Im Schatten des Waldes - Barbara Kuhn - E-Book

Im Schatten des Waldes E-Book

Barbara Kuhn

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Beschreibung

Im Schatten des Waldes – Band 1 Die Adlige Lillian Anselm von Dudley lebt im 12. Jahrhundert in England. Nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Erzfeind Gundsrad von Hereford, flieht sie schwerverletzt in die nahen Wälder. Dort wird sie von Gesetzlosen gefunden und gesundgepflegt. Jedoch Gundsrad ist von ihr besessen und verfolgt sie weiterhin. Er setzt sogar eine hohe Belohnung auf ihre Ergreifung aus. Durch eine List belegt er Lillian mit einem geheimnisvollen Fluch, wodurch sie alle anderen in Gefahr bringt und sogar verletzt. Kann sie noch ihrem Widersacher entkommen oder ist ihr Schicksal bereits vorherbestimmt?

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Seitenzahl: 490

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Barbara Kuhn

Im Schatten des Waldes

Band 1

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Barbara Kuhn

Im Schatten

Widmung

Prolog

1. Veränderung

2. Das Urteil

3. Flucht

4. Gefallener Engel

5. Sonnenschein der Nacht

6. Feuer und Wasser

7. Erwachen

8. Pfeil der Erkenntnis

9. Enthüllung

10. Ins rechte Licht

11. Aus anderer Sicht

12. Überfall

13. Geständnis

14. Aufbruch

15. Verkauft

16. Die Jagd beginnt

17. Morgenröte

18. Hochebene

19. Abgrund

20. Der Fluch

21. Hoffnung stirbt zuletzt

22. Die Stimme

23. Entscheidung

24. Macht der Zuversicht

25. Blick nach vorn

26. Freund oder Feind

27. Verzweiflung

28. Kränkung

Leseprobe Teil zwei:

Weitere Bücher:

Autorin

Impressum

Impressum neobooks

Barbara Kuhn

Im Schatten

des

Waldes

In des Wappen tiefengrund, liegt die Blum hernieder. Holde Jungfer spürt die Macht, der dunklen, bösen Krieger.

Stein auf Haut, Haut auf Stein, wird die Wahrheit finden.

Für den heiligen Pfeil bereit, das Böse zu bezwingen. Und die Ewige Ruh, für immer zu finden.

Widmung

Für meine Kinder

und

meinen Mann.

Im Schatten des Waldes

In diesem Buch

wurde absichtlich

die veraltete Schreibweise

benutzt.

Alle Figuren

sowie die Handlung selbst,

sind frei erfunden.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1 Veränderung

Kapitel 2 Das Urteil

Kapitel 3 Flucht

Kapitel 4 Gefallener Engel

Kapitel 5 Sonnenschein der Nacht

Kapitel 6 Feuer und Wasser

Kapitel 7 Erwachen

Kapitel 8 Pfeil der Erkenntnis

Kapitel 9 Enthüllung

Kapitel 10 Ins rechte Licht

Kapitel 11 Aus anderer Sicht

Kapitel 12 Überfall

Kapitel 13 Geständnis

Kapitel 14 Aufbruch

Kapitel 15 Verkauft

Kapitel 16 Die Jagd beginnt

Kapitel 17 Morgenröte

Kapitel 18 Hochebene

Kapitel 19 Abgrund

Kapitel 20 Der Fluch

Kapitel 21 Hoffnung stirbt zuletzt

Kapitel 22 Die Stimme

Kapitel 23 Entscheidung

Kapitel 24 Macht der Zuversicht

Kapitel 25 Blick nach vorn

Kapitel 26 Freund oder Feind

Kapitel 27 Verzweiflung

Kapitel 28 Kränkung

Leseprobe: Teil zwei

Danksagung / Weitere Bücher

Autorin

Impressum

Prolog

Wir schreiben das 12. Jahrhundert in England, genau genommen das Jahr 1189 in der Grafschaft Dudley, die zwischen Wolverhampton und Birmingham liegt. Hier lebt Lillian, die einzige Tochter von Lord Anthony Anselm von Dudley. Sie ist mit ihren sechszehn Jahren eine überaus energische, junge Frau. Ihr ist die festgelegten Standesgesellschaften zuwider, auch wenn sie eine bessergestellte junge Maid ist. Für sie gibt es keine Adligen die frei sowie Bauern die unfrei ohne jegliches Rechte sind. Mensch bleibt Mensch!

In ihren Augen sind alle Menschen gleich, so sollten diese auch behandelt werden, was natürlich erheblichen Widerstand in ihrem Leben hervorruft. Besonders verhasst sind ihr die Adligen, die immer wieder den niedrigen Stand ausbeuten sowie foltern. Hauptsächlich ein gewisser Sir Gundsrad von Hereford. Ein junger, arroganter, reicher Adliger, der aus Zeitvertreib die Niedrigen lediglich zum Spaß quält.

Irgendwann kann Lillian, alias Lucia, dies in keinster Weise mehr ertragen. Sie muss mit ansehen wie ein junger Bauernbursche beinahe zu Tode geschlagen wird. Außer sich vor Wut bewirft sie den arroganten Gundsrad von Hereford mit Äpfeln, sodass dieser von dem Burschen ablässt. Was natürlich keinesfalls ohne Folgen bleibt und das Schicksal nimmt seinen Lauf…

1. Veränderung

„Lucia, Euer Vater verlangt nach Euch! Kommt rasch! Legt unverzüglich dieses Gewand an, bevor der gnädige Herr Euch so erblickt.“ Meine Amme Brigitt kam sichtlich aufgeregt die große Steintreppe hinunter und hielt ein Stück Stoff mit rotsilberner Darmastspitze über ihrem Arm. Verwundert blickte ich sie an, ließ allerdings gleichzeitig meinen Bogen sinken.

Mein Vater erahnte keinesfalls, dass ich mir die Zeit mit Pfeil und Bogen vertrieb. Er war stattdessen der Meinung, dass meine gänzliche Aufmerksamkeit dem Erlernen des vornehmen Benehmens und dem Sticken galt. Würde er jedoch dieses erahnt, wie ich meine Zeit wahrhaftig verbrachte, hätte er mich sehr wahrscheinlich in den höchsten Turm, der auf dieser Burg existierte, einsperren.

Im 12ten Jahrhundert, genau genommen im Jahre 1189 zurzeit König Richard I, war dieses Verhalten keinesfalls geduldet. Die Tochter von Sir Anthony Anselm von Dudley sollte in keinster Weise über diese Art der Dinge nachdenken. Mit Widerwillen nahm ich dieses Denken täglich wahr. Selbst das vornehme Gehabe der Adligen verabscheute ich abgrundtief. Lediglich meine Amme Brigitt sowie mein bester Freund Raven, dies war der Sohn von meines Vaters Schmied, waren die Einzigen die in mein Geheimnis eingeweiht waren.

Bevor ich etwas erwidern konnte stand Brigitt völlig außer Atem, mit weit aufgerissenen Augen, neben mir. Sie nahm mir den Bogen aus der Hand, reichte diesen Raven und zog mir unbeeindruckt von meiner Miene, das Gewand über den Kopf. Schließlich nahm sie eilig einen mit Silber verzierten Gürtel, verschloss diesen und schob mich in Richtung Treppe.

„Rasch Lucia. Euer Vater ist außer sich vor Wut. Er erwartet Euch im großen Saal. Allerdings ist er keineswegs allein.“ Verwirrt blickte ich sie an, jedoch war ich mir gänzlich keiner Schuld bewusst. Wieso war mein Vater so erzürnt?

„Lillian!!!“ Unwillkürlich zuckte ich zusammen, alsdann ich die energische Stimme meines Vaters vernahm. Ich eilte die Steintreppe hinauf, durch den langen Korridor in Richtung großen Saal. Wo jetzig mein Vater auf mich wartete. Brigitt blieb am Ende des Ganges stehen, mir war diesbezüglich bewusst, dass ich allein gehen musste. Mitunter war es den Bediensteten, wie ihr, untersagt die Herrschaften grundlos zu stören.

Natürlich hatte ich hingegen meine eigenen Verpflichtungen. Die Tochter von Lord Anthony Anselm von Dudley und Lady Aethal Juna Lucia von Dudley musste selbstverständlich den Adel repräsentieren. Da meine ehrenwerte Mutter im Kindbett starb, hatte ich diesbezüglich ihre Pflichten übernommen. Was mich keinesfalls sonderlich erfreute.

Brigitt war einst die Kammerzofe meiner Mutter sowie ungeachtet ihres Standes, eine gute Gefährtin ihrer Herrin gewesen. Manchmal erzählte sie mir wundervolle Dinge über meine Mutter: Über ihre Großzügigkeit… die Standhaftigkeit sowie ihrer Herzensgüte. Sie hatte anscheinend wunderbares, rotbraunes, langes Haar und eine elfenbeinfarbene reine Haut.

Sie ward keinesfalls sonderlich groß, vielleicht ein Meter fünfzig. Dieses konnte ich an ihren verbleibenden Kleidern erkennen. Allerdings soll ihr Lachen atemberaubend gewesen sein. Selbst wenn ich meine Mutter niemals gekannt hatte, vermisste ich sie.

Mein Vater war so gänzlich grundverschieden als meine Mutter. Wahrscheinlich hatte er ihren Verlust niemals wahrhaftig überwunden. Auf dem Sterbebett musste er meiner Mutter ein Versprechen geben. Ihre Tochter, demzufolge ich, sollte erst am Anfang ihres siebzehnten Lebensjahrs vermählt werden. Was mich ehrlich gesagt verwunderte, da die meisten adligen Edelfräuleins bereits mit vierzehn Jahren versprochen oder vermählt wurden. Was sie tatsächlich zu diesem Wunsch bewogen hatte, blieb mir allerdings für immer ein Rätsel. Selbst Brigitt konnte mir dies keineswegs beantworten.

