Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ab ins pralle Leben mit Österreichs Kult-Kolumnistin! Harmonie, Glück und Geborgenheit waren gestern, heute ist "Chaos de luxe". Denn Polly sagt: "Nur Idioten sind glücklich." Eine pubertierende Tochter in einer heißen Paris Hilton-Phase, ein Nougat und sein bitterer Abgang, Freundinnen im Hormonrausch und immer wieder kein Happy End in Sicht! Wie viel Leid, Leidenschaft, Melodramen, Höhenflüge, Freudentänzchen und Bauchlandungen finden eigentlich so zwischen zwei Buchdeckeln Platz? Polly Adler, Österreichs Kultkolumnistin, für manche am Samstagmorgen überlebensnotwendiger als der erste Kaffee, zwängt das pralle Leben in ihren vierten Band "Amour ... Pfuuh!". Neben den besten Kolumnen der letzten Jahre kredenzt Polly frisch gebackene "short stories" - über euphorische Scheidungsparties, das Glück eines Gedächtnisverlusts, die Neue des Nougat, schwule Gouchos in Argentinien und Geisteraustreibungen auf Mallorca. Und wie immer zeigt Polly uns vor allem eines: Dass sie das Leben bis zum Anschlag liebt und sich mit der Waffe des Humors schützt, wenn es sie nicht ganz so zurückliebt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 202
Veröffentlichungsjahr: 2013
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Polly Adler
Amour … pfuuh!
Polly Adler
Neue Geschichten ausdem Chaos der Liebe
Mit einem Vorwort vonHelmut A. Gansterer
Besuchen Sie uns im Internet unter:http://www.amalthea.at
© 2007 by Amalthea Signum Verlag, WienAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Claudia MolitorisUmschlagfotos: Manfred Klimek und Roland UngerHerstellung und Satz: studio e Josef EmbacherGesetzt aus der 11/13,5 Punkt DiotimaBQGedruckt in der EUPrinted in AustriaISBN 3-85002-537-3eISBN 978-3-902862-52-5
Für Christl
»Ich fand, die Leute sahen besser aus,wenn sie lachten.«
Mort Sahl, Stand-up-Comedian
Polly, der AdlerEin Vorwort von Helmut A. Gansterer
1. »Hello, I must be going!«
Testosteronlauser, vermaledeite!
Die Botox-Defloration
Fencheltee für alle Verräter
Pfade weiblicher Verschlagenheit
Kein Alkohol ist schon wieder keine Lösung
Furienalarm!
Ein Sexualtherapeut dreht durch!
All About Eliette
Milchkälber-Fragen
Genieparasitentum
Direkt in die Oberschenkel!
Ein alles überstrahlendes Wir
Ein bisschen viel Natur
Die Gartenmenschwerdung
Lehrstuhl für Kühlschrankpsychologie
Der Wir-haben-uns-alle-lieb-Schmafu
Das Weihnachtsmassaker
Jahreswechselbeschwerden
Schon wieder die Welt retten
Der Schneewittchen-Gau
Lob für den Malerfürst
Schonräume für alle
Bonnie, Bonnie Adler
Zu begabt für Mülltrennung
Weinen, kugeln, springen, jubeln
Nur Idioten sind glücklich
Taft-Tarzan, unsensibler
Die für die Fisch’ sind
Ausufernder Ausdruckstanz
Keine Pointe, wenig Glamour
Buchhalterinnen der Liebe
Wie hieß er doch gleich?
Fallbeil im Zitronensorbet
Zielgruppe inkontinent
Na servas!
Wolkenzwinkern mit C
2. Hormone sind Fetzenschädel
Nicht zu spät ins Bett!
Babyrosa Partnerlook
Nouvelle-Cuisine-Weltbild
Es war schön, aber es war …
Die Chemie is’ a Hund
Großgaukler in der Pipibox
Der Karl war für den Hugo
Das Hemd und der Schmerz
Tools for Love
In einer No-No-Beziehung
Nicht so dolle
Out, der One-Night-Stand
Feiertagserektionen
Amour … pfuuh!
Phantomschmerzen
Das übliche Frauenversteherprogramm
Ein quietschfideler Trümmermann
Winnetou-Schnitzelchen-Fütterung
Immer Ärger mit dem L-Word
Der Sensibelchen-Schwank
Aszendent Rache
Große Falotte, große Hingabe
3. Tschüssikofsky, Nougat!
Tara gehört mir!
