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I'm walking a dangerous path … Jess dachte, sie hätte ihre Gefühle für Matej längst im Griff. Aber ihre kontrollierte Fassade gerät ins Wanken, als ihr hartnäckiger und charismatischer Ex plötzlich der örtlichen Dämonenjägergilde beitritt – ihrer Gilde! Doch die Gefahr lässt ihnen keine Zeit für alte Gefühle: Ein neuer Auftrag fordert ihre ganze Aufmerksamkeit. Gemeinsam folgen Jess und Matej den Spuren eines Geheimbunds, der das Weltbild der Jägergilde bis ins Mark zu erschüttern sucht. Und inmitten all der Intrigen und Kämpfe liegt das Rätsel um das doppelte Infinity-Zeichen verborgen, das die Antworten auf Jess' schmerzliche Vergangenheit und ihre Zukunft birgt. Sexy Prickeln, düstere Atmosphäre und ein Hauch Thrill – diese Rivals to Lovers Fantasy Romance fesselt bis zur letzten Seite. #RivalsToLovers #OppositesAttract #OneBed #HiddenIdentity #FightingSupernatural //Dies ist der erste Band der »Gildenjäger Chroniken« von Martina Riemer. Alle Bände der Reihe: -- A Curious Kiss (Gildenjäger Chroniken 1) -- A Missing Heart (Gildenjäger Chroniken 2) erscheint Februar 2025 -- An Endless Love (Gildenjäger Chroniken 2) erscheint April 2025// Es handelt sich um eine bearbeitete Neuauflage der Reihe »Monster Geek«, erstmals erschienen unter dem Pseudonym May Raven.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Martina Riemer
An Endless Love (Gildenjäger Chroniken 3)
I'm walking a dangerous path …
Jess dachte, sie hätte ihre Gefühle für Matej längst im Griff. Aber ihre kontrollierte Fassade gerät ins Wanken, als ihr hartnäckiger und charismatischer Ex plötzlich der örtlichen Dämonenjägergilde beitritt – ihrer Gilde! Doch die Gefahr lässt ihnen keine Zeit für alte Gefühle: Ein neuer Auftrag fordert ihre ganze Aufmerksamkeit. Gemeinsam folgen Jess und Matej den Spuren eines Geheimbunds, der das Weltbild der Jägergilde bis ins Mark zu erschüttern sucht. Und inmitten all der Intrigen und Kämpfe liegt das Rätsel um das doppelte Infinity-Zeichen verborgen, das die Antworten auf Jess‘ schmerzliche Vergangenheit und ihre Zukunft birgt.
Buch lesen
Vita
Bonusszene
Danksagung
Content Notes
© privat
Martina Riemer lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Österreich. Zurzeit ist sie Vollblut-Mama und arbeitet im Büro. Wenn sie nicht liest, macht sie sich mit Kaffee und Laptop bewaffnet auf, um eigene Geschichten zu schreiben, die ihr im Kopf herumschwirren. Tagträumerin war sie immer, später wurden die Gedankensplitter zu Büchern. 2014 hat sie ihre ersten Romane veröffentlicht und kam bei Lovelybooks auf Platz 3 der besten DebütautorInnen.
Für alle Monsterjäger, Einhornreiter und Glitzer-Fae-Fans. Lebt bunt und mit Fantasie im Herzen.Für meine E. Feya und V. Ivy, unsere beiden Wirbelwinde, die mich jeden Tag zum Lachen bringen und noch an Wunder glauben. Bewahrt euch das.
Liebe*r Leser*in,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.
Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.
Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.
Martina und das Impress-Team
»Wie ich das sehe, hat nun jeder seine Meinung zu dem aktuellen Fall abgegeben«, begann Laric mit seiner dröhnenden Stimme und meinte damit im Prinzip Matej – der außerhalb der Halle vor verschlossenen Türen wartete – und mich. Wir waren dieser aktuelle Fall beziehungsweise Matej und sein Ansuchen, mit dem ich nach wie vor nicht klarkam.
Vor fast vier Wochen war Matej wie ein Prinz in weißer Rüstung mit seinem Schimmel auf meiner Türschwelle erschienen. Obwohl, eher wie ein heißer Jäger vollkommen in Schwarz gekleidet auf einer Harley, aber die Intention war die Gleiche. Denn seitdem wollte er Teil meines Lebens sein. Nicht bloß als guter Freund, sondern in jeder Hinsicht. Zugegeben, zuerst hatte bei dem Gedanken die Hitze mein Gehirn durchgebrannt. Und ich hatte mich wie eine Besessene auf ihn gestürzt, woraufhin es sehr kurz sehr heiß geworden war. Aber das schob ich auf die Wiedersehensfreude, mehr nicht. Gleich danach hatte sich mein gesunder Menschenverstand eingeschaltet. Denn das, was er suchte, war definitiv eine Bindung, die ich auf alle Fälle vermeiden musste. Ich war kein Typ für Beziehungen, ich ging keine tiefen romantischen Verbindungen ein.
Alles, was ich brauchte, waren meine Familie und die wenigen guten Freunde, die ich an einer Hand abzählen konnte, aber denen ich blind vertraute. Das reichte vollauf. Ich traute mir zu, diese wenigen, aber besonderen Menschen beschützen zu können. Mehr war nicht drin.
Aus diesem Grund hatte ich mir die letzte Viertelstunde vor den anderen Mitgliedern, die zur Versammlung der Jägergilde gekommen waren, den Mund fusselig geredet. Und mir dabei Gründe an den Haaren herbeigezogen, warum es keine gute Idee wäre, Matejs Jägergildenzugehörigkeit von Osteuropa nach Kanada zu übertragen. Es waren stimmige Fakten gewesen, zum größten Teil. Ich war guter Dinge, die Abstimmung zu meinen Gunsten zu entscheiden. Sprich seinen Antrag abgelehnt zu bekommen.
Laric riss mich mit seinem tiefen Bariton aus den Gedanken. Er stand in der Mitte der Halle aus dunklem, poliertem Stein. Seine pechschwarzen Haare mit dicken weißen Strähnen hatte er zu drei Pferdeschwänzen zusammengebunden. Einer hinten und zwei seitlich von seinem Gesicht, die ihm fast bis zum Bauch reichten. Nicht nur seine massige Gestalt war ein Hingucker, sondern ebenso die maorischen Tattoos, die sich um seine gebräunte Haut wanden, und seine vereinnahmende Ausstrahlung. Kein Wunder, dass er Gildenmeister unseres Gebietes war. Oder dass Thorn, der Ex meines Freundes Teddy, ihn von der Seite anschmachtete. Teddy und Thorn waren ebenfalls Gildenmitglieder und Türsteher bei unserer Bude »Red Conquer« und nach ihrer Trennung lose befreundet. Daher war es auch Thorns gutes Recht, Laric so anzusehen, da die beiden seit Kurzem zusammen waren. Was schön für sie war. Dennoch tat mir Teddy leid, obwohl er beteuerte, die Sache mit Thorn hinter sich gelassen zu haben und bereit für etwas Neues zu sein. Ich wünschte es mir für ihn. Wenn schon ich kein Liebesglück fand, dann zumindest die anderen.