Wie oft erblickte ich meinen Vater gedankenverloren vor dem Gemälde meiner Mutter. In der Tat hätte er gelegentlich einen Rat von ihr benötigt, bei dem Umgang und Bestrafung seiner sechszehn Jahre alten Tochter. Mein Vater war überaus gewissenhafter und strenger Mann, dennoch hatte er ein gutes Herz. Falls er allerdings etwas beschlossen hatte, existierte lediglich dieser eine Weg, ohne Wenn und Aber. Was unter Umständen keinesfalls immer in meinem Sinne war.

Wenn er diesbezüglich augenblicklich im großen Saal auf mich wartete, konnte dies kein gutes Zeichen sein. Darüber hinaus mit der Betonung keinesfalls allein, war gänzlich überaus fragwürdig. Ich konnte nur hoffen, dass ihm niemand etwas über meine wahren Lehrmethoden berichtet hatte. Zum Beispiel: Das ich mir niedrige Burschensachen anzog oder mit Pfeil und Bogen übte. Darüber hinaus weigerte ich mich im Damensattel zu reiten. – Denn allein diese Tatsache des Entdeckens wäre für mich außerordentlich beängstigend. Nein, sogar fürchterlich gewesen!

Vorsichtig betrat ich den großen Saal und blieb unverzüglich wie angewurzelt stehen. Nein… Gott bewahre! Meine Augen weiteten sich für einen kurzen Moment, da ich diesen Mann neben meinem Vater erblickte. Nein, lasst dies bitte ein Trugbild sein. - Keinesfalls kann er dortig stehen!

Allerdings so sehr ich es auch erflehte war es die bittere Realität. Neben meinem Vater stand Sir Gundsrad von Hereford und blickte äußerst grimmig in meine Richtung. Dieser Sir Gundsrad von Hereford, ein arroganter, äußerst rücksichtsloser sowie furchterregender Mann… allerdings unterbrach mein Vater meine inneren Gedankengänge.

„Lillian! Entspricht das der Wahrheit, dass du Sir Gundsrad von Hereford mit einigen Äpfeln beworfen, sowie ihn dadurch am Kopf verletzt hast? - Worauf dieser wahrhaftig von seinem edlen Ross gestürzt ist?“ Mit mürrischem Gesicht blickte mein Vater mich an. Ich hingegen machte einen unschuldigen Gesichtsausdruck und räusperte mich verlegen.

„Möglicherweise! Äh… es… es war keinesfalls meine Absicht, Vater. Ich hatte auf einem Apfelbaum gesessen und die Leiter ward mir diesbezüglich umgestürzt. Aus eben diesem Grund haben sich einige Äpfel gelöst und sind somit aus Versehen natürlich… auf Sir Gundsrad von Hereford Kopf gefallen. Wenn ich Ihn dadurch verletzt habe… sodann tut dies mir in der Seele wahrlich leid.“ Äußerst betrübt blickte ich zu meinem Vater sowie zu Sir Gundsrad, jedoch dieser funkelte mich weiterhin böse an.

„Wohl kaum!“, fauchte er mich mit seiner Arroganz an. „Aus Versehen! Dies entspricht keinesfalls der Wahrheit! - Eurer Tochter, Sir Anthony, mangelt es an jeglichem Respekt gegenüber der Obrigkeit. Ich glaube, Sie vergisst gänzlich wo Ihr Platz sich befindet. Ansonsten würde Sie keineswegs auf Bäume klettern, wie eine gewöhnliche Bauernmagd. - Desgleichen Äpfel auf Angehörige des Adelsstandes werfen, die darüber hinaus dem Königshaus nahestehen.“

Wütend blickte ich Sir Gundsrad an. Gleichzeitig beabsichtigte ich ihm wilde Vorwürfe an den Kopf zuwerfen, jedoch kam er mir zuvor. Sichtlich äußerst aufgebracht zischte er meinen Vater an: „Ich bestehe darauf, dass Eure Tochter eine angemessene Bestrafung erhält! Anderseits könnte ich wahrhaftig in Erwägung ziehen dieses für Euch auszuführen, Sir Anthony!“ Erzürnt stellte sich mein Vater neben mich.

„Bei allem Respekt Sir Gundsrad, ich versichere Euch, dass ich wohlweislich in der Lage bin meine Tochter angemessen zu bestrafen.“ Er machte eine unnachgiebige ernste Miene, wandte sich dann zu meiner Wenigkeit und blickte mich äußerst gefasst an. Jedoch ich kannte meinen Vater besser. „Lillian, du begibst dich unverzüglich in deine Gemächer und erwartest dortig mein Urteil.“ Erstaunt schaute ich meinen Vater an. So hatte er mit mir noch niemals gesprochen.

„Wie Ihr wünscht Vater“, sagte ich zerknirscht. Machte eine Verbeugung zu ihm und wand mich zu Sir Gundsrad um ebenfalls dortig eine Verbeugung zumachen.

„Vater… Sir Gundsrad.“ Langsam drehte ich mich um und wollte den Saal mit hocherhoben Hauptes hinausschreiten, jedoch Sir Gundsrad stellte sich mir geradewegs in den Weg. Seine schwarzen Augen durchbohrten mich förmlich. Sein Blick war äußerst süffisant und herablassend, dass ich augenblicklich eine Gänsehaut bekam.

„Mylady, ich bewundere Euren wundervollen Gürtel. Gewiss ein einmaliges Familienstück? - Mit Verlaub könnte ich mir diesen eventuell anschauen? Dieser Gürtel besitzt ein außergewöhnliches sowie eher seltenes Muster.“ Er blickte mich weiterhin mit seinen furchterregenden, durchdringenden Augen an, sodass ich erst einmal den Atem anhielt. Allmählich hatte ich mich wiederum gefangen und atmete tief aus. Was Gundsrad hingegen lächelnd wahrnahm.

„Euch sprachlos zu erleben, war dieser Frage bereits wert. Nun, erlaubt Ihr mir diesen Gürtel anzuschauen oder habt Ihr darüber hinaus etwas gänzlich dagegen?“ Sein arrogantes Lächeln ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Sofort spürte ich wie sich meine Kehle aufs Neue zuschnürte und ich nach Luft rang. Mit Genugtuung nahm er dies erneut wahr, selbstgefällig grinste mich Gundsrad von Hereford an.

„Ge… gewiss. Der Gürtel gehörte meiner verstorbenen Mutter, daher bedeutet er mir äußerst viel. Er ward das Einzige, was ich von meiner werten Mutter besitze.“ Verwirrt starrte ich Sir Gundsrad an, öffnete jedoch mit zitternder Hand den Gürtel und reichte ihm diesen.

Sir Gundsrad strich mit seinen Fingern über den mit Silberfäden verzierten Gürtel und blickte mich mit diesen dunklen, besitzergreifenden Augen an. Verunsichert atmete ich laut aus, gleichzeitig versuchte ich den Blick von ihm zu lösen. Was mir allerdings keinesfalls gänzlich gelang. Sir Gundsrad besaß einen fesselnden Blick, dem ich mich schwer entziehen konnte.

„Für wahr, ein äußerst edles Stück. Würdig einer hübschen, jungen Adligen, wie Ihr es seid, Mylady.“ Abermals schaute er mich mit seinen tief durchdringenden Augen an, die durch sein schwarzes halblanges Haar noch unheimlicher wirkten.

Im selbigen Augenblick reichte er mir den Gürtel und strich mit seinem Finger über meinen Handrücken. Ich erstarrte in meiner Bewegung, erblickte sein teuflisches Grinsen und rang hörbar nach Luft. Wie konnte dieser Unmensch mich indessen so aus der Fassung bringen?

Mit zittrigen Händen legte ich den Gürtel um meine Taille und verschloss ihn. Sofortig atmete ich erleichtert aus. Mit offenem Gewand, in seiner Gegenwart, kam ich mir irgendwie überaus verletzbar vor.

„Lillian! Ich möchte, dass du dich unverzüglich in deine Gemächer begibst!“ Dies war die energische Stimme meines Vaters. Mit großen Augen blickte ich ihn irritiert an und räusperte mich umgehend.

„Gewiss. Verzeiht mir mein unbedachtes Handeln.“ Ich verabschiedete mich durch einen Knicks in seine Richtung, blickte abermals zu Sir Gundsrad und verbeugte mich höflich. Jedoch stand dieser weiterhin hochmütig grinsend vor mir und beäugte mich amüsiert.

„Bis bald, holde Maid. Gehabt Euch wohl.“ Er schaute mich so hochmütig, arrogant, ja eher süffisant mit seinen dunklen Augen an. Mein Puls raste vor Furcht sowie innerlicher Anspannung. Mit bebender Stimme konnte ich Sir Gundsrad lediglich noch einen geruhsamen Tag wünschen, ehe ich eilig den Saal gänzlich verließ.

2. Das Urteil

Mit klopfendem Herz erreichte ich, völlig außer Atem, schließlich meine Gemächer. Langsam versuchte ich meine innere Wut zu bändigen, was mir allerdings nur schwerlich gelang. Wie konnte Sir Gundsrad mich gänzlich so aus der Fassung bringen? - Die Finger von diesem Tyrannen, hatten meine Haut berührt. Bei diesem Gedanken erschauderte ich und schüttelte mich vor Ekel.

Vor meinen Gemächern lehnte Raven abwartend an der Wand. Allerdings konnte ich kein einziges Wort über meine Lippen bringen. Wie unter Zwang musste ich ständig über die Stelle reiben, wo Gundsrad mich berührt hatte. Plötzlich erblickte mich Raven, wobei er unverzüglich auf mich zukam, sogleich musterte er mich ein wenig nachdenklich.

„Was hat dein Vater von dir gewollt? ... Du siehst ziemlich aufgebracht aus… mitunter ein wenig blass um die Nase. - Lucia geht es dir wahrhaftig gut?“ Raven schaute mich in diesem Moment eher besorgt an, was mich ein wenig tröstete.

