Amulett der Hoffnung 3+4 - Barbara Kuhn - E-Book

Amulett der Hoffnung 3+4 E-Book

Barbara Kuhn

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Beschreibung

Barbara Kuhn/ Amulett der Hoffnung Band 3+4 Abigayls Verlobung steht unter einem schlechten Stern. Erst verschwinden ihre Pflegeeltern, dann wird sie entführt und fällt schließlich ihrem verhassten Erzfeind in die Hände. Kann Abigayl diesem Wahnsinn noch irgendwie entkommen oder ist sie die Nächste die sterben muss? Auf einmal wird Abigayl vor die Wahl gestellt, entweder England verlassen oder ein magisches Ritual durchführen. Allerdings ist Eric ihr auf den Fersen und versucht die Macht des Amuletts für sich zu nutzen. Plötzlich taucht ein neuer Feind auf mit dem niemand gerechnet hat. Kann Abigayl alles noch zum Guten wenden oder ist ihr Schicksal bereits besiegelt…

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Barbara Kuhn

Lady of Lochaber

 

 

Amulett

der Hoffnung

Teil Drei

Fesseln

 

 

Widmung

 

Für meine Kinder.

 

 

 

 

 

Alle Figuren

sowie die Handlung selbst

sind frei erfunden.

 

 

 

 

 

 

 

Buch

 

 

 

Abigayls Verlobung steht unter einem schlechten Stern. Erst verschwinden ihre Pflegeeltern, dann wird sie entführt und fällt schließlich ihrem verhassten Erzfeind in die Hände. Kann Abigayl diesem Wahnsinn noch irgendwie entkommen oder ist sie die Nächste die sterben muss?

Abigayl wird plötzlich vor die Wahl gestellt, entweder England verlassen oder ein magisches Ritual durchführen. Allerdings ist Eric ihr auf den Fersen und versucht die Macht des Amuletts für sich zu nutzen. Plötzlich taucht ein neuer Feind auf mit dem niemand gerechnet hat. Kann Abigayl alles noch zum Guten wenden oder ist ihr Schicksal bereits besiegelt…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

 

Kapitel 1 Suche

Kapitel 2 Die Falle

Kapitel 3 Höhle

Kapitel 4 Folter

Kapitel 5 Befreiung

Kapitel 6 Gewitter

Kapitel 7 Mord

Kapitel 8 Aufzeichnungen

Kapitel 9 Wahrheit

Kapitel 10 Narben

Kapitel 11 Besuch

Kapitel 12 Verrat

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel I - Suche

 

In keinster Weise hätte mein Tag schlimmer anfangen können. Nicht nur das Finlays Cousine, Melany, durch ihren Ausraster unsere ganze Verlobungsfeier ruiniert hatte, nein, meine Pflegeeltern waren auch noch verschwunden. Und sei es damit nicht genug, hatte man auch noch meine Wohnung in Freiburg völlig auseinandergenommen. Vor allem meinen Kleiderschrank, worin ich die Steinspitze, oder besser gesagt meinen Kristall, versteckt hatte.

Erst vor ein paar Monaten hatte ich von meinen Eltern, besser gesagt von meinen Pflegeeltern Johannes und Margot, die Steinspitze erhalten. Nach meinem Krankenhausaufenthalt erzählten sie mir, dass sie nicht meine richtigen Eltern waren. Diese wurden, als ich gerade mal ein Jahr alt war, ermordet Anscheinend hatten meine leiblichen Eltern, Harris und Marion, einen Informanten gefunden der näheres über die Steinspitze wusste. Doch statt einer Antwort wurden sie beide getötet, allerdings kam es noch schlimmer.

Diese Steinspitze, besser gesagt der Kristall, der mir so wahnsinnig viel bedeutete, gehörte zu einem Amulett das Finlay Leofwyn in England besaß. Einer Familie mit enorm viel Geld, die ich eigentlich nur durch einen dummen Zufall kennengelernt habe. Ebendort fand ich das Amulett und übergab es, in meiner Naivität, ihnen natürlich. Jedoch kurze Zeit später fand ich mich schwerverletzt in einem Krankenhaus in Freiburg wieder. Erst die Sache mit dem Amulett, dann mit dem Kristall. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Das konnte doch alles kein Zufall sein?!

Zugegeben es handelte sich zwar um einen grünlichen Kristall, der in sich eine bräunliche Musterung enthielt, aber sonst war es nur ein Stein. Die Spitze, die so unbedeutend aussah, aber doch so viel in sich verbarg. Dennoch hatte das Ganze auch etwas Gutes, durch dieses Amulett hatte ich Finlay Leofwyn kennengelernt und mich in ihn verliebt. Andererseits hatte ich dadurch nur noch Schwierigkeiten. Zunächst hatte Eric, Finlays Cousin, mich mit Gewalt daran hindern mit Finlay zusammenzukommen. Danach taucht seine Cousine, Melany, auf und verletzt mich ebenfalls. War diese Familie nur mit Psychopathen übersäht oder lag es an diesem Amulett? Weshalb wollte mich jeder irgendwie loswerden?

Nun ja, meine Pflegeeltern waren auch nicht gerade glücklich über unsere Verlobung. Außerdem hatten sie aus irgendeinem Grund extreme Angst um mich. Ob das nur mit meinen verstorbenen Eltern zu tun hatte? Vielleicht wussten sie doch mehr als sie zugeben wollten?

Doch eben das konnte ich sie jetzt nicht mehr fragen, da Pflegeeltern plötzlich wie vom Erdboden verschwunden waren. Schließlich noch meine zerstörte Wohnung mit der mysteriösen Nachricht an diesem armen toten Vogel. Wie krank konnte man nur sein? Die Nachricht an einer Kralle von einem Raben zu befestigen und dann diesen an der Wand aufzuspießen?

Meine einzige Hoffnung bestand darin, dass meine Pflegeeltern nicht diesem Psychopathen zum Opfer gefallen waren. Auf jeden Fall sollte man Eric keinesfalls unterschätzen. Immerhin hatte er mich auch angegriffen und wusste irgendetwas über meine leiblichen Eltern. Warum und wieso konnte ich leider noch nicht in Erfahrung bringen. Diese Tatsache machte mich mehr als nur nervös. Jetzt hockte ich bei Finlays Onkel, George, in der Bibliothek und versuchte irgendeinen Hinweis über die seltsame Nachricht in meiner Wohnung zu finden. Ein Tag und eine Nacht waren bereits vergangen, aber noch immer hatte ich keine Nachricht von Margot oder Johannes. Meine Pflegeeltern blieben nach meiner Verlobung, mit Finlay, spurlos verschwunden. Selbst die Polizei hatte keinen einzigen brauchbaren Hinweis.

Resigniert atmete ich aus und versuchte, trotz des innerlichen Chaos, Ruhe zu bewahren. Müde starrte ich auf das Buch in meiner Hand, doch konnte ich keinen einzigen Buchstaben entziffern. Meine Gedanken waren zu sehr abgelenkt um weiter zu recherchieren. Weswegen meldete sich niemand? Weshalb war diese seltsame Nachricht in meiner Wohnung und wieso ausgerechnet an einer Rabenkralle befestigt? Das war doch schon mehr als nur krankhaft!

Die Pension, meiner Pflegeeltern, ließ ich erst einmal auf Weiteres geschlossen. Falls Margot oder Johannes dennoch dort auftauchten, würde mich Frau Meier, die Nachbarin, umgehend benachrichtigen. Aber es kam kein Anruf und auch sonst meldete sich niemand oder forderte irgendetwas von mir. Kein Unfall, keine Verletzten auf die ihre Beschreibung passte. Wieso waren sie wie vom Erdboden verschluckt? Verdammt wo waren sie nur? Waren sie bereits tot? Was wussten meine Pflegeeltern über das seltsame Amulett? Oder waren sie einfach untergetaucht?

Ich schob erst einmal meine trüben Gedanken beiseite und widmete mich wieder dem Buch in meiner Hand. Entschlossen stand ich von dem dunkelbraunen Ledersessel auf und ging zu einem der vielen Regalen. Die Bibliothek von Finlays Onkel, George, war sehr umfangreich, fast so groß wie die in der Uni, jedoch mit anderen Schwerpunkten. Hier gab es zahlreiche Literatur über Adelsfamilien: die Geburten, Hochzeiten, Fehden, Landbesitztümer und so weiter. Bis ich all diese Bücher gelesen hätte, vergingen wahrscheinlich Jahre. Allerdings vermutete ich das meine Pflegeeltern nicht so viel Zeit hatten. Außerdem wusste ich noch nicht einmal nach welchen Hinweisen ich tatsächlich suchen sollte. Niedergeschlagen stellte ich das Buch wieder an seinen Platz und nahm mir das Nächste heraus. Wie viele Bücher hatte ich mir schon angesehen, zehn, zwanzig oder doch mehr?Irgendwie hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren.