»Es ist an der Zeit, über den Antrag von Matej Zednik abzustimmen, ob wir ihn in unserem Gildenbereich aufnehmen oder er innerhalb der nächsten Tage unser Einzugsgebiet verlassen muss. Ihr kennt die Vorschriften und wisst, welche Konsequenzen eure Abstimmung haben wird. Sie ist unwiderruflich.«
Wie die übrigen im Raum kannte ich die Regeln, nach denen man sich für auswärtige Aufträge in fremden Gildengebieten zwar aufhalten durfte, jedoch nicht länger als einen Monat. Diese Regel galt, um den ansässigen Gildenjägern nicht zu viele Aufträge und Punkte wegzuschnappen. Wenngleich ich das wollte – Matej aus unserem Gebiet bannen –, bereitete mir der Gedanke ein dumpfes Ziehen in der Magengegend. Denn jeder Jäger, der sich der Vorschrift widersetzte und blieb, verlor quasi über Nacht seine Existenzgrundlage. Es bedeutete nämlich nicht bloß den Ausschluss aus der Gilde, sondern auch, dass einige gute Hacker aus der Gilde sämtliche Konten und Besitzanzeigen von Grundstücken, Häusern, Aktien und dergleichen räumten und diese ausnahmslos der Gilde überschrieben. Beim Eintritt in die Gilde musste man diesem kleinen Passus als Druckmittel im Vertrag zustimmen.
Strenge Regeln, jedoch notwendig, um die allgemeine Ordnung aufrechtzuerhalten. Gildenjäger waren hitzige Gemüter. Drohte ein entmachteter Ex-Jäger damit, die Gilde und ihre Handlungen bei der Öffentlichkeit auffliegen zu lassen, verschwanden diese Jäger rasch von der Bildfläche. Deswegen sollte man es sich vorher gründlich überlegen, ob man wirklich eintrat und welche Entscheidungen man traf.
Wie beim Beispiel von Matej. Würde sein Antrag abgelehnt werden, musste er innerhalb der nächsten drei Tage unser Gebiet verlassen. Bei Annahme war er für die nächsten fünf Jahre an unser Territorium gebunden. Beide Alternativen machten mir Angst und füllten meinen Magen mit bleischweren Steinen. Meine verworrenen Gefühle wollte ich gar nicht detaillierter analysieren. Ein Psychotherapeut würde sich freuen und mir vermutlich ein nettes Sümmchen abknöpfen.
Nach Larics Aufforderung, die Stimme abzugeben, hoben nach und nach die Jäger den ausgestreckten Arm und drehten anschließend den Daumen nach oben oder unten. Dieses Schauspiel erinnerte mich an die antiken Gladiatorenspiele, bei denen abgestimmt wurde, ob jemand leben durfte oder sterben musste. Langsam streckte ich meinen Arm aus. Dabei starrte ich auf den Daumen, der lange Zeit verharrte, während mein Atem flach ging. Kälte zog über meine Haut, bis mein Daumen Richtung Boden zeigte. Es fühlte sich an, als würde ich neben mir stehen, verloren in einem dicken Nebel. Schließlich atmete ich heftig ein, löste den Blick von meiner Hand und beobachtete die Abstimmungsauszählung. Über den HandChip in unseren Daumenballen und die Daumenausrichtung wurde das Ergebnis über einen Inn∞Cube, der neben Laric in der Mitte der Halle stand, berechnet und wiedergegeben. Durch den Cube schwebten vor Laric zwei senkrechte holographische Balken. Einer grün, der andere rot. Bei jeder neuen Stimme wurde sofort die aktuelle Prozentanzeige auf beiden Seiten angepasst. Jedoch wären einzelne Stimmen nicht mehr ausschlaggebend. Der grüne Balken ging fast doppelt so stark in die Höhe, mehr als achtzig Prozent hatten für Matejs Antrag, zu wechseln, gestimmt. Verflixt und zugenäht. Damit war Matej ab jetzt ein Jäger aus unserer Gilde. Mein Kollege und Nachbar. Absolut grandios.
»Danke für eure Stimmen, das Ergebnis ist eindeutig. Heißt einen neuen Jäger in der Runde willkommen«, bestätigte Laric das Offensichtliche.
Einige Jäger grunzten zustimmend oder nickten still. Neben mir klatschten meine Ziehbrüder Jayden und Julian sowie Teddy merklich begeistert und ich warf allen dreien einen bösen Blick zu, den sie schulterzuckend quittierten, während ich über den schwarz schimmernden Boden zu Laric hinüberstürmte. Auf meinem Weg ignorierte ich das allgemeine Gemurmel und das Geplauder, welche sofort nach der Abstimmung eingesetzt hatten. Die Geräuschkulisse erinnerte eher an eine Spelunke nach Feierabend, wo der neueste Tratsch ausgetauscht wurde, und nicht an den großen Versammlungssaal im Gildenjägerhauptkommando, in dem harte Fakten zählten. Okay, vielleicht doch. Ungeachtet dessen konnte ich diese harten Fakten nicht widerstandslos hinnehmen. Bei Laric angekommen, hob er abwehrend die Hände. »Lass es stecken, Jess. Keine Ahnung, was du gegen den Burschen hast, aber die Abstimmung war eindeutig. Er gehört jetzt unserem Einzugsgebiet an.«
»Aber wenn –«
»Kein Wenn und Aber, es ist so. Regeln sind Regeln und wir halten uns daran. Keine Änderung. Tut mir leid.«
Er hatte recht. Wir lebten nach den Regeln. Immer. Sie waren wichtig und sicherten unser Überleben. Dieses Wissen half mir im Moment dennoch kein bisschen. Frustriert stieß ich meinen Atem aus. Vereinzelte türkisfarbene Strähnen flatterten vor meinem Gesicht. Bei der Aufregung hatte ich gar nicht mitbekommen, dass ich in meinem Pferdeschwanz gewühlt hatte und sich vermutlich einige Strähnen gelöst hatten.
»Und wenn wir Matej –«, setzte ich erneut an, doch wie zuvor schnitt mir Laric das Wort ab.
Langsam wurmte mich sein Verhalten. Wäre ich eine Comicfigur, würde jetzt Rauch aus meinen Ohren zischen wie bei einer Dampflok. Selbstverständlich mit passendem Getöse.
»Nein. Es ist entschieden, damit basta.«
Nun klang er so brummend stoisch, wie man es von einem Anführer erwartete. Mit eiserner Miene und dem ganzen imponierenden Gehabe. Er war eine harte Nuss, die ich nicht knacken würde. Mist aber auch. Frustriert seufzte ich. Plötzlich schlich sich Thorn an seine Seite und schlang einen Arm um dessen breite Hüften. Sofort wurde Larics Körperhaltung weicher. Thorns lange Haare fielen ihm teilweise über die Augen, dennoch schaffte er es, mir zu zuzwinkern. »Na, Jess. Was ist mit diesem Matej? Trouble in Paradise? Dachte, ihr wärt zusammen oder so.«
»Was?«, quietschte ich. »Wie kommst du denn darauf? Wir sind nur Jägerkollegen.«
Tja, wer’s glaubt, wird selig.