Raven und ich waren bereits als Kinder gute oder besser gesagt, die besten Gefährten. Eben wahre Freunde und so gut wie unzertrennlich. Er hatte mich niemals verraten, wenn wir irgendwelche Streiche ausgeheckt hatten, sowie ich dies ebenfalls in keinster Weise tat. Als wir noch Kinder waren schlichen wir uns unentwegt in die Küche. Ebendort nahmen wir uns die Köstlichkeiten, die vorbehaltlos für meinen Vater bestimmt waren. Wir entwendeten aus dem Stall zwei Pferde um das Reiten zu erlernen. Schlichen uns heimlich ins Dorf zu den einfachen Bauern. - Wie oft hatte Raven für mein Fehlverhalten eine Bestrafung erhalten, jedoch er hat mich niemals verraten. Ja, er war mein bester sowie einziger Freund.

Bei Raven brauchte ich mich in keinster Weise zu verstellen. Dort war ich keinesfalls: Lillian, die adlige Tochter von Sir Anthony… Nein bei ihm war ich lediglich Lucia. Ein Kind wie Raven, dass er zu diesem Zeitpunkt ebenfalls war. Infolgedessen verbrachte ich die meiste Zeit mit dem Sohn eines Schmieds. Dies war wahrhaftig auch das Einzige was mein Vater mir jemals zubilligte.

Raven würde mir gegenwärtig ebenfalls beistehen, unerheblich welche Strafe mein Vater für mich aussprechen würde. Dies wusste ich in meinem tiefsten Inneren sehr genau. Raven würde zu mir stehen und dies beruhigte mich in gewisser Weise.

Langsam öffnete ich die Tür zu meinen Gemächern und schaute ihn aufgelöst an. Mit einem schweren Seufzer trat ich in meine Kammer, worauf er mir gemächlich folgte. Brigitt meine Amme wartete bereits aufgeregt in meinen Gemächern. Ich drehte mich zu Raven und blickte ihn mehr als verzweifelt an.

„Raven erinnerst du dich, wie wir - genau genommen ich, Sir Gundsrad mit den Äpfeln beworfen habe?!“ Zustimmend nickte er und wartete schweigend.

„Er hat sich wahrhaftig bei meinem Vater beklagt, ich hätte dies aus purer Absicht getan.“ Ein wenig empört blickte ich ihn an.

„War dies denn keinesfalls so, Lucia?“, meinte Raven sichtlich amüsiert.

„Gewiss… wahrhaftig… in der Tat. Allerdings dieser eingebildete, arrogante, aufgeblasene Gockelhahn… schlägt den armen Bauernburschen beinahe tot und belustigt sich allenfalls dabei. Am liebsten würde ich ihm einen ganzen Korb mit Äpfeln an seinen adligen Kopf werfen. - Er hat eine angemessene Bestrafung meiner Wenigkeit gefordert! … Nun, was sich dieser Sir Gundsrad darunter wohl vorstellen mag, darüber möchte ich keinesfalls einmal nachdenken. Gundsrad hat mich außerdem mit seinen ekelhaften Fingern berührt. Mich schaudert es jetzig noch.“ Wiederum rieb ich aufgebracht über meine Hand sowie über den Unterarm. Inzwischen hatte ich das Gefühl, seine Finger hätten mich mit seinen Gräueltaten für immer beschmutzt.

Verunsichert blickte ich zu Brigitt, atmete tief aus und fuhr fort: „Wenn ich dieses Gewand keinesfalls getragen hätte… sodann hätte ich wahrlich ohne Umstände von diesem Baum steigen können. Dieser Mistkäfer hätte mich gewiss keinesfalls bemerkt.“ Ich schaute zu Brigitt die mich erschrocken ansah und ihre Sprache wiedergefunden hatte.

„Genau genommen, wenn Sir Gundsrad Euch in bäuerlichem Gewand überrascht hätte, wäret Ihr gewiss bereits tot. - Was denkt Ihr Euch eigentlich? Ihr wisst genau, dass dieses keinesfalls gestattet ist, als Adlige bäuerliche Gewänder zu tragen sowie dieses auch umgekehrt verboten wart. Er hätte Euch, gleichgültig wessen Tochter Ihr in diesem Augenblick seid, bestraft können. Wahrscheinlich hätte ihm dies großes Vergnügen bereitet. Mitunter ist Sir Gundsrad ein äußerst skrupelloser, anmaßender sowie grausamer Mann. - Lucia, Ihr müsst wahrhaftig äußerst vorsichtig bei diesem Mann sein.“ Brigitt blickte mich voller Sorge auf eine beunruhigende Weise an.

„Hat Sir Gundsrad deinen Vater wissen lassen, was eine angemessene Bestrafung in seinen Augen wäre?“, fragte Raven jetzig neugierig. Allerdings konnte ich lediglich mit den Schultern zucken, gleichzeitig ging ich unruhig in meinen Gemächern auf und ab.

„Nein, er kam keinesfalls einmal dazu. - Mein Vater hat ihm nachdrücklich mitgeteilt, dass dies seine Aufgabe wäre mich diesbezüglich zu tadeln. Natürlich war Sir Gundsrad darüber keineswegs sonderlich erfreut, ich meine…“

***

„Hinaus! Verlasst augenblicklich die Gemächer meiner Tochter! - Raven dein Vater benötigt dich auf der Stelle in der Schmiede! - Brigitt, du hast gewiss noch andere Dinge zu verrichten…! Somit hinfort mit euch… sofort!“, herrisch blickte mein Vater beide an.

„Ja, Herr!“, gehorsam verbeugten sich beide und eilten hinaus. Allerdings warfen Brigitt sowie Raven mir noch einen äußerst bemitleideten Blick zu, sodann verschwanden sie.

„Vater ich…“

„Schweigt!“, aufgebracht starrte er mich an.

„Hast du eigentlich eine Vorstellung in welche furchtbare Lage du uns alle gebracht hast?“ Mein Vater schäumte regelrecht vor Wut und musterte mich überaus zornig. Stumm schüttelte ich den Kopf, zugleich schaute ich ihn mehr als verwirrt an.

„Sir Gundsrad ist der Vetter des Beraters von König Johann. Falls dir dieses gänzlich entfallen ist. König Johann ist der Bruder von König Richard I. Damit kann Sir Gundsrad nach Belieben, wenn ihm wahrlich der Sinn danach steht, deinen Kopf fordern. - Was um alles in der Welt hast du dir dabei gedacht? Denkst du überhaupt an jegliche Folgen deines Tuns?“ Seine Stimme wurde immerfort lauter und ich zuckte sichtlich zusammen. Aufgebracht schritt mein Vater in meinen Gemächern auf und ab. Urplötzlich blieb er stehen und starrte mich wutschnaubend an.

„Diesbezüglich habe ich keinerlei Wahl mehr, zumindest kann ich keinen anderen Ausweg erblicken! - Lillian, er will dich! Gundsrad will dich zu seinem angetrauten Weib!“ Seine Worte hallten im Raum, zugleich starrte ich ihn fassungslos an.

Nein!! Dies konnte er doch keinesfalls zulassen… Gundsrad würde mich demütigen… oder vielleicht noch schlimmere Dinge mir zufügen. Als sein Weib müsste ich ihm die Stiefel lecken, wenn er dieses von mir verlangte. Wenn ich ihm keinesfalls gehorchen würde… könnte er mich einfach bestrafen sowie es dem gnädigen Herrn eben gefiel! … Er könnte mich foltern oder sogar einfach töten! Keiner… selbst mein Vater könnte und würde mir diesbezüglich zur Hilfe eilen. - Als sein Weib… wäre ich von seiner Gnade abhängig und so gut wie tot!

Auf der Stelle spürte ich wie mir die Angst die Kehle zuschnürte und ich nach Luft rang. Bedächtig ging ich auf meinen Vater zu, gleichzeitig versuchte ich in seine Augen zu sehen. Ich musste ihn irgendwie in dieser Sache umstimmen, egal was es mich kosten würde.

„Vater bitte… tut dies keinesfalls unbedacht. Ich bitte Euch inständig überdenkt diesen Wunsch. Habt Ihr nicht meiner werten Mutter versprochen diesbezüglich zu warten?“, flehend blickte ich ihn an, jedoch wandte er sein Gesicht von mir ab.

„Lucia“, ich erschrak ein wenig. Dies wart das erste Mal das mein Vater diesen Namen in meiner Gegenwart benutzte. Überrascht sowie ungläubig schaute ich ihn an. Was hatte das alles zu bedeuten? Mein Vater stand geradewegs vor mir und atmete schwer aus.

„Mein Kind ich weiß mit Sicherheit was ich deiner Mutter am Sterbebett versprochen habe. Jedoch habe ich keinerlei Wahl. - Gundsrad will die Ländereien, er will mehr Macht. Verstehst du dies? Mit dieser Heirat wäre es das Einfachste für ihn und keiner würde seine Absichten infrage stellen. - Du bist jung, gebildet und keinesfalls mittellos. Mit dieser Heirat hätte er mehr Einfluss auf die Lakaien und würde so König Johann irgendwann ins Auge fallen. Für Gundsrad bist du lediglich ein Mittel zum Zweck. Eine verzogene Adlige mit Ländereien, keinesfalls mehr.“

Laut atmete ich aus, wobei ich meinen Vater entgeistert anstarrte. Jedoch ungeachtet meiner Miene sprach er weiter: „Wenn ich mich weigern sollte, sodann werden wir allesamt des Hochverrats angeklagt. Du weißt genau was dieses für uns alle wahrlich bedeutet.“ Prüfend betrachtete er mich, sodann räusperte er sich.

Ich war wie versteinert, unfähig ein einziges Wort über meine Lippen zu bringen, geschweige denn ihn anzublicken. Schwermütig seufzte ich. Sir Gundsrad konnte uns alle ohne Ausnahme töten. War ich dafür wahrhaftig bereit? Nein, es sollte niemand wegen meiner Wenigkeit sein Leben verlieren. Dies würde ich niemals zulassen, selbst wenn ich die Hölle wahrhaftig betreten müsste.