Das Seltsamste war, dass ich nicht den geringsten Anhaltspunkt zu dem Kristall oder dem Amulett gefunden hatte. Es war zum verrückt werden! Es muss doch irgendwo in dieser riesigen Bibliothek einen Hinweis darauf geben. Ansonsten hätte ich bestimmt nicht diese Nachricht erhalten.

Wieder nahm ich das Blatt Papier in die Hand. Natürlich hatte die ansässige Polizei das Original behalten, falls sich irgendwelche Fingerabdrücke darauf befanden. Nun gut, war ja auch nicht so wichtig. Wer brauchte schon das Original?

Aber was hatte dieser Irre damit gemeint: `Suche nach der Bedeutung des Raben und der Bedeutung des Steins? ´ Die Bedeutung des Raben war relativ einfach. Der Rabe galt schon im Mittelalter als der sogenannte Todesvogel. Sollte dieser Rabe einen Tod ankündigen oder mir sagen das jemand schon gestorben war? Vielleicht stand es ja auch für einen Gedanken oder eine Erinnerung? - Wie bei Hugin und Munin, den Raben, von dem nordischen Göttervater Odin. Das war schon mehr als seltsam.

Doch das Zweite war noch schwieriger. Ich hatte nämlich keine Ahnung nach was ich eigentlich suchen sollte. Nach einer Steinspitze oder einem Kristall oder doch nach dem Amulett? Was Finlays Familie in ihrem Besitz hatte. Wenn es sich bei dieser Steinspitze tatsächlich um das fehlende Stück von dem Amulett handelte, dann hatte ich sehr wahrscheinlich ein viel größeres Problem. Das hieß Eric Hereford und war zum Überfluss noch Finlays Cousin.

Zwar hatte ich so eine Vermutung, dass Eric vielleicht etwas mit der Verwüstung meiner Wohnung zu tun hatte, doch das behielt ich erst einmal für mich. Immerhin wollte ich ja niemanden ohne Grund beschuldigen, auch wenn ich ihm noch viel Schlimmeres zutraute. Eric war schon damals in der Höhle, als er mich dort überfallen hatte, hinter dem Amulett her gewesen. Vielleicht wollte er meine Pflegeeltern als eine Art Druckmittel benutzen? Oder weil ich nicht auf Finlay verzichten wollte? Sowie er das damals in der Höhle von mir verlangt hatte? Möglicherweise gab es auch noch einen ganz anderen Grund? Wenn ich da an die Feindseligkeit zwischen Eric und Finlay dachte. Finlay hatte mir immer noch nicht erzählt, warum sein Cousin anders hieß. Auch dessen Vater war nicht bei der Verlobungsfeier erschienen. Hassten sich die Familien so sehr?

Laut atmete ich tief aus und schaute mich abermals suchend um. Wenn ich doch endlich diesen verdammten Hinweis finden würde. - Wie lange war ich schon in dieser Bibliothek am Suchen? Ein oder waren es doch bereits zwei Tage? Irgendwie hatte ich in diesen Räumen mein Zeitgefühl völlig verloren. Wo waren eigentlich Caitlin und Finlay abgeblieben?

 

***

 

Erschöpft stand ich vom Boden auf und streckte meine Glieder. Meine Augen suchten verzweifelt die einzelnen Buchreihen ab. Nichts! Ein resignierter Seufzer entglitt mir. Ich würde diesen Hinweis niemals finden.Dieses verfluchte Amulett brachte mich noch um den Verstand. Nicht nur, dass meine Eltern deshalb starben, nein, jetzt waren auch noch meine Pflegeeltern verschwunden. Ganz zu schweigen von meinen zerstörten Sachen in Freiburg. So hatte ich mir meine Leben eigentlich nicht vorgestellt!

In Gedanken ging ich langsam eine Holztreppe mit einem geschwungenen Handlauf hinauf und guckte mich erneut um. Bücher, wieder überall nur Bücher. Was ja auch eigentlich nicht verwunderlich war. Aber wie sollte ich hier das richtige Buch finden? Oben angekommen drehte ich mich um und setzte mich niedergeschlagen auf die letzte Stufe. Verzweifelt nahm ich meine Hände vor das Gesicht und schüttelte den Kopf. Ich war müde, hungrig und konnte etwas zu trinken vertragen. Seit Stunden hatte ich keine Menschenseele mehr gesehen. Anscheinend vermisst mich auch niemand.

Nach einer geraumen Weile schaute ich wieder auf und streifte mit meinem Blick durch die Bibliothek. Diese war trotz allem kleiner als die Bibliothek von Finlay in England. Warum hatten alle Adligen so viele Bücher? Waren sie alle so gebildet oder war es nur eine gute Investition? Vielleicht sollte ich mich ein wenig ausruhen oder doch einfach aufgeben? Aber nein, was würde dann aus Margot und Johannes? Verdammt, ich hatte schon so viele Chroniken der Familie gelesen, dass ich schon fast eine Expertin auf diesem Gebiet war.

Vielleicht musste ich einfach umdenken? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Unbekannte alle Bücher gelesen hatte.Gut, wonach suchte ich eigentlich? Okay, ich suchte nach diesem Kristall, besser gesagt nach dem `Amulett der Hoffnung´.

Fieberhaft überlegte ich und atmete tief aus. Vielleicht gab es ein Buch über Familienschmuck oder ähnliche Gegenstände? Wie eine Art Auflistung oder so. Ja, das war es bestimmt!Ich musste speziell nach den Schmuckstücken der Familie suchen.

Zielstrebig ging ich zu dem Buchstaben A, wie Amulett. Ließ meinen Blick wieder über die Bücher schweifen und stockte plötzlich. Das konnte doch nicht wahr sein! Da gab es wirklich ein Buch, das hieß sogar so: `Amulett der Hoffnung´.

Vorsichtig zog ich das Buch heraus und spürte sofort ein seltsames Kribbeln in meinen Fingern. Langsam setzte ich mich auf den Boden und strich behutsam über den Einband. Das Buch war aus altem, braunem Leder. Die Buchstaben waren allerdings in Goldbuchstaben gedruckt und schon leicht verblasst. Da es ziemlich dick und schwer war, legte ich es behutsam auf meine Knie. Sofort spürte ich wie mein Atem vor Aufregung immer schneller wurde. War das Buch die Antwort auf meineFragen?

Mit zittriger Hand öffnete ich das Buch und begann die alten Worte zu lesen. Das Buch war in gälischer Sprache geschrieben, aber durch meine Zusatzkurse auf der Uni, hatte ich damit keinerlei Probleme. Bei diesem Buch handelte es sich um eine Biografie, von einer unbekannten Schriftstellerin. Allerdings konnte ich nicht feststellen wann genau und warum dieses Buch tatsächlich geschrieben wurde.

Sie beschrieb die Geschichte einer jungen Adligen, die im Mittelalter, zurzeit von König Löwenherz, in England gelebt hatte. Diese Adlige, setzte sich gegen einen dunklen Clan zur Wehr der sie permanent bedrohte. Anscheinend hatte die Adlige ein Schmuckstück um ihren Hals, das genauso beschrieben wurde wie das Amulett der Hoffnung. Sollte es sich wirklich um dasselbe Amulett handeln? War es tatsächlich aus dem Mittelalter? Das war schwer vorstellbar, aber das würde ich bestimmt herausbekommen.

Auch in jener Zeit gab es Menschen, die den Besitz dieses Amuletts beanspruchten und das waren Mitglieder eines sogenannten `dunklen Clans´. Diese Mitglieder versuchten, mit allen erdenklichen Mittel, das besagte Amulett an sich zu reißen. Hier stand: `Wer dieses Amulett besitzt, bewahrt die ungeheure Macht in seinen Händen. Dieser vermag entweder das Gute oder das Böse über die Menschheit zu bringen. Somit die gänzliche Erfüllung all seiner Träume oder die vollkommende Vernichtung durch das grausame Böse´. Weiter stand dort, dass der Lord des dunklen Clans, ein überaus brutaler und grausamer Tyrann gewesen sei. In diesem Fall das genaue Gegenteil von der besagten Adligen, die in einer Grafschaft nicht weit von Nottingham lebte.

Verwundert schaute ich von dem Text auf und sah hinunter in die Bibliothek. Was für eine seltsame Geschichte. Doch im Mittelalter hatten die Menschen andere Vorstellungen wie unsereins. Dort glaubten sie noch an Magie und Zauberei, nicht wie heutzutage.

Aufgeregt las ich weiter und versank ganz in den Worten der Geschichte. Urplötzlich stutzte ich, wobei mir beinahe das Buch auf den Boden gefallen wäre. Dort stand in großen Buchstaben der Name des Lords. Er sowie noch viele andere gehörten dem dunklen und überaus grausamen Clan an. Es war ein junger Adliger, der ebenfalls bei Nottingham lebte und sein Name war Gundsrad von Hereford. Genauso… genauso wie Eric mit Nachnamen hieß. Das konnte doch kein Zufall sein? War Eric vielleicht ein direkter Nachfahre von diesem Gundsrad von Hereford? Also, ein Mitglied des dunklen Clans? Was war mit dieser Adligen, was hatte sie für ein Schicksal? Aufgeregt blätterte ich weiter und bemerkte nicht einmal das jemand die Bibliothek betreten hatte.