Reif für nasse Fetzen
Massive Uncoolness
Ein Blitzchen Liebe
Abhängigkeit durch Schinkenfleckerln
Das trifft sich blendax
Ich bin Lara
Geranien von gestern
In »erotische« Krise
Meine hundert Gottesbeweise
Verbindung getrennt
Offene Psychiatrie
Have a nice life!
Kränkender Pragmatismus
Sargnagel!
Gottes Job-Description
Schlaf gut, Wiese!
Was sagt der Chefdramaturg?
Rettungsanker rosa Rock
Hutblumen schießen
Na, ihr Turteltäubchen!
4. Friendly Fire
Mehr Feuer in Hose
Get yourself a fucking life!
Paris is burning!
Biologischer Pressluftbohrer
Kein anständiger Partner
Wickeltisch im Westflügel
Wer knebelt Heidi Klum?
Das T-Shirt
Die Zwergzucchini-Vaddis
Baby bumm
Houston, chill!
Schläft sie mit dem Gärtner?
Schon wieder immer zu laut lachen
Brautkleid-Eskapaden
Das Rennpferdsyndrom
5. Auswärtsspiele
Prost, Semi-Eunuch!
Schmusen mit Bruno
Lolex in Schweinsrosa
Im Würgegriff der Kirschblüte
Im Fadenkreuz der Beachprimaten
Superman, endlich!
Treibstoff Sehnsucht
Save Knut!
Relaaaax! Now!
Pollywood schon wieder
Scarlett in der Pampa
Don’t cry for me, Federico!
Brot und Spiele
Winsel!
Je ne regrette rien
6. Short Storys
Wo is’ das Problem?
Disco-Divorce
Die Sache mit Bob
Ein bisschen Obst wäre schön
Nachtgebet für Dottie
»Frauen sind zu allem fähig«
Homer Simpson
Ich habe viele Frauen lachen hören, aber keine wie Polly. Hey, das weiß eh jeder, schreien ihre fünfhunderttausend Ur-Fans, die aber keine Ahnung haben. Es macht einen Unterschied, ob man den Polly-Lacher selber überleben musste oder davon nur gelesen hat, beispielsweise bei Marga Swoboda im Vorwort zum ersten Polly-Buch »Chaos de Luxe«. Seither gibt’s längst die Nachfolgebände »Auch Luder brauchen Liebe« und »Pollywood«, lauter Bestseller.
Die vielen neuen Leser wissen vom Polly-Lacher nix. Das ist schade. Ich greife daher aufklärend unter die Wurzeln, mit einer kleinen Geschichte, ÖBB-Westbahn-Buffetwagen. Polly und ich vernichten am Raucher-Stehtisch alle grauenvollen Erlauer-Rotwein-Stifterln, damit kein Trinkamateur zu Schaden kommt. Ein zufälliges Treffen: Polly kommt grad von einem profil-Interview mit Alice Schwarzer, ich von meinem trend-Vortrag vor Salzburger Geistlichen (»Frauenbewegung ist Männersache«).
Wenn Polly von Alice spricht, wird sie ein Kind mit roten Wangen und Zöpfen. Sie verehrt die »Emma«-Herausgeberin haltlos. Leider habe ich an diesem Tag meine Männertage und halte das Thema nicht aus. Ich nehme ihr das Wort weg und erzähle eine fade Geschichte. Ihr Lachen kommt dementsprechend überraschend, wie der Blitz aus hellblauem Sommerhimmel bei Stephen King. Ich fliege ins ÖBB-Fenster hinter mir. Der Kopfschmerz verfolgt mich bis heute.
Erster Grund des Abflugs: die Akustik des Lachens, die leicht zu beschreiben ist. Nimm alle afrikanischen Tiere, die sich am Ufer des Wasserlochs Witze erzählen, eine grandiose Symphonie von frohem Bellen, Keuchen, Brüllen, Zischen, Hecheln, Quietschen, Krächzen, Jaulen. Zweiter Grund: Polly lachte definitiv an der falschen Stelle. Afrika kam, als ich den deprimierenden Tiefpunkt meiner Erzählung erreicht hatte.
Wir Polly-Forscher lernen daraus, dass sie nicht ganz dicht ist. Die vergleichende Literaturwissenschaft glaubte bisher an »erstmalige Selbstironie in der Frauendichtung« (Wendelin Schmidt-Dengler). Ich enthülle hiermit die Selbstironie als Authentizität beziehungsweise die Polly-Storys als rudel-authentisch. Sie sind allesamt wahr. Sie leben von wirklichen Befindlichkeiten des Polly-Pools, in dem sich beispielsweise zwei Freundinnen tummeln, die ich hier durch Verfälschung des Vornamens unkenntlich mache. Nennen wir sie Marga und Dodo. Seit ich die beiden aufspürte und vernahm, weiß ich endgültig: Polly-Storys sind bissfest, al dente, das wahre Leben.
