Amore mortale - Beate Boeker - E-Book
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Beate Boeker

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Ein neuer Fall für Commissario Garini und Carlina – Spannende Unterhaltung mit Band 2 der Cosy-Crime Reihe der USA Today Bestseller-Autorin Beate Boeker   Das Weihnachtsfest rückt mit großen Schritten näher und Carlina hat in ihrem Lingeriegeschäft Temptation in Florenz alle Hände voll zu tun. Auch ihr bester Kunde, der Casanova Trevor Accanto, ist wie jedes Jahr wieder in der Stadt und kauft Dessous für seine neueste Affäre. Als Carlina erfährt, dass seine diesjährige Auserwählte ihre Cousine Annalisa ist, warnt sie Annalisa vor dem Herzensbrecher. Kurz darauf wird Trevor tot aufgefunden – offenbar wurde er mit einer Strumpfhose aus Carlinas Laden erwürgt. Das ruft den attraktiven Commissario Garini auf den Plan. Während Carlina verzweifelt versucht, den Mörder zu finden und ihre Cousine zu entlasten, muss sie nun auch noch ihren Gefühlen für den charmanten Commissario widerstehen …  Von Beate Boeker sind bei Midnight in der Reihe Florentinische Morde erschienen: Hochzeitstorte mit Todesfall (Band 1) Amore mortale (Band 2) Mord all' arrabbiata (Band 3) Einmal Mord, aber pronto! (Band 4)

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Die AutorinBeate Boeker, geboren 1969, ist neben ihrem Beruf als Autorin Betriebswirtin mit internationalem Schwerpunkt, arbeitet im Marketing und lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Deutschland. Der erste Roman der USA Today Bestseller-Autorin wurde 2008 vom Verlag Avalon Books in New York veröffentlicht. Heute ist eine große Auswahl ihrer romantischen Komödien, Krimis und Kurzgeschichten auf Englisch verfügbar. Ihre Bücher wurden für viele Auszeichnungen nominiert, z.B. den Golden Quill Contest, den National Readers' Choice Award und den Best Indie Books. Obwohl sie Deutsche ist, entschied sie sich, zunächst nur auf Englisch zu schreiben, weil sie in den USA mehr Hilfe bei der Entwicklung ihrer schriftstellerischen Fähigkeiten fand. Jetzt übersetzt sie ihre Bücher auch ins Deutsche.

Das Buch

Ein neuer Fall für Commissario Garini und Carlina – Spannende Unterhaltung mit Band 2 der Cosy-Crime Reihe der USA Today Bestseller-Autorin Beate Boeker   Das Weihnachtsfest rückt mit großen Schritten näher und Carlina hat in ihrem Lingeriegeschäft Temptation in Florenz alle Hände voll zu tun. Auch ihr bester Kunde, der Casanova Trevor Accanto, ist wie jedes Jahr wieder in der Stadt und kauft Dessous für seine neueste Affäre. Als Carlina erfährt, dass seine diesjährige Auserwählte ihre Cousine Annalisa ist, warnt sie Annalisa vor dem Herzensbrecher. Kurz darauf wird Trevor tot aufgefunden – offenbar wurde er mit einer Strumpfhose aus Carlinas Laden erwürgt. Das ruft den attraktiven Commissario Garini auf den Plan. Während Carlina verzweifelt versucht, den Mörder zu finden und ihre Cousine zu entlasten, muss sie nun auch noch ihren Gefühlen für den charmanten Commissario widerstehen … Von Beate Boeker sind bei Midnight in der Reihe Florentinische Morde erschienen:Hochzeit mit Todesfall (Band 1)Amore Mortale (Band 2)

Beate Boeker

Amore mortale

Kriminalroman

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Midnight Midnight ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Oktober 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 © Beate Boeker 2013 Titel der englischen Originalausgabe: Charmer's Death Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95819-134-1  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Kapitel 1

I

Ein Schatten fiel über sie.

Carlina schaute vom Verkaufstresen ihres Geschäftes Temptation hoch, und ein spontanes Willkommenslächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Es weihnachtet sehr.«

»Was für eine schöne Begrüßung.« Trevor zog seinen nassen Regenmantel aus und ließ ihn auf die niedrige Bank vor dem Tresen fallen. »Ich fühle mich wie der Weihnachtsmann, der ein wenig zu früh ankommt.« Er trat in den Bereich, den Carlina normalerweise für sich hatte, und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Lass dich ansehen, mein Mädchen.« Seine blauen Augen strahlten. »Du siehst gut aus.«

Sie lachte und nahm seine Hände von ihren Schultern. »Nicht gut genug, bei deinen Ansprüchen.« Eine ihrer Augenbrauen hob sich, als sie zögerlich fragte: »Wer ist es dieses Mal?«

Er lächelte ihr verschmitzt zu. »Ein hinreißender Rotschopf. Sie ist exquisit.«

»Natürlich.« Carlina schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts anderes erwartet.«

Sie lehnte sich gegen den Tresen und schob beide Hände in die Taschen ihrer Jeans. Mit einem leichten Stirnrunzeln schaute sie ihn für einen Augenblick an. Die Stille zwischen ihnen war entspannt, als ob sie Freunde wären. Vielleicht waren sie das sogar … obwohl das eine mehr als ungewöhnliche Freundschaft wäre. Sie überraschte sich selbst und ihn, indem sie fragte: »Wirst du dich denn niemals auf eine festlegen?«

Er öffnete seine Augen in gespielter Entrüstung weit und fuhr sich mit der gebräunten Hand durch die schwarzen Haare. Sie wurden an den Schläfen leicht grau, aber das machte ihn nicht weniger attraktiv – im Gegenteil.

Carlina unterdrückte ein Lächeln. Er weiß, wie sexy sein Arm aussieht, wenn seine Muskeln so anschwellen. Darum trägt er ein T-Shirt. Sie warf einen Blick in den Regen hinaus, der auf die alten Gebäude im historischen Stadtkern von Florenz niederpeitschte, und rieb sich mit den Händen über die Arme ihres hellgrünen Kaschmirpullis, froh, im Warmen zu sein.

»Natürlich werde ich mich nicht festlegen.« Trevors schwerer Siegelring glitzerte im Licht. »Dann wäre das Leben doch ohne jede Würze.« Er schüttelte den Kopf. »Was ist das überhaupt für eine Frage? Ich bin dein Kunde.« Er zwinkerte. »Hat man dir denn gar keine Manieren beigebracht?«

»Die hebe ich mir für die Kunden auf, die sie schätzen.« Carlina lachte zurück. »Es tut mir leid zu hören, dass sie rote Haare hat, denn ich habe gerade ein wunderbares Weihnachtsset in einem fantastischen Rotton ausgepackt.« Sie zeigte auf ein Regal zu ihrer Linken. »Es ist da drüben. Der Slip wird an der Seite zugebunden und ist mit weißen Puscheln dekoriert. Ich habe an dich gedacht, als ich es bestellt habe.«

Er lächelte. »Heb es mir fürs nächste Jahr auf, Carlina. Dann finde ich eine Schwarzhaarige, die zu dem Set passt.«

Er nannte sie bei ihrem Spitznamen, unter dem sie in ihrer Familie und der halben Stadt bekannt war – Carlina – anstelle von Caroline. Das machte ihr nichts aus, aber als sie seine Worte hörte, wusste sie nicht, ob sie lachen oder irritiert sein sollte. »Schämst du dich denn gar nicht?«

»Warum sollte ich?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich verspreche den Frauen nicht die ewige Liebe. Sie wissen genau, worauf sie sich einlassen. Ich bin immer ehrlich.«

Carlina legte den Kopf auf die Seite. »Und was ist, wenn sie auf mehr hoffen?«

»Ich kann nichts dafür, wenn sie sich selbst etwas vormachen.« Er machte eine Handbewegung, als wolle er die Unterhaltung wegwischen. »Aber genug davon. Wie geht es dir? Hast du dich ›auf einen festgelegt‹, wie du es nennst?« Er grinste. »Oder sogar noch besser?«

Das Bild von Stefano erschien vor ihrem inneren Auge, aber sie schob es zur Seite. Selbst wenn sich ihre Beziehung zu Stefano zu mehr als einer romantischen Sehnsucht entwickelt hätte, was leider nicht der Fall war, würde sie sie doch nicht mit Trevor besprechen. Ihre Gefühle waren zu … privat, zu kostbar, um sie mit diesem Mann zu teilen, der jedes Jahr zu Weihnachten mit einer anderen ausging, als ob diese Frauen Weihnachtsbäume wären, aufgezogen, um vier Wochen im Jahr zu strahlen und danach weggeworfen zu werden.

»Nein«, sagte sie also.

»Nein? Einfach nur nein?« Trevor schüttelte sich vor Lachen. »Wie kann die Besitzerin des wunderbarsten Lingerie-Geschäfts in Florenz – nein, in der Welt! – wie eine Nonne leben?«

»Vielen Dank für das Kompliment. Zum zweiten Teil des Satzes gebe ich keinen Kommentar ab.«

Er seufzte. »Ach, du bist gefühllos.«

Carlina schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht annähernd so hart, wie du es bist.«

»Ich?« Die blauen Augen öffneten sich weit, zogen sie in ihren Bann. »Ich bin doch nicht gefühllos.«

»Ich frage mich, ob deine vielen Ex-Freundinnen auch dieser Meinung sind.« Sie schaute ihn nachdenklich an. »Wie machst du das nur?«

»Was?« Trevor strich sich über die Wangen, als ob er sich gerade rasiert hätte.