»Echt jetzt? Ihr werft euch ständig schmachtende Blicke zu, wenn ihr in der Bude abhängt. Und Teddy sagt mir dazu nichts, der hält dicht wie Beton.«
Ja, auf Teddy war zum Glück verlass, selbst wenn er dazu seinem Ex die Stirn bieten musste. In der Bude, dem »Red Conquer«, unserem Stammlokal, hockten wir aber nicht nur rum, sondern gaben unsere Beute der Gilde ab. Diese bestand meistens aus Vampirzähnen, Werwolf-Skalps, Fae-Flügeln oder andere Hinterlassenschaften, die zurückblieben, sobald übernatürliche Wesen starben. Anschließend wurden wir von der Bude für unsere Funde mit dem Sold bezahlt.
»Du bist dort Türsteher, wie willst du wissen, was drinnen vor sich geht?«, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue.
»He, ich habe Durst wie jeder andere. Und weißt du was, du hast es jetzt nicht einmal verneint«, entgegnete er stichelnd und lachte, als er mein lang gezogenes Gesicht sah. Eigentlich hatte ich nichts gegen Thorn, aber auch keine Ahnung, was Teddy an ihm gefunden hatte. Gut gelaunt schlug er seinem Freund auf die Schulter. »Lass uns nach Hause gehen. Ich habe heute noch einiges mit dir vor.«
»Gerne. Wir sind hier fertig?«, fragte Laric höflicherweise, in Gedanken wahrscheinlich schon bei seinem Freizeitsport mit Thorn. Ich nickte geschlagen und wedelte mit der Hand herum. »Ja, klar. Geht nur hin und amüsiert euch. Dann seid wenigstens ihr zwei glücklich.«
»O ja, und wie wir das sein werden. Ich habe neues Spielzeug für uns geordert und das ist heute angekommen«, kicherte Thorn und zwinkerte mir anzüglich zu.
Ich hustete, um mir ein Lachen zu verkneifen.
»Okay, das ist mehr als genug Information. Geht einfach spielen und sagt kein Wort mehr.«
Die beiden verdrückten sich leise unterhaltend und ich drehte mich um meine eigene Achse auf der Suche nach meinen Ziehbrüdern und Teddy. Zuerst entdeckte ich Jaydens hochgewachsene sportliche Gestalt mit dem leuchtenden blauen Streifen in seinem ansonsten dunklen kurzen Haar. Neben ihm saß Julian mit den blonden, fast schon orange wirkenden langen Haaren mit Sidecut im RollGleiter und paffte wie gewöhnlich eine Zigarillo. Der Geruch nach Vanille schwappte zu mir herüber, so einladend und vertraut wie ein Zuhause. Teddy hatte eine Hand am RollGleiter liegen, redete aber mit einem Jäger hinter ihm, den ich nicht erkennen konnte, da sich eine Traube rund um sie gebildet hatte.
Also ging ich weiter. Und dann sah ich ihn. Zwischen ihnen und weiteren Jägern, die ihn beglückwünschten, stand schließlich er. Groß, mit breiten Schultern in einem dunkelgrünen eng anliegenden Shirt, das die Muskeln darunter und seine grauen, mit grünen Flecken durchzogenen Augen betonte. Die dunkelbraunen Haare trug Matej länger als in Tschechien, nur an den Seiten waren sie kurz, dafür standen sie ihm vorne und oben verwuschelt ab, als wäre er vor fünf Sekunden aus einem Bett mit verruchten schwarzen Seidenlaken gestiegen. Dieser Look passte zu dem lässigen sexy Dreitagebart, den er sich seit Neuestem ebenfalls stehen ließ und der ihm Ecken und Kanten verpasste, die er bei unserem Kennenlernen nicht gehabt hatte. Zusammen mit den dunklen Jeans und der schwarzen Lederjacke in der Hand sah er aus wie ein High-End-Model aus einer coolen Zeitschrift, dem die Frauen zu Füßen lagen. Es erinnerte nur noch wenig an den einstigen Pfarrer, den ich in der Tschechischen Republik kennengelernt und dessen Leben ich auf den Kopf gestellt hatte, ohne es zu beabsichtigen. Sein sturer Wille hatte ihn damals schnurstracks in meinen dortigen Fall getrieben.
Oberflächlich betrachtet wirkte Matej beinahe wie ein anderer Mensch. So ganz stimmte das jedoch nicht. Sah ich in seine sturmgrauen Augen, waren dort die gleiche Güte, die Überzeugung, Gutes tun zu wollen, und die hartnäckige Leidenschaft, für andere zu kämpfen, zu erkennen. Ein Blick aus Augen, die mir jedes Mal eine Gänsehaut über den ganzen Körper jagten. Keine Ahnung, wie er das anstellte, doch ich war machtlos gegen die Reaktion meines Körpers. Wie jetzt im Moment, als ich mich der Gruppe näherte und ihm gratulierte, wenn auch widerwillig.
»Herzlichen Glückwunsch. Scheint, als hätte sich dein Dickschädel wieder einmal durchgesetzt.«
Matej gehörte nicht hierher und ich machte keinen Hehl daraus. Nicht vor den Jägern und nicht vor mir. Er gehörte in seine alte Berufung, mit einer charmanten, beliebten Frau an seiner Seite, die ihm Kinder und ein glückliches, langes Leben schenkte. In seiner Zukunft stellte ich mir jemanden mit blonden hochgesteckten Haaren in einem hellen Kleid vor. Eine Frau, die Kuchen backte, eine weiße Schürze trug und lächelnd vor sich hin summte. Ich wusste, dass ich damit ganz furchtbar in die Klischeekiste griff. Aber dieses Bild einer perfekten Ehefrau aus den Sechzigerjahren verfolgte mich ständig. Hatte sich penetrant in mein inneres Auge gebrannt.
Im Gegenzug dazu sah ich oft zerrupft, verbeult und wegen meiner Klamottenwahl dunkel wie eine Grufti-Anhängerin aus. Zu meiner Verteidigung war das Jägerleben kein Zuckerschlecken und bei dunklen Klamotten fiel das Blut schlichtweg weniger auf, besonders wenn man nicht nur abperlende Mäntel trug, die mit der Zeit sauteuer waren. Die einzige Sache, die ich mit dem Bild seiner perfekten Frau gemeinsam hatte, war, dass ich zum Stressabbau backte und okay, ich pfiff Lieder, anstatt zu summen. Statt einem trauten Heim mit lachenden Kindern fände er bei mir ausschließlich Schmerz, gruselige Wesen und im schlimmsten Fall den frühzeitigen Tod.