„Abigayl?!“ Laut schrie ich auf und zuckte sichtlich zusammen.

„Oh mein Sonnenschein, ich wollte dich nicht erschrecken. Du bist schon seit Stunden hier in der Bibliothek. - Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen oder dich ein wenig ausgeruht? Wir haben alle nichts davon, wenn du uns umkippst.“ Mittlerweile hatte Finlay die Treppe erreicht. „Komm, ich helfe dir hoch. Danach gehen wir beide zu Caitlin. Sie wartet bereits mit dem Dinner auf uns.“ Erstaunt sah ich Finlay an, konnte mir allerdings ein Grinsen nicht verkneifen.

„Was ist, habe ich irgendetwas Witziges gesagt?“ Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf und sagte: „Nein… Aber du siehst aus wie ein holder Ritter, der seine Angebetete vor einem Ungeheuer bewahrt.“

Finlay lachte laut und reichte mir die Hand. „Du liest eindeutig zu viele Bücher, mein Sonnenschein.“ Vorsichtig legte ich das Buch beiseite und nahm seine Hand. Er zog mich auf die Füße, die mich im ersten Moment nicht tragen konnten. Natürlich war ich selbst schuld. Immerhin hatte ich die ganze Zeit das dicke Buch auf meinen Beinen und wunderte mich jetzt warum ich kein Gefühl mehr in diesen hatte? Doch Finlay fing mich galant auf und nahm mich fest in seinen Arm.

„Ich habe dich vermisst, meine holde Maid, sehr sogar. Ich kann es kaum erwarten, bis du endlich meine Frau bist. - Lass uns am Wochenende wieder nach England fahren. Dort ist es wesentlich angenehmer und ich könnte dir meine verborgenen Schätze zeigen. - Ich würde alle unwichtigen Termine absagen, wenn du nur bei mir wärst. Komm, sag ja.“ Noch fester zog er mich an sich und vergrub sein Gesicht in meinem Haar. Sofort spürte ich wieder dieses Rauschen in meinen Ohren und das wirre Gefühl in meinen Bauch. Was mich immer schlagartig in seiner Nähe überfiel.

Finlay sah mich mit seinen verführerischen graublauen Augen an und verschlang mich fast mit seinem Blick. Langsam zog er mich auf die Treppenstufe, wohin ich mich bereitwillig setzte. Plötzlich waren seine Lippen auf den meinen und brachte mein Blut abermals in Wallung. Zuerst war es ein sinnlicher und vorsichtiger Kuss, doch mit der Zeit wurde er plötzlich fordernder, ja sogar besitzergreifender. Seine Zunge bahnte sich einen Weg zu der meinen und ein wilder Tanz begann. Ein leichtes Stöhnen entfuhr mir oder war es doch Finlays? Warum brachte mich dieser Mann ständig aus der Fassung? War es meine Unerfahrenheit mit Männern oder weil er einfach bei jedem Kuss meinen Körper in Flammen versetzte?

Andererseits brauchte ich seine Liebkosungen, seine besitzergreifenden Berührungen und seinen überaus männlichen Duft. Selbst der noch so kleinste Kuss von Finlay, brachte meinen Körper in ständigen Aufruhr. Was würde mit mir geschehen, wenn ich ihm ganz und gar gehörte? Würde er dann ebenso zärtlich mit mir umgehen?

„Einen Penny für deine Gedanken, mein Sonnenschein.“ Grinsend musterte mich Finlay. Verlegen räusperte ich mich und guckte ihn ein wenig verträumt an. Hörbar atmete er tief aus und sagte mit belegter Stimme: „Ich glaube wir sollten zu meiner Mutter gehen, sonst begehe ich noch irgendeine Dummheit und falle hier auf der Treppe über dich her. Ich möchte, dass wir dafür einen besonderen Ort finden. Also, lass uns bitte gehen.“ Laut schnappte ich nach Luft, doch das ließ ihn nur schelmisch lächeln.

„Alles zu seiner Zeit, mein Sonnenschein. Ich kann warten. Dies soll für dich ein unvergessenes Erlebnis sein und uns noch fester aneinanderbinden.“ Sofort spürte ich wie sich die Rötung in meinem Gesicht in eine reife Tomatenfarbe verwandelte. Ich wagte kaum noch Luft zu holen, so sehr brachten seine Worte mich durcheinander. Mit seinen durchdringenden graublauen Augen schaute mich Finlay nachdenklich an. Plötzlich stand er auf, nahm meine Hand und ging mit mir die Treppe hinunter. Wir durchquerten die Bibliothek und gingen geradewegs zu seiner Mutter.

 

***

 

Nach einem ausgiebigen Essen und ein paar Gläsern Wein, merkte ich tatsächlich wie erschöpft ich doch war. Finlay nahm mich auf seinen Arm und trug mich in unser Zimmer. Dort angekommen, fiel mir erst das Buch aus der Bibliothek wieder ein. „Finlay, ich muss noch einmal zurück in die Bibliothek. Ich habe dort ein Buch gefunden, das musst du dir unbedingt ansehen.“ Gerade wollte ich aufstehen und nach unten gehen, aber Finlay hielt mich sanft fest.

„Ich glaube, du hast für heute genug Bücher gelesen. Komm, lass uns schlafen gehen. Morgen ist auch noch ein Tag. Das Buch liegt garantiert noch an derselben Stelle wo du es hingelegt hast.“ Resigniert seufzte ich. Doch so sehr ich es auch versuchte, er ließ sich nicht erweichen. Sanft strich Finlay durch mein Haar und gab mir einen zärtlichen Kuss. „Das hat man nun davon, wenn man sich mit einem weiblichen Bücherwurm einlässt. Bücher, nichts als Bücher. Unsereins muss sich ständig hintenanstellen, um einen Kuss zu ergattern.“ Provozierend blickte er mich an, gleichzeitig grinste er schelmisch.

„Na warte, ich gebe dir gleich weiblicher Bücherwurm. Finlay… du hast schon lange keine Abreibung mehr bekommen oder?“ Ich nahm mir das erstbeste Kissen, was ich fand und warf es ihm mitten ins Gesicht. Verblüfft sah er mich an und schnappte hörbar nach Luft, doch dann traf mich ebenfalls ein Kissen. Jetzt war mein Übermut geweckt und wir beide begannen mit einer wilden Kissenschlacht, bis auf einmal Caitlin in der Tür stand. Mit einem: „Was ist denn hier los?!“ Hielten wir beide atemlos inne und starrten sie erschrocken an.

„Ah… Ah… wir wollten nur die Kissen aufschütteln.“ Antwortete ich etwas kleinlaut und schaute zu Finlay, doch dieser verbiss sich gerade ein Lachen. Schnell sah ich wieder in eine andere Richtung, sonst hätte ich mich selbst vor Lachen nicht mehr halten können. Caitlin schüttelte nur ihren Kopf und murmelte: „Wie die kleinen Kinder. - Gute Nacht ihr beiden.“

Sie schloss die Tür, worauf ich laut losprustete. „Der war gut, die Kissen aufschütteln“, lachte Finlay und ich stimmte fröhlich mit ein. Erschöpft ließ ich mich auf das Bett fallen und schloss die Augen. So gelöst und befreit hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Plötzlich spürte ich seine Hand auf meiner Wange, die mich zärtlich streichelte. „Abigayl, du gibst mir ein Teil Freiheit zurück. Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass ich noch einmal so ausgelassen sein könnte. Das habe ich alles nur dir zu verdanken, meinem Sonnenschein. Ich liebe dich.“

Schweigend öffnete ich die Augen und sah ihn lange an. Irgendwann atmete ich erleichtert aus und kuschelte mich an Finlays Brust. Dieser Mann war der reinste Balsam für meine Seele und doch brachte er mein Inneres völlig durcheinander. „Ich liebe dich auch, Finlay. Ich liebe dich so sehr, wie noch nie einen anderen Menschen zuvor.“ Erleichtert zog er mich noch fester an sich und legte die Decke über uns beide. Worauf ich wohl behütet in seinem Arm einschlief.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel II - Die Falle

 

„Guten Morgen, Schlafmütze. Ich habe Ines gebeten dir dein Frühstück auf das Zimmer zubringen. - Ich muss los, mein Sonnenschein. Wichtige Termine, du verstehst? Gegen Mittag bin ich wieder zurück und du erschreckst mir nicht den Bücherwurm in der Bibliothek.“ Doch bevor ich ihm darauf antworten konnte, hatte er mir schon einen innigen Kuss auf den Mund gegeben. Finlay ließ mich lachend los und verschwand durch die Tür. Verträumt sah ich ihm nach. Was hatte ich doch für ein Glück, so einen verständnisvollen Mann zu finden.