Wäre er sich nur nicht bewusst, was für ein attraktives Kinn er hat und wie gut es aussieht, wenn er es so anhebt. Dann würde ich ihn noch viel mehr mögen. »Wie wirst du sie nur alle wieder so leicht los?«, fragte sie.

»Das ist alles nur eine Frage der Vorbereitung. Ich sage ihnen von Anfang an, dass wir einige wunderbare Wochen haben werden. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn mein Urlaub zu Ende ist, endet die Beziehung. So einfach ist das. Jedes Weihnachtsfest.«

Seine Worte waren gefühllos, aber seine Ehrlichkeit nahm sie für ihn ein. Er ist einfach viel zu charmant. »War es immer schon so einfach?«

Trevor zuckte zusammen. »Lass uns nicht über die Fehler der Vergangenheit sprechen. Es ist viel zu schön, wieder in Florenz zu sein. Jetzt zeige mir mal, was meiner rothaarigen Schönheit stehen könnte.«

Carlina bewegte sich kein Stück. »Was passiert, wenn du dich jemals wirklich verliebst?«

Er konzentrierte sich auf einen schwarzen Spitzen-BH und warf ihr über die Schulter ein Lächeln zu. »Aber das tue ich doch, meine Liebe. Jedes einzelne Mal.«

II

Annalisa lehnte sich gegen den Verkaufstresen in Carlinas Laden und funkelte ihre Cousine an. »Es ist Zeit, dieses Geschäft zu schließen.« Sie betonte jedes Wort einzeln, als ob Carlina taub wäre. »Jetzt.«

Carlina räumte den Tresen mit eiligen Bewegungen auf. »Nur noch eine Sekunde, Annalisa. Ich muss noch diese Rechnung ablegen und dann …« Sie hasste es, etwas über Nacht herumliegen zu lassen.

»Das hast du schon vor einer Viertelstunde gesagt, und ich langweile mich.« Annalisa rollte mit den Augen. »Außerdem habe ich Hunger, und du hast versprochen, mit mir essen zu gehen.«

Carlina lächelte sie an. »Du wirst nicht verhungern. Weißt du eigentlich, dass du wie eine Fünfjährige klingst und nicht wie fast zwanzig?«

»Ha. Fast zwanzig.« Annalisa drehte eine Strähne ihres langen Haares in der Hand. »Das ist genau der springende Punkt. Ich verbringe mein ganzes Leben damit zu warten, und zack, bevor ich weiß, was passiert, bin ich schon zwanzig und aus dem Alter raus, in dem man noch Spaß haben kann.«

Carlina schüttelte den Kopf. »Grausam. Aber glaub mir, es gibt ein Leben jenseits der Zwanziger. Mit zweiunddreißig habe ich ausreichend Erfahrung, um dir das zu versichern.«

Annalisa machte eine verächtliche Handbewegung. »Dein Universum ist dieser Laden hier.«

»Völlig richtig.« Carlina schaute sich um. Mit Stolz schweifte ihr Blick von den strategisch platzierten Schubladen unter jedem Bügel, in denen die BHs in wohlsortieren Reihen nach Größen angeordnet lagen, hin zu der brandneuen Schaufensterpuppe, die seit heute das rote Weihnachtsset trug. »Und das reicht mir völlig. Du solltest nicht unterschätzen, wie attraktiv ein winziges Universum sein kann, wenn es zu einhundert Prozent dir gehört. Du kannst alles genauso einrichten, wie du willst, und es liegt nur an dir, einen Erfolg daraus zu machen. Es gibt wenige Dinge, die an das Gefühl herankommen.«

Ihre Cousine lebte auf. »Ja, ich verstehe, was du meinst. Ich fand den Namen deines Geschäftes von Anfang an toll. Temptation … das ist perfekt.« Dann runzelte sie die Stirn. »Aber ist es nicht langweilig, jedes Jahr das Gleiche zu tun?«

»Es gibt ganz schön viel Abwechslung, glaube mir.« Carlina lächelte. »Die Lingerie-Industrie bewegt sich vielleicht nicht ganz so rasant wie die Kommunikationsbranche, aber Veränderungen gibt es trotzdem. In einigen Tagen werde ich zum Beispiel das erste mal an der Fiera di Natale, der Weihnachtsmesse, teilnehmen.«

»Ja, davon habe ich gehört. Organisiert die nicht die Frau des Bürgermeisters?«

»Ja, es ist ein Projekt von Sabrina. Ihr Traum ist es, die Geschäftsfrauen von Florenz zu unterstützen, und dadurch entstand das Konzept der Weihnachtsmesse. Erinnerst du dich an meine Schulfreundinnen Francesca, die Glasbläserin, und Rosanna, die diesen tollen Blumenladen hat?«

»Nö.« Annalisa zuckte mit den Schultern. »Es sei denn, du meinst diese winzige Frau, die wie eine Kreuzung aus einem Troll und einem Farn aussieht?«

Carlina lachte. »Das ist Rosanna. Sabrina hat Rosanna und Francesca beide eingeladen und zusätzlich noch einige andere, um die Handwerkskunst von Florenz vorzustellen.«

»Hmm.« Annalisa blickte auf einen bestickten BH. »Aber die Unterwäsche, die du verkaufst, ist ja nicht wirklich florentinische Handwerkskunst, oder? Wie kommt es, dass du auch eingeladen worden bist, teilzunehmen?«

»Sie hatten noch Plätze frei, also hat Rosanna mich vorgeschlagen. Ich habe daraufhin ein Konzept für Spitzenunterwäsche entworfen. Die Spitze ist von Bartosti.«

Annalisa schüttelte sich vor Lachen. »Bartosti? Die große Spitzenfirma? Das ist ja wohl ein Scherz.«

Carlina schluckte. »Hör auf zu lachen. Meine Unterwäsche hat absolut nichts mit ihren normalen Toilettenrollenüberziehern zu tun. Sie ist sexy, das kannst du mir glauben.«

»Spitzenüberzieher für Popos.« Annalisa schüttelte den Kopf. »Ich frage mich, was du als nächstes anstellen wirst?«

Carlina suchte nach einem anderen Gesprächsthema. Sie hatte Wochen harter Arbeit darauf verwandt, etwas mit Bartosti zu entwickeln, was ihr gut gefiel, und sie fand die Vorstellung, dass ihre Kunden beim Gedanken an Spitzenunterwäsche von Bartosti in Gelächter ausbrachen, gar nicht gut. Vielleicht würden die anderen Leute nicht wie Annalisa reagieren. War es ein Fehler gewesen, sich mit so einem traditionellen Hersteller zusammenzutun?

»Kann ich dieses Super-Spitzen-Unterwäscheteil mal sehen?«, fragte Annalisa.

»Nein.« Carlina presste die Lippen zusammen. »Komm am 23. Dezember zur Messe, dann kannst du alles sehen.« Und wehe du lachst vor Fremden über meine Arbeit.

Annalisa runzelte die Stirn. »Bist du nicht ein kleines bisschen empfindlich?«

Carlina versuchte, sich in den Griff zu bekommen. Ja, sie war empfindlich, verdammt noch mal. Es war ihre Arbeit, ihr Leben, und das ganze Projekt war völlig neu, etwas, das sie noch nie zuvor ausprobiert hatte. Besser, das Thema zu wechseln. »Ich habe etwas für dich, was dir gefallen wird.«

Sie ging in den winzigen Lagerraum im hinteren Bereich des Ladens. »Komm hierher.«

Um mehr Platz zu schaffen, hatten sie zwei Reihen an Regalen voreinander installieren lassen. Die vordere war auf Räder gesetzt, die in Schienen liefen, sodass sie sie zur Seite schieben konnte, wenn sie an die Badezimmertür heran musste. Mit einer geübten Bewegung ihres Handgelenkes schob sie das vordere Regal zur Seite und griff in das Fach dahinter.

Annalisa schaute sich um. »Das erinnert mich immer an eine Kombüse hier. Jeder Millimeter wird genutzt.«

Carlina lachte. »Damit hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich habe mir einen Yachtbauer geholt, als ich die Einrichtung zusammengestellt habe. Er hatte tolle Ideen.« Sie zog eine flache Schachtel aus dem Regal und öffnete sie.