Da wir grad beim Enthüllen sind: Polly hat zwei Seiten.
Die Schriftstellerin Polly Adler entdeckte der aktive Literatur-Fotografie-Wienlied-Ästhet Michael Horowitz, Boss des KURIER-Freizeit-Magazins. Als Liebhaber der Zwischenkriegsfeuilletons erfand er die österreichischen Shortest-Storys neu. Neben Polly hob er beispielsweise den Schatz Christian Seiler, dessen Barolo nun der bekannteste Köter der Weltliteratur ist.
Ein anderer Freund, trend-profil-Herausgeber Christian Rainer, begriff die tagwache, helle und sachlich-kluge Seite der Polly. Unter dem Pseudonym Angelika Hager ist sie seither Ressort-Chefin »Gesellschaft« von profil, im Sinne seriöser Soziologie. Die Geschichten ihres Teams sind besser als alle Zukunftsforscherkaffeesudlesereien. Und Reinhard Tramontana ist von ferne her glücklich, dass Polly & Angelika seine Satire-Seite im Wirtschaftsmagazin trend übernahmen. Ein Mann hätte ihn nie ersetzen können.
Fazit: Wir lesen nun das Buch einer unvergleichlichen Autorin.
Helmut A. Gansterer
Co-Herausgeber trend
Kolumnist profil
»Wo bleibt die liebe Tradition der emotionalen Selbstaufgabe«, kann der Produktionsmanager sich gar nicht mehr einkriegen, »darin wart ihr Frauen doch so gut …«
»Hol’s der Teufel«, schrie ich jetzt, »los, los, entjungfern Sie mich …« An diesem Tag notierte ich in meinem Tagebuch: »Botox-Defloration ... man gönnt sich ja sonst nichts.«
Der Sexualtherapeut erwachte kurz aus der Agonie und trompete ins Gemenge: »Geht’s doch nach Haus vögeln, dann is a Ruh!«
»Liebst du die Natur?«, fragte ich ihn. Er nickte. »Das finde ich sehr löblich, nach all dem, was sie dir angetan hat. Und jetzt einmal abgesehen davon …«
Gab es Erkenntnisproviant nach dieser Geschichte?
»Kinderle«, schüttelte sie entschieden den Kopf, »würde beim Lieben der Verstand am Steuer sitzen, wäre die Menschheit schon ausgestorben.«
Ich hab’ ja neuerdings ein Spielbeinchen im TV-Serien-Geschäft. Und ganz abgesehen davon, dass dieses Business wie Bergsteigen ist (anstrengend, lange weit und breit kein Gipfel in Sicht, aber abends, an den Tränken, wenn der Schmerz nachlässt, stellen sich manchmal kleine Glücksgefühle ein), müssen Buchbesprechungen absolviert werden.
Zu diesem Behufe reisen Männer der Produktionsfirma aus Deutschland an, um die erschwurbelten Geschichten der Heldin (nennen wir sie Polly Adler) auf logische Rumpler, Jugendfreiheit und dramaturgische Geschmeidigkeit zu überprüfen.
»Duhu, Mauserl«, wollte einer der Oberdramaturgen unlängst von mir wissen, »was hat denn unsere Heldin in Folge 3 für eine Beziehung zu diesem Typen?«
»Sie ist nicht verliebt, aber er tut ihr gut. Sie freut sich, wenn er kommt, hat aber gleichzeitig null Wehmut, wenn die Tür wieder ins Schloss fällt.«
Es ertönt ein von Empörung durchsetztes Klirren, das von den abrupt abgestellten Mokkatässchen herrührt. »Wie bitte?! Seit wann denken Frauen so praktisch und gewinnorientiert?«, ist der Oberspielleiter entsetzt.
»Gewinnorientiert? Ich nenne das gefühlskalt und herzlos. Wo bleibt die liebe Tradition der emotionalen Selbstaufgabe«, kann der Produktionsmanager sich gar nicht mehr einkriegen, »darin wart ihr Frauen doch so gut.«
»Burschen, ich war darin nicht nur gut, ich hab’s erfunden«, hätte ich jetzt sagen können. Stattdessen merkte ich an: »Die, für die sich diese totale Hingabe auch nur irgendwie lohnen würde, sind tot, im Rollstuhl oder auf der Kinoleinwand. Und da es der Heldin unter gar keinen Umständen besser gehen darf als mir selbst, muss sie sich mit den Sonderangeboten der Liebe arrangieren.«
An diesem Abend fiel das gemeinsame Mahl aus und die Herren trotteten unisono ins Kino. Ihre Wahl fiel auf »Rocky«, denn sie wollten todsicher gehen, dass ich nicht mitkomme.
