vor ihnen.

„Kotzen Sie mir ja nicht an den Tatort!“, warnte ihn Boschi und reichte ihm ein Taschentuch.

„In der Kajüte!“, presste Frank noch hervor und erbrach sich dann über die Reling auf den Hallenboden.

„Mahlzeit!“ Boschi zog sich umständlich die verhassten Gummihandschuhe über und öffnete mit den Fingerspitzen die Tür zum Unterdeck. Jette folgte hinter ihm. Sofort schlug ihnen ein süßlicher Geruch entgegen. „Allmächd!“ Auf einem Tisch mitten im Raum lag die mumifizierte Leiche eines Mannes. Jette schluckte und dachte sofort an was Schönes, damit es ihr nicht genauso wie Frank ging. „Oh mein Gott!“

„Pass auf! Eingetrocknetes Blut!“, warnte sie Boschi von einer Lache auf dem Boden und beugte sich über das Opfer. „Der hat ein Riesenloch im Brustkorb. Ein junger Mann, ich schätze so um die Dreißig.“

Jette blickte sich angewidert um. Auf einem kleinen Herd in der Kombüse stand eine benutzte Bratpfanne. „Er hat sich vor seinem Tod noch etwas zu Essen gemacht. Keine Anzeichen von einem Kampf!“

„Entweder kannte er seinen Mörder oder er wurde hier nur abgelegt.“ Boschi stellte bereits erste Hypothesen an. „Was ich eher vermute. Die Tür zur Kajüte wurde jedenfalls nicht aufgebrochen!“

„Oder er wurde von einem Einbrecher überrascht!“ Jette fand den Mut die Mumie näher anzuschauen. Die dünne, trockene Haut lag direkt auf den Knochen, begann sich an manchen Stellen abzuschälen. Der Körper war vollständig mit einem weißen Belag bedeckt. „Wo sind seine Augen?“, fragte Jette erschrocken.

„Ungeziefer, Mäuse? Ich glaube die Spurensicherung ist da. Komm Jette, machen wir Platz. Dr. Reiter wird`s schon herausfinden.“

Jette und Boschi verließen das Schiff und stiegen die Leiter wieder hinab. Endlich ging auch die nervende Sirene der Alarmanlage aus. Anscheinend war der Besitzer der Halle endlich eingetroffen. Frank hing immer noch, wortlos, fahl weiß im Gesicht und total fertig, über der Reling des Schiffes.

Dr. Reiter kam ihnen mit schnellem Schritt entgegen, groß gewachsen, Brillenträger, modisch gekleidet in einem weißen Ganzkörperanzug. „Guten Morgen Frau Jettenbach, Herr Dippold. Was haben Sie Schönes für meine Kühltruhe?“

„Guten Morgen Dr. Reiter! Eine männliche Leiche, bereits mumifiziert, mit einem Mordsloch im Brustkorb. Wir haben alles so gelassen, wie es war. Wenn Sie bitte nachschauen, ob der Tote Papiere bei sich hatte. Wir befragen inzwischen den Besitzer der Lagerhalle.“ Boschi blickte sich um. „Äh, sind Sie heute alleine? Wo ist ihre Mannschaft?“

„Alle unterwegs! In Grünwald gab es eine Einbruchserie und die „oberen Zehntausend“ sind sehr besorgt. Sie wissen schon! Alles Amigos vom Polizeipräsidenten. Na dann, schau mer mal!“ Dr. Reiter kletterte mit seinem Koffer elegant die Leiter hinauf und die beiden Kommissare gingen zum Eingang der Halle, an dem der Spediteur Otto Rasand neben Polizeiobermeister Meier und Müller wartete.

Jette und Boschi stellten sich kurz vor. „Herr Rasand, haben Sie schon einen Überblick, was gestohlen wurde?“, fragte Boschi neugierig.

„Nix!“, antwortete Herr Rasand zu aller Überraschung.

„Wie nichts?“, erkundigte sich Jette nochmal.

Otto Rasand schüttelte den Kopf. „Nichts, nothing, nada! Die Halle war bis auf meine Segelyacht leer. Ich war seit Oktober letzten Jahres nicht mehr hier. Damals habe ich das Schiff hier eingewintert und untergestellt.“

„Ach geh zu! Und die Leiche in ihrer Kajüte haben Sie gleich mit winterfest untergebracht?“, fragte Boschi ironisch nach.