Ihre Cousine kaute auf ihrer Unterlippe. »Weißt du, so langsam verstehe ich, warum du deine Arbeit so spannend findest.«

Na, immerhin. »Das ist erst der Anfang. Schau mal hier.«

»Nylonstrumpfhosen?« Annalisa hob die schmalen Augenbrauen. »Was ist denn daran so besonders?«

»Diese sind mit der allerneuesten Technologie gewebt worden. Sie bekommen keine Laufmaschen.«

Annalisas Augen weiteten sich. Mit den Fingerspitzen berührte sie das weiche Material. »Keine Laufmaschen mehr?«

»Ja. Ricciarda und ich haben es ausprobiert.« Carlina strahlte sie an. »Es ist eine ganz besondere Webart, die dafür sorgt, dass ein kleines Loch am Zeh ein kleines Loch bleibt und nicht bis zur Hüfte hochläuft.«

Annalisa blinzelte. »Soll das heißen, die halten jetzt ein Leben lang?«

Carlina lachte. »Nein. Es ist immer noch ein sehr zartes Material. Aber zumindest halten sie jetzt länger.«

»Wow. Das ist cool.« Annalisa neigte den Kopf, um besser sehen zu können. »Aber ist das nicht schlecht fürs Geschäft? Ich meine, die Leute kaufen doch dann weniger Nylonstrumpfhosen, wenn sie nicht mehr so schnell kaputtgehen.«

»Nein.« Carlina lächelte. »Ich habe zufälligerweise die exklusiven Rechte an diesen Strumpfhosen in Florenz. Zwei ganze Monate lang habe ich hart verhandeln müssen, bevor sie der Vereinbarung zugestimmt haben.« Die Erinnerung daran erfüllte sie mit Stolz. »Selbst wenn die Strumpfhosen später überall erhältlich sein werden, werden die Leute teurere Nylons kaufen, jetzt, da sie länger halten, also geht für mich die Rechnung auf.« Sie hielt ihr die Packung entgegen. »Hier, das Paar ist für dich. Ich fange morgen offiziell mit dem Verkauf an, aber du bekommst ein paar Stunden Vorsprung.«

Annalisas Gesicht leuchtete auf. »Wow, das ist super. Vielen Dank.« Sie schob die Packung in ihre goldene Handtasche und schaute sich in dem kleinen Lagerraum um. »Weißt du, ich glaube, dein Geschäft ist doch irgendwie faszinierend.«

Carlina musste lachen. Sie hatte den Ärger von vorhin schon fast vergessen.

»Sagt die abgeklärte Zwanzigjährige, die denkt, dass sie über das Alter hinaus ist, in dem man noch Spaß haben kann.«

Annalisas Lächeln zeigte eine Reihe perlweißer Zähne. »… und die außerdem kurz vorm Verhungern ist.«

Wie wunderschön sie aussieht. Carlina machte eine Handbewegung Richtung Tür. »Raus mit dir. Ich bin jetzt fertig. Wir können zu Gino's laufen.«

Annalisa gehorchte mit einem Schaudern. »Laufen? Aber das Wetter ist fürchterlich.«

»Es regnet nicht und nach all diesen Stunden im Laden brauche ich ein wenig frische Luft.« Carlina schaltete das Licht mit Ausnahme der Schaufensterbeleuchtung aus. Ein scharfer Wind zerrte an ihren Jacken, als sie Temptation verließen.

»Brrr.« Annalisa hob die Schultern. »Bist du sicher, dass du laufen willst?«

»Auf der Vespa ist es nicht wärmer.« Carlina schloss die Tür und stellte die Alarmanlage an. Die attraktive Lage von Temptation auf der Via de' Tornabuoni war ein häufiges Ziel von Dieben.

Annalisa schaute sie erschrocken an. »Aber ich spreche doch nicht von deiner Vespa! Hast du denn noch nie von Taxis gehört?«

Carlina nahm ihre Cousine am Arm und lief mit ihr die historischen Häuser Richtung Arnoufer entlang. Festliche Weihnachtsbeleuchtung glitzerte in den Schaufenstern der Luxusgeschäfte, an denen sie vorbeiliefen. »Ach, jetzt stell dich nicht so an. Du bist doch nicht aus Zucker.« Sie holte tief Luft. »Der Wind ist so belebend!«

Annalisa warf ihr einen Blick zu, der Bände sprach. Eine plötzliche Böe wirbelte ihre roten Haare hoch, sodass sie für einen Augenblick wie eine Hexe aussah, die auf einem Besen vorbeiflog.

Carlina zog den Schal enger um ihren Hals. »Wie komisch, ich hätte gedacht, dass mehr Leute unterwegs sind, nur eine Woche vor Weihnachten.«

»Nicht um neun Uhr abends.« Annalisa hielt ihr Haar mit einer Hand zurück. »Jeder anständige Laden hat schon vor Stunden geschlossen, nur du hast darauf bestanden, noch länger zu arbeiten.«

»Ich musste noch die Nylons auspacken. Ich hoffe, dass es morgen einen großen vorweihnachtlichen Andrang geben wird, denn ich habe diverse Anzeigen geschaltet.« Carlina vergrub die Hände tief in den Taschen ihrer roten Jacke. »Ich bin so froh, dass sie rechtzeitig angekommen sind. Sie wurden im Zoll aufgehalten. Ich habe schon befürchtet, dass die Leute morgen alle ins Geschäft stürmen würden und ich keine Ware hätte.« Sie lachte ihre Cousine an. »Und du sagst, mein Job wäre langweilig. Er ist spannender als jeder Thriller!«

Annalisa lachte. »Ne, ist klar.«

Sie kamen auf den Lungarno Corsini und bogen links ab.

Annalisa warf einen Blick auf den Arno. »Das Wasser sieht furchtbar aus. So grau und dreckig.«

Carlina lehnte sich über die Steinmauer, die den Bürgersteig von der steilen Böschung trennte. Ihr Blick schweifte über die Häuserreihe an der anderen Uferseite. Grüne Fensterläden aus Holz, rote Ziegeldächer, weiche Farben der Häuserfronten … Cream, ausgeblichenes Terrakotta und leichtes Gelb wechselten einander ab, sodass es ein harmonisches Ganzes ergab. Jedes Haus hatte eine andere Höhe. Einige waren schmal, krumm vor Alter, andere breit und trutzig; einige Fenster hatten Bögen, andere schmiedeeiserne Gitter, manche leere Blumenkästen. Die Gebäude sahen alle ein wenig mitgenommen aus, als ob sie mit zusammengebissenen Zähnen im eisigen Wind stünden, aber sie standen, so, wie sie es schon seit Jahrhunderten taten.

Sie lächelte und drehte den Kopf, um den Blick auf die Ponte-Vecchio-Brücke zu genießen. Sie war über die ganze Länge mit kleinen Läden verbaut. Zusätzliche Räume klebten wie quadratische Käfer an den Rückseiten der Läden. Es sah nicht sehr stabil aus, wie sie da über dem schäumenden Wasser hingen.

Ein Gefühl der Zärtlichkeit kam in ihr auf. Zufrieden holte sie tief Luft. »Kein Wunder, dass die Touristen in Begeisterungsstürme verfallen, wenn sie die Ponte Vecchio sehen. Sie ist so … so italienisch. Diese Brücke könnte nirgendwo sonst auf der Welt stehen.«

Annalisa hob eine Augenbraue. »Da spricht deine amerikanische Seite. Ich merke immer wieder, dass du nur halbe Italienerin bist, sonst würdest du so etwas nicht sagen. Die Brücke ist vollkommen marode. ›Völliger Verfall‹ bringt es also eher auf den Punkt.«

Carlina schüttelte den Kopf. »Das denkst du nur, weil du hier geboren bist. Ist es nicht faszinierend darüber nachzudenken, wie einzigartig diese Brücke ist, weil sie mit der Zeit gewachsen ist und immer wieder an neue Bedürfnisse angepasst wurde? Hier noch ein krummer Raum hinzugefügt, dort noch eine Schicht Farbe, die dann wieder abblätterte, sodass man das Alter der Brücke sieht? Genau das macht sie so unwiderstehlich.«

Annalisa beäugte sie. »Na, wenn man unwiderstehlich wird, weil die Farbe abgeblättert ist, dann lass uns jetzt sofort einen Eimer kaufen gehen.« Sie hakte sich bei Carlina unter und zog sie von der Steinmauer weg. »Jetzt komm über deinen romantischen Augenblick hinweg. Es ist saukalt und selbst wenn du hier gern mit der Poesie herumflirtest, heißt das ja nicht, dass ich eine Lungenentzündung bekommen muss.«

Carlina grinste und folgte ihrer Cousine. »Ich frage mich, was passieren muss, damit du romantische Gefühle entwickelst.«

»Das ist ganz einfach.« Annalisas Blick war der einer zufriedenen Katze. »Ein Flasche mit goldenem Champagner, ein brandneues Paar funkelnder Diamantohrringe und ein Whirlpool mit Rosenblättern.«

»Ein Whirlpool mit Rosenblättern würde doch sofort verstopfen.«

Annalisa schaute sie böse an. »Und wer ist jetzt unromantisch? Ehrlich, Carlina, ich mache mir Sorgen um dich. Du kommst ins Schwärmen, wenn du eine alte Brücke siehst, die auseinanderfällt, aber wenn es um Whirlpools geht, sprichst du wie eine Putzfrau.« Ihre hohen Absätze klapperten auf den unebenen Pflastersteinen. »Außerdem verstopft er gar nicht. Ich hab's ausprobiert.«

Carlina blieb stehen. »Du hast es ausprobiert? Wer hat einen Whirlpool? Und wer war dumm genug, Rosenblätter hineinzuwerfen? Erzähl mir nicht, dass Tonio dich für einen Tag in den Spa eingeladen hat. Das ist so gar nicht sein Stil.«

Annalisa hob ihr Kinn. »Tonio ist Geschichte. Schon lange.«

Carlina blinzelte. »Du meinst fünf Tage.«

»Woher weißt du das?«

»Weil er vor sechs Tagen noch bei uns zu Abend gegessen hat, und damals sah es nicht so aus, als ob er Geschichte wäre.«

»Na, wenn schon.« Annalisa hatte für Tonio nur noch ein gleichgültiges Achselzucken übrig. »Ich habe mich verliebt. Diesmal ist es ganz anders.« Sie drehte sich um und überquerte die Straße, um zum Restaurant zu gelangen.