Hörbar atmete ich aus, gleichzeitig blickte ich meinen Vater an. „Wann? Wann soll die Vermählung stattfinden?“, fragte ich ihn beklommen. Mittlerweile starrte ich auf den hölzernen Fußboden in meiner Kammer und versuchte meine zitternden Finger irgendwie zu beruhigen.

„Beim nächsten Vollmond“, erwiderte er kühl.

„Nein!“, stammelte ich entsetzt. „Vater dies sind lediglich noch zehn Tagen… bitte! Vater bitte, gibt es denn keinerlei Hoffnung… keinen anderen Ausweg… keine andere Möglichkeit? Bitte… tut dies keinesfalls. - Wenn Ihr es wünscht, begebe ich mich augenblicklich ins Kloster. Auch wenn es mir schwerfallen würde. Bitte Vater… bitte.“ Inzwischen hatte ich mich auf die Knie fallengelassen und nahm hilfesuchend seine Hand.

„Bitte Vater, tut dies unter keinen Umständen. Gebt mich keinesfalls Sir Gundsrad zum Weib… diesem furchterregenden Mann. Bitte… ich flehe Euch an.“ Jedoch er entzog mir seine Hand und starrte mich mit eisernem Blick herablassend an.

„Nein! Es gibt keinerlei andere Möglichkeit. - Dies hast du dir selbst zuzuschreiben, außerdem gab ich diesbezüglich Sir Gundsrad mein Ehrenwort. Ich kann keinesfalls mehr zurück, es tut mir aufrichtig leid mein Kind. Dennoch du wirst zum nächsten Vollmond seine Gemahlin. Dies ist mein allerletztes Wort.“

Unverzüglich drehte sich mein Vater um und verließ ohne ein weiteres Wort meine Gemächer. Ganz langsam setzte mich auf den Boden und starrte ins Nichts. Unfähig mich irgendwie zu bewegen. Die Angst… meine Angst hatte mich gänzlich erfasst, worauf ich einen lauten Schrei ausstieß. Der all meine Furcht… meine Ängste… meine tobende Wut ausdrückte. Meine gesamte Welt war mit einem Schlag zunichte gemacht worden. Für immer und ewig verloren. Keinerlei Hoffnung auf eine glückliche Zukunft, für immerfort zerstört. Niemals wiederum lachen… niemals wiederum unbekümmert sein oder scherzen… niemals wiederum von alldem.

Auf einmal fühlte ich mich so unendlich klein, so wie ein winziges Insekt. Von der bedrohenden Hand der Obrigkeit in einen Krug gesteckt, dass irgendwann nach Belieben sodann gänzlich zerquetscht wurde. Irgendwie hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Wie lange saß ich bereits in meiner Kammer?

Dem Anschein nach hatte Brigitt als Erstes meine Gemächer betreten, jedoch nahm ich dieses lediglich am Rande wahr. Ich konnte keinesfalls glauben, was mein Vater diesbezüglich einfach so beschlossen hatte. Wäre meine Mutter noch am Leben, hätte sie dies gewiss zu verhindern gewusst. Er hatte ihr doch gleichwohl versprochen…! Jedoch sie war keinesfalls bei mir… ich war allein! Allein mit der Angst… mit der Furcht und mit der Verzweiflung!

Offensichtlich stellte mir Brigitt eine Frage, allerdings hörte sich dies wie ein leises Wispern einer kleinen Maus an. Sodann wurde alles um mich schwarz sowie gleichzeitig still. Was ich als Nächstes wahrnahm, war ein heftiges Schütteln an meiner Schulter. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und bemerkte, dass ich mich auf meinem Schlaflager befand. Langsam glitt mein Blick durch den Raum. Raven! Es war Raven, der mich so kräftig an der Schulter geschüttelt hatte.

„Brigitt, sie kommt zu sich! - Lucia! Hörst du mich? Sag doch bitte etwas! - Was hat der gnädige Herr mit ihr gemacht? So habe ich sie wahrhaftig noch niemals gesehen. Lucia!“ Tief atmete ich aus, gleichzeitig blickte ich Raven an. Dieser schwankte weiterhin vor meinen Augen, worauf ich diese augenblicklich wiederum schloss. Schwer schluckte ich und versuchte mich innerlich zu beruhigen. Was mir jedoch keinesfalls sonderlich gelang.

„Lucia! Kind geht es Euch gut? Ich war voller Sorge. Ihr habt gänzlich die Besinnung verloren, daraufhin habe ich sofort nach Raven geschickt. Euren Vater konnte ich wohlweislich keinesfalls damit belästigen. - Was hat der Herr denn für eine Strafe ausgesprochen?“ Stirnrunzelnd sah sie mich an. Eine raue Hand legte sich besorgt auf meine Wange, es musste Ravens Hand sein. Zwar versuchte ich aufzustehen, jedoch mein Körper versagte mir gänzlich den Gehorsam. Wie war ich auf meine Schlafstätte gelangt? Jedenfalls konnte mich in keinster Weise daran erinnern. Verwirrt blickte ich Brigitt sowie Raven nacheinander an.

„Was ist… was ist geschehen?“, abrupt fiel mir alles wiederum ein. Sir Gundsrad! Die Forderung von diesem Tyrannen… die Vermählung in zehn Tagen beim kommenden Vollmond.

Keineswegs konnte ich es verhindern, dass die Tränen in meine Augen traten. Mitnichten vermochte ich sie zu stoppen. Mutlos nahm ich Ravens Hand und stammelte verzweifelt unter Tränen: „Mein Vater will mich… mit Sir Gundsrad in zehn Tagen zum nächsten Vollmond, ver… vermählen. - Wenn mein Vater sich weigert, werden wir alle des Hochverrates bezichtigt.“ Ich starrte auf Ravens raue Hand, die ich weiterhin fest umklammert hielt und atmete schwer aus. Schweigen!

Unerträgliches endloses Schweigen breitete sich gänzlich in meinen Gemächern aus. Man hätte wahrhaftig eine Nadel zu Boden fallen gehört, so still war es in diesem einen Augenblick. Raven hatte sich als Erster wiederum gefangen. Sogleich sprang er vom Boden auf, da er neben meinem Schlaflager gekniet hatte, und ging wie ein wildes Tier im Käfig hin und her. Abrupt blieb Raven stehen und blickte mich äußerst bestürzt an. Ein weiteres Mal kam er an mein Lager, nahm meine Hände, zugleich schaute er mich mit einem verzweifelten Blick an.

„Du kannst keineswegs mit Gundsrad vermählen werden… er hasst dich zutiefst! Er wird dich erst foltern, qualvoll wohl gemerkt, und sodann tötet er dich! - Ist dir dies gänzlich bewusst? Wir müssen… wir müssen eine andere Lösung finden. Wir haben keine andere Wahl… Warte! Wenn du keinesfalls in Dudley wärst… ich meine…, wenn du gänzlich verschwindest. Sodann könnte sich Gundsrad keinesfalls mit dir vermählen… somit hätte dein Vater keineswegs sein Wort gebrochen. - Nein! … Sir Gundsrad könnte glauben, dass dein Vater dich vor ihm versteckt hält! … Somit auch kein kluger Einfall.“ Ungläubig schaute ich ihn an. Was sprach er da für einen Unsinn?

Jedoch Raven ließ weiterhin seinen Gedanken freien Lauf und sprach einfach weiter: „Ich habe es Lucia! Du wirst einfach geraubt. Du brauchst dich keinesfalls mit Gundsrad vermählen… obendrein hätte dein Vater keinerlei Verpflichtungen mehr… Gleichzeitig wärst du wiederum frei.“ Mit einem triumphierenden Lächeln blickte er mich an, jedoch schüttelte ich den Kopf.

„Wer sollte auf den grandiosen Einfall kommen, mich, die Tochter eines Adligen zu rauben?!“

„Ich natürlich! ... Lucia, ich könnte alles Erdenkliche vorbereiten. Ein bis zwei Tage bräuchte ich eventuell um alles zu beschaffen. Brigitt könnte dir mitteilen, wenn ich so weit wäre. - Wenn ich ständig deine Gemächer betrete, wird dein Vater irgendwann gewiss Verdacht schöpfen. - Meinen Vater können wir keinesfalls einweihen, da… da er deinem Vater treu ergeben ist. Er würde uns mit Sicherheit verraten.“

Raven blickte mich zuversichtlich an und nickte. Gleichzeitig regte sich in mir ein kleiner Funken von Hoffnung. Eilig verließ er meine Gemächer, worauf Brigitt beruhigend meine Hand nahm. „Es wird gewiss alles sich zum Guten wenden. Ihr werdet dies gewiss sehen. Raven ist immer irgendetwas eingefallen, selbst wenn es derart unmöglich wart. Ich werde Euch erst einmal etwas zur Stärkung bringen.“ Niedergeschlagen stimmte ich ihr zu, worauf sie mich ebenfalls verließ. Indessen war ich wiederum allein! Allein mit meinen Gedanken… mit meiner Frucht sowie meiner Einsamkeit.

Nach einer unruhigen Nacht folgte der nächste Tag. Jetzig blieben mir lediglich neun Tage bis zum nächsten Vollmond. Dieser Tag verging äußerst… äußerst langsam. Ich glaube, eine Schnecke wäre schneller gekrochen, alsdann jemals dieser Tag wahrlich verging.

Mein Vater… er redete kein einziges Wort mit mir. … Was sollte er mir wahrhaftig auch diesbezüglich mitteilen? Er hatte seinen Entschluss gefasst und für ihn gab es lediglich diesen einen Weg.