Nach einem ausgiebigen Frühstück und einer heißen Dusche schien meine kleine Welt wieder in Ordnung zu sein, wären da nicht meine Pflegeeltern gewesen. Wieso hatten wir immer noch keine Nachricht von ihnen oder den Entführern? Keinen Anruf, keinen Brief oder irgendeine Lösegeldforderung.

Ach, was dachte ich denn da für einen Unsinn. Wer sollte denn schon Geld fordern? Ich hatte doch keins oder waren die Entführer etwa hinter Finlays Geld her? Dem Anschein nach war dieser anonyme Wahnsinnige in der Lage abzuwarten, bis ich das Rätsel endlich gelöst hatte. Also wieder zurück in die Bibliothek. Ich musste dieses Buch von der Adligen weiterlesen. Wahrscheinlich war das der einzige brauchbare Hinweis, auf all meine ungelösten Fragen. Diesmal hatte ich mich allerdings mit einem Tee und einem Apfel bewaffnet, falls ich wieder den gesamten Tag hier verbringen würde.

Abermals setzte ich mich auf die oberste Stufe und trank genüsslich meinen Tee. Danach legte ich mir das Buch auf den Schoß und begann wiederum die Buchstaben zu verschlingen. Nach einer Weile hörte ich wie die schwere Tür der Bibliothek aufging, neugierig sah ich auf. Auch das noch, was wollte die denn hier?

Zu meinem Entsetzten erblickte ich Melany, Finlays Cousine. Sie betrat die Bibliothek und kam geradewegs auf mich zu. Was sollte ich jetzt tun? Was, wenn sie wieder handgreiflich wurde? Diesmal war keiner in meiner Nähe und konnte dazwischen gehen. Würde Melany mich abermals verletzen oder sogar Schlimmeres?

Schweigend verfolgte ich jeden ihrer Schritte, die durch ihre hohen Absätze in diesem großen Raum erheblich nachhallten. Jetzt ging sie langsam die Treppe in meine Richtung hinauf. Ich legte das Buch beiseite und erhob mich vorsichtig. Automatisch hielt ich mich mit einer Hand am Treppengeländer fest, somit hatte ich wenigstens mehr Halt, falls Melany mich umstoßen wollte. Ihre Augen hatte sie erneut schwarz angemalt, wie einer dieser Gruftis. Ihre Kleidung bestand wieder nur aus schwarzem Stoff. Diesmal allerdings trug sie ein knöchellanges schwarzes Kleid mit ebenfalls schwarzen High Heels. Auch ihre Fingernägel und ihre Lippen waren schwarz angemalt. Wie der Tod höchstpersönlich kam sie auf mich zu, böse und unheimlich zugleich. Wie gebannt starrte ich sie an und wartete auf ihre nächste Attacke, doch stattdessen kam ein Lächeln über ihre Lippen. Das machte mich allerdings noch misstrauischer.

„Hallo, ich bin Melany. Es tut mir so leid, dass ich gestern Abend ausgeflippt bin. Du weißt bestimmt wie das ist: Zu viel getrunken, dann noch gewisse Pillen und schon benimmt man sich vollkommen daneben. - Meine Mutter sagte mir, ich hätte dich verletzt und dich wegen Finlay angeschrien. Ehrlich gesagt wollte ich nicht eure Verlobung versauen. Ich weiß auch gar nicht warum ich so ausgeflippt bin.“ Sie stellte sich etwas unterhalb auf eine Stufe und musterte mich seltsam.

„Was ist, wirst du meine Entschuldigung annehmen? Schließlich gehörst du bald zur Familie und… Habt ihr eigentlich schon einen Termin für die Hochzeit? - Ich hoffe doch sehr, dass ihr mich ebenfalls einladet. Hochzeiten sind immer was Aufregendes.“ Langsam löste sich meine Anspannung und ich versuchte ein Lächeln aufzusetzen. Was mir ehrlich gesagt nur schwer gelang.

„Okay, wenn du immer noch sauer auf mich bist, kann ich das wirklich nachvollziehen. Dann gehe ich eben alleine zu Caitlin. Bis dann.“ Melany drehte sich um und wollte gerade wieder die Treppe hinuntergehen, als ich mich räusperte. Sie hielt in ihrer Bewegung inne, gleichzeitig schaute sie mich mit ihren dunklen Augen abwartend an.

„Ich möchte schon das wir uns vertragen… allerdings war dein Auftritt… na ja, nicht gerade sehr freundlich. Trotzdem nehme ich deine Entschuldigung an und begleite dich sehr gerne zu Caitlin. - Ich dachte, sie würde noch einige Besorgungen in der Stadt machen und wäre noch nicht zurück?“ Statt einer Antwort, lächelte mich Melany nur an. Skeptisch ließ ich sie nicht aus den Augen und schob das Buch mit meinem Fuß etwas beiseite. Langsam ging ich die Treppe hinunter und folgte ihr, allerdings mit ein wenig Abstand. Aus irgendeinem Grund wollte ich auf gar keinen Fall das sie dieses Buch sah. Wer weiß was Melany dann für Fragen stellen würde? Vielleicht war es auch gar keine schlechte Idee, wenn wir beide zu Caitlin gingen. Finlays Mutter konnte immer alle Anwesenden beruhigen. Schließlich gehörte Melany auch zur Familie. Caitlin würde sich bestimmt freuen, wenn wir uns beide vertragen.Immerhin konnte ich mich jetzt großzügig zeigen, wenn ich Melany den Ausrutscher vergeben würde.

Wir beide gingen schweigend durch die Eingangshalle, in Richtung Garten. Im ersten Moment dachte ich sie würde zu dem Pavillon gehen, doch Melany schlug eine andere Richtung ein. „Wo gehen wir hin, Melany? Ich dachte, Caitlin wartet im Pavillon auf uns?“ Jedoch sie antwortete mir nicht, stattdessen zündete sie sich eine Zigarette an und nahm einen kräftigen Zug. „Nein, sie wollte dir irgendeine wilde Rose zeigen. Du weißt doch wie sehr Caitlin Rosen mag. - Da vorne ist es gleich.“ Wortlos nickte ich ihr zu und folgte ihr bereitwillig.

Natürlich wusste ich das Caitlin, zu Hause in England, Rosen züchtete und dort schon einige Preise gewonnen hatte. Wenn sie mir jetzt eine wilde Rose zeigen wollte, musste diese etwas ganz Besonderes sein. Wir gingen also in Richtung der Laubbäume, doch Caitlin konnte ich nirgends entdecken. Wütend drehte ich mich zu Melany um und blieb stehen. „Melany, wo ist Caitlin?! Was soll das alles?!“ Gelangweilt zuckte sie mit ihren Schultern, drückte ihre Zigarette im Gras aus und zündete sich sofort wieder eine Neue an.

„Caitlin ist dort hinten im Wald. Sie meinte: es wäre eine sehr seltene Rose und du solltest sie dir unbedingt einmal ansehen. Was die an dem Kraut immer findet ist mir allerdings schleierhaft. - Ich habe dich, um des lieben Friedens willen, hierhergeholt und damit basta! Sie ist hinter dem Baum… da vorne. Ich warte hier solange auf dich und rauche noch eine.“ Melany zog schon wieder an einer neuen Zigarette und guckte mich gelangweilt an. Okay, damit konnte ich leben.

Also ließ ich Melany zurück, ging auf die dichten Laubbäume zu und suchte den Laubwald ab. Ein kühler Wind kam auf, der durch die Blätter rauschte, was sich allerdings irgendwie unheimlich anhörte. Suchend schaute ich mich um, konnte aber niemanden entdecken. „Caitlin? Caitlin, wo bist du?! Caitlin… Melany hat mich hierhergebracht! Was wolltest du mir denn für eine Rose zeigen?!“ Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, worauf ich mich abrupt umdrehte. Doch anstatt Caitlin sah ich Melany. Wollte sie nicht eine rauchen?

„Melany, wo ist Caitlin? Was ist hier los?“ Sie musterte mich mit ihren dunklen Augen und grinste auf einmal bösartig. „Das wirst du gleich erfahren, meine Liebe.“ Bevor ich noch irgendwie reagieren konnte, spürte ich etwas auf meinen Mund. Von hinten presste mir jemand ein Tuch auf den Mund. Zwar versuchte ich mich noch zu befreien, aber diese Person hielt mich weiterhin fest. Zu fest!

Irgendwann spürte, ich wie meine Beine plötzlich nachgaben. Die Umgebung versank langsam immer mehr in eine Art Nebel. Nur das bösartige Grinsen von Melany konnte ich noch wahrnehmen, bis sich auch dieses vor meinen Augen auflöste.

 

***

 

Platsch! Platsch! Platsch!