Das habe ich schon mal gehört. Carlina folgte ihr, ohne ein Wort zu sagen.

»Du brauchst gar nicht so missbilligend zu schauen.« Annalisa blickte ihre Cousine verteidigend an. »Er ist älter … und … und anders. Er ist nicht mehr grün hinter den Ohren.«

»Hmm.« Carlina hielt ihr die Tür zu Gino's Restaurant auf. »Komm erst mal rein. Du kannst mir alles erzählen, während wir essen.«

Zwanzig Minuten später inhalierte Carlina den aromatischen Duft des Hasenragouts mit Gnocchi vor ihr. »Das ist genau das richtige Essen für einen kalten Winterabend.« Sie genoss den ersten Bissen schweigend und lächelte. »Der erste Bissen ist immer der beste, findest du nicht?«

Ihre Cousine antwortet nicht, aber Carlina merkte das gar nicht, sie war einfach zu glücklich über ihr Essen. »Ich glaube, das liegt daran, dass sich die Geschmacksnerven noch nicht an das Erlebnis gewöhnt haben«, fuhr sie fort.

Annalisa seufzte und knabberte weiter an ihrem Salatblatt. »Führe mich bitte nicht in Versuchung.«

»Warum hast du nicht auch das Ragout genommen?« Carlina runzelte die Stirn. »Du bist nicht zu dick.«

Ihre Cousine biss die Zähne zusammen. »Das muss auch so bleiben. Ich muss perfekt sein.«

Ach, du Schreck. Carlina blies vorsichtig auf das Ragout, um es abzukühlen, und warf Annalisa einen fragenden Blick zu. »Ist der neue Lover sehr fordernd?«

»Nein.« Annalisa spießte ein Stück Salat mit der Gabel auf. »Aber ich habe einen Plan. Einen großen Plan. Darum gehe ich lieber kein Risiko ein.« Sie holte tief Luft. »Ich möchte, dass er mich heiratet.«

Carlina ließ die Gabel fallen. »Wie bitte?«

Annalisa beendete hastig ihr Geständnis. »Er ist reich und er ist gutaussehend und …«, sie seufzte sehnsüchtig auf, »so erfahren. Nach ihm kann ich niemals wieder zu einem jüngeren Mann zurückkehren.« Ihr Gesicht zuckte. »Außerdem muss er sich langsam zur Ruhe setzen.«

Carlina schluckte. »Und weiß er das schon?«

»Noch nicht.« Annalisas Gesicht verdunkelte sich. »Ich habe versucht, ihm einen kleinen Hinweis zu geben, und er hat ein wenig … seltsam reagiert.« Sie schüttelte sich. »Aber es gibt Mittel und Wege, darüber hinweg zu kommen. Ich glaube ihm absolut nicht, wenn er sagt, dass nach den Ferien alles vorbei sein wird. Immerhin hat er noch nie eine Frau wie mich getroffen.« Sie schob sich eine Strähne ihres roten Haares aus der Stirn.

Ein fürchterlicher Gedanke durchzuckte Carlina. Ein Mann, reich und gutaussehend, hier über die Weihnachtsferien, ihre wunderschöne Cousine mit rotem Haar … Sie schnappte nach Luft und setzte sich gerade hin. »Sag mir bloß nicht, dass dein Lover Trevor heißt?«

Annalisas Mund blieb offen stehen. »Woher weißt du das?«

»Madonna.« Carlina blinzelte. »Lass ihn fallen, Annalisa. Auf der Stelle.«

»Bist du verrückt geworden?«

»Du wirst ihn nicht bekehren können, das verspreche ich dir.« Carlinas Stimme wurde lauter. »Er wird dir nur das Herz brechen.«

»Nein, das wird er nicht.« Annalisa überkreuzte die Arme vor ihrer beeindruckenden Brust und funkelte Carlina an. »Ich schaffe das. Ich weiß es genau.«

»Unter gar keinen Um –« Carlina brach ab. Es würde sie nicht weiterbringen, wenn sie Annalisa in Rage brachte. Je mehr sie jetzt protestierte, umso weniger würde Annalisa zu ihr kommen, wenn sie Hilfe brauchte.

»Woher weißt du überhaupt so viel über ihn?«

Carlina blickte sie an. Ich muss es ihr sagen, selbst wenn es brutal klingt. »Wann immer er in der Stadt ist, kauft er Unterwäsche für seine aktuelle Geliebte.«

Annalisa warf die Gabel auf den Tisch. »Du lügst.«

»Nein.« Carlina wollte sie gleichzeitig umarmen und schütteln. Sie biss sich auf die Lippen. Das ganze Wohlgefühl, das sie gerade noch empfunden hatte, war verschwunden. »Ich wünschte, du hättest ihn nie kennengelernt.«

»Wie kannst du das sagen?« Annalisa sah sie wütend an. »Er ist das Beste, was mir je geschehen ist. Zum ersten Mal im Leben fühle ich mich richtig lebendig. Du könntest dir genauso gut wünschen, dass ich tot wäre.«

Carlinas Mund wurde trocken. »Ich wünschte mir eher, dass er tot wäre.«

III

»Bist du noch wach?« Die SMS erleuchtete Carlinas dunkles Schlafzimmer wie eine außerirdische Präsenz, die in einer kleinen Kapsel auf ihrem Nachttisch gelandet war.

Carlina lächelte, nestelte den Arm unter ihrer Leoparden-Bettdecke hervor, schnappte sich das Telefon und rief Stefano an. »Kaum«, sagte sie anstelle einer Begrüßung.

»Dann habe ich Glück gehabt.«

Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören und versuchte, ihn sich vorzustellen. Seine hellen Augen und sein schmales Gesicht sahen normalerweise so herb aus, doch wenn er lächelte, war er ganz verändert.

»Ich wollte nur fragen, ob du Zeit hast, morgen mit mir essen zu gehen«, sagte er.

Ihr Herz schlug einen Purzelbaum. Sie hatte ihn seit Wochen nicht gesehen, nein, eher seit Monaten.

»Ich weiß, dass es vielleicht zu viel verlangt ist, so kurzfristig.« Er klang nervös.

Garini und nervös?

Er fügte hinzu: »Du bist vermutlich ganz erschöpft vom Weihnachtsgeschäft.«

Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Morgen war der Launch der Nylonstrumpfhosen. Sie würde am Ende des Tages völlig erledigt sein. Sie würde wie eine Krähe aussehen. Doch sie gab keinen Pfifferling darauf. »Nein, das ist kein Problem.« Sie lächelte. »Solange ich den ganzen Abend sitzen kann.«

Er lachte. »Das kann ich arrangieren.«

Sie wollte nicht, dass er auflegte. Sie wollte, dass er noch einmal lachte. Sein Lachen erfüllte sie, warm und stark, wie ein Feuer. »Bist du sicher, dass dein wunderbarer Chef dir nicht wieder eine Leiche vor die Füße wirft, in der Sekunde, in der du gehen willst?« Sein Boss hatte genau das getan. Zweimal schon. Na schön, vielleicht war es normal für einen Inspektor bei der Mordkommission, ständig Leichen auf die Tagesordnung gesetzt zu bekommen, aber das Timing war wirklich katastrophal gewesen.

»Ich habe ihm gesagt, dass ich, selbst wenn halb Florenz im Bett ermordet wird, dennoch freinehmen werde.« Seine Stimme hatte diesen leicht ironischen Unterton, dem sie irgendwie komplett verfallen war.

Carlina lachte leise. »Was für eine dramatische Formulierung.«

»Das sind seine Worte, nicht meine. Wann immer ein Fall nach seinem Geschmack nicht schnell genug gelöst wird, fragt er mich, ob die Einwohner von Florenz noch sicher in ihren Betten sind. Er behauptet, es sei der Bürgermeister, der das fragt, aber ich weiß es besser.«

»Woher weißt du das?« Carlina streckte sich und wackelte mit den Füßen. Ich werde ihn morgen sehen. Ihr ganzer Körper kribbelte bis in die Fußspitzen vor Freude.

»Der Bürgermeister wurde neu gewählt, aber die Frage ist immer noch die gleiche.«

Carlina lachte. »Verstehe.«

»Ganz im Ernst, es tut mir leid, dass ich dich schon so oft versetzt habe.«

»Es ist nicht dein Fehler. Natürlich musstest du dich um deinen Vater kümmern, als er sich das Handgelenk gebrochen hat.« Er hatte einen ganzen Monat gebraucht, um wieder fit zu werden. Sie hatte die Tage gezählt.

»Ich wusste, dass du das verstehen würdest. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so viel Familiensinn hat wie du.« Seine Stimme neckte sie.