3. Flucht

Als der nächste Morgen dämmerte, stand urplötzlich Brigitt vor meiner Schlafstätte. Sanft rüttelte sie an meinem Arm. „Lucia, wacht auf. Ihr müsst augenblicklich fort von diesem Ort. Die Männer von Sir Gundsrad sollen Euch in den Morgenstunden zu seiner Lordschaft bringen. - Geschwind. Wir müssen uns beeilen, ehe sie bei Euch sind.“

Brigitt hatte bereits mein Gewand in ihren Händen und schob die Schlafdecke beiseite. Schlaftrunken kletterte ich von meinem Schlaflager. In einer Art Dämmerzustand zog ich erst das bäuerlich, sodann mein adliges Gewand an.

„Brigitt, was ist geschehen? Wieso wollen Gundsrads Männer mich bereits jetzig mitnehmen? Warum kann dieser aufgeblasene Gockelhahn, keinesfalls die neun verbleibenden Tage abwarten, bis er mich gänzlich quälen kann? - Hat mein Vater dies in der Tat ebenfalls gebilligt?“ Ein wenig aufgebracht blickte ich zu ihr, jedoch schüttelte sie den Kopf.

„Nie und nimmer. Euer Vater ahnt nichts von alldem. Ich glaube, Sir Gundsrad traut Eurem Vater nicht im Geringsten. - Wenn sich die Wachen keinesfalls zufällig darüber ausgesprochen hätten. Raven nicht gänzlich in der Nähe gestanden wäre, sodann sei alle Hoffnung verloren.“

Brigitt verschloss mein Gewand, mit dem silbernen, bestickten Gürtel, und zog mich gleichzeitig eilig in Richtung Tür. Vorsichtig öffneten wir die schwere Eichentür und spähten in den langen Korridor. Wir hatten Glück, keinerlei Wachen!

Langsam schlichen wir den Gang entlang. Beinahe hatten wir das andere Ende des Korridors erreicht, da… urplötzlich hörten wir ein Geräusch. Augenblicklich erstarrte ich in meiner Bewegung, ängstlich schaute ich zu Brigitt. Sie schob mich sanft in eine Nische, legte den Finger auf meinen Mund und flüsterte gleichzeitig mir zu: „Ich werde die Wachen weglocken. Sobald ich Euch den Rücken zuwende, schleicht Ihr Euch aus dem Korridor. Viel Glück, Lucia.“ Sie drückte mich noch einmal ganz feste an sich, drehte sich um und ging entschlossen in Richtung der Schritte. Angsterfüllt lauschte ich, es waren wahrhaftig die Wachen. Sie sollten vor meiner Kammer anscheinend Stellung beziehen. Zögernd schlich ich durch das Tor. Gott sei Dank, ohne jegliche Zwischenfälle.

Dank Brigitts Ablenkung erreichte ich die Steintreppe, die hinunter zum Innenhof führte. Unbemerkt schlich ich die lange Treppe hinunter. Der Innenhof war durch die Morgendämmerung in ein gespenstiges Licht getaucht, keine einzige Menschenseele konnte ich erblicken. Wo war Raven?

Mein Herz klopfte so schnell und laut, dass ich diesbezüglich Angst hatte es könnte mich augenblicklich verraten. Endlich hatte ich die Pferdeställe, ohne dass mich jemand erspäht hatte, erreicht. Raven stand mit drei Pferden im hinteren Bereich der Ställe. Besorgt schaute er sich um. Mit einem Mal hatte Raven mich entdeckt, zugleich winkte er mich zu sich und blickte unauffällig zur Seite.

„Lucia wir müssen ganz leise sein. Ich glaube, Gundsrad erahnt was wir vorhaben.“ Er reichte mir die Zügel eines Pferdes, worauf wir in gebückter Haltung zum westlichen Tor schlichen. Raven gab mir die Zügel der beiden anderen Pferde und öffnete lautlos das Tor. Ich machte einen Schritt nach vorne, da geschah es!

Mein Umhang blieb an einem Eimer hängen. Verdammt wieso stand er dortig, mitten in der Dunkelheit? Ich versuchte ihn schnellstmöglich wiederum abzuschütteln. Urplötzlich löste sich der Eimer von dem Umhang, rollte mit lautem Gepolter in Richtung Innenhof und blieb ebendort liegen. Wir hielten beide den Atem an und lauschten.

Allerdings hatten die Wachen den Lärm bemerkt. Sofort riefen sie: „Alarm! … Zu den Waffen! … Wir werden angegriffen!“ Mit verängstigten Augen blickte ich zu Raven. Er kam angerannt und riss mir die Zügel aus der Hand. Wütend zischte er mich an: „Los… mach schon!“

Geschwind half er mir auf das Pferd und gab diesem einen Klaps, sodass es sogleich nach vorne sprang in Richtung Tor. Raven stieg eilig auf sein Pferd, nahm das andere bei den Zügeln und trieb es voran. Mein Pferd hatte den Torbogen bereits erreicht. Unverzüglich legte ich meinen Kopf an den Pferdehals, damit wir das Tor ungehindert passieren konnten. Nach bangen Momenten war ich endlich auf offenem Gelände. Raven war hoffentlich hinter mir.

***

Langsam wendete ich den Kopf zur Seite. Erleichtert erblickte ich Raven, der tatsächlich hinter mir war. Er hatte mich nahezu eingeholt, jedoch meine Augen weiteten sich vor gänzlichem Entsetzen. Drei Wachen aus der nahen Burg sowie fünf andere Reiter verfolgten uns mit erheblicher Geschwindigkeit. Raven und ich hatten beinahe das naheliegende kleine Wäldchen, unser Ziel, erreicht. Jedoch die Reiter ließen sich keinesfalls mehr abschütteln. Ich hielt mich mit der linken Hand an der Mähne des Pferdes fest, mit der rechten Hand öffnete ich meinen Gürtel und streifte ein wenig unbeholfen den Umhang ab.

“Jetzt!“, schrie Raven mir zu.

Mit aller Kraft warf ich den adligen Umhang in ein Gebüsch, gleichzeitig ließ Raven das dritte Pferd los. Dieses lief aufgeschreckt in eine andere Richtung davon. Urplötzlich bemerkte ich den Gürtel. Der Gürtel meiner Mutter war mit ins Gebüsch gefallen. Verloren! Verdammt!Allerdings darüber konnte ich augenblicklich keinesfalls nachdenken.

Wir trieben unsere Pferde immer tiefer in den Wald hinein und glaubten uns gänzlicher in Sicherheit. Jedoch der Schein trügt, auf einmal sahen wir sie. Die Wachen! Unsere Verfolger hatten sich anscheinend zusammengeschlossen sowie gefährlich an Nähe gewonnen.

„Lucia! Ganz egal was jetzig auch geschehen wird versprich mir, dass du unter allen Umständen weiterreitest! Du darfst auf keinen Fall stehenbleiben, ansonsten wart alles umsonst! … Versprich es mir! - Verstecke dich im Wald! Nach einer Weile gehst du, wie besprochen zu der Ortschaft Ironby. Ebendort wird meine Tante Martha auf dich warten. Sie ist die hiesige Dorfschneiderin. Du kannst ihr gänzlich vertrauen.“ Verwirrt schaute ich Raven an, allerdings verstand ich nicht das Geringste. Was wollte er mir damit mitteilen? Jedoch im selbigen Moment erstarrte ich innerlich. Nein!

Raven gab seinem Pferd die Sporen, sodass er eine andere Richtung einschlug. Bei der nächsten Wegkreuzung war er bereits aus meiner Sichtweise verschwunden. Ich war allein! Dennoch kamen unsere Verfolger bedrohlich näher, zugleich machte sich urplötzlich Panik in mir breit. Was wenn sie mich gefangen nehmen würden? Gundsrad wäre außer sich vor Zorn!

Sogleich trieb ich mein Pferd noch schneller an. Augenblicklich presste ich mich fester an dessen Hals und hoffte inständig, dass ich ein sicheres Versteck im Wald finden würde.

„Dort! … Dort drüben ist einer von ihnen! Lasst ihn auf keinen Fall entkommen! Ihr folgt diesem, wir dem anderen!“ Aus einiger Entfernung vernahm ich Kampfgeschrei. Raven! Urplötzlich schossen etliche Pfeile durch die Luft. Ich versuchte mich noch kleiner zu machen, ängstlich klammerte ich mich an das Pferd. Bedrohlich sausten die Pfeile über mich hinweg, alsdann ich erleichtert eine kleine Lichtung wahrnahm. Da geschah es…

Ein schmerzerfüllter Schrei entfuhr mir. Dieser Schmerz! Ein Pfeil hatte mich anscheinend an der linken Schulter getroffen. Schmerz… ein unerträglicher Schmerz! Dieser raubte mir beinahe die Sinne. Stoßweise ging mein Atem, Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn, gleichzeitig brannte mein linker Arm wie Feuer. Ich versuchte mein Pferd in eine Baumgruppe zu lenken, jedoch konnte ich mich keinesfalls mehr an der Mähne festhalten. So schlug ich mit voller Wucht auf den harten Waldboden. Augenblicklich entwich mir die Luft aus der Brust.

Schmerzerfüllt hielt ich mir den linken Arm und rang nachhaltig nach Atemluft. Benommen schaute ich mich um, hierselbst konnte ich keinesfalls bleiben. Meine Verfolger waren gewiss gänzlich in der Nähe. Ich biss die Zähne zusammen und kroch, auf allen Vieren, in ein naheliegendes Gebüsch. Sogleich vernahm ich sie! Die Wachen! Die Reiter!

Augenblicklich hörte ich ihre Pferde… ihre Stimmen. Sie waren ganz in der Nähe und suchten anscheinend weiterhin nach mir. Panisch versuchte ich mich unter den Farnen zu verstecken. Zugleich drückte ich mich augenblicklich noch tiefer in die feuchte Erde und wartete. Sollte dies wahrlich mein Schicksal sein, dass ich in einem Wald endete?!