Testosteron-Lauser, vermaledeite!
»Wissen Sie«, sagte ich dem behandelnden Arzt, »ich fühle mich jetzt eben wie ein katholischer Familienvater in einem Pornoshop …« Er schickte mir stumme Fragezeichen. »Nun ja, Verrat am Feminismus, der Eintritt in eine Schlacht, die ohnehin nicht zu gewinnen ist …«
Er kapierte langsam und leierte dann müden Blickes die Risiken der Transaktion runter. Im schlimmsten Fall würde sie keine Wirkung zeigen. Damit konnte ich mich jetzt nicht belasten.
»Hol’s der Teufel«, schrie ich jetzt, »los, los, entjungfern Sie mich …« Dann schoss er das Schlangengift in jenen Graben auf meiner Stirn, der den Fachterminus »Zornesfalte« trägt. Meine Seele machte autsch. In meinem Tagebuch notierte ich: »Botox-Defloration … man gönnt sich ja sonst nichts.«
Wenige Tage später erzählte ich meiner Tochter, dass unsere Rosa-Prinzen-Combo, so das Kürzel für unsere schwulen Sportskameraden, das Madonna-Konzert in Prag besucht hatte.
»Ist das nicht toll, Schatzi?«
Das Kind setzte jenen Gesichtsausdruck auf, den die Queen bei der Camilla-Hochzeit bemüht hatte (angewiderte Apathie), und sagte: »Eine Fünfzigjährige, die sich affig gestylt auf ein Fliesenkreuz stellt und noch dazu nicht singen kann, ur-ur-urpeinlich!«
»Aber sie sieht doch knorke aus …«
»Botox, alles Botox«, konstatierte das Kind, »außerdem ist es superpeinlich, wenn Fünfzigjährige sich so krampfhaft bemühen, sexy zu sein …«
»Ich werde auch in … mhmm … Jährchen 50«, flüsterte ich jetzt.
»Ja, aber du bist meine Mutter und du bemühst dich auch nicht sexy zu sein.«
Immer die gleiche öde Geschichte: Das Leben, das man einst unter Schmerzen in diese Welt geschossen hat, pisst einem irgendwann auf den Mittelscheitel. Die Pointe der Geschichte: Ich gehörte zu dem geringen Prozentsatz der Botox-resistenten Weltbevölkerung. Die Zornesfurche auf meiner Stirn beharrte auf ihre Existenz. So beschloss ich, dass das Leben im Gesicht eine Form von Würdeprädikat ist.
Was blieb mir denn auch viel anderes übrig?
»Exorzistische Exerzitien«, stand auf der Einladung zu lesen, »mitzubringen sind ein Leintuch, getrockneter Salbei und viel positive Energie.«
Die Veranstalterin des Eso-Kränzchens war Z’s Nachbarin, eine durchaus dem Gedanken der Aufklärung verpflichtete toughe Tante, der man diesen keltischen Firlefanz nicht zugetraut hätte. Meine Neugierde auf diese Art von Zooveranstaltung besiegte jedoch den Widerwillen gegen das Genre. Als Z und ich den Dachboden der Nachbarin betraten, waren die Gästinnen bereits mitten in ihrer Exorzismus-Aerobic.
Die mit Sehschlitzen versehenen Leintücher hatten sie gleich Ku-Klux-Klan-Mitgliedern über den Kopf gezogen, aus den Boxen dröhnte düstere indianische Trommelmusik, glimmender Salbei verströmte diskussionswürdigen Geruch. Wechselweise verlasen die Kapuzenwesen jetzt Botschaften wie »Hinweg, du böser Geist, der Betrug und Verrat in dieses Heim gebracht hat« oder »Komm, Göttin der Lust und schütte dein Füllhorn über der Reinigungssuchenden aus«.
Die Reinigungssuchende war inzwischen hellauf damit beschäftigt, Fotografien, die sie mit einem in esoterischen Büßerkitteln gekleideten Herren zeigten, in den flackernden Kamin zu schleudern.