»Nun, morgen werden wir nicht absagen, egal, was auch passiert. Familie und Mordfälle werden ignoriert.« Als die Worte heraus waren, durchlief sie ein leichtes Zittern. Hatte sie das Schicksal herausgefordert? Carlina schüttelte sich. Blödsinn. Sie hatte eine Verabredung mit einem vielbeschäftigten Mann. Das war alles.

Er lachte. »Einverstanden. Soll ich dich um acht zu Hause abholen?«

»Ja.« Dann hatte sie noch genug Zeit für eine Dusche und um sich umzuziehen, sogar, wenn der Laden noch später als sonst geöffnet sein sollte. Gott sei Dank hielt Florenz sich noch an die traditionellen Öffnungszeiten.

»Schlaf gut, Carlina.«

»Gute Nacht.«

Sie kuschelte sich mit einem glücklichen Seufzer unter die Decke. Morgen würde sie ihn sehen. Sie konnte ihn auch um Rat fragen, wie sie Annalisa am besten beschützen könnte.

Alles wird gut.

Kapitel 2

I

Carlina wachte früh auf. Alles in ihr summte vor Erwartung. Sie zog eine der neuen Nylonstrumpfhosen in schwarz an, einen kurzen Rock, der um sie herumwirbelte, wenn sie sich drehte, und kombinierte beides mit einem weichen Pulli, der an den Armen und am Hals mit unechtem Leopardenfell besetzt war. Sie lächelte, als sie in den Spiegel schaute. Sie sah wie eine Katze aus. Wie eine schnurrende, glückliche Katze.

Sie trank rasch eine Tasse starken Kaffee, dann rannte sie eine Stunde früher als sonst die Treppe hinunter. Ihre Hand berührte das glatte Holz des Geländers, das vom obersten Stock, wo sie ihre Wohnung hatte, bis ganz nach unten führte. Einen Stock unter ihr lag die Wohnung ihrer Mutter, in der noch alles still war. Gott sei Dank.

Zwei Stockwerke tiefer hielt sie für einen Augenblick inne und legte ein Paket, das ein Paar der neuen Nylonstrumpfhosen enthielt, vor Emmas Tür. Emma würde verstehen, dass es ein kleines Dankeschön für ihre Hilfe bei der Weihnachtsdekoration von Temptation war.

Sie summte, als sie im Erdgeschoss ankam, wo ihr Großonkel Teo lebte. Er trat in dem Moment aus seiner Wohnung, als sie die schwere Holztür des Hauseingangs öffnete.

Onkel Teo war einen Kopf kürzer als Carlina, und seine weißen Haare standen in Büscheln nach oben. Er war wie immer sorgfältig gekleidet, seine Hosen schnurgerade und mit Bügelfalte, sein weißes Hemd makellos. »Du bist heute aber früh dran, Carlina.«

Sie küsste seine ledrige Wange. Er roch nach Aftershave. »Ja, ich habe heute eine ganz besondere Aktion. Es ist ganz aufregend.«

Er nickte. »Ich weiß. Die unzerstörbaren Nylonstrumpfhosen, richtig?«

Carlina lachte. »Ja. Wie genau du dir alles merkst, was ich erzähle, ist erstaunlich.« Er sieht so sehnsüchtig aus. Ich glaube, er ist einsam. Es scheint so lange her zu sein, dass diese grässlichen Morde passiert sind, doch es sind erst ein paar Monate. Ich muss wirklich etwas finden, was ihn interessiert.

»Natürlich erinnere ich mich an die unzerstörbaren Strumpfhosen.« Er lächelte sie an. »Habe einen erfolgreichen Tag, meine Liebe, und erzähle mir heute Abend alles.«

»Heute Abend werde ich nicht zu Hause sein.« Hoffentlich. »Aber ich erzähle dir dann später davon, okay?«

Seine rheumatischen Augen blitzten auf. »Aha. Deshalb hast du schon die ganze Zeit gesummt, als du die Treppe heruntergekommen bist.«

Sie drehte sich so schnell um, dass ihr Rock sich wie ein Teller ausbreitete. »Du bist viel zu schlau, Onkel Teo, hat dir das schon mal jemand gesagt?« Sie zwinkerte ihm zu und winkte. »Hab einen schönen Tag!« Die Tür schloss sich hinter ihr mit einem Knall, aber sie wurde sofort wieder geöffnet.

Onkel Teo streckte seinen Kopf heraus. »Wirst du mir wirklich alles erzählen?«

Sie warf ihm über die Schulter ein Grinsen zu. »Natürlich nicht!« Dann eilte sie zu ihrer Vespa.

Weil sie noch genug Zeit hatte, hielt sie an der Bäckerei direkt neben der Basilica di Santa Trìnita und kaufte einen Karton der flachen Copate Kekse für ihre Assistentin Ricciarda und sich selbst. Die Mandeln und der Zucker würden ihnen schnelle Energie liefern, falls es zu hektisch werden sollte, um Mittag zu essen. Und das Esspapier auf beiden Seiten würde ihre Hände davor bewahren, klebrig zu werden. Die perfekte Überbrückungsmahlzeit … Obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass sie sie heute nicht brauchen würde, denn dank des Adrenalins, das sie jetzt schon im Blut hatte, fühlte sie sich, als ob sie locker den ganzen Tag durchhalten würde.

Carlina summte immer noch, als sie die Tür zu Temptation aufschloss. Mit einem Lächeln hängte sie das Schild auf, das sie für das Schaufenster vorbereitet hatte. ›Mai più smagliature!‹ stand darauf, ›Nie wieder Laufmaschen! ‹«

Eine Minute später erschien Ricciarda. Auch sie trug einen kurzen Rock und eine der neuen Strumpfhosen, die Carlina ihr gegeben hatte. Carlina lächelte. Sie hatten nicht darüber gesprochen, aber Ricciarda wusste, dass man Produkte am besten verkaufte, wenn man sie selbst trug … was in einem Unterwäschegeschäft normalerweise selten zur Geltung kam. »Du siehst toll aus.«

Ricciarda lächelte. »Du auch.« Ihr schwarzer Pferdeschwanz schimmerte in dem Winterlicht, das durch die Fenster fiel. »Sollen wir wetten, wie viele Strumpfhosen wir heute verkaufen werden?«

Carlina lachte. »Ich habe keine Ahnung. Es ist ja ein völlig neues Produkt. Zwanzig? Fünfundzwanzig?«

»Mindestens vierzig.« Ricciarda streckte ihre Hand aus. »Die Gewinnerin kauft der anderen eine Schachtel Copate Kekse.«

Carlina ergriff die Hand. »Einverstanden. Aber dreimal darfst du raten, was ich heute schon gekauft habe.«

»Perfekt.« Ricciarda ging hinter den Verkaufstresen und blieb erstaunt stehen. »Was ist denn das?« Sie zeigte auf vier glänzende, prall gefüllte Tüten.

»Die werden später von einem Kurier des Garibaldi Hotels abgeholt.« Carlinas Lächeln war etwas schief. Gestern, als sie Trevor die zarte Spitze verkauft hatte, hatte sie nichts als Zufriedenheit verspürt. Heute, in dem Wissen, dass Annalisa sie tragen würde, hatte sich ihre Wahrnehmung so sehr verschoben, dass sie ihr Triumphgefühl des Vortages nicht mehr nachvollziehen konnte.

Ihre Assistentin hob eine Augenbraue. »Wow. Sieht aus, als ob du gestern super Umsatz gemacht hättest.«

»Na ja.« Carlina zuckte mit den Schultern. »Trevor ist wieder in der Stadt.«

Ricciarda beugte sich über die Taschen und schaute hinein. Ihr schwarzer Pferdeschwanz glitt über ihre Schulter und berührte das goldene Temptation-Logo auf der Tasche. »Trevor? Kenne ich ihn?«

»Noch nicht. Sein Name ist Trevor V. Accanto, und er ist ein unglaublich reicher Amerikaner, der jedes Jahr zu Weihnachten nach Florenz kommt.«

Ricciarda drehte sich zum Regal und schob einige Bügel in die richtige Position. »Kauft er immer so viel Unterwäsche für seine Frau?«

Carlina unterdrückte einen Seufzer. »Sie ist nicht für seine Frau.«

»Oh.« Ricciarda warf Carlina über die Schulter einen wissenden Blick zu. Ihre blauen Augen waren weit geöffnet. »Also einer von denen, ja?«

»Hmm. Aber sehr charmant.«

»Das sind sie meistens.« Ricciardas Stimme klang trocken.

»Ja, leider.« Carlina ging in den winzigen Lagerraum am Ende ihres Geschäftes, um weitere Taschen zu holen. Sie musste das Loch stopfen, das Trevors Kaufrausch in ihre Auslagen gerissen hatte.

»Ich wünschte, es wäre nicht so«, sagte Ricciarda hinter ihr.

»Du wünschtest, Männer wären nicht charmant?« Carlina bückte sich, um die Taschen hochzuheben und ging wieder nach vorne in den Laden zurück.

Ricciarda schnaubte. »Nein. Ich wünschte, die charmanten Männer hätten nicht so viel Macht über uns.« Ihre Stimme klang bitter.