„Finlay… musst du mich wirklich schon wecken? Ich möchte noch ein wenig schlafen.“ Mürrisch versuchte ich mich umzudrehen, aber das konnte ich zu meinem Erstaunen nicht. Im Halbschlaf versuchte ich meine Arme zu mir zu ziehen, aber auch das konnte ich seltsamer Weise nicht. Stattdessen spürte ich einen eigenartigen Schmerz und hörte ein klirrendes Geräusch. Was war das? Ach, wahrscheinlich träume ich nur? Abermals versuchte ich meinen Arm zu bewegen, wobei ich erneut einen Widerstand spürte. Stattdessen hörte ich dieses Geräusch, wie von einer Ketteoder so. Mit geschlossenen Augen lauschte ich. Komisch, da war wieder dieser seltsame Ton. Platsch, platsch.Verdammt, was war denn das?

Vorsichtig öffnete ich die Augen und konnte nichts als Dunkelheit erkennen. Sicher war es draußen noch stockfinster und die Vorhänge waren zugezogen. Erschöpft versuchte ich mich umzudrehen, doch nichts geschah, erneut hörte ich dieses klirrende Geräusch. Was aber noch seltsamer war, ich konnte meine Arme nicht bewegen. Plötzlich erstarrte ich innerlich und spürte die aufkommende Angst. Was war hier los? Nein, das konnte doch nicht sein. Hatte man mich etwa festgebunden? War ich in einem dunklen Raum gefangen oder irgendetwas Ähnliches? Wer würde mich denn festbinden wollen und warum?

Auf einmal fiel mir alles wieder ein. Melany! Die Sache mit Caitlin war nur eine Lüge um mich aus dem Haus zu locken. Aber da war noch jemand in diesem Wald? Wer hatte mich betäubt und wer hatte mich hierhergebracht? Wieder zog ich an den Armen, doch außer dem Klirren und diesem seltsamen Widerstand, der meine Arme festhielt, konnte ich nichts wahrnehmen. Verzweifelt zog ich immer und immer wieder an den Armen, bis ich resigniert aufgab und anfing zu schluchzen. Inzwischen verstand überhaupt nicht mehr was das alles sollte? Wollte Melany sich an mir oder an Finlay rächen? Sie war doch in Finlay verliebt gewesen. Hatte sie das nicht bei unserer Verlobung gesagt? Oder war es ein Fremder, der mich betäubt hatte und jetzt hier in dieser Dunkelheit gefangen hielt? Wer sollte mich schon entführen und warum? Vielleicht Eric? - Aber nein, das konnte nicht sein. Eric würde mich niemals entführen um an sein Ziel zu gelangen oder doch? Verdammt, ich musste hier raus, irgendwie und das schnellstmöglich.

„Hallo! Hallo… ist hier jemand?! … Hallo, ich bin hier drüben… Hallooo!“ Abwartend lauschte ich, nichts, nur dieses monotone Geräusch. Seltsam, es hörte sich wie Wasser an… Nein, eher wie ein Wassertropfen. Ein Wassertropfen, der auf etwas fiel. Moment, was würde sich so anhören? Oh verdammt, das war ein Tropfen der auf etwas Hartes fiel. Vielleicht ein tropfender Wasserhahn? Man hatte mich irgendwo eingesperrt, wo es einen Steinboden oder ein Waschbecken gab. Vielleicht einen Keller? Zu Hause bei meinen Pflegeeltern war auch ein Waschbecken im Keller. Aber weshalb sollte mich jemand in einen Keller einsperren?

Wieder lauschte ich und hörte wie die einzelnen Tropfen fielen. Langsam begann ich sie zu zählen. Doch das monotone Geräusch machte mich schläfrig, wodurch ich kurzerhand einnickte. Nach einer undefinierbaren Zeit hörte ich ein Geräusch und riss erschrocken die Augen auf. Oh, da war ja Licht. Endlich kam jemand, um mich zu retten. Doch meine Hoffnung wurde augenblicklich zerstört, als dieser Jemand an meinen Armen zog. Verdammt, das tat doch weh!

Zwar versuchte ich nicht gleich in Panik zu verfallen, aber das gelang mir nicht, trotz dass ich tief ein- und ausatmete. Meine Augen hatte ich inzwischen zugekniffen, weil dieser Unbekannte mir direkt in das Gesicht leuchtete. Abigayl, versuch ruhig zu bleiben. Vielleicht kannst du ja irgendetwas erkennen, wenn du vorsichtig die Augen öffnest?

Und genau das tat ich dann auch, allerdings sah ich lediglich ein grelles Licht. Gerade wollte ich anfangen zu motzen, da dämmerte es mir. Das war keine Hilfe, das war der Mensch der mich hierhergebracht hatte. Ängstlich sah ich nach oben, wo sich meine Hände befanden. Ketten?! Nein, ich war angekettet wie ein räudiger Hund.

Panisch versuchte ich an dem Licht vorbeizuschauen und erkannte tatsächlich etwas. Anscheinend handelte es sich um eine Höhle oder einen uralten Keller. Ich konnte Felsenwände und einen fest getretenen Boden aus Erde erkennen. Augenblicklich spürte ich das mich irgendjemand schweigend beobachtete. Selbst sein Atem wurde plötzlich für meine Ohren hörbar. Tief atmete ich aus, fasste meinen ganzen Mut zusammen und sagte zu dem Unbekannten: „Hören Sie? Ich weiß ja nicht was Sie von mir wollen, aber es ist bestimmt ein Missverständnis. Bitte… bitte lassen Sie mich gehen. Ich werde es niemanden erzählen, versprochen. Hören Sie mich?“ Doch anstatt einer Antwort kam nur Stille. Kein einziger Ton war von ihm zu hören. War er wieder gegangen? Hatte er absichtlich die Taschenlampe hiergelassen um mich zu verunsichern? Sprach ich vielleicht nur mit der kahlen Felswand?

Ohne Vorwarnung kam eine Antwort, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Hallo Miststück! Du bist ja endlich aufgewacht! - Sieh dich ruhig um, das wird dein neues Zuhause. Für eine sehr, sehr lange… lange Zeit.“ Erschrocken hielt ich den Atem an, plötzlich wurde mir alles klar, ich kannte diese Stimme. Aber woher kannte ich diese Stimme nur? Verflucht mir wollte es einfach nicht einfallen. War er einer der Bediensteten oder ein Freund von Melany? Nein, das glaube ich nicht? Gehörte diese Stimme vielleicht Eric Hereford?

Unwillkürlich zog ich an meinen Ketten, was natürlich unter diesen Umständen sinnlos war. Wer sollte eine Kette schon aus einem eisernen Ring ziehen, der noch an einer Felswand befestigt war? Ich war ja nicht Herkules oder Superwomen!!

„Wie ich sehe, hast du dich wieder ganz erholt, braves Mädchen.“ Angst machte sich augenblicklich in mir breit. War es Eric, der mich hier gefangen hielt? Aber warum? Ich hatte doch keinen der beiden Steine mehr. Abermals zog an meinen Ketten und versuchte irgendetwas durch das grelle Licht zuerkennen, doch ich konnte nur einen dunklen Schatten wahrnehmen.

„Hör zu Miststück… du kannst daran ziehen wie du willst, die Ketten werden sich bestimmt nicht lösen. Gib es einfach auf.“ Er fing laut an zu lachen, sodass sein Lachen von den Wänden widerhallte. Furcht, nein eher Panik, packte mich. Er hatte mich tatsächlich angekettet und anscheinend fand er auch noch Gefallen daran mir das anzutun. Jetzt zog der Unbekannte an der Kette, dadurch wurden meine Arme ruckartig in die Länge gezogen. Verdammt, das tat höllisch weh.

Weshalb ich laut aufschrie. „Ah! Warum tun Sie das? Ich habe Ihnen nicht das Geringste getan? Rufen Sie bitte Finlay an… Finlay Leofwyn! Er… er wird Ihnen bestimmt jeden Preis bezahlen den Sie fordern. Wenn Sie mich umbringen, hat keiner etwas davon und Sie bekommen gar nichts.“ Abrupt ließ er meine Kette los, sodass meine Arme sofort nachgaben.

„Hast du Miststück wirklich gedacht, es geht mir nur um das Scheißgeld?“ Wiederum lachte er hemmungslos. Ich hätte mir gerne die Ohren zugehalten, damit ich sein verdammtes Lachen nicht mehr hören musste, aber er hatte mich ja angekettet. Plötzlich packte er meine Haare und zog mich brutal zu sich, sodass ich seinen Atem an meinem Haar spüren konnte. Ängstlich schluckte ich laut und rang nach Luft.

„Geld ist nicht alles auf der Welt. Ich will dieses Amulett und ich werde es auch bekommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. - Aber das wird trotzdem nichts an deinem Schicksal ändern. Das Amulett gehört mir! … Hörst du! … Mir und meiner Familie! Glaub mir, wenn Finlay mir diesen Stein nicht freiwillig überlässt, dann kann er dich stückchenweise wieder zusammensetzen.“ Jetzt wurde ich aber wütend, immer drehte sich alles um dieses verfluchte Amulett. Warum war es für ihn so wichtig?