»ET will nach Hause«, flüsterte ich Z zu, »das ist mir zu steil hier, ganz abgesehen von dem politisch schwer unkorrekten Dresscode.« »Ich find’s kreischend komisch«, antwortete Z, »der Typ, den wir hier ausräuchern, war ihr Bioenergetiker. Gemeinsames Nirwana über Wochen. Dann hat er dem Chi ihrer besten Freundin den Vorzug gegeben …«
In diesem Moment klatschte die Reinigungssuchende in die Hände und brüllte: »Runter mit den Tüchern und rein ins Vergnügen!« Jetzt wurden Champagner und Teufelsroller aufgetragen.
Das Ende der exorzistischen Exerzitien kam meinem Konzept einer Erlösungsphantasie ziemlich nah. »Lebenslänglicher Fencheltee für alle Verräter« lautete der Trinkspruch des Abends.
»Uns trennt die gemeinsame Sprache«, begründete Karl Kraus das vertrackte Verhältnis zwischen uns Ösis und den Piefkes. Aber noch viel besser lässt sich das Zitat auf Buben und Mädchen anwenden.
»Warum hab’ ich es nur gesagt?«, winselt der Redaktionsstuben-Kollege in meinem Büro.
»Was gesagt?«
»Sie hat mich gefragt, wie ihr die Hose steht. Und ich hab’ wahrheitsgemäß geantwortet: ›Die macht irgendwie keinen optimalen Hintern. Mehr hab’ ich nicht gebraucht‹ … ›Du findest also, dass ich einen lausigen Hintern habe‹, hat sie gebrüllt.«
Während Frauen oft um ihr Leben reden, um ja nichts zu sagen, erschüttert uns beim Mann oft der eklatante Mangel an Diplomatie, auch Ehrlichkeit genannt. Ich finde diese Haltung zunehmend so erfrischend wie verlockend.
»Austern, Champagner, ich lad’ dich ein«, ließ mich ein Mann unlängst wissen, den ich rundum unsexy fand. Er hatte unter anderem einen – in seinem Mustermix an ein bulgarisches Testbild gemahnenden – Pullover, zwei Ex-Frauen, deren Gemeinheiten er ständig bemurmelt wissen wollte, und prächtig wucherndes Nasenhaar. Dass sich dieser Mann bei mir mehr vorstellen konnte, als ich mir jemals vorstellen wollte, hatte ich geschnallt. Im Zuge der neuen Ehrlichkeit antwortete ich also: »Mit uns wird’s in jedem Fall nix … also nein.«
»Völlig egal«, antwortete er, »nicht mehr als ein Freundschaftsessen, versprochen.« Und ich aß Austern bis knapp vor der Eiweißkolik. Als ich mir hart nach Mitternacht ein Taxi rufen ließ, reagierte er pikiert: »Jetzt schon? Ich dachte, wir gehen noch wohin …« Ich schüttelte den Kopf. Er: »Aber meine Austern waren dir gut genug …« Potzblitz! Da schlug jetzt die Frau im Mann durch.
Mir schwante Übles: Wenn Frauen sich in Zukunft die schnörkelfreie Direktheit der Männer klauen und Männer wiederum auf den Pfaden weiblicher Verschlagenheit wandeln, ist wieder kein Happy End in Sicht.
Das Leben, so ganz ohne Alkohol, ist unter uns auch keine Dauerlösung. Und nirgends ein Rettungsring, wenn man in einem Ozean von Brennnesseltee ersäuft. Und mit Menschen Diätstrategien und Wellness-Rackereien durchkaut. Ursupermega-ultra-fad.
Die besten Schriftsteller waren Trinker – Fitzgerald, Capote, Dorothy Parker, Roth (Philip und Josef) und und und.
»So«, hatte der große, alte Mann des Kabaretts, der leider nicht mehr hier ist, mein Plädoyer für den Pasde-deux von Alkohol und Kreativität einmal jählings unterbrochen, »jetzt erzähle ich Ihnen einmal was.« Und der wunderbare Bronner berichtete über eine Begegnung mit seinem literarischen Schutzheiligen Erich Kästner in einer Wiener Bar in den Sechzigern. Die Augen des Idols waren damals bereits ohne Feuer, sein Glas umklammerte er gleich einem Ertrinkenden.