„An dieser Stelle ist wahrhaftig niemand! Möglicherweise ward er woanders abgesprungen!“ Rief einer der Verfolger jemanden anderem zu. „Sodann sucht ihn eben an einer anderen Stelle. Wir müssen ihn aufstöbern oder wollt ihr wahrhaftig die Peitsche von Sir Gundsrad spüren?! Ich für meinen Teil will lieber die Silberlinge, anstatt etlicher Peitschenhiebe“, schrie der Anführer sie äußerst energisch an.

„Sodann sucht ihn!“

Bitte! Bitte lasst sie mich keinesfalls finden… dachte ich flehend bei mir. Unwillkürlich schloss ich die Augen. Legte meinen rechten Arm über den Mund und versuchte, trotz der erheblichen Schmerzen, leise zu atmen. Dies war mir indessen schier unmöglich, da der Schmerz bei Weitem unerträglich wurde.

Eine Weile verging. Stille breitete sich aus. Keinen einzigen Laut vernahmen meine Ohren, sodass ich langsam jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Die Tiere des Waldes begannen wiederum zu summen oder an zu zwitschern. Folglich war keinerlei Gefahr mehr in ihrer Umgebung. Gerade wollte ich aus meinem Versteck kriechen, alsdann eine raue Hand mir meinen Mund fest verschloss. Egal wer dies auch war, mein Blut gefror augenblicklich zu Eis, zugleich riss ich die Augen weit auf.

***

Der Unbekannte drehte meinen Kopf in nördliche Richtung und da bemerkte ich sie. Meine Verfolger! Sie lauerten auf der anderen Seite der Lichtung. Es waren zwei mit Schwertern sowie Armbrüsten bewaffnete Männer, die lediglich dortig auf mich warteten.

Mir wurde ganz flau im Magen, gleichzeitig hörte ich eine leise tiefe flüsternde Stimme: „Ich lasse dich sogleich los. Wir müssen auf der Stelle von hier fort, bevor die anderen Verfolger wiederum zurückkehren.“

Mein Blick fiel auf schwarze, dunkle Augen. Anscheinend gehörte er keinesfalls zu den Verfolgern. Er hatte schwarze, kurze, lockige Haare und ward kräftig gebaut, allerdings keinesfalls fettleibig. Seine Haut war ein wenig dunkler als die meine, beinahe dunkelbraun. Im Gesicht hatte er einen Oberlippenbart, außerdem hatte er vom rechten bis zum linken Ohr wiederum einen Streifen mit Barthaaren. Unterhalb der Unterlippe und seinem Kinn hatte er ebenfalls einen kleinen Streifen mit dunklen Barthaaren. Kurz und gut wer dies auch immerfort sein mochte, er sah äußerst vortrefflich aus. Weshalb hatte ich solch ein absurden Gedanken?

Seine Hand gab meinen Mund frei, gleichzeitig zeigte er in eine Richtung des Waldes. Langsam kroch ich rückwärts tiefer in den Wald hinein, fort von der bedrohenden Gefahr. Irgendwann erblickte ich die Lichtung keinesfalls mehr und der Fremde blieb stehen. Er reichte mir seine Hand, worauf ich ein wenig zögerte. Allerdings ergriff ich diese dennoch, daraufhin zog er mich mit einem kräftigen Ruck auf die Beine.

Jetzt konnte ich sein Wams, sein hiesiges Gewand, erblicken. Er war gänzlich in schwarzem Leder gekleidet. Sein Oberteil war mit Nieten sowie Schnallen verziert. An seinen Handgelenken hatte er zusätzlich braune Lederbänder, wie ich sie von Schwertkämpfern kannte. Seine Beine steckten in enganliegenden schwarzen Beinkleidern, die mit Schnüren an den Seiten verziert waren. Die Füße steckten in engen halbhohen braunen Stiefeln, die ebenfalls auch an den Seiten geschnürt wurden. Auf dem Rücken blitzten zwei Griffe von Dolchen oder Kurzschwertern hervor und am Knöchel erkannte ich noch ein kleineres Messer. Kurz und gut er war ein Krieger, dies war mehr als offensichtlich.

Durch den kräftigen Ruck verspürte ich wiederum den Pfeil in der Schulter und mir entfuhr ein schmerzverzerrtes Stöhnen. Nachdenklich schaute er mich an, drehte mich um und blickte unverzüglich auf den Pfeil in der Schulter. „Mein Freund, der Pfeil muss augenblicklich herausgenommen werden. Dies auf dem schnellsten Weg.“

Anscheinend suchte er irgendwas auf dem Waldboden. Plötzlich bückte er sich, worauf er ein Holzstück vom Boden aufhob. „Höre zu. Du beißt gleich auf dieses Holzstück. Ich werde dir gleichzeitig den Pfeil herausziehen. Sodann werde ich dir Kräuter auf deine Wunde legen. Dies wird dir erstmals helfen bis wir das Lager erreicht haben. Dortig kannst du dich sodann ausruhen. - Mein Name ist Samuel, jedoch nennt man mich ebenfalls Samu. - Nun gut, bist du bereit?“ Fragte er mich mit ernstem Blick, gleichzeitig hielt er mir das Stück Holz entgegen.

Hörbar schluckte ich und nickte lediglich. Starr vor Angst nahm ich das Holzstück zwischen meine Zähne. Augenblicklich versuchte ich mich an einem Baum festzuhalten. Plötzlich spürte ich seine Hand auf meiner rechten Schulter. Panik machte sich in mir breit. Mein Atem beschleunigte sich und Schweißperlen traten auf meine Stirn. Auf einmal… ein kräftiger Ruck… ich schrie auf, trotz des Holzstücks in meinem Mund. Sodann wurde alles schwarz um mich herum…

4. Gefallener Engel

Dieser Wald war dicht grün sowie undurchdringlich. Ich schritt unverändert meine beinahe alltägliche Runde. Unser Lager, der Unterschlupf vor den Männern der Obrigkeit, war ungefähr fünf Meilen von diesem immergrünen Ort entfernt. Meine Aufgabe war nach irgendwelchen Eindringlingen Ausschau zu halten, die uns diesbezüglich Schaden zufügen konnten. Ich für meinen Teil wollte lediglich ein wenig Wild erlegen.

Gedankenverloren schritt ich den schmalen Pfad entlang, den ich seit einer Ewigkeit keineswegs mehr betreten hatte. An diesem Ort wirkte alles so grün, neblig und kühl. Es roch ständig nach feuchtem Gras, Flechten, Bäumen sowie Moosen. Zudem dieser ewige Regen…

In meiner Heimat hatten wir dieses Klima lediglich in den Oasen vorgefunden. Allerdings diesbezüglich hierselbst in England, im Jahre 1189, die Kreuzzüge waren noch im vollen Gange, war dies das übliche Wetter. Dass ich an diesem feuchten, fremden Ort weit ab von meiner Heimat leben würde, hätte ich niemals für möglich gehalten. Allerdings die Kreuzzüge änderten dieses.

Unser Lager hatten wir in den Wäldern zwischen Ironby und Shrewby, in der Nähe von Dudley. Wir waren ein wilder zusammengewürfelter Haufen. Unser Bestreben war den gequälten Bauern, den hiesigen Leibeigenen, zu unterstützen. Dies taten wir mit all unser Kraft. Die sogenannte Obrigkeit - Adlige, Ritter, sogar Geistliche bluteten dieses Land gänzlich aus. Den Bauern ging es äußerst schlecht. Sie hatten keinesfalls etwas zu essen und erkrankten dadurch häufiger, vor allem die Kinder. Sie mussten das Land, auf dem sie lebten, bebauen sowie diesbezüglich beträchtliche Steuern zahlen. Selbst wenn das Land ihnen keinesfalls gehörte und wahrhaftig niemals gehören würde.

Falls sie allerdings ihre Steuern keinesfalls bezahlen konnten, wurden sie Angesicht der Tatsache äußerst hart bestraft. Mit Kerker, Folter, Verschleppung der Weiber sowie der Kinder, Beschlagnahmung des Viehs oder der Zerstörung des gesamten Ortes. Was diese Menschen ertragen mussten, war wahrhaftig grauenhafter als mancherlei Schlacht. Oft im Zeichen ihres sogenannten Glaubens. Für mich eigentlich gänzlich unvorstellbar. Weiber sowie Kinder wurden bestialisch abgeschlachtet.

Diesen Menschen musste ich einfach helfen. Vor geraumer Zeit hatte mir ebenfalls ein Engländer mein armseliges Leben gerettet. Einem Mauren, einem Ungläubigen? War der Glaube wahrlich so wichtig? Wurden deshalb keinesfalls in den Kreuzzügen Unmengen von Blut vergossen? - So unmoralisch und barbarisch wie sie eigentlich mich nannten, waren sie diesbezüglich selbst.

Mein Name ist Samuel im mittleren Alter, groß sowie kräftig. Ein ansehnlicher Schwertkämpfer, ziemlich geschickt mit dem Wurfmesser sowie ganz passabel mit Pfeil und Bogen. Allerdings sind meine Lieblingswaffen die beiden Kurzschwerte, diese trage ich immerfort auf meinem Rücken. Eigentlich bin ich ein Mann der keinesfalls viele Worte um etwas macht. Was sollte ich wahrhaftig auch zu ihnen sagen? Meinen Glauben sowie mein Denken verstanden die Wenigsten von ihnen und dies war zudem in mancher Hinsicht auch gut so.

Meine Gefährten waren derzeit Harroh, der Anführer, sowie sein Weib Minna. Ludger, Veland, Tiw sowie Bruder Matthias. Sie alle waren so Draufgänger wie ich selbst. Immerhin kämpften wir für dieselbe Sache, gegen die sogenannte Obrigkeit. Lediglich ihre ständigen Saufgelage konnten mich…

***

Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedankengängen. Es kam aus östlicher Richtung, von dem Weg der nach Dudley führte. Instinktiv duckte ich mich hinter einem halbhohen Gebüsch. Überdies hörte ich Huftritte von drei, nein vier Pferden. Ritter!?