Tief atmete ich aus und ohne eigentlich nachzudenken, fauchte ich ihn wütend an: „Was wollen Sie damit?! Sie wissen ja noch nicht einmal was das für ein Stein ist!“ Das hätte ich besser nicht sagen sollen, wahrscheinlich hätte das überhaupt keine Rolle gespielt. Im selben Moment zog er an meinen Haaren und wie aus heiterem Himmel spürte ich, einen gewaltigen Schlag in meinem Gesicht. Im ersten Moment dachte ich mein Kopf würde explodieren. Sofort spürte ich einen furchtbaren Schmerz an meiner rechten Wange. Er griff sich die Taschenlampe und leuchtete damit in mein Gesicht.

„Halt dein vorlautes Maul, du Miststück! - Ich bekomme dieses Amulett! Dieses Amulett der Hoffnung, wie es auch genannt wird! Du hast keine Ahnung was dieses Amulett wirklich vermag. Genauso unwissend, wie es einst deine richtigen Eltern waren.“ Erschrocken hielt den Atem an. Was wusste er von meinen Eltern, hatte er sie etwa getötet?

„Sie hätten den Kristall nur meinem Vater geben müssen. Aber nein! Dein Vater hatte tatsächlich gedacht, er könnte uns verarschen und hat den Kristall versteckt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange mein Vater danach gesucht hat. - Doch dann musstest du dich bei Finlay melden. Was für eine Ironie des Schicksals. Wahrscheinlich hätte ich dich nie gefunden, wenn du diese Geldbörse nicht zur Polizei gebracht hättest. Dein Pech.“ Laut erschrak ich. Deshalb hatte Eric nach meinen Eltern gefragt.Er kannte den Namen durch seinen Vater, der meine Eltern getötet hatte.

„Wie ich das erste Mal deinen Namen bei Caitlin gehört hatte, hoffte ich das dieser Kristall in deinem Besitz ist. Doch dann erzähltest du mir in der Höhle, dass du Finlays Hälfte gefunden hast. Das war für mich wie Weihnachten, eine wundervolle Überraschung. Finlays Schwester hatte nämlich das Amulett vor mir versteckt. Doch die Kleine war für ihr Alter ziemlich gerissen. Sie wusste im Gegensatz zu dir, was das Amulett wirklich bewirkte. Deshalb hat sie mir auch nicht das Versteck verraten, allerdings hatte ihr das auch nichts genutzt.“ Lauthals lachte er und packte mich erneut grob den Haaren. „Weißt du jetzt, wen du vor dir hast, Miststück?!“ Panisch atmete ich aus und sah plötzlich Eric, als Jugendlichen, vor mir. Der Scheißkerl hatte damals Maggie, Finlays Schwester, von der Treppe gestoßen. Es war überhaupt kein Unfall, es war pure Absicht. Hörbar schluckte ich und fragte leise: „Aber warum halten Sie mich jetzt hier gefangen? Ich habe Ihnen doch niemals etwas getan. Lassen Sie mich doch einfach gehen und ich gebe Ihnen dafür meinen Kristall.“ Verdammt, vielleicht ließ er sich ja erweichen und ließ mich laufen.

„Na… na… na, wer wird denn jetzt schlappmachen? … Ich brauche dich einfach. Ich musste nur auf eine passende Gelegenheit warten, bist du mir gutgläubig in eine Falle getappt bist. -Melany war allerdings auch sehr überzeugend. Findest du nicht auch? Sie würde alles tun, nur um Finlay für sich zu gewinnen.“ Eric lachte und fuhr im Plauderton fort: „Du bist so was von naiv. Dachtest du wirklich, du könntest ihr vertrauen? Melany war schon immer scharf auf Finlay und jetzt hatte sie die Gelegenheit, dich für immer loszuwerden. Selbstverständlich wird sie Finlay bemitleiden und mit allen Mitteln trösten. Das kann sie wirklich gut. Glaube mir, ich spreche da aus Erfahrung.“ Verflucht, ich wollte nichts mehr hören. Er sollte endlich aufhören!

Erneut zog ich an den Ketten, allerdings bestrafte das Eric umgehend. Abermals griff er nach meinen Haaren, sodass ich dachte, mein Kopf würde in zwei Teile gezogen.„Dein Finlay wird mir das Amulett schon geben. Beide Teile, versteht sich. Deinen Kristall und sein Amulett. Hast du das verstanden Miststück? Wenn er erst einmal deine Bilder sieht, wird er alles für dich tun. - Und dann ist es mein… endlich meins! Die absolute Macht über das Böse!“, schrie er euphorischund ließ mich abrupt los.

 

„Ach ja Miststück, das verstehst du ja überhaupt nicht. Das habe ich in dem ganzen Eifer völlig vergessen. Weiß du, dieses Amulett verstärkt den wahren Geist des Clans. Da wir immer schon auf der dunklen Seite waren, kannst du dir meinen Triumph sicher vorstellen. Ich werde das erreichen, was mein Vater niemals geschafft und nur erträumt hat. Ja! … Ja! … Endlich!“ Auf einmal fing mein Körper unkontrolliert an zu zittern. Was Eric natürlich sofort wahrnahm, daraufhin fing er noch lauter an zu lachen. Eric zog wieder meinen Kopf zu sich und flüsterte mir ins Ohr: „Weißt du eigentlich warum ich dich brauche? - Nein? Dann werde ich dich mal erleuchten.“ Ängstlich hielt ich den Atem an, das konnte nichts Gutes bedeuten.

„Du gehörst zu dem anderen Clan. Nur ein jungfräuliches Weib, aus dem Clan der adligen Schlampe, kann das Amulett zusammenfügen.“ Wiederum lachte Eric laut, wobei er mich anschaute. „Dein Pech, dass du nicht mit Finlay geschlafen hast, dann wärst du nämlich aus dem Schneider gewesen. Jetzt gehörst du mir, nur mir allein und damit auch die Macht über das Amulett. - Oh, wenn ich mit dir fertig bin, willst du nie wieder von mir gehen. Das schwöre ich dir, so war ich Eric von Hereford heiße.“ Abrupt ließ er mich los, nahm die Lampe und stellte sich wieder gerade hin. Bevor Eric allerdings mit einem gehässigen Lachen verschwand, meinte er ganz gelassen: „Zeit zum Nachdenken, Miststück.“

Das Licht verschwand. Jetzt konnte ich meine Tränen nicht mehr länger zurückhalten. Sie hatten meine Eltern sowie Finlays Schwester getötet. In meiner Naivität hatte ich auch noch verraten, dass ich das Amulett bei Finlay gefunden hatte. Erics Frage, damals in der Höhle, bezog sich überhaupt nicht auf Finlays Stein, sondern auf meinen Kristall. Aber woher sollte ich das Wissen? Woher? Johannes und Margot hatten mir erst nach dem Krankenhaus von dem Kristall erzählt. Oh, nein! Eric brauchte nur zu warten bis ich den Kristall bei meinen Eltern gefunden hatte, deshalb auch die Bilder und der Rabe. Nur damit ich meinen Stein zu Finlay bringe und er ihn jetzt damit erpressen konnte. Was war mit meinen Pflegeeltern, hatte Eric sie mittlerweile auch umgebracht? - Urplötzlich spürte ich wie sich mein Magen zusammenzog und ich abermals einen Weinkrampf bekam.

 

***

 

Zur gleichen Zeit auf dem Landsitz von Finlays Onkel George und seiner Tante Felicitas.

 

„Finlay… was hat die Polizei zu dir gesagt? Haben sie schon eine Spur von Melany oder Abigayl? Was ist mit Abigayls Eltern, haben sie da vielleicht schon einen Anhaltspunkt? Finlay was ist los? Jetzt sprich doch mit mir… sind sie vielleicht schon tot?“

Eilig schritt Finlay zu seiner Mutter, ging in die Hocke und nahm vorsichtig ihre Hände. Seine Tante Felicitas stand hinter dem Ohrensessel und starrte Finlay erschrocken an. Finlays Onkel, George, betrat in diesem Moment den Raum und kam ebenfalls auf sie zu, fragend blickte er zu seinem Neffen.

Gequält atmete Finlay aus und meinte betrübt: „Nichts, keine Spur von irgendeinem. Versteht ihr? Nicht einmal die kleinste Spur. Sie sind alle beide wie vom Erdboden verschluckt. Verdammt Mutter, wo sind sie? … Wo können sie nur sein? Ich habe Abigayl versprochen… Verstehst du… versprochen, dass ich sie beschützen werde und jetzt ist Abigayl für immer fort.“ Langsam erhob sich Finlay, ließ seine Mutter los und ging zur Bar. Mit zittriger Hand goss er sich einen Scotch ein, trank diesen in einem Zug aus und füllte abermals sein Glas.