Nachdem sich der große, alte Mann vor dem Vorbild in Ehrfurcht gekrümmt hatte, fragte er im weiteren Verlauf des Gesprächs, wann denn wieder ein Buch erscheinen würde. Kästner sah ihn sehr traurig an. Nun denn, zumindest ein Kinderbuch, das müsse ihm doch nicht mehr als eine Fingerübung sein. Da ertrank Kästner in seinem eigenen Seufzer: »Auch für ein Kinderbuch braucht man eine Idee.«
Diese Geschichte hat sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Gleich neben dem Bild von Truman Capote, der gegen Ende seines Lebens oft gen Morgengrauen in Frauenkleidern und Gospellieder lallend auf dem Boden von Kaschemmen verendet war. Ohne auch nur eine Zeile zu Papier zu bringen. Trotzdem möchte ich jetzt nicht in die Fraktion der Fencheltee-Faschisten. Irgendwo muss doch ein kleiner Kompromiss zwischen Exzess und Fadesse lauern? »Alles mit Maß und Ziel«, flüstert die Krankenschwester in mir. Und meine innere Vorstandsvorsitzende für Unvernunften aller Art kläfft zurück: »Und wozu gibt es Ziele, meine Liebe, hä?! Um darüber hinauszuschießen.«
B trug diesen Blick, den Rachegöttinnen-Darstellerinnen bei den Kobersdorfer Sommerspielen abrufen würden, um drastisch Zorn zu demonstrieren. »Furienalarm!«, sagte B, »es gibt doch nichts Bösartigeres als Frauen.« Eine hässliche, mir aber bestens bekannte Wahrheit. Spätestens seit dem Moment, wo mir G meine pinkelfähige Puppe Klausi mit Kugelschreiberstrichen vandalisierte, weil sie diese Art von Besitz bei mir nicht ertragen konnte. Das war – nun ja – 1968.
Und dann war da K, die sich, so um 1986, meinen potenziellen Zweitmann, einen Mailänder Opernsänger bayrischen Ursprungs, gekrallt hatte, als ich ihm wegen schlechten Gewissens gegenüber dem Erstmann erklärte, dass es schön war, aber es eben war. Daraufhin hatte sich dieses ausg’schamte Suppenhuhn den Weißwurst-Tenor um den Bauch gebunden und … Heute noch könnte ich deswegen Urschrei-Seminare anführen! In jedem Fall: Ex-Frauen pflastern auch meinen Weg.
»Weißt du, was dieser Sautrampel zu mir gesagt hat?«, gellte B jetzt.
»Welcher? Es gibt so viele …«
»Na, diese N, mit ihrem Leguangesicht …«
»Du bist tief, Schatzi, sehr tief …«
»Tiefer als die liegt nur noch die ›Titanic‹, glaube mir … Dieser Trampel, der inzwischen ohnehin längst in die Altersgruppe für betreutes Wohnen fällt, hat mir vor allen auf dieser Party erklärt, dass ich g’sund aussehe …«
»Ja, und?«
»Sitzt du auf deinen Ganglien? Damit hat sie mir mitgeteilt, dass ich fett bin … drastisch zugenommen habe … und alle konnten es hören …«
»Sag’ ihr einfach, dass du schon vor Jahren bei der Weggabelung – du weißt schon, Arsch oder G’sicht – Letzteres gewählt hast. Aber dass du es voll respektierst, dass sie eine ganz andere Entscheidung getroffen hat …«
Jetzt leuchteten B’s Augen. Sie zückte einen Block.
»Ach, vergiss es«, nahm ich ihn ihr wieder weg, »sei einfach nur dankbar. Schließlich ist Neid das schönste Kompliment, das einem Frauen machen können.«
Ab und an wird man ja doch noch zu gutbürgerlichen Abendessen in Grünlagen eingeladen. So mit Tischkärtchen und Pipapo. Kollektive Nahrungsaufnahmen solchen Kalibers zeichnen sich auch durch verdichtetes »happy couples«-Aufkommen aus.
Alleinerziehende Single-Frauen haben in diesen Konstellationen die Funktion des traurigen Farbtupfers. Findet zumindest K, eine soziologische Genossin. So würden, ihrer Ansicht nach, all die »happy couples« noch um ein Eckhaus happier. Mir doch egal. Hauptsache, Champagner.
Die muntere Hausherrin hatte mir als Tischherren einen Rossschweifchenträger zugedacht, vom Beruf Sexualtherapeut. Das Problem mit männlichen Rossschweifchenträgern ist, dass diese Frisur bereits vor zehn Jahren unfreiwilligen Unterhaltungswert besaß. Dieser Faktor wird durch die Tatsache potenziert, dass Männer im Spätsommer ihres Lebens ohnehin zu fliehendem Haaransatz neigen, wie eben auch dieses Exemplar.
Gott ist aber gerecht, Jungs. Für Frauen ab 30: das Ende der Bauchfreiheit, rigoroses Snoopy-Bashing für Slips. Ab 40: absolutes Bo-Derek-Zöpfchenverbot, Leggings-Todesstrafe und so weiter. Aber egal. Wer will denn so oberflächlich sein?!