„Wie? Leiche?“ Der Spediteur fing an zu schwitzen. „In der Kajüte? Am Ammersee habe ich das Schiff aufgeräumt und innen alles sauber geputzt! Am nächsten Tag haben wir die Yacht geslippt und ich bin dann direkt hierhergefahren.“

Boschi grinste und versuchte damit seine Unsicherheit zu überspielen. Er schaute fragend zu Jette.

Otto Rasand fiel Boschis Reaktion sofort auf. „Äh, sorry. Slippen sagen wir Segler, wenn ein Boot zu oder aus dem Wasser verbracht wird. Eigentlich kann nur der Einbrecher die Leiche in meiner Kajüte versteckt haben, oder?“

„Sicher nicht Herr Rasend. Der Tote ist bereits mumifiziert. Er liegt schon etwas länger in ihrem Schiff“, stellte Jette fest. „Er muss also in der Nacht vor dem … äh, slippen an Bord gebracht worden sein. Wann genau haben sie das Schiff hier abgestellt?“

„Das war an einem Sonntag Mitte Oktober. Äh, ja, wie gesagt, am Tag vorher habe ich die Yacht saubergemacht und geschrubbt.“ Herr Rasand holte sein Handy aus der Hosentasche und öffnete den Terminkalender. „Genau, das war am Samstag, den 9. Oktober und Sonntag, den 10. Oktober habe ich dann die Yacht hier untergestellt.“

„Danke Herr Rasand! Das ist vorerst alles. Wenn wir noch Fragen haben, werden wir nochmal auf Sie zurückkommen. Die beiden Beamten nehmen noch Ihre Aussage und Personalien auf“, bedankte sich Boschi beiläufig. Die Aussage schien ihm glaubhaft und brachte ihn nicht viel weiter. Er wollte schnell zurück an den Tatort, zu Dr. Reiter. Jette folgte ihm.

Frank Maisetschläger hatte sich inzwischen ein wenig erholt und wartete, wachsweiß, unten an der Leiter. Jette blieb bei Frank. Boschi stieg nochmal nach oben zur Kajüte. „Dr. Reiter, wir fahren jetzt. Kommissar Maisetschläger bleibt noch da, bis Sie fertig sind und die Leiche abgeholt wird. Können Sie uns schon was sagen?“

Dr. Reiter drehte sich um und zeigte auf den Toten. „Eine sehr interessante Leiche haben wir hier. Wissen Sie Herr Kommissar, unser Körper besteht ja hauptsächlich aus Wasser. Wenn es jetzt andauernd trocken ist, keine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, dann kann der Körper eines Toten nicht verwesen. Er mumifiziert. Die Bakterien, die die Verwesung beeinflussen brauchen Feuchtigkeit. Das ist wie bei einem guten Südtiroler Speck. Der ist auch nichts anderes wie mumifiziertes Fleisch. Die Organe des Toten schrumpeln zusammen, wie ein verdorrter Apfel und bleiben erhalten. Der Vorgang kann mehrere Wochen dauern, je nachdem wie hoch die Luftfeuchtigkeit ist.“

„Ach geh zu!“ Boschi war fasziniert und beschloss insgeheim Speck in Zukunft von seiner Speisekarte zu streichen. „Wie ist er gestorben?“

„Das kann ich nur vermuten Herr Kommissar. Sehen Sie selbst!“ Dr. Reiter zeigte auf das große Loch im Brustkorb des Opfers. „Das Herz fehlt!“

„Allmächd! Nicht schon wieder!“ Boschi dachte sofort an seinen letzten Fall, als die Mafia mehrere Menschen wegen ihrer Organe ermordete. „Stammt die Leiche noch von … haben wir was übersehen?“

„Ich kann Sie beruhigen Herr Dippold. Dieses Herz wurde bestialisch herausgerissen. Arterien und Gewebe sind fransig, regelrecht zerfetzt. Sonst sehe ich im ersten Moment keine anderen Verletzungen. Ein paar kleine Schürfwunden am Rücken, keinen Einschuss oder sowas. Ich nehme an, der Täter hat den Mann in den Brustkorb gestochen und erst später hier abgelegt. Dafür spricht auch das wenige Blut hier in der Kajüte. Außerdem fand ich Bluttropfen draußen an Deck.“