Hatte ich nicht vor wenigen Wochen meine letzte Affäre zu Grabe getragen? Einen Mann, der wegen mir gestorben war und jetzt hinter meinem Wald in einen Hügel gebettet lag. Tot, verrottet, für immer fort. Mein Herz hämmerte, meine Kehle wurde eng. Ein weiteres Mal würde ich das nicht überstehen. Auf gar keinen Fall bei Matej. Der Sturkopf vor mir wollte davon aber nichts wissen und stellte sich meinen Wünschen eigensinnig entgegen. Mit selbstsicherem Grinsen und einem umwerfenden Zwinkern. Männer konnten so was von nervtötend sein, die schlechten wie die guten.
»Danke, Jessamine. Mit Dickschädeln scheinst du dich ja bestens auszukennen«, erwiderte Matej leichthin und spielte auf die letzten Wochen an, die ich ihm beinahe erfolgreich mit meinem Sturschädel aus dem Weg gegangen war. Aber da er bei meinen verräterischen Ziehbrüdern wohnte, sah ich ihn unweigerlich öfter, als mir lieb war.
»Wirst du deinen Sieg jetzt ordentlich feiern und es krachen lassen?«, fragte ich höflichkeitshalber.
»Das würde ich in der Tat sehr gerne. Lust, dich daran zu beteiligen? Ich bin für alles zu haben.«
Okay, ich konnte mir schon denken, was er mit seiner Einladung andeutete, besonders mit diesem speziellen Funkeln in seinen Augen. Das wäre keine öffentliche Party, sondern nur eine zu zweit. Allein. Nackt. In einem Bett oder an der Wang – egal. Bei dem bloßen Gedanken verwandelte sich die Gänsehaut auf meinem Körper zu einer elektrisierenden Hitze, die zwischen meine Beine rieselte, federleicht. Jedoch hielt ich an meinem besagten Dickschädel fest, eisern und mit beiden Händen. Dabei kam ich mir vor wie ein Reiter auf einem Bullen, der sich nicht abschütteln lassen wollte. Neben mir hustete Jayden. Es hörte sich an, als erstickte er an einem verdammten Lachen. Indessen ignorierte ich Matejs Frage und das charmante Lächeln.
»Tja, denke nicht. Ich muss dann los. Sieht so aus, als würdest du noch länger bei uns herumhängen, also ja, viel Spaß hier.«
Gut gelaunt zwinkerte Matej mir zu und schien sich von meiner miesen Stimmung nicht anstecken zu lassen.
»Ich kann deine Begeisterung direkt spüren. Regelrecht umwerfend. Und danke, auf den Spaß freue ich mich schon.«
O Mann, hatte der Typ Zauberbohnen mit neuem Selbstvertrauen gefuttert oder hatten die Zwillinge ihm ins Ohr geflüstert, wie sehr ich ihn in den letzten Monaten vermisst hatte? Der Drang, ihm auf seinen Sarkasmus hin wie ein Kind die Zunge zu zeigen, war riesengroß, doch ich widerstand ihm und klopfte mir innerlich für meine unglaubliche Selbstbeherrschung auf die Schulter. Mit einem knappen Nicken, das so vielsagend wie ein lapidares Schulterzucken war, ließ ich die drei stehen. Zielstrebig schlängelte ich mich zwischen den Gildenjägern zum rettenden Ausgang, um diesen Abend und das Ergebnis der Abstimmung hinter mir zu lassen.
Kurz bevor ich den Tunnel, der zu den Aufzügen nach oben führte, erreichte, zwang mich eine fiese kleine Stimme in meinem Schädel dazu, mich noch einmal zu Matej umzudrehen. Eine Stimme, die ich hätte ignorieren sollen. Über die Köpfe der anderen hinweg blickte ich direkt in seine Augen. Sein Blick wirkte aufgewühlt und zeigte, dass er trotz seiner äußeren Fassade nicht glücklich über meinen raschen Abgang war. In ihm lagen gleichzeitig sture Entschlossenheit und ein Versprechen auf mehr. Noch einmal wurde mir die ganze Tragweite bewusst. Er würde nicht lockerlassen, ganz und gar nicht. Verdammt, ich war so was von erledigt.
Dieser Gedanke verfolgte mich, während ich durch die heiligen Hallen der Gilde und den dunklen Tunnel eilte, der nach draußen führte. In die felsigen Steinwände waren auf Bildschirmen abwechselnd die Dekrete der Gilde zu lesen oder 3D-Bilder glorreicher, meist verstorbener Jäger zu sehen. Die Dokumente und Bilder waren das einzige Licht im Tunnel, sie bewegten sich unablässig und erzeugten das Gefühl, von allen Seiten beobachtet zu werden. Das 3D-Bild meines Onkels Héctor prangte ebenfalls dort, wenngleich er noch quietschfidel war. Seine Zeit verbrachte er nun mit dem Hacken diverser Regierungsseiten oder Gärtnern. Jedoch hatte er es geschafft, zehnmal Monatserster im Gildenranking zu werden. Diese Siege hatten ihm eine schöne Pension sowie Ruhm und Ehre in der Gilde verschafft.
Bisher konnte ich mich fünfmal an die Spitze setzen und vor einigen Monaten war mein einziges Ziel gewesen, ebenfalls die zehn vollzumachen. Das war zu einer Zeit gewesen, bevor Sir Harmsty, Red oder Matej in mein Leben getreten waren und mein Dad ins Koma gefallen war. Sie alle hatten meine Sicht auf die Dinge verändert. Genauso wie die letzten Monate. Diese waren turbulent gewesen und die Sorgen um meine selbst ernannte Familie wurden nicht weniger. Besonders die um meinen Dad.
Für einen flüchtigen Moment hatte er seine früheren Erinnerungen zurückerlangt, nachdem er jahrelang an Alzheimer gelitten hatte, nur um gleich darauf das Bewusstsein zu verlieren. Das alles war durch irgendeinen Zauber ausgelöst worden, durch übernatürliche Handlanger, die wir nicht kannten. Einer war geflohen, der andere hatte sich selbst umgebracht. Einzig einen Chip hatten wir gefunden. Dieser war an Dads Schläfe befestigt und ließ sich mit Magie oder herkömmlichen Mitteln nicht entfernen. Zumindest mit keiner Magie, die uns geläufig war. Folglich hatte ich eigentlich andere Sorgen, als mich um die nicht existente Beziehung zu Matej zu kümmern. Dennoch tat ich es, weil er mir unter die Haut ging, viel zu tief. Zu meiner Verteidigung hatte ich ehrlicherweise nicht mit dieser Hartnäckigkeit gerechnet. Andererseits, nach seinem Verhalten in Tschechien, hätte ich mir das denken können. Stur blieb stur, egal, ob es von Erfolg gekrönt war.