Am Ende des Abends sollte der Sexklempner doch noch zu meiner Erheiterung beitragen. Während nämlich zwei von den »happy couples« sich bei der Panna Cotta in ein Kreuzfeuer zum Thema Selbstverwirklichung, Bewahrung der Freiräume und dem Vorwurfsrepertoire (»Nie hast du Zeit« oder »Muss der Parka von Prada sein?!“) hingaben, erwachte der Sexualtherapeut kurz aus der Agonie und trompetete ins Gemenge: »Geht’s doch nach Haus vögeln, dann is a Ruh!«
Erstarrung, ich konnte mein Prusten naturgemäß nicht domptieren. »Weil’s wahr ist«, fügte er hinzu und grinste wie ein Honigkuchen-Buddha. Das Entsetzen seiner Mitmenschen dürfte auf den Therapeuten beflügelnde Wirkung haben.
Tragödien, wohin das Ohr reicht. In den Boxen demonstriert die Carmen der Callas, wie viel Schmerzen in eine Liebe passen, und an einem Tischchen der Bar »La Divina« hört man ein schwules Pärchen sich in der deprimierenden Disziplin »Abschließendes Grundsatzgespräch« üben.
Nach dem üblichen Schlagabtausch (»Du brauchst Freiraum?! Ist dieser Freiraum eigentlich gut gebaut?« – »OhGottohGott, es soll ja jetzt schon sehr gute Medikamente gegen Paranoia geben …«) geht es wirklich ans Eingemachte: »Und was wird aus IHR?« – »Wie IHR? Du gehst doch!« – »Wer hat SIE nächtelang gehalten, als sie Keuchhusten hatte, sag’, wer?« Jetzt bewegen sich zwei Schlappöhrchen in dem Vuitton-Fake-Täschchen, rund um ein Gähnen erscheint der Kopf eines potthässlichen Pekinesen. Die Urheberin des Sorgerecht-Eklats hat ihr »Power-Napi« beendet.
Mit Gurrlauten wird »Eliette« von ihren – noch im Duett amtierenden – Bezugspersonen in Empfang genommen. Bei E, meiner Champagnisier-Gefährtin, bewirkt das Szenario so was wie einen Melancholie-Schub. Ihr emotionales Immunsystem ist nicht in Bestform. Unfreiwillige Trennung von einer Lebensliebe, mit der sie sich vor unserer Verabredung zu einem Sind-wir-doch-Freunde-Gulasch getroffen hatte.
»Weißt du«, sagt sie wehmütig, »ich will, dass er glücklich ist. Auch ohne mich.«
»Soll ich jetzt gleich die Tierrettung rufen, oder was«, versuche ich ihre Harmoniesucht zu stoppen. Dem Mann sind nämlich nichts anderes als nässende Hautausschläge an den Hals zu wünschen. Schließlich hatte er sie mit einem Fünf-Worte-SMS entsorgt, nachdem er über Wochen zweigleisig gefahren war.
»Lieben heißt auch verzeihen«, verharrt sie im Pilcher-Fach. Ich ordere beim Kellner einen nassen Fetzen und bitte E, mich damit in überschaubaren Intervallen zu schlagen, sollte mich je dieses Duldersyndrom ereilen. Entschuldigung schon, mein Aszendent heißt Skorpion. Ich kann gar nicht anders.
Keine Panik, ich leide definitiv an keinem Ashton-Kutcher-Syndrom. So gut kann kein Körper sein, um einen IQ, den meine Freundin D mit der einprägsamen Metapher »dumm wie zwei Meter Feldweg« zu beschreiben pflegt, wettzumachen. Mit oder ohne IQ: Milchkälber statt richtige, lebenskriselnde und vor Neurosen triefende Männer – nein danke.
Denn als jemand, der in seiner Liebesbio auch das Kapitel Entwicklungshilfe zu durchleben hatte, kann ich hierzu nur anmerken: ein lausiger »roi« (return of investment). Kaum hat man den Rackern beigebracht, wie man einen BH mit souveräner Eleganz öffnet, wollen sie das Erlernte auch schon anderswo ausprobieren.