„Finlay… Finlay so beruhige dich doch. Du findest sie… Ich weiß, dass du nicht aufgeben wirst.“ Schweigend schaute er zu seiner Mutter, seiner Tante und seinem Onkel George. Tief atmete Finlay aus und meinte kleinlaut: „Entschuldigt, ich hätte mich nicht so gehenlassen sollen. Mutter, ich werde sie beide finden, das verspreche ich euch.“ Abermals blickte er seine Mutter an. Jedoch diese lächelte gequält und meinte daraufhin: „Das weiß ich doch mein Junge. Außerdem darfst du auch einmal Schwäche zeigen. Vergiss das nicht.“

Finlay nickte seiner Mutter zu und drehte sich um. Sein Blick kreuzte sich mit seinem Onkel, der ihn vielsagend ansah, worauf Finlay schweigsam hinausging. Verdammt, wie konnte er sich so vor seinem Onkel gehenlassen? Das war unvertretbar und überhaupt nicht seine Art. Er konnte nur hoffen das sein Onkel ihn insgeheim verstand. Wo waren nur Abigayl und seine Cousine? Das konnte doch kein Zufall sein das beide gleichzeitig verschwanden. Und was noch seltsamer war, einer vom Hauspersonal hatte beiläufig erwähnt: Das Melany mit Abigayl in Richtung des Laubwaldes gegangen war. Allerdings kam keiner aus dem Wald zurück.

Natürlich hatte er den gesamten Wald mit Viktor und Phils Leuten durchsucht, aber sie blieben verschwunden. Was hatte Abigayl dazu veranlasst Melany zu folgen und warum tauchte keiner von ihnen mehr auf? Er wählte gerade die Nummer von dem hiesigen Polizeipräsidium, als Ron, einer vom Hauspersonal, zu ihm trat.

„Ein Eilbrief für Sie, Sir.“ Ron hielt ihm ein kleines Tablett mit einem braunen Umschlag entgegen. Wortlos nickte Finlay ihm zu und nahm den Umschlag vom Tablett. Schweigend verließ der Butler wieder die Eingangshalle. Finlay betrachtete den Umschlag genauer. Kein Absender, nur seinen Namen und dann noch in Druckbuchstaben. Seltsam, wer würde ihm jetzt ein Eilbrief schicken? Vielleicht einer der Entführer?

Er riss den Umschlag auf und sah vorsichtig hinein. Finlay konnte einen weiteren Umschlag erkennen und anscheinend ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Langsam griff er hinein. Es handelte sich tatsächlich um ein gefaltetes Blatt und einen kleinen Umschlag. Auf dem mit Druckbuchstaben stand: SOFORT ÖFFNEN!

Jetzt wurde Finlay unruhig. Was sollte das? Er drehte sich um, ging zurück zum Salon und öffnete die Tür. „Ich habe soeben eine Nachricht bekommen. Vielleicht von Melany und Abigayl?!“ Finlay legt den Umschlag auf den nahestehenden Tisch und öffnete den kleinen Umschlag. Es waren anscheinend Bilder und diese Bilder waren von…!

„Oh, nein!“ Finlay starrte seine Mutter entsetzt an und blickte wiederum auf die Bilder. Für einen Moment schloss er seine Augen. Wer konnte nur so grausam sein? Tief atmete er aus und öffnete seine Augen erneut. Alle, seine Mutter, sein Onkel sowie seine Tante starrten ihn abwartend an.

„Es sind Bilder von Abigayl. Ich… ich brauche einen Scotch.“ Finlay legte die Bilder auf den Tisch und begab sich zur Bar. Nachdem er sich ein Glas auf Ex gegönnt hatte, ging es ihm ein wenig besser. Seine Mutter wollte gerade zu den Bildern gehen, doch Finlay hielt sie an ihrer Schulter zurück. „Mutter nicht! - Sie sind äußerst brutal und ich möchte nicht das du sie so siehst.“ Überrascht schaute seine Mutter ihn an, ruhig sagte sie: „Finlay, Abigayl gehört zu unserer Familie. Auch wenn ihr noch nicht verheiratet seid, ändert sich nichts mehr daran. Ich habe sie genauso ins Herz geschlossen wie du… Also, zeig mir jetzt bitte die Bilder.“

Resigniert atmete Finlay aus, nahm den Umschlag in seine Hand und reichte ihn seiner Mutter. Sein Onkel und seine Tante schauten ebenfalls über Caitlins Schulter und erschraken lautstark. Aber Finlay wollte nichts mehr hören, er nahm den verbleibenden Zettel und verließ fluchtartig den Salon. Sofort nahm er sein Handy und ließ sich mit Oberinspektor Müller, von der örtlichen Polizei, verbinden. Unruhig wartete er.

Nachdem Finlay dem Oberinspektor die Lage geschildert hatte, meinte dieser ganz gelassen: „Gut, Herr Leofwyn. Vermeiden Sie, dass jemand anderes den Brief anfasst. Sie wissen schon wegen der Fingerabdrücke. Ich werde in einer Stunde bei Ihnen sein und das Beweismaterial sichern. Auf Wiedersehen, Herr Leofwyn.“ Mit diesen Worten legte der Oberinspektor einfach auf, worauf Finlay wütend auf sein Handy starrte. So konnte man nicht mit einem Finlay Leofwyn umgehen. Das grenzte schon an eine Unverfrorenheit.

„Viktor!“ Finlays Leibwächter stand plötzlich vor ihm und schaute Finlay fragend an.

„Sir?“

„Kommen Sie in einer halben Stunde in das Arbeitszimmer meines Onkels. Benachrichtigen Sie Phil und Andrew. Verbinden Sie mich umgehend mit Larry. Außerdem holen Sie bitte den Umschlag mit den Bildern aus dem Salon.“ Viktor nickte und meinte knapp: „Ja, Sir.“

Sofort verschwand Viktor aus Finlays Blickwinkel und dies war auch gut so. Finlay öffnete die Tür des Arbeitszimmers, setzte sich in einen Sessel und öffnete mit zittriger Hand, das Blatt Papier. Was konnte noch furchtbarer sein als diese Bilder? Aberin diesem Fall sollte sich Finlay grundlegend irren. Es kam noch erheblich schlimmer.

Finlay sah erst einmal nur bunte ausgeschnittene Buchstaben, die sich über das ganze Blatt verteilten und dann kam die bittere Wahrheit:

 

ICH HOFFE DOCH DU BIST IM BILDE,

DAS MAN MIT MIR KEINE SPÄSSE TREIBEN KANN!?

ICH WERDE DIR JETZT MEHRMALS BILDER ZUKOMMEN LASSEN.

ICH WILL VON DIR NUR EINS UND DAS IST DAS AMULETT UND DEN KRISTALL. WOHLGEMERKT DAS GANZE AMULETT.

SONST KANNST DU DEINER VERLOBTEN IN SCHEIBCHEN AUF WIEDERSEHEN SAGEN.

SOLLTEST DU DIES DER POLIZEI MITTEILEN,

IST DEINE VERLOBTE TOT.

EIN BEWUNDERER!!

 

In diesem Moment klopfte es an der Tür, worauf Finlay unwillkürlich zusammenzuckte. Er atmete tief aus, stand auf und setzte sich hinter den Schreibtisch seines Onkels. „Herein!“ Viktor trat ein und verschloss schweigend die Tür hinter sich. Ohne Umwege sagte Finlay zu Viktor: „Wir haben ein ziemliches Problem. Die Polizei ist in einer Stunde hier und will die Beweismittel sichern. - Viktor lesen Sie. Fällt Ihnen spontan jemand ein, der mir diese Nachricht schicken könnte? Ich glaube, ich habe einen Verdacht, aber ich möchte Ihre Meinung dazu hören. - Also bitte, wie ist Ihre Meinung? Sprechen Sie frei heraus.“ Viktor überflog schweigend das Blatt und sah ihn erschrocken an.

„Sir, ich glaube… es handelt sich um Ihren Cousin Eric Hereford. Er hatte schon einmal Miss Abigayl bedroht und erheblich verletzt. Die Verwüstung in Miss Abigayls Wohnung deutet ebenfalls auf ihn hin. - Wenn es sich tatsächlich um Ihren Cousin handelt, müssen wir die Übergabe so weit wie möglich hinauszögern. Auch wenn das für Sie und Miss Abigayl erhebliche Qualen bedeutet.“ Sein Leibwächter legte das Blatt auf den Schreibtisch und schwieg wieder. Finlay nickte, erhob sich langsam aus dem Sessel und lief unruhig hin und her. „Verdammt Viktor, haben Sie nicht die Bilder gesehen? - Er foltert sie! Wer weiß, was er noch alles mit ihr anstellen wird?“ Finlay ging an das große Fenster und starrte hinaus.

Leise, kaum hörbar, sagte er: „Ich hätte sie niemals alleine lassen dürfen. Verflucht Viktor, wir müssen sie finden. Gott Viktor, wo kann sie nur sein?“ Finlay drehte sich um und blickte seinen engsten Vertrauten verzweifelt an. Doch er wäre nicht Finlay, wenn er diese Situation nicht meistern würde. Für einen Moment schloss er die Augen, atmete tief ein und aus, sodann hatte er sich weitgehend wieder gefangen.