Nachdenklich erreichte ich am Ende des Tunnels den gläsernen Aufzug, der von der Gildenhalle nach oben in die reale Welt führte. Der Aufzug war der einzige offizielle Zugang und nur deshalb durchsichtig, um etwaige Feinde zu erkennen. Meiner Meinung nach total unnötig, da die gesamte Gildenhöhle durch diverse Stein- und Schutzzauber abgesichert war. Kein Mensch oder übernatürliches Wesen mit einer bösen Absicht würde auch nur den großen Zeh über eine der unsichtbaren Schutzwehre machen, ohne den ohrenbetäubenden Alarm auszulösen. Aber Laric und seine Vorgänger gingen lieber auf doppelte und dreifache Nummer sicher.
Mir sollte es recht sein, auch wenn der Augenscan beim Aufzug, der Fingerabdruck und die HandChip-Erkennung ewig lange dauerten und man nur einzeln den Aufzug benutzen durfte. Ansonsten fuhr dieses Ding nicht. Aus diesem Grund war der Aufzug sehr klein gehalten – eben nur für eine Person. Mehr als einmal war ich mir dabei vorgekommen wie in einem Sarg. Dieses Gefühl wurde durch das Felsengewölbe zusätzlich verstärkt. Eigentlich war ich nicht zimperlich, aber diese Enge hatte mir schon öfter als einmal den Puls in die Höhe getrieben. Auch jetzt atmete ich mehrmals tief ein und aus, bevor ich mich überwinden konnte, in dieses Ding einzusteigen. Dann machte ich den Schritt und schloss mit geballten Händen die Augen. Es würde bald vorübergehen, genauso wie der gesamte bescheidene Abend. Ich musste nur hier rauskommen und mich ablenken.
∞
Nachdem ich es zuerst mit Stricken versucht, dann einige Minuten – eigentlich eher eine halbe Stunde – auf den Boxsack eingeschlagen hatte und danach zu einem imaginären Schwertkampf übergegangen war, waren meine Gefühle nach wie vor in Aufruhr. Dieser verdammte Blick aus sturmgrauen Augen mit dieser verfluchten sexy Verheißung. Zum Durchdrehen!
Hastig schnappte ich mir mein Katana Olaf und aktivierte über meinen PIN durch Sprachsteuerung ein imaginäres Angriffsszenario. »Mehrere Angreifer, unterschiedliche Wesen, schwierigste Stufe, nebliges Waldsetting, Schmerz eingeschaltet.«
Von einer Sekunde auf die andere verschwand mein heller Trainingskeller und ich befand mich in einem dichten Wald, von meterhohen Bäumen und farnartigen Büschen umgeben. Frischer Tau- und Moosgeruch drang in meine Nase und feuchte, stickige Luft lag auf meinen nackten Oberarmen.
Ein Rascheln erklang auf der rechten Seite. Leichtfüßig wirbelte ich herum, als ich auch schon einem imaginären Vampir den Kopf abschlug, der vor mir aufgetaucht war. Rechter Hand griff mich ein tollwütig wirkender Troll an, mit einer Faust so dick wie mein Schädel. Ich sprang zur Seite, rollte mich in einer fließenden Bewegung so lange weiter, bis ich den Rücken des massigen Wesens erreicht hatte, und stach die Klinge von hinten durch sein Herz.
Plötzlich packten mich zwei leuchtende Angreifer von hinten, vermutlich faeartig, und schleuderten mich zu Boden. Die Wucht des Aufpralls presste mir die Luft aus der Lunge. Bei diesen Kampfszenarien konnte ich physisch nicht verletzt werden, die Programmierung des HandChips ließ aber zu, dass man die Schmerzen spürte. Und dieser Schmerz gemischt mit dem Adrenalin legte bei mir oftmals einen inneren Schalter um. Von Wut gepackt schob sich kurz ein rötlicher Film über meine Augen, der verschwand, als ich blinzelte. Dafür blieb das Gefühl, besser sehen, intensiver riechen zu können und nun stärker und schneller zu sein oder als würden die anderen langsamer werden. Diese Reaktionsschnelligkeit kam mir im Moment sehr zugute, denn einer der beiden Angreifer hatte Tentakel, die sich brennend um mein Fußgelenk wanden. Shit, das tat verflucht weh, trotz des Wissen, dass sie mich nicht verletzen konnten. Das zweite Wesen hob im selben Moment einen footballgroßen Stein vom Boden auf – eine Aktion, die ich für einen Fae erstaunlich primitiv fand –, in der Absicht, mir das Ding in mein hübsches Gesicht zu schmettern. Ruckartig drehte ich mich zur Seite. Der Stein knallte einige Zentimeter neben mir auf den Boden. Okay, das war ziemlich knapp gewesen.
Zum Dank lud ich Olaf mit meiner magischen Magie auf, schwang ihn im weiten Bogen und hackte dem Fae beide Arme ab. Ein Geniestreich, der eine ganz schöne Ladung irreales Blut über mir entleerte. Infolgedessen konnte ich den Kupfergeschmack auf meiner Zunge ausmachen. Echt oder nicht echt, es war eklig. Olaf sah das jedoch anders. Sofort meckerte er in meinen Gedanken lautstark vor sich hin: »Was soll das hier für eine Schummelpartie sein? Wofür einen Kampf ausfechten, wenn es kein ECHTES Blut gab? Das ist total unlogisch und ich hätte wirklich mehr von dir erwartet. Lass uns rausgehen und reale Monster töten. Gib mir Blut, echtes Blut! Ich habe Durst, ich muss trinken!«
»Sorry, dass ich trainieren will, um im Ernstfall meine Überlebenschancen zu erhöhen. Außerdem bist du kein Vampir«, stöhnte ich und versuchte, mein Bein aus dem brennenden Tentakelgriff zu bekommen.
Der Fae grinste zur Antwort diabolisch und weitere lange Tentakel wuchsen aus seinem schleimigen grünen Körper, der eher nach Glibber aussah als nach einer festen Konsistenz. Was hatten sich Onkel Héctor und Jayden da nur für Kreaturen ausgedacht, als sie mir dieses Trainingssystem installiert hatten? Im echten Leben war mir so ein Biest noch nie untergekommen. Zum Glück, denn zusätzlich roch es nach abgestandener Milch, gemischt mit einem Hauch Urin und Kotze. Zumindest sehr kreativ, das musste ich ihnen lassen.
Statt mich weiter von Olaf anjammern zu lassen, warum ich ihm kein echtes Blut lieferte, griff ich in dem Moment, als das Wesen mit seinen Tentakelhänden beinahe über mir war, nach meinem Hüftmesser Sid. Schnell lud ich Sid mit meiner Magie auf und hackte nach dem Ding über mir. Danach durchtrennte ich seine Gliedmaßen Stück für Stück, um mich zu befreien. Mit einem Platschen kippte das schleimige Monster zur Seite. Natürlich erst nachdem es übel riechendes, wie Eiter aussehendes Blut auf mich getropft hatte, das ebenfalls auf meiner Haut brannte. Süß, geradezu herzallerliebst!