Dennoch kommt man ab und zu neben Menschen zu sitzen, die aus der Gnade der späten Geburt die »Rolling Stones« für ein drolliges Altersversorgungsmodell halten. Ein apfelbäckiger Milchkalb-Mann stellte mir unlängst an einer Prosecco-Tränke eine Frage, die noch lang in mir pulsierte: »Wie viel Arschloch muss ein Mann eigentlich sein, um von einer Frau auch nur irgendwie ernst genommen zu werden?« Pädagogischer Stress volle Kraft voraus, Leute! Sollte ich dem Jungstier flüstern, dass Frauen wie russische Tanzbären funktionieren und in der Liebe ein emotionales Kalt-Warm-Wechselbad brauchen, um auch nur irgendwie wach zu bleiben? Nein, zu desillusionierend. »Bedingungslose Adoration und Verständnis rund um die Uhr sind zwar nett bei Müttern, Gläubigern und Hunden«, wabberte ich los, »aber der Mann sollte ab und an das Gefühl vermitteln können, dass er nicht für alles zu haben ist. Ein zu hoher Lulu-Faktor ist unsexy …«
Das Apfelbäckchen fragte jetzt, woher man timingtechnisch wüsste, wann bei der LAD (Lebensabschnittsdame) das Arschloch oder das Sensibelchen gerade angesagt wäre. Ich flüsterte: »Wenn ich dafür das Patentrezept hätte, Liebes, dann könnte ich mir Bill Gates kaufen.«
Und hätte nichts mehr zu schreiben.
Es muss wahnsinnig anstrengend sein, exzentrisch zu sein. Aber es schlaucht auch schon ausreichend, sich im Dunstkreis von Exzentrikern zu bewegen.
Im Zuge meines genieparasitären Berufs lernte ich über die Jahre, mich mit mehr oder minder begabten Verrückten zu arrangieren. Ich musste im vorrevolutionären Prag für ein Hollywood-Starlet nach Mitternacht Salatgurken besorgen, weil sie mitten im Interview von einem alles überschattenden Gusto befallen wurde.
Oder um fünf Uhr morgens mit einer damals gerade frisch besetzten Buhlschaft Berge erklimmen. Beim Versuch der Besorgung eines Sarges, in den sie sich gleich ihres Idols Sarah Bernhardt für das Foto betten wollte, versagte ich. Was mächtige Kränkungszustände bei der Mimin zur Folge hatte.
Ich half einem deutschen Modeschöpfer, seine Hündchen in Kaschmirplaids mit Würstchenaufdruck zu zwängen. Ich zog Popmusiker aus Alkohollachen. Ich ließ mich von Großmimen triezen. Diese Perlenreihe an Begegnungen machte mich reicher – auch an Augenringen. Und der Verdacht verdichtete sich, dass viele dieser Typen aus schierer Panik vor Farblosigkeit ihre Exzentrik simulierten.
Unlängst saß ich mit einem als Berserker verschrienen Theatertier nach einer Veranstaltung in einem Hinterzimmer. Kein Publikum weit und breit, was sich in einer ungewöhnlich gewöhnlichen Gesprächsführung des Theatertiers niederschlug. Dann beging ich einen Fehler in Form des Satzes: »Auf dich ist auch kein Verlass mehr.«
Diese kleine Provokation hatte große Konsequenzen: fliegende Flaschen, berstende Gläser, Rotweinfontänen, die Fleckenkontinente auf dem Tischtuch bildeten, und der Schrei: »Es soll niemand behaupten, dass hier Spießer gelagert hätten.«
»Was für ein sinnloser Aufwand – bei einem ohnehin ermatteten Ein-Personen-Publikum, mein Lieber.«
Es folgte ein wegwerfendes »Macht ja nichts, ich bin sowieso in Übung.«
»Aufpassen, Mädels«, sagte der Mann, als K und ich vom Büffet abschwirrten, mit reichlich dampfender Pasta auf den Tellern, »ihr wisst’s eh, das geht direkt in die Oberschenkel.« Nicht nur, dass dieser Mann bei einem Markus-Schenkenberg-Look-a-like-Contest nicht einmal den Saaldiener abgeben dürfte, nein – er war klein, verdammt obeinig und hatte sieben Haare am Kopf. Meine Aorta pulsierte.
K nahm mich am Arm und sagte: »Reg’ dich bitte bloß nicht auf. Das ist der Typ nicht wert.« Diese buddhistische Grundgüte ließ meinen Adrenalinspiegel erst recht eskalieren.
»Aber ich, ich bin’s mir wert«, zischelte ich, machte kehrt und pflanzte mich vor den O-Beinen auf.
»Liebst du die Natur?«, fragte ich ihn. Er nickte.
»Das finde ich sehr löblich, nach all dem, was sie dir angetan hat. Und jetzt einmal abgesehen davon …«
Ich fuhr ihm durch seine sieben Haarpatienten: »Hast du schon einmal über eine Charismatransplantation nachgedacht?«
»Hey, hey«, begann er jetzt zu stammeln, »es war doch nur gut gemeint.«