Männer des hiesigen Sheriffs. Ich begutachtete die ankommenden Reiter. Kettenhemd, silbrig, matter Helm und ein wehender Umhang, ganz offensichtlich Männer des Sheriffs oder eines anderen Lehnsherrn. Anscheinend suchten sie jemanden, denn sie kamen schnell näher. Und tatsächlich: Eine halbe Meile voraus erblickte ich einen Jüngling. Keinesfalls äußerst muskulös, eher schmächtig.

Offensichtlich war er aus einem naheliegenden Dorf, da er wie alle hiesigen Bauern ein enganliegendes Beinkleid und eine Art Umhang trug. Dieser reichte ihm jedoch beinahe bis zu den Knien. Sein Gesicht sowie seine Haare waren durch einen großen Filzhut verdeckt. Er trieb sein Pferd weiterhin schnell an. Wahrscheinlich hatte er dieses gestohlen oder sonst eine Niedrigkeit in den Augen der Männer des Sheriffs getan?

Ich wollte geradewegs mein Versteck verlassen, alsdann ich ein weiteres Pferd vernahm. Diesmal genau neben dem Gebüsch wo ich mich versteckt hielt. Unverzüglich bückte ich mich noch tiefer. Jedoch das Dickicht bot mir eine sichere Deckung. Da wir uns in der heißen Zeit befanden, waren die Blätter grün sowie undurchdringlich. Das Pferd war stehengeblieben und schnaufte unruhig.

„Worauf wartet ihr noch? Macht schon, dass ihr dieses Gesindel zu fassen bekommt! Sir Gundsrad will diesen Burschen unter allen Umständen. Er weiß mit Sicherheit wo sich Lady Lillian zurzeit aufhält. - Schießt schon! Er soll lediglich lebend zurück, wie lebend ist ohnehin keinesfalls sonderlich von Bedeutung!“ Hämisch lachte er auf. Im selbigen Moment hörte ich den Abschussbolzen einer Armbrust, einige Pfeile sausten durch die Luft, sodann…

„Ah!“ Aus der Richtung des Waldes, wohin der Jüngling verschwunden war, hörte man einen schmerzerfüllten Aufschrei. Danach Stille. Keinerlei Regung… nichts. Das Pferd kam ohne seinen Reiter zurück, worauf es aufgeschreckt davonlief. Abermals Stille.

„Ha, ha! Ihr habt ihn gewischt! Kommt lasst uns den Hundesohn zu Sir Gundsrad bringen sowie unsere Silberlinge abholen. Ich will am heutigen Tage ein wahrhaftes Saufgelage vollziehen, mit Weibern sowie Wein bis zum Abwinken.“

Gehässig lachte er aufs Neue. Drei der Reiter begaben sich bereits in Richtung Wald. Der Vierte, der Anführer, folgte ihnen gemächlich, eher sonderlich gelangweilt. Ich schaute vorsichtig aus meinem Versteck hervor, einer der Männer war stehengeblieben und beugte sich von seinem Pferd.

„An dieser Stelle ist wahrhaftig niemand! Möglicherweise ist er woanders abgesprungen?“, rief er seinem Anführer zu. Dieser war außer sich vor Zorn, worauf er aufgebracht wiederum zurückschrie.

„Sodann sucht ihn eben an einer anderen Stelle! Wir müssen ihn aufstöbern oder wollt ihr wahrhaftig die Peitsche von Sir Gundsrad spüren?! Ich für meinen Teil will lieber die Silberlinge, anstatt etlicher Peitschenhiebe! Sodann sucht ihn!“, schrie der Anführer sie äußerst energisch an.

Wutschnaubend trieb er sein Pferd an, ritt in ihre Richtung und verschwand zwischen den Bäumen. Ich verharrte weiterhin für einen kurzen Moment in meiner Deckung und lauschte. Allerdings konnte ich von den Reitern keinesfalls mehr etwas vernehmen. Die Vögel begannen wiederum ihr unschuldiges Lied zu trällern und ein kräftiger Wind kam auf. Der Himmel verdunkelte sich, allmählich sollte ich wiederum zum Lager zurückkehren. Nun gut, jetzt oder nie!

Kaum hörbar schlich ich aus meinem Versteck, immerfort in gedeckter Haltung… zum Angriff bereit. Nach einer Weile erreichte ich die Stelle, wo der Bursche vom Pferd gefallen sein musste. Jedoch war nicht das Geringste von ihm zu sehen und dennoch verspürte ich ein Gefühl, alsdann wäre er keineswegs weit von mir entfernt. Seltsam!

Ratlos schlich ich weiter in das Dickicht hinein. Immerfort in Blickrichtung der Lichtung, falls seine Verfolger zurückkamen. Urplötzlich, aus den Augenwinkeln, nahm ich eine kurze Bewegung wahr und ebendort lag er. Verborgen unter Farnwedeln und halbwegs mit feuchter Erde bedeckt, versuchte sich der Jüngling zu verstecken. Seine Augen hatte er geschlossen, jedoch sein Körper zitterte bedenklich. Sein Atem ward nicht mehr als noch stoßweise zu vernehmen.

Geduldig wartete ich, was sich als glücklichen Zustand herausstellte. Unterdessen bemerkte ich sie, die Verfolger. Seine Verfolger! Sie suchten wahrhaftig immer noch nach ihm. Was hatte dieser Jüngling für eine Missetat begannen, dass diese Männer so begierig waren ihn einzufangen?

Ganz vorsichtig sowie beinahe geräuschlos schlich ich mich an ihn heran. Er hatte mich in keinster Weise bemerkt. Augenblicklich legte ich meine Hand auf seinen Mund, wodurch er unwillkürlich die Augen aufriss und mich mit seinen grünblauen Augen anstarrte. Seine Verfolger hatten ihn anscheinend verletzt… schwer verletzt. Ein Pfeil ragte aus der linken Schulter hervor.

Äußerst überlegt drehte ich seinen Kopf in Richtung Lichtung, ohne allerdings den Pfeil oder die Schulter zu berühren. Seine Augen weiteten sich augenblicklich, ich spürte wie er vor Furcht innerlich erstarrte. „Wenn du schreist, finden sie uns. Ich lasse dich sogleich los. Wir müssen auf der Stelle von hier fort, bevor die anderen Verfolger wiederum zurückkehren.“

Energisch schaute ich in seine Augen, jedoch er war weiterhin erstarrt vor Schreck. Ich berührte ihn am Arm und zeigte in den verworrenen Wald, wohin er mir augenblicklich folgen sollte. Langsam fasste er sich wiederum und nickte mir zustimmend zu. Wir schlichen, besser gesagt er kroch, rückwärts tiefer in den Wald hinein. Nachdem wir weit genug von der Lichtung entfernt waren, gab ich ihm meine Hand und zog ihn gleichzeitig mit einem Ruck auf die Füße. Ein leiser Schmerzensschrei entfuhr ihm, jedoch dieser klang seltsamerweise erheblich hoch.

Verwundert, sowie ein wenig irritiert, musterte ich ihn. Erneut blickte ich wiederum auf seine verletzte Schulter. Eindringlich meinte ich zu ihm: „Mein Freund, der Pfeil muss augenblicklich heraus. Und dies auf dem schnellsten Weg.“ Ich wusste lediglich zu gut wie dies enden würde, wenn ich zu lange wartete. Der Jüngling würde sehr wahrscheinlich durch diesen Pfeil sterben. Suchend richtete ich meinen Blick auf den Waldboden und erblickte endlich ich den erhofften Gegenstand. - Ein Stück Holz!

„Höre zu. Du beißt gleich auf dieses Holzstück, ich werde dir gleichzeitig den Pfeil herausziehen. Sodann werde ich dir Kräuter auf deine Wunde legen. Dies wird dir erstmals helfen bis wir das Lager erreichen. Dortig kannst du dich sodann ausruhen. Mein Name ist Samuel, jedoch nennt man mich ebenfalls Samu. - Nun gut, bist du bereit?“ Ich hielt ihm das Holzstück entgegen, er nahm dieses, worauf er zustimmend nickte.

Meine Hand legte ich auf die rechte Schulter und drückte ihn gegen den nahestehenden Baum. Mit aller Kraft zog ich den Pfeil aus seiner Schulter heraus. Ein markerschütternder Schrei entwich ihm, gleichzeitig sackte er in sich zusammen. Fiel zur Seite und verlor gänzlich sein Bewusstsein. Erstaunt blickte ich zu dem Jüngling. Durch den Ohnmachtsanfall war sein Filzhut ein wenig verrutscht und eine extrem lange, rotbraune Haarsträhne blickte hervor. Jetzt wurde ich trotz alledem ein wenig misstrauisch. Weshalb hatte der Jüngling so lange Haare?

Neugierig trat ich zu ihm, zog den Filzhut mit einem Ruck von seinem Kopf und war im ersten Moment wahrhaftig ein wenig fassungslos. Was zum Teufel war das denn?

Eine rotbraune, lange Mähne, die schätzungsweise bis über die Schulter ging, wenn nicht sogar noch weiter, kam zum Vorschein. Hastig schob ich seinen Umhang aus seinem Gesicht. Entgeistert schaute ich auf die Gestalt, die ebendort auf dem Boden lag. Wie vom Donner gerührt starrte ich ihn an. Schnappte gänzlich nach Luft, sodann erst einmal völlig fassungslos. - Ich sprachlos?Dies war wahrlich etwas gänzlich Neues für einen Krieger wie mich.

Dennoch hatte ich mich wiederum schnell gefangen. Dies war in keinster Weise ein Bauernbursche. Warum war mir dies keinesfalls vorher aufgefallen? Ehrlich gesagt hatte ich keineswegs damit gerechnet, dass dies kein Bursche war. Somit hatte ich auf gewisse Konturen keinesfalls geachtet.Was wiederum bei diesem weiten Umhang auch ein wenig schwerlich war. Jedoch jetzig gab es keinerlei Zweifel mehr. Er war eine sie! Zudem eine wundervolle, bezaubernde, junge Maid.