Mühsam kam ich auf die Beine und wappnete mich für den nächsten Angriff. Die Pause war nur von kurzer Dauer, da sich von den Baumkronen über mir plötzlich ein Fledermaus-Fae löste und auf mich zuflog. Mit weiten Schwingen, die über einen Meter Spannweite hatten, und einem Gebiss, das einem Haifisch Konkurrenz machte. Bevor das Ding bei mir ankam, griff ich in meine Tasche und warf in geübter Reihenfolge drei Wurfsterne. Die Gizmis landeten mit einem befriedigenden feuchten Klatschen in dem ledrigen, leicht behaarten Oberkörper des Biestes. Es stieß einen markerschütternden Schrei aus, der beinahe meine Trommelfelle platzen ließ. Selbst Sid beschwerte sich wild redend in meinem Kopf, während ich in den Nahkampf ging. Ein Stich dort, ein Ritzer da und der Tanz um imaginäres Leben und Tod begann. Natürlich untermalt von Sids nicht enden wollendem Geplapper. »Oho, oho, was machen wir denn hier schon wieder, Jess? Ich meine, du hast ja schon viele verruchte Gegenden aufgesucht oder dich unterschiedlichen Gefahren gestellt. Aber das hier – ernsthaft? Zuerst dieses Schlabbermonster und jetzt eine zu groß gewachsene Fledermaus mit irrem Geschrei? Versteh mich nicht falsch, ich bin dafür, wenn sich junge Frauen wie du selbst verteidigen und auf sich aufpassen können. Aber müssen wir denn andauernd gegen die schrägsten Monster kämpfen oder uns in solch zwielichtigen Gegenden aufhalten? Was ist so falsch daran, in einen netten, helllichten Park zu gehen oder in ein schönes, strahlendes Einkaufscenter? Das wäre doch nett!«
Ich verdrehte die Augen und keuchte, als ich mit dem freien Unterarm einen Schlag des Fledermaus-Faes parierte. »Dort findet man aber keine Monster, die man unschädlich machen sollte, da die sich eben gerne in genau diesen zwielichtigen Gegenden aufhalten.«
»Papperlapapp, das ist alles Ansichtssache! Du musst ganz eindeutig an deiner Einstellung arbeiten«, konterte Sid und redete ohne Punkt und Komma weiter, sodass ich ihn ausblendete.
Indessen blutete die Fledermaus aus unzähligen Schnitten, die ich ihr zugefügt hatte. Ein Ausfallschritt nach vorne, ein Schwung mit dem Messer von unten rechts und ich erwischte ihre Seite. Dann packte ich das Messer fester, riss es heraus, um es gleich darauf in ihre Brust zu rammen. Dort, wo ihr Herz schlagen würde. Zack, und schon kippte die Kreatur in sich zusammensinkend um und rutschte von der Messerklinge. Bazinga!
Die ganze Zeit über hatte mir Sid die diversen Vorteile von Aufenthalten in sonnigen Parks oder eleganten Luxushotels erklärt. Na klar, aber sicher doch, mein Lieber.
Aus einem undefinierbaren Grund entspannten mich der Kampf und das ständige Geplapper nicht wie erhofft. Deswegen unterbrach ich die magische geistige Verbindung zu Sid und deaktivierte mit den Worten »Kampfszenario Ende« das Training. Auf der Stelle verschwanden der Wald mit all seinen Gerüchen, den Leichen rund um mich sowie die Blut- und Eingeweidespritzer auf meinen Klamotten. Selbst der Kupfergeschmack war bloß noch eine Erinnerung in meinem Mund. Ich sah mich im Raum um, der hell beleuchtet und mit weichen Gummimatten ausgelegt war. Und trotz des soeben anstrengenden Kampfes erschienen unvermittelt die intelligenten, gewitzten Augen von Matej in meinen Gedanken. Nicht schon wieder. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren!
Vielleicht half ja ein wenig Chi Gong oder Yoga, nachdem mich meine anderen Hilfsmittel bisher kläglich im Stich gelassen hatten? Mit verschwitztem türkisfarbenem Tanktop und schwarzer Yogatight startete ich mein Programm und siehe da, nach einigen Übungen fand mein Geist endlich ein bisschen Ruhe von den Geschehnissen der letzten Stunden. In den Hintergrund rückten die Abstimmung, das Ergebnis, das freudige Lächeln von Matej, sein Blick der Verheißung und meine Panik, die dabei hochgeschwappt war. In diesen Mann konnte man sich verlieben, vollkommen und unwiderruflich.
Mit tiefen Gefühlen, wie sie in Büchern beschrieben standen und die unzählige Frauen in romantischen Filmen suchten oder denen sie im realen Leben nachjagten. Ich gehörte nicht zu diesen. Liebe konnte mir gestohlen bleiben, ich wollte sie möglichst vermeiden. Sie konnte blind machen und gleichzeitig zerstören. Meine Eltern hatten mir das beste Beispiel dafür geliefert. Zuerst hatte meine Mum sich für uns geopfert, dann hatte mein Dad meine Mum einfach so zum Sterben zurückgelassen – wegen mir. Und da er meine Mum so sehr geliebt hatte, war er schließlich an der Trauer zerbrochen. Überall so viel Hingabe und doch waren wir durch sie schmerzhaft zerstört worden, vollkommen und unwiderruflich. Warum sollte ich also freiwillig nach dieser emotionalen Bindung suchen? Sollten sich andere damit herumplagen, ich brauchte sie weiß Gott nicht. Lust und Leidenschaft ohne Gefühle reichten mir vollkommen. Aber mein Herz, das musste ich beschützen.
Darum ginge ich weiterhin einen großen Bogen um diesen tschechischen Ex-Pfarrer, an den ich sowieso nicht denken wollte, den ich mir selbst verbot (wie andere sich Süßigkeiten). Matejs Blick von vorhin schoss mir durch den Kopf und störte erneut meine Konzentration, weshalb ich beinahe zur Seite kippte. In dem Augenblick, in dem ich mich wieder fing und im Kopfstand die gestreckten Beine gegengleich nach vorne und zurückgleiten ließ, hörte ich ausgerechnet seine Stimme hinter mir.
»Hi.«
Ich zuckte zusammen. Himmelherrgott, der Typ war einfach überall.
»Warum überrascht es mich nicht, dich beim Trainieren zu finden? Brauchst du eine Hilfestellung oder einen Sparringspartner?«, fragte Matej ganz unschuldig und trat näher.
So nahe, dass ich seine Körperwärme im Rücken spürte, ohne dass er mich berührte. Meine Stimme blieb ausdruckslos, obgleich mein Herz vor Schreck einen kleinen Satz tat und schneller schlug. Viel zu schnell. »Danke, aber ich komme gut allein zurecht. Wo sind denn die anderen? Oben? Wollen wir einen Filmabend machen oder jagen gehen?«
Damit meinte ich die Zwillinge Julian und Jayden, Red, Teddy und natürlich Sir Harmsty, der die Tür bewachen sollte. Der kleine Glitzer-Fae musste Matej überhaupt erst reingelassen haben. Mieser Verräter.