Überrascht bliebt Carlina stehen, die Arme voller glänzender Taschen. Sie hatte Ricciarda erst vor kurzem eingestellt, doch bis jetzt hatte ihre Assistentin nie durch das leiseste Zeichen verraten, dass sie etwas gegen Männer hatte. Im Gegenteil, sie wusste genau, wie sie mit ihnen umgehen musste und vermittelte ihnen das Gefühl, willkommen zu sein, ohne die Grenzen zu überschreiten. Vielleicht klang sie so missbilligend, weil sie eine überzeugte Katholikin war und strenge moralische Grundsätze hatte? Carlina wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie kannte Ricciarda nicht gut genug, um persönliche Fragen zu stellen, und vielleicht hatte sie sich den bitteren Hauch in ihrer Stimme auch nur eingebildet.

Ricciarda schaute sich um. »Wir sind bereit für die Schlacht, oder?« Sie klang wieder ganz normal. Der Augenblick, über Gefühle zu sprechen, war vorbei.

»Ja«, antwortete Carlina. »Aber wenn du wirklich glaubst, dass wir heute vierzig Paar verkaufen werden, dann packe ich noch ein paar Kartons hinten aus. Nur, um vorbereitet zu sein.«

Sie verschwand hinter dem Vorhang, der den Lagerraum vom Laden trennte. Es war noch ruhig und Ricciarda würde vorne gut alleine zurechtkommen.

Carlina nahm einen Klappstuhl vom Haken an der Wand, klappte ihn auf und setzte sich hin. Dann zog sie einen Karton mit Nylonstrümpfen zu sich heran und schnitt ihn mit ihrem Cuttermesser auf. Mit routinierten Bewegungen füllte sie die Fächer im Regal nach Größen. Ihre Gedanken sprangen immer wieder zu Stefano Garini, als wären sie an ein Gummiband gebunden. Immer, wenn sie sich nicht auf etwas anderes konzentrierte, schnappten sie sofort zu ihm zurück. Sie mochte ihn. Sehr. Und sie konnte an seinen Augen ablesen, dass er sie auch mochte. Zumindest schien es ihr so, wann immer er in Temptation vorbeikam, um für einen Augenblick mit ihr zu plaudern.

Es war wirklich unglaublich, dass sie in der gleichen Stadt lebten, so nah beieinander, und es einfach nicht schafften, sich mal richtig zu verabreden. Wie das Unglück es wollte, hatte Stefanos Vater sich am Tag, nachdem Stefano den Mörder ihres Großvaters gestellt hatte, das Handgelenk gebrochen. So hatte sie ihn kennengelernt. Obwohl es erst im September gewesen war, schien das schon lange her. Carlina erinnerte sich schweren Herzens an ihren verrückten Großvater. Es würde das erste Weihnachtsfest ohne ihn sein. Konzentriere dich lieber auf Stefano und eure Verabredung heute Abend. Sie hätten sich schon viel früher treffen können, wenn sie nicht in den Urlaub gefahren wäre. Aber sie hatte den Urlaub schon Monate vorher gebucht, denn der November war generell ein schwacher Umsatzmonat. Während der drei Wochen im sonnigen Martinique hatte sie viel zu häufig an Stefano gedacht. Als sie zurückgekommen war, war er mitten in einem stressigen Fall gewesen und hatte Tag und Nacht gearbeitet. Dann war er in Skiurlaub gefahren und hatte seine Schwester in der Schweiz besucht.

Und jetzt, endlich, waren beide wieder in der Stadt. Vielleicht sollte sie vorschlagen, heute Abend weiter weg zu fahren, um ihre Familie, die überall in der Stadt verstreut lebte, zu meiden. Es wäre einfach zu schrecklich, wenn sie zufälligerweise auf ihre Mutter träfen oder auf einen ihrer Millionen Cousins. Sie waren so neugierig, dass sie sich ohne jegliche Scheu sofort an ihre Fersen heften würden.

Tonight, tonight. Plötzlich erkannte sie die Melodie, die sie schon den ganzen Tag lang gesummt hatte. West Side Story. Du lieber Himmel, es hatte sie echt erwischt. Sie schnitt den leeren Karton in Stücke und stopfte ihn in den Mülleimer.

Ricciarda lachte, dann hörte Carlina leises Stimmengemurmel.

Sie war so tief in ihre Gedanken versunken gewesen, dass sie die Ankunft des ersten Kunden gar nicht mitbekommen hatte.

Carlina schob den Vorhang zur Seite und erstarrte. Es war Trevor. Er beugte sich nach vorne, sein attraktives Gesicht nahe an dem Ricciardas. Sie lächelte ihn an, während sie vier BHs und passende Höschen auf den Verkaufstresen legte. Natürlich hatte sie keine Ahnung, wer er war. Zusammen sahen sie perfekt aus, wie ausgeschnitten aus einer Werbeanzeige für Familienshampoo oder Schokolade.

Annalisas entschiedenes Gesicht erschien vor Carlinas geistigem Auge. Ein Schauer überlief sie. Ich möchte nicht mit ihm sprechen. Sie blieb, wo sie war.

»Ich nehme die Sachen nicht gleich mit«, sagte Trevor. »Verstauen Sie sie einfach in meinen Taschen, die dort hinten stehen. Ich habe der Rezeptionistin vom Garibaldi Hotel gesagt, dass sie den Kurier vor Mittag senden soll.«

Ricciardas Augen weiteten sich. Sie starrte Trevor an, als ob ein Gespenst vor ihr erschienen wäre.

Carlina lief zu ihnen, ohne darüber nachzudenken. »Hallo, Trevor. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du reingekommen bist.«

»Carlina!« Er drehte sich zu ihr und küsste sie auf beide Wangen. »Was für eine charmante, schwarzhaarige Assistentin du hast!«

Carlina wurde schlecht. »Ja, sie ist super.« Sie versuchte, Ricciarda mit einem ermutigenden Lächeln zu stärken, doch deren Augen waren glasig.

Sprich. Sorg dafür, dass er redet. Lenke ihn ab. »Wie kommt's, dass du so früh unterwegs bist?«

»Ich wollte einmal den Arno entlang joggen, aber als ich an Temptation vorbeikam und sah, dass du schon geöffnet hast, dachte ich, ich sage kurz Hallo.«

Jetzt fiel ihr auf, dass er Turnschuhe und ein sportliches Outfit trug. Man sah ihm sein Alter wirklich nicht an. »Wie schön.« Sie hoffte, dass ihre Worte nicht so falsch klangen, wie sie sich anfühlten.

»Warum bist du so früh hier?« Er zwinkerte ihr zu. »Hattest du gar keinen Grund, länger im Bett zu bleiben?«

»Wir haben heute eine besondere Promotion.« Carlina antwortete automatisch sachlich und emotionslos. »Für Nylonstrumpfhosen, die keine Laufmaschen bekommen.«

»Ja, davon hat Ricciarda mir schon erzählt.« Er strahlte Ricciarda mit einem Tausend-Watt-Lächeln an. Sie stand wie eine Marmorstatue hinter dem Tresen. »Aber ich kaufe keine praktischen Kleidungsstücke. Sie sind nicht romantisch genug.«

»Das macht nichts.« Carlina schluckte. »Sie hat schon ein Paar.«

»Was?« Trevor runzelte die Stirn.

»Annalisa ist meine Cousine.« Ihr Blick traf seinen.

Seine Augenbrauen schnellten hoch. »Verstehe.«

»Ja.«

Keiner von ihnen bewegte sich. Es war so still, dass Carlina das leise Klirren eines Metallbügels hören konnte, der sich in der warmen Heizungsluft bewegte. Irgendetwas zwischen ihnen verschob sich. Es war, als ob ihre Freundschaft in tausend winzige Papierschnipsel geschnitten und in die Luft gepustet wurde, sodass sich, nachdem die einzelnen Schnipsel wieder hinabgesunken waren, ein neues Muster bildete, welches völlig anders war als zuvor.

Dann lächelte Trevor.

Für einen Augenblick konnte Carlina wieder das alte Bild erhaschen, aber der Wandel war zu tiefgreifend, zu drastisch. Sie konnte nicht zu ihren alten Wortgeplänkeln zurückkehren.

»Wirst du jetzt die Rolle der erbosten Mutter übernehmen?«, fragte er.

»Nein.« Carlina biss sich auf die Lippen. »Ich … ich möchte dich nur bitten, vorsichtig zu sein.«

»Vorsichtig?« Sein Ton verspottete sie. »Was genau meinst du, meine Liebe?«

»Ich meine …« Carlina schluckte. »Annalisa ist eine sehr entschlossene Frau.« Entschlossen, sich selbst zu verletzten. Wenn sie das bloß einsehen würde.

Ein Lächeln warf kleine Fältchen um seine Augen. »Ich habe Erfahrung mit entschlossenen Frauen.«

»… und jung.« Sie schaute ihm direkt in die Augen. Annalisa ist zu jung für eine Weihnachtsromanze.

»Ich weiß.« Trevor berührte Carlinas Arm. »Mach dir keine Sorgen. Ich habe alles unter Kontrolle.«

Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Das klang sehr nach den berühmten letzten Worten. Aber wenn sie ehrlich war, dann war es vermutlich wirklich Trevor, der die Dinge unter Kontrolle hatte. Annalisa würde diejenige sein, die verlieren würde. Annalisa würde zerstört werden, und sie sah keine Möglichkeit, das zu verhindern.