„Franko soll alles über Eric in Erfahrung bringen. Das noch so Kleinste kann entscheidend sein. Phil soll mit Andrew, die Sicherheitsmaßnahmen verstärken. Meine Mutter hat Phil als Leibwächter, wie zuvor. Die anderen verteilen Sie auf meine Tante und Onkel.“ Finlay drehte sich erneut zum Fenster und blickte hinaus in den Garten.

„Sir, wir werden Sie finden… Miss Abigayl ist eine sehr starke Frau. - Ich werde alles in die Wege leiten, Sir. - Außerdem ist Mr. Larry auf Leitung zwei.“ Viktor drehte sich um und verließ augenblicklich den Raum. Seufzend ließ sich Finlay wieder in den Sessel sinken und starrte auf die Bilder, die dieses Monster ihm geschickt hatte. Sie zeigten Abigayl, wie sie hilflos an einer Kette gefesselt war. Was würde er ihr noch antun, um dieses Amulett zu bekommen?

Schließlich legte er die Bilder beiseite, atmete tief aus und nahm das Gespräch mit Larry in Empfang. „Larry… die Bilder und den Brief faxt Viktor Ihnen gleich. Ich will, dass Sie all ihre Männer mobilisieren und jeden noch so kleinsten Stein umdrehen, was Eric Hereford betrifft. Land, Vermögen, Auslandsbeziehungen. Alles was irgendwie mit Eric zu tun hatte. Wenn es sein muss… stellen Sie noch Leute ein… Ja, das hat oberste Priorität.“ Finlay legte den Hörer auf. Jetzt nahm er ein Bild von dem Stapel und steckte es in sein Jackett. Die anderen Bilder sowie den Brief steckte er zurück in den Umschlag und verschloss diesen wieder. Ich werde ihm alle Knochen einzeln brechen, wenn ich ihn zuerst finde. Diesem elenden Schwein!

 

Kapitel III - Höhle

 

Irgendwo im nirgendwo. Weit entfernt von irgendeiner Sicherheit, in den Tiefen der Höhlen.

Wie lange war ich bereits hier? Ein Tag, eine Woche oder doch schon länger? Ich hatte in dieser Dunkelheit jegliches Zeitgefühl verloren. Mal überlegen: Einmal am Tag bekam ich etwas Brot und Wasser. Wie die Gefangenen im Mittelalter. Es fehlte eigentlich nur noch die Kugel am Bein.

Inzwischen hatte Eric mich nur noch an einer Hand angekettet und wechselte die Fessel hin und wieder. Allerdings war ich weiterhin in der Höhle gefangen. Dort gab es keine frische Luft oder einen Ort, wo ich meine menschlichen Dinge verrichten konnte. Wahrscheinlich roch ich auch nicht mehr sonderlich sauber? Aber das schien Eric nicht im Geringsten zu stören.

Am Anfang fand ich Eric grausam, doch es wurde noch schlimmer. Nun da ich, mit gefesselten Händen, an dieser Steinwand hing, nutzt Eric das schamlos aus. Erst hatte ich an jemand Fremdes gedacht, doch dann wurde mir rasch klar, dass es sich um Eric, Finlays Cousin, handelte. Damit schwand meine Hoffnung, hier jemals wieder lebend raus zu kommen. Eric würde mich niemals gehenlassen. Egal, ob Finlay ihm diesen Kristall oder das Amulett geben würde oder nicht. Aber was hatte er davon und warum wollte er mich um jeden Preis? Hatte Eric auch mit dem Verschwinden meiner Pflegeeltern zu tun oder waren diese bereits tot? Wie meine richtigen Eltern? Was war mit Finlay, würde er überhaupt nach mir suchen?Immerhin hatte Finlay, dank meiner Hilfe, jetzt beide Hälften und musste somit nur noch das Amulett zusammensetzen. War in Wirklichkeit Finlay der wahre Entführer und Eric nur sein gewöhnlicher Handlanger? Hatte ich mich vielleicht so in Finlay getäuscht? War das der Grund, warum Finlay noch warten wollte? Allerdings warum fragte mich dann Eric immer und immer wieder nach dem Kristall? Und weshalb machte er diese Scheißbilder immer von mir?

Ich wusste noch genau, als ich das erste Mal in dieser dunklen Höhle aufwachte. In keinster Weise konnte ich mich bewegen. Dieser Scheißtyp hatte mich an einen verrosteten Eisenring gekettet und mir mit einem Messer die Bluse zerfetzt. Jeden Tag schlug er mir ins Gesicht. Wahrscheinlich sah ich schon aus wie ein Hamster, mit vollen Backen.

Auf jeden Fall brannte mein Gesicht wie Feuer. Manchmal fügte Eric mir einfach so, ohne ersichtlichen Grund Verletzungen zu. Irgendwann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte ihn nach dem Warum? Allerdings sagte er ironisch: „Das muss doch alles authentisch sein. - Deine Vorfahrin hatte dieselben Verletzungen. Hast du das etwa vergessen oder konntest du das Buch nicht zu Ende lesen? Nun ja, wir wollen doch das alles genau passt. Nicht wahr, Miststück? Ich hoffe, du weißt noch wie man sie genannt hat? Lucia, hieß sie! Vergiss das nicht wieder!“

Immer ließ er mich nach den Schlägen in der Dunkelheit allein, sodass der Wassertropfen das einzige Geräusch war, was ich tagtäglich wahrnahm. Schließlich kam der Tag an dem sich die Dinge schlagartig veränderten. Der erste Befehl von ihm war, dass ich Eric tatsächlich mit Meister anreden sollte. Natürlich lehnte ich das vollkommen ab. Er würde mich ganz bestimmt nicht kleinkriegen, so dachte ich in meiner Naivität. Allerdings hatte ich denn Faktum Zeit nicht in Betracht gezogen.

Nachdem er mir tagelang das Essen und das Trinken verweigert hatte, gab ich irgendwann völlig erschöpft auf und nannte ihn zu seiner Genugtuung: „Meister.“ Allerdings wollte dieser Mistkerl immer noch mehr. Wenn ich nicht mit ihm redete oder sofort eine Antwort gab, wurde ich mit eiskaltem Wasser bestraft und dann ließ er mich tropfnass in der kalten, dunklen Höhle zurück. Jeden Tag musste ich ihn mit: „Guten Tag, Meister“, begrüßen. Doch das rettete mich nicht vor den alltäglichen Schlägen und dem eiskalten Wasser.

In der Zwischenzeit hatte er seine Foltermethoden erweitert. Eric trocknete mich seit neustem mit einem rauen Handtuch ab, was absolut furchtbar und unerträglich für mich war. Sobald er damit meine Haut berührte, fühlte es sich an, als würde er mit Schmirgelpapier über die Haut fahren. Mit der Zeit wurde meine Haut noch sensibler, auf diese Art von Berührungen. Mittlerweile hing meine Kleidung nur noch in Fetzen an mir herunter, was Eric sichtlich genoss. Jedes Mal packte er mich grob an den Brüsten, bis ich vor Schmerzen aufschrie. Danach lachte er laut und ließ mich wieder in dieser furchtbaren Dunkelheit allein zurück. Wann würde dieses Martyrium endlich zu Ende sein? Ich wollte nach Hause. Ich wollte endlich wieder den blauen Himmel sehen und die Wärme der Sonne auf meiner Haut spüren.

 

***

Merklich zuckte ich zusammen, als ich ein Geräusch hörte. Verdammt, da war er wieder. Bevor ich noch einen Satz überlegen konnte, traf mich wieder ein harter Schlag ins Gesicht. „Aufwachen, Miststück. Wir machen einen kleinen Ausflug!“ Geschickt löste Eric meine Hand von der Kette und band beide Hände mit einem Strick zusammen. Plötzlich hatte er mir eine Augenbinde über die Augen gezogen und zerrte mich auf die Beine. Ohne Vorwarnung ging er sofort los. Ich kam mir vor wie ein Tier, was zum Schlachter gebracht wurde. Oder wie damals in der Sklavenzeit, wo man die Menschen ebenso festband und wegbrachte. Seltsamer Gedanke.

Wortlos zog er mich durch endlose Gänge, bis er plötzlich stehen blieb. Aufmerksam lauschte ich, hörte wie eine schwere, quietschende Tür geöffnet wurde. Auf einmal packte er mich und stieß mich sofort in eine Richtung. Unsanft landete ich auf dem harten, kalten Boden. Doch der Boden fühlte sich ganz anders an. Irgendwie glatter und kälter als in der Höhle. Ich sollte auch bald erfahren warum.

Mit einem lauten Krach viel die Tür ins Schloss und damit war mein Gefängnis wiederum verschlossen. Der Scheißtyp zog mich grob auf die Beine und ich spürte wie er meine Hände über dem Kopf an irgendetwas befestigte. Verdammt, warum tat er mir das nur an?