»Sie haben mich hier abgesetzt und meinten, sie würden noch schnell etwas erledigen, bevor sie hier mit uns den Ausgang der Wahl feiern wollten. Red ist bei ihnen im Gleiter und Sir Harmsty hat sich ebenfalls zu ihnen gesellt. Er hat mir übrigens die Tür geöffnet, falls du dich fragst, ob ich eingebrochen bin«, scherzte Matej und ich hörte das Lächeln in seiner Stimme.
Man spürte seine gute Laune förmlich aus jeder Pore strömen. Im Gegensatz zu meiner Gefühlslage, die gleichbleibend undefinierbar war. Meinen guten Manieren zuliebe antwortete ich mit einem »Wie nett von ihm«.
Hin und wieder musste man Größe zeigen. Ich hoffte, er hatte bei den Worten jedoch das Knurren in meiner Stimme nicht gehört. Sein leises Lachen bewies das Gegenteil.
Statt darauf einzugehen, hörte ich es hinter mir rascheln, bevor er mich erneut fragte: »Also, brauchst du nun einen Sparringspartner?«
Meine Antwort kam postwendend, wenngleich ein bisschen heiser. »Nö danke. Alles gut.«
Bei dem Gedanken daran, mich von Matej anfassen zu lassen oder mich gar mit ihm hier auf der Matte zu wälzen, rieselte ein Schauer durch meinen Körper. Zuerst eisig, dann lud er sich auf und wurde heißer. Brennend. Ein Zittern, das Matej genauso bemerkte, bevor ich nach vorne aus dem Kopfstand plumpste. Schnell packte er meine Hüften und hielt mich mit seinen kräftigen Armen an Ort und Stelle fest.
»Hoppla, nicht umfallen«, flüsterte er.
Nett, es war eigentlich äußerst nett. Wenn man nicht so schmutzige Gedanken wie ich hatte. Denn nun stand mein neuester Gildenkollege dicht an meinem Rücken. Durch den Kopfstand drückte sein Schritt gegen meinen Po, während seine starken Finger meine Hüfte umklammert hielten. Die nun jedoch langsam hinunter- beziehungsweise hinaufwanderten, je nachdem, aus welcher Perspektive man es sehen wollte. Bis sie meine Oberschenkel hielten, sehr nahe an der verbotenen Zone. Seine Berührung ließ einen sehr weiblichen Teil in meinem Inneren erwachen und brachte den empfindlichen Punkt zwischen meinen Beinen zum Prickeln. Im ersten Moment stockte mir der Atem, dann wurde er schneller, genauso wie Matejs.
Einige Sekunden rührte sich keiner von uns, bis ich kleinlaut meinte: »Ähm, du kannst mich wieder loslassen. Danke. Ich bin vom Training ganz verschwitzt …«
»Das stört mich nicht im Geringsten«, erwiderte mein Ex-Geliebter mit belegter Stimme.
Eine weitere Schicht meiner eisigen Mauer schmolz dahin. Das Zusammensein mit ihm und seine Worte fühlten sich zu gut an und ich war so was von erledigt. Müde von meiner Abwehrhaltung. Müde davon, ihn auf Distanz zu halten. Langsam knickte mein Wille ein, egal, wie heroisch mein gesunder Menschenverstand weiter um die Vorherrschaft kämpfte. »Im Ernst, lass mich runter. Ich bin fertig für heute.«
Diese Worte drangen zu ihm durch, denn schließlich bewegte er sich und ich atmete erleichtert auf. Statt mich loszulassen, beugte Matej sich nach vorne, griff schnell um mich herum und fasste mich fest an der Hüfte. Ich quiekte undamenhaft erschrocken auf, dann verschlug es mir die Sprache. Denn im nächsten Moment erhob er sich und nahm mich mit sich nach oben. Irgendwie waren bei der überraschenden Bewegung automatisch meine Beine um seine Hüften und die Arme um seinen Nacken gewandert. Meine Gliedmaßen hatten sich dort verschränkt, wodurch ich wie ein kleiner flauschiger Koala in seinen Armen lag. Sturmgraue Augen, in denen Smaragde tanzten, blickten erwartungsvoll in meine. So standen wir da, fest aneinandergeklammert, sagten kein Wort und starrten in die Augen des anderen. Eine Sekunde, zwei, drei … Ich war mir nicht einmal sicher, ob wir in dieser Zeit Luft holten. Es war nicht wichtig.
Irgendwas hatte sich verändert. Er war heute zu mir gekommen, um seine Absichten erneut klarzustellen. Jetzt schien es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Wir hatten auf eine imaginäre Pausetaste gedrückt und Matej überließ die Entscheidung, was nach dieser passierte, ganz allein mir. Mit einer bewundernswerten Engelsgeduld wartete er und wartete, den leidenschaftlichen Blick fest mit meinem verschränkt. Die Macht lag vollkommen bei mir, weil er sie mir behutsam in die Hände gelegt hatte. Das berührte mich tief, bis ins Mark, und gab den Ausschlag. Mein gesunder Menschenverstand verabschiedete sich, mein Körper und meine Sehnsucht gewannen die Oberhand.
Die Pause war vorüber, die Zeit lief wieder weiter – schneller als zuvor. Ich stürzte mich sprichwörtlich auf ihn. Meinen Mund drückte ich auf seinen, meine Finger krallte ich in sein seidiges dunkles Haar. Der Kuss war nicht zärtlich oder zögerlich, sondern rau und anscheinend total umwerfend. Denn auf einmal schwankte Matej überrascht von meiner Attacke nach hinten und stolperte mit einem »Hoppla« über ein Trainingsgerät.
Zusammen kippten wir nach hinten und Matej fiel mit mir obendrauf mit einem keuchenden »Autsch« seinerseits und einem »Uff« meinerseits auf einen großen Sitzsack, der hinter ihm auf dem Boden gelegen hatte. Glück im Unglück sozusagen. Diese Szene erinnerte mich derart an einen früheren, ähnlichen Sturz mit ihm, dass ich schallend in Gelächter ausbrach, in das Matej einstimmte. Es löste die knisternde Spannung zwischen uns.
»Sieht so aus, als könnten wir beide gemeinsam nie lange auf den Beinen bleiben, ohne hinzufallen«, witzelte ich und wollte mich von ihm lösen und aufstehen, bevor wir einen gewaltigen Fehler machten.