Trevor drehte sich auf dem Absatz herum, winkte ihnen beiden zu und verschwand.

Ricciarda schluckte so schwer, dass Carlina es sehen konnte. »Du hast recht«, sagte sie. »Er ist charmant.«

Das Klingeln des Telefons unterbrach sie. »Entschuldige bitte.« Carlina fischte ihr Handy aus der Handtasche und schaute aufs Display. Onkel Teo. Was möchte er denn jetzt? Wir haben doch erst vor einer knappen Stunde gesprochen. Carlina drückte auf den grünen Knopf. »Onkel Teo? Ist alles in Ordnung?«

»Natürlich, meine Liebe.« Onkel Teo klang ganz fröhlich.

Carlina konnte ein Lächeln nicht unterdrücken – es war halb genervt, halb zärtlich. Er ist ein neugieriger alter Schlumpf.

Onkel Teo sagte: »Ich habe mich nur gefragt, ob du signor Garini heute Abend eine Nachricht von mir überbringen kannst.«

Ich habe dir doch gar nicht erzählt, mit wem ich mich treffe. Carlina antwortete nicht.

»Carlina? Bist du noch am Telefon?« Ein Klappern verriet Carlina, dass ihr Großonkel begonnen hatte, das Telefon zu schütteln.

»Ja, ich bin noch hier. Wie lautet denn deine Nachricht?« So. Das war ein guter Kompromiss. Er konnte sein Anliegen loswerden und sie hatte keinerlei Informationen preisgegeben.

»Kannst du signor Garini daran erinnern, dass er mir zugesagt hat, ich könne mal bei der Polizeiarbeit helfen? Ihn bei den Ermittlungen unterstützen?«

Der bloße Gedanke an Onkel Teo auf der Jagd nach Verbrechern jagte Carlina einen Schauer über den Rücken. »Ich sag's ihm, wenn ich ihn sehe.«

»Ach, dann triffst du ihn heute Abend gar nicht?« Onkel Teo klang enttäuscht.

»Onkel Teo.« Carlina bemühte sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. »Ich bin kein Teenager mehr. Du brauchst nicht jede meiner Bewegungen zu überwachen.«

»Aber das tue ich doch überhaupt nicht!«

Sie konnte sich richtig vorstellen, wie er sich aufrichtete und das Kinn hob, während er das sagte.

»Ich bitte dich doch nur, meine Nachricht weiterzuleiten. Würdest du das tun, meine Liebe?« Die Frage endete mit einem ängstlichen Ton, der ihr ans Herz ging.

»Mache ich.«

»Das ist wunderbar. Vielen Dank.« Er klang wieder wie sein normales Selbst.

»Ciao Onkel Teo.« Mit einem Kopfschütteln legte sie wieder auf. Sie musste etwas finden, das ihn glücklich machte, und zwar schnell.

II

»Sind Sie das, Garini?« Cervi steckte den Kopf aus der Bürotür.

Stefano Garini unterdrückte einen Seufzer. Er hätte auf Zehenspitzen an der Tür vorbeischleichen sollen. »Ja?« Seine Stimme machte klar, wie ungern er reagierte.

»Kommen Sie mal einen Augenblick rein.«

Oh nein. Garini warf einen Blick auf die Uhr. Dreizehn Uhr. Noch sieben Stunden, bis er mit Carlina verabredet war. Cervi würde es doch nicht schon wieder schaffen, seine Pläne zu zerstören?

Das Büro roch nach Cervis Aftershave, benebelnd und süß. Die Luft war verbraucht, drückend und viel zu trocken. Stefano versuchte, durch den Mund zu atmen.

»Setzen Sie sich.« Cervi machte eine müde Handbewegung in Richtung der Lederstühle, die um einen Mahagonitisch in der Mitte des Büros standen. Mit einem Seufzer ließ er sich in einen der Stühle sinken und schaute seinen Mitarbeiter mit einem resignierten Blick an. »Ein Mann ist in der Basilica di Santa Trìnita tot aufgefunden worden. Er wurde erwürgt.«

Stefano biss die Zähne zusammen. Er wusste genau, was jetzt kommen würde, aber dieses Mal würde er sich wehren. »Haben Sie es Sergio gesagt?«

Cervi schüttelte mit trauriger Miene den Kopf. »Er hat sich heute Morgen krank gemeldet. Eine schwere Erkältung.«

Schon wieder! Stefano konzentrierte sich darauf, seine Stimme ruhig zu halten. »Sie haben mir versprochen, dass der nächste Fall von ihm übernommen werden wird.«

Cervi zuckte mit den Schultern. »Ich kann ihn ja schlecht an seinen Haaren aus dem Bett ziehen, oder?«

Stefano kniff die Augen zusammen. Was für ein verdammtes Glück Sergio doch hatte. Jedes Mal, wenn ein neuer Mord auftauchte, war er krank. Vielleicht war es aber auch andersherum. Er war so oft krank, dass es eigentlich kein Wunder war, dass so viele Morde gleichzeitig geschahen. »Was ist mit Paolo?«

Cervi schüttelte den Kopf. »Paolo ist im Urlaub.« Sein Gesicht drückte keinerlei Gefühle aus. »Eine Kreuzfahrt in der Karibik. Hat Vorteile, wenn man eine reiche Frau hat.«

Das sagt ausgerechnet er. Stefano unterdrückte seine sarkastischen Gedanken und richtete sich auf. »Ich habe die letzten vier Fälle ohne Pause durchgearbeitet. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich heute Abend um achtzehn Uhr gehen werde und ich fürchte, meine Verabredung werde ich nicht absagen können.«

»Sie vergessen, dass sie vor kurzem im Urlaub waren.«

Stefano schluckte seine Antwort herunter. Jetzt war nicht der richtige Augenblick, Cervis superlange Sommerurlaube zu erwähnen, die von Mitte Juli bis Mitte September gingen. Wenn Sergio krank und Paolo im Urlaub war, hatte er gar keine andere Wahl – er musste den Fall annehmen. Verdammt. »Ich übernehme den Fall, aber ich mache heute Abend um achtzehn Uhr Schluss.« Das würde sogar genug Raum für eine Verspätung lassen. Er wollte Carlina auf keinen Fall warten lassen.

»Und was genau haben Sie heute Abend so Spannendes vor?« Cervis Blick saugte sich mit Interesse an Stefano fest. Er sah wie ein Geier aus, der auf seine Beute wartet.

Stefano erwiderte seinen Blick und antwortete nicht.

Cervi kicherte. »Ach so, das ist es also? Es steckt eine Frau dahinter.« Er lehnte sich zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. »Wenn Sie einen Job von neun bis fünf hätten haben wollen, hätten Sie ein Büroangestellter werden sollen.«

Oder ich hätte mich auf Ihre Stelle bewerben sollen.

Cervis Gesicht verlor jegliche Jovialität, als ob er Stefanos Gedanken gehört hätte. »Sie haben keine Wahl, Garini. Sie müssen das machen.«

Das weiß ich, du Idiot. Stefanos Gesicht verriet seine Gefühle nicht. »Mache ich ja. Aber heute Abend um achtzehn Uhr werde ich die Untersuchung unterbrechen.«

Cervi lehnte sich nach vorne. »Was ist, wenn heute Abend eine entscheidende Sache passiert? Soll ich dem Bürgermeister dann sagen, dass Sie leider Zeit brauchten, um mit Ihrer Freundin zu kuscheln?«

Stefano stand auf. »Sie können ihm sagen, dass ich plötzlich krank geworden bin und dass Sie mich wohl kaum an meinen Haaren aus dem Bett ziehen konnten.«

Cervis Gesicht wurde rot.

Stefano sprach ruhig weiter. »Und jetzt erzählen Sie mir besser erst mal alles, was wir über den Fall wissen.«

Cervi sprang auf. »Sprechen Sie mit Gloria. Sie hat den Anruf entgegengenommen.«

»Gut.« Stefano stand auf und ging zur Tür.

»Denken Sie dran, Garini.« Cervis Stimme folgte ihm aus dem Raum. »Ich möchte alle zwei Tage einen schriftlichen Bericht haben. Morgen brauche ich den ersten.«

III

Gloria beugte sich nach vorne, sodass ihr beeindruckendes Dekolleté direkt vor Garinis Augen erschien. »Der Anruf kam vor fünfzehn Minuten. Was um Gottes willen habt ihr da oben gemacht? Hat Cervi dich nicht gefunden?«

Stefano schloss für einen Augenblick die Augen. »Erzähl mir bitte, was du weißt.«

»Eine Gruppe von Touristen ist über eine Leiche in einer Ecke der basilica gestolpert. Der Priester ist jetzt bei der Leiche und wartet auf dich.«

Fantastisch. Ein Mord in der basilica, eine Handvoll Touristen, und das Ganze ein paar Tage vor Weihnachten. Was für eine wunderbare Überschrift für die Klatschpresse. Stefano seufzte. »Sonst noch etwas?«

»Nein.«

Wenigstens war kein Mantoni involviert. Stefano schauderte es bei dem Gedanken an den Fall im Herbst, als Carlina und die Hälfte ihrer Familie Verdächtige gewesen waren. Er stockte. Es wäre immerhin möglich, dass der Priester Teil des Mantoni-Clans war. Aber nein … er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand aus dieser so überschwänglichen, lebensfrohen und verrückten Familie in den Orden eintrat.