Ich kniete mich zu ihr hinunter, augenblicklich schaute ich sie genauer an. Sie hatte langes, rotbraunes Haar und dieses fiel vereinzelt in leichten Wellen. Außerdem hatte sie beeindruckende Gesichtszüge. Ihre Nase war wohl geformt, ihre Wangenknochen standen ganz leicht hervor und ihre Lippen… dieser Mund… Verdammt!

Um meine Gedankengänge auf das Wesentliche zu konzentrieren schüttelte ich den Kopf, als da war ihre Wunde. Den Pfeil hatte ich wohlweislich gänzlich herausgezogen, trotzdem musste ich nach wie vor ihre Wunde versorgen. Aus Blättern sowie verschiedenen Kräutern machte ich ihr einen Verband und legte ihn vorsichtig auf die Wunde. Nachdem ich den Verband mit einer Lederschnur befestigte hatte, fiel mein Blick auf ihre weiblichen Rundungen. Schwer atmete ich durch meine Zähne aus. Verflucht, reiß dich zusammen!

Mir schwirrt gänzlich der Kopf, solche Gedanken waren jetzt völlig fehl am Platze. Was soll denn das, Samu? Ein Weibsstück, dies hatte mir gerade noch gefehlt!

Schwerfällig atmete ich aus. Nun gut ich hatte sie gerettet. Ich konnte sie keinesfalls im Wald zurücklassen, selbst wenn sie ein Weib war. Sie musste augenblicklich so schnell wie möglich in unser Lager. Ebendort befand sich Bruder Matthias, der ihr wohlweislich Rettung bringen konnte.

***

Vorsichtig schritt ich durch den dichten Wald. Mit seinen majestätischen, moosbedeckten Bäumen, seinen dunklen, grünen Farnen und Flechten. Hierselbst im tiefen Wald war es äußerst still, lediglich die Vögel, die Insekten und der Wind waren zu hören. Eigentlich stimmte dies keineswegs, da gab es noch ein Geräusch. Ein schnell gehender Atem, der dieser jungen Maid gehörte.

Nachdem sie weiterhin ohne Bewusstsein ward, hatte ich sie hochgenommen und trug sie auf den Armen, in Richtung Lager. Ihr offenes langes Haar strich bei jeder Bewegung über meinen Arm. Dies fühlte sich äußerst seltsam sowie befremdlich für mich an. Ihr Gewicht erinnerte mich eher an eine Feder, anstatt an eine junge Maid. Ihre Augen waren weiterhin geschlossen und ihr Gesicht war so…

Mittlerweile strahlte es wahrhaftig so eine Würde aus, dass ich erhebliche Mühe hatte mich auf meinen Weg zu konzentrieren. Urplötzlich wurde ihr Atem immer unregelmäßiger, ja er verlangsamte sich stetig. Auf einmal bekam ich erhebliche Zweifel, ob wir es rechtzeitig schaffen würden? Mein Gang wurde schneller, womöglich noch ein oder zwei Biegungen durch diesen verworrenen Wald.

Erleichtert atmete ich auf. Endlich, das Lager war in Sichtweite! Ludger hatte mich bereits entdeckt, sicher berichtete er den anderen von meinem Kommen. Provozierend sowie herausfordernd schaute er mich an. „Was hast du denn für Beute mitgebracht? Hast du dir etwa einen Schatten zugelegt? Ha, ha, ha, du bist doch sonst keinesfalls so draufgängerisch, Samu. Wer ist dies und weshalb hat er so eine lange Mähne?“

In der Zwischenzeit waren auch die anderen hinzugekommen. Sie blickten mich mit großen sowie verwunderten Augen an. Jetzig blieb ich stehen, schaute zu Harroh unserem Anführer und seufzte. „Sie wurde von Gundsrads Männern verfolgt und mit einem Pfeil schwer verletzt. Ich konnte sie keinesfalls dortig ihrem Schicksal überlassen. Sie hätte die Nacht in keinster Weise überlebt.“ Harroh musterte mich eher skeptisch, schwieg allerdings weiterhin.

Ludger hingegen äußerte sich lautstark: „Was hat er gesagt? Er ist eine sie? - Was hast du dir dabei gedacht sie hierherzubringen? Wir können keinerlei Weibervolk gebrauchen. Wieso hast du sie keinesfalls gleich ebendort zurückgelassen? Die Tiere hätten sich gewiss ihrer angenommen. Weiber bringen nichts außer Ärger. Weshalb trägt sie überhaupt diese Burschensachen? Hat sie auch irgendeinen Namen?“

Veland, sowie Ludger stellten sich neben Harroh, abweisend verschränkten sie ihre Arme. Derweilen kamen auch Minna sowie Bruder Matthias hinzu. Verächtlich sowie herablassend sahen sie mich alle der Reihe nach an. Lediglich der Mönch blickte ein wenig besorgt.

Harroh räusperte sich und meinte: „Nun gut, wenn sie verletzt war konntest du sie wahrhaftig keinesfalls im Wald zurücklassen. - Einverstanden wir legen sie erst einmal in der hinteren Höhle auf ein Lager. Bruder Matt sowie Minna werden sich die Wunde zunächst einmal ansehen. Ansonsten betritt niemand die Höhle, verstanden? - Was ist mit dem Pfeil, hast du ihn bereits herausgezogen?“ Harroh blickte mich mehr als fraglich an, jedoch in seinen Augen sah ich den aufkommenden Zorn. Ich nickte lediglich, drehte mich mit ihr um und schritt in Richtung der Höhlen, wo sich einige unserer Schlafplätze befanden.

Inzwischen ging ihr Atem wesentlich unruhiger. Auf ihrer Stirn hatten sich kleine Tropfen gebildet und ihr Körper begann bedenklich zu zittern an. Ich versuchte sie behutsam auf einen Schlafplatz zu legen, jedoch als ihre Schulter die Unterlage berührte, stöhnte sie gequält auf. Dennoch erwachte die unbekannte Schönheit keinesfalls aus ihrem Schlaf. Was mich, wenn ich ehrlich zu mir war, erheblich beunruhigte. Bruder Matthias sowie Minna, sie wart Harrohs Weib, folgten mir in einiger Entfernung.

Als sie mich erreicht hatten blickte Bruder Matthias mich wissentlich an. Gelassen legte er seine Hand auf meine Schulter und meinte ruhig: „Samuel, wir kümmern uns um sie. Du solltest zu Harroh zurückkehren, er will gewiss mehr über den Vorfall sowie ihren Verfolger erfahren.“ Ein wenig irritiert schaute ich ihn an. Konnte er vielleicht meine Gedanken lesen? Bei dieser Art der Überlegung wurde mir unwohl, sagte allerdings kein Wort.

„Einverstanden. Den Pfeil habe ich zwar herausgezogen, allerdings bin ich mir keinesfalls sicher, ob sie sich noch weitere Verletzungen zugezogen hat. Sie ist bereits seit einer geraumen Zeit ohne Bewusstsein.“ Beunruhigt blickte ich den Mönch an, was sonst nicht im Geringsten meine Art war. Schließlich drehte ich mich noch einmal in ihre Richtung und atmete tief durch meine Zähne aus. Mein Blick streifte ihren wundervollen Körper. Für einen Moment schloss ich meine Augen, nahm dieses Bild in mir auf. Wiederum öffnete ich diese, atmete laut aus und schritt ohne ein weiteres Wort zu Harroh.

5. Sonnenschein der Nacht

Nächte sowie Tage vergingen, meine Ungeduld wurde wahrhaftig immer unerträglicher. Was war bloß los mit mir? Warum war ich so ungeduldig? Wieso wollte ich um jeden Preis erfahren wer sie, diese fremde Maid, tatsächlich war. Weshalb?

Jeden Tag verrichtete ich die gleichen belanglosen Dinge, sodass ich mehr alsdann genug Zeit damit verbrachte über diese seltsame Fremde nachzudenken. Meine Gefährten bemerkten, dass mich irgendetwas beschäftigte. Zudem waren sie mehr als erstaunt, dass ich auf Ludgers Bemerkungen, die er aus purer Gewohnheit tat keinesfalls reagierte. Dennoch fragte keiner oder sprach diesbezüglich ein Wort über den vergangenen Vorfall. Und dies war wahrlich auch gut so!

Wahrscheinlich hatte ich lediglich einen Anflug von Neugierde? Nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich erst einmal ihr Geheimnis herausgefunden hätte, was mit dieser seltsamen Maid wahrhaftig geschehen wart, so würde ich gewiss das Interesse an ihr verlieren. Sie wäre eine unter vielen Geschichten, die ich ohnedies in meinem Leben sooft vernommen hatte. Darüber hinaus war sie ja lediglich eine Maid und dennoch…

Gedankenversunken schweifte mein Blick über die Bäume, wobei ich einen Greifvogel erblickte. Dieser spähte nach seiner Beute aus. - Frei wie ein Vogel, manchmal wäre dies von Vorteil. Ein tiefes Seufzen entglitt mir. Freiheit was würde ich damit wohl anfangen?

Wie auch immer, die Männer von Gundsrad suchten anscheinend keineswegs mehr nach ihr. Wahrscheinlich war sie keinesfalls mehr so bedeutsam oder Gundsrad hatte sich ein neueres Opfer ausgesucht. Selbst wenn Gundsrad keinesfalls mehr hinter ihr her war, musste es ja irgendeine Bewandtnis haben. - Wenn sie ungeachtet dessen endlich aufwachen würde, sodann könnte sie uns gewiss alles gänzlich erklären. Fragen über Fragen sowie keinerlei Antworten. Darüber hinaus hatte diese Maid irgendetwas an sich… Was?! Was war es bloß, dass sie, diese junge Maid, mich so in ihren Bann zog?

Ein weiteres Mal dachte ich über sie nach und ehrlich gesagte verärgerte mich das zunehmend.