Fünfzehn Minuten später hielt Garini sein Motorrad vor der basilica an und runzelte die Stirn. Ein leichter Regen verschleierte die Fassade und machte das Kopfsteinpflaster glatt und gefährlich. Sein Assistent Piedro hätte eigentlich schon hier sein müssen und die Kirche für die Öffentlichkeit absperren sollen, aber er war nirgendwo zu sehen. Typisch.

Garini zog die schwere Holztür auf und ging in die basilica. Ein kalter Luftzug, schwer von Weihrauch, jagte ihm einen Schauer über den Rücken, sodass er den Kragen seiner dicken Lederjacke hochschlug. Am Altar konnte er einige Leute ausmachen, doch in dem schwachen Licht war nicht viel zu erkennen. Die Kerzen am Altar flackerten, als er sich dem traurigen Grüppchen näherte. Seine Schritte hallten hohl in der riesigen Kirche wider.

Ein dünner Mann, fast so groß wie Garini, löste sich aus der Gruppe und ging gemessenen Schrittes auf ihn zu. »Ich fürchte, du kannst nicht näher kommen, mein Sohn.« Mit seinen langen Fingern zupfte er nervös am Ärmel seiner schwarzen Robe.

Garini zog seinen Ausweis aus der Tasche und hielt ihn dem Priester entgegen, obwohl er wusste, dass es zu dunkel war, um etwas zu erkennen. »Ich bin commissario Garini, von der Kriminalpolizei.«

Der Priester schlug seine Hände zusammen, als ob er beten wolle. »Ich bin padre Balli.«

Kein Mantoni. Gut. »Padre.« Garini neigte den Kopf. »Bitte schließen Sie die Kirchentür ab und erklären Sie mir die Situation.«

Der Priester schrak zusammen. »Die Tür. Oh, ja, natürlich. Ich vergaß.« Er eilte davon. Die Ränder seiner Robe flatterten wie die Flügel eines hektischen Vogels.

Garini ging zum Altar. Jetzt, wo er näherkam, konnte er zwei Leute neben ihm erkennen. Eine Frau mit einer quadratischen Figur stand breitbeinig da, als ob sie jeden Augenblick ein Erdbeben erwarte. Ihre grauen Haare waren wie ein Helm geschnitten. Der dünne Mann neben ihr wirkte im Vergleich unscheinbar. Links von ihnen lag etwas Dunkles auf dem Steinfußboden, halb verborgen im Schatten der Holzbänke.

Garini wandte sich an den Priester, der zurückgekommen war. »In einigen Minuten wird mein Team ankommen, doch ich benötige vorab Licht.«

»Ach ja, natürlich. Es tut mir leid.« Padre Balli schüttelte den Kopf, als ob er sich wunderte, wie er bloß hatte vergessen können, seine Kirche anlässlich eines Mordes gründlich auszuleuchten, und eilte durch eine Tür zur Linken des Altars. Ein Klicken war zu hören, worauf zwei kleine Strahler flackernd angingen. Ihr schwaches Licht vertiefte die Dunkelheit im Rest der riesigen Kirche nur noch.

»Das reicht nicht.« Garini runzelte die Stirn. Wo bleibt das Spurensicherungsteam? Erledigen die erst noch ihre Weihnachtseinkäufe? »Haben Sie nicht noch stärkeres Licht?«

Der Priester schrak zusammen.

Warum ist er so nervös? Ist das eine Reaktion auf den Mord? Oder steckt mehr dahinter? Ich muss ihn nachher befragen. Laut sagte er: »Haben Sie vielleicht eine größere Lampe?«

»Ich … ich schaue mal nach.« Der Priester verschwand wieder durch die Seitentür und kehrte mit einer Stehlampe zurück. Sie hatte einen Schirm, der mit gelber Seide bespannt und rundherum mit Troddeln besetzt war, die hin und her schwankten, als der Priester sie mit wackeliger Hand präsentierte.

Sie sah so fehl am Platz aus, dass Garini ein Lächeln unterdrücken musste. Er nahm die Lampe und stellte sie neben die Leiche. Der Priester fand einen Stecker. Jetzt erhellte ein schwaches Licht den toten Mann am Boden. Sein Körper lag zusammengefallen zwischen der ersten und der zweiten Reihe. Von oben sah man nur die Rückseite des Kopfes. Er trug einen dunklen Mantel mit hochgeschlagenem Kragen, aber das war alles, was Stefano erkennen konnte. Das Licht war zu schwach, als dass er sich jetzt mit den Details würde auseinandersetzen können, er würde viel zu viel übersehen. Das hieß, er musste jetzt auf das Eintreffen der Kameraleute mit ihren starken Scheinwerfern warten und sich bis dahin auf die Zeugen konzentrieren. Es war keine Idealsituation, weil er mehr Licht brauchte, um ihre Gesichter klar zu erkennen, aber immerhin waren sie nicht halb hinter einer Kirchenbank verborgen. Er drehte sich zu dem Paar an seiner Seite. »Wer hat ihn gefunden?«

»Ich war's.« Die kräftige Frau hatte eine raue Stimme. Sie sprach Italienisch mit einem starken Akzent.

Der kleine Mann neben ihr starrte auf seine Füße, als ob er den Glanz seiner schwarzen Lackschuhe faszinierend fände.

Jetzt, wo das Licht ein wenig besser war, konnte Garini die kurzen Haare des Mannes erkennen. Sie bedeckten einen Kopf, der ihn an den eines Rennpferdes erinnerte – ein zarter und eleganter Knochenbau, kein Gramm Fett und eine dünne Haut, die sich straff über die Knochen spannte.

Er hob leicht die Augenbrauen. Zuerst hatte er angenommen, die zwei wären ein Paar, doch irgendwie passte der schmale Mann nicht zu der praktischen Frau neben ihm. Sie war eine Touristin, das war eindeutig zu erkennen, angefangen von den dicken Schuhen bis hin zu dem Reiseführer von Florenz, der aus der Tasche ihres formlosen Mantels hervorschaute. Der kleine Mann war schwerer einzusortieren.

Der Priester kehrte wie ein schweigender Vogel zu der Gruppe zurück.

Stefano nahm ein kleines Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche. Wo blieb Piedro mit dem Aufnahmegerät? »Bitte nennen Sie mir Ihre Namen.«

»Gertrude Asseli«, sagte die kräftige Frau.

Jetzt erkannte Garini ihren Akzent. Sie stammte aus dem deutschsprachigen Teil der Schweiz.

Sie fuhr fort, ohne auf weitere Fragen zu warten. »Ich bin aus Zürich, mache hier in Florenz Ferien und wir haben Sie«, sie schaute auf die Uhr, »vor zweiunddreißig Minuten angerufen.« Ihr Gesicht verzog sich vor Missbilligung. »Sie haben wirklich lange gebraucht.«

Garini wandte sich an den kleinen Mann neben ihr. »Und Sie?«

Frau Asseli schnaubte. »Ich habe ihn auf der Leiche gefunden.«

Sowohl der Priester als auch der kleine Mann zuckten zusammen.

»Wie bitte?«

»Ach, er ist ohnmächtig zusammengesackt, als er die Leiche gesehen hat und fiel gleich obendrauf.« Frau Asselis Stimme war voller Verachtung.

Garini wandte ihr den Rücken zu. »Könnten Sie mir bitte die Geschichte in Ihren eigenen Worten schildern, Herr … ?«

Der Mann drehte eine Wollmütze in den Händen und schluckte so schwer, dass sein ganzer Körper zitterte. »Morin. Ich bin Leopold Morin aus Paris.« Sein Italienisch war perfekt, die Stimme leise und kultiviert. »Ich unterrichte Italienisch an der Universität von Nanterre.«

»Ich bin auch Lehrerin«, mischte sich Gertrude Asseli ein. »Ich unterrichte Biologie und Geographie.« Ihr zufriedenes Lächeln offenbarte Zähne, die so groß waren wie Zuckerwürfel.

Stefano schaute von einem zum anderen. »Also kennen Sie sich?«

»Oh nein.« Herr Morin schien geschockt zu sein, und ein Blick auf Frau Asselis Gesicht zeigte, dass sie ausnahmsweise einmal einer Meinung mit ihm war.

Padre Balli schüttelte traurig den Kopf, als ob er Schwierigkeiten hätte zu verstehen, warum seine Kinder sich nicht vertrugen.

»Ich … ich kam in die Kirche, um zu beten«, sagte Leopold Morin.

Garini verengte die Augen. Es klang, als ob Morin seine Worte mit Bedacht wählte. Oder dachte er sich gerade eine Lüge aus? Aber er hatte eigentlich schon genug Zeit gehabt, sich eine schöne Geschichte auszudenken. Zweiunddreißig Minuten, um genau zu sein. Vielleicht etwas weniger. Gertrude hatte noch nicht erzählt, wie lange sie gebraucht hatte, um den besinnungslosen Leopold ins Leben zurückzuholen.