Davon schien Matej wenig zu halten und stoppte mein Vorhaben, indem er die Arme um meinen Rücken geschlossen hielt. »Nun, das letzte Mal bin ich auf dir gelandet. Ich muss sagen, dass es mir genauso gut gefällt, wenn du auf mich fällst. Du fühlst dich gut an auf mir.«
»Danke für das Kompliment, allerdings sollten wir es dabei belassen. Tut mir leid, dass ich dich so überfallmäßig geküsst habe. Das war unbedacht, eine Kurzschlusshandlung.«
»Mir tut es nicht leid.«
Mir im Grunde auch nicht. Matej zu küssen, war nie das Falsche, sondern fühlte sich vollkommen richtig an, als rückte ein Puzzleteil an den rechten Platz. Dieser Platz war aber nicht meiner und auf lange Sicht ein Fehler. Erschöpft von meinen eigenen Gefühlen seufzte ich schwer. »Was machen wir hier eigentlich? Wir haben bisher nicht darüber geredet.«
Statt eine Antwort zu bekommen, lachte der Mann unter mir auf. Die Vibration spürte ich durch meinen ganzen Körper. Erst nachdem er sich beruhigt hatte, schüttelte er ungläubig den Kopf. »Klar, dass du jetzt darüber reden willst, um abzulenken. Und wir können reden. Den ganzen Abend, den ganzen morgigen Tag, solange du willst. Aber weißt du was? Jetzt, in diesem Moment, würde ich andere Dinge viel lieber tun.«
Wider besseres Wissen fragte ich mit angehaltenem Atem nach: »Ach, und das wäre?«, bevor ich mir rasch auf die Unterlippe biss, im kläglichen Versuch, diese Frage zurückzunehmen.
Sein Blick folgte der Bewegung. »Dich berühren …«, flüsterte Matej, dann strich er mir zärtlich über die Wange und zeichnete mit dem Daumen eine Spur aus Gänsehaut meinen Hals hinab. Ein Daumen, der von all dem Training und den Kämpfen schwieliger war als in meiner Erinnerung.
»Dich fühlen …«, antwortete er als Nächstes und legte die flache Hand auf meine Brust, in der mein heftig schlagendes Herz pochte.
»Dich küssen …«, murmelte Matej dicht an meinen Lippen und ich zog erwartungsvoll die Luft ein.
Vielleicht würde mir ja das helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Fehlanzeige. Zuerst spürte ich eine zarte Berührung auf meinem rechten, dann auf meinem linken Mundwinkel. Tastend arbeitete er sich heran, bis seine vollen Lippen meinen Mund fanden.
»Dich schmecken …«, war schließlich das Letzte, was ich hörte, bevor er mein Kinn küsste und meinen Hals abwärts leckte.
Der letzte Rest meines Denkens verabschiedete sich in dieser Sekunde. Zuerst breitete sich elektrisierende Gänsehaut auf meinem gesamten Körper aus, die rasch von erwartungsvoller Hitze abgelöst wurde. Das hier fühlte sich zu gut an, um es weiter zu ignorieren, und ich war schließlich auch nur ein Mensch und keine Heilige. Seidige Strähnen kitzelten mich an den Fingerkuppen, als ich in seine dunklen Haare griff, um sein Gesicht nach oben zu lenken. Ich musste ihn ebenfalls schmecken, ihn küssen. Kurz bevor sich unsere Lippen berührten, sah ich in seine Augen, die mich mit Schalk und Erregung darin anblickten. Er wusste so gut wie ich, dass er mich soeben gekonnt verführt hatte. Zum Teufel mit ihm. Egal, im Moment machte es mir nichts aus. Ich küsste mich an seinem Kiefer entlang bis zu seiner Schläfe. Am Ohr angekommen nahm ich das Ohrläppchen zwischen die Lippen, knabberte und rieb daran. Dann sah ich auf sein Ohrläppchen und erkannte das Gildenjägerzeichen, das silbern schimmerte. Matej hatte sich sein Erkennungsmerkmal mit einer speziellen Tinte tätowieren lassen, die ausschließlich bei Wärme und Reibung sichtbar wurde. Ganz schön gewitzt, das musste ich ihm lassen. Erneut knabberte ich daran und konnte nicht widerstehen, leicht hineinzubeißen. Meine Liebkosung brachte mir einen erregten tschechischen Fluch von Matej ein, der mich lächeln ließ. Im nächsten Moment drehte er den Kopf und wir blickten uns in die Augen. Mit den Händen umschloss Matej mein Gesicht und zog mich zu sich heran.
Sein Mund fand meinen, teilte meine Lippen und nahm mich mit einem stürmischen Kuss in Besitz. Während wir uns küssten und unsere Zungen miteinander spielten, tasteten unsere Hände begierig über den Körper des anderen. Aber da war zu viel Stoff zwischen uns. Wenige Sekunden später flog Matejs störendes Shirt in eine Ecke. Meine engen Trainingsklamotten klebten nach wie vor an mir, deswegen knetete Matej eine Brust durch das Shirt, seine andere Hand wanderte zu meinem Hintern. In dieser leidenschaftlichen Umarmung auf ihm sitzend und küssend, umhüllte mich sein männlicher Geruch nach frischem Gras und herber Waldwiese. Ein Duft, in dem ich ertrinken konnte. Ich bekam nicht genug von ihm. Von seiner erhitzten Haut auf meinen Handflächen, seinen heiseren Lauten, wenn ich ihn in die Lippen zwickte oder in die Schulter biss, während er mich streichelte. Mein selbst errichteter Panzer wackelte selten, doch in diesem Moment drohte er, vollkommen in sich einzustürzen. Erzitterte bei jedem weiteren Kuss und Streicheln seiner geschickten Hände. Ich rieb mich an ihm, saugte ihn sprichwörtlich auf und war so kurz davor, zu zerspringen.
»Lass dich fallen, ich fange dich auf«, hauchte er mit tiefer Stimme in mein Ohr und als würde mein Körper seinem Befehl gehorchen, ließ ich los. Während ich ihn im Hintergrund ein erregtes »Himmelherrgott, du machst mich fertig, Nejkrásnější. Du bist mein Untergang« stöhnen hörte, zersprang ich in glühender Wonne. Es war perfekt.
So, wie es von Anfang an mit ihm gewesen war, wenn ich losgelassen hatte. Plötzlich waren die Nächte in Tschechien in seinem ausgebauten Dachboden und das Gefühl, Matej in mir zu spüren, viel zu lange her. Nicht nur ein paar Monate, sondern es fühlte sich an, als wäre seitdem ein ganzes Leben vergangen. Mit fahrigen Händen nestelte ich an den Knöpfen seiner Jeans. Warme Finger legten sich beschwichtigend über meine. »So gerne ich auch würde, wir müssen das jetzt nicht tun. Ich will nicht, dass du dich gezwungen fühlst. Ich bin glücklich, dich zu halten, zu küssen.«
»Natürlich müssen wir nicht, aber wir wollen. Ganz eindeutig«, gab ich feixend zurück und erntete damit ein charmantes Lächeln mit einem wölfischen Blitzen in den dunkelgrauen Augen.
»Dem ist nicht zu widersprechen, wollen ist nicht das Problem …«, begann er, verlor aber abgehackt seine Stimme, da ich die Hand über seinen Schritt gleiten ließ und ihn durch die Hose anfasste.
Mit meiner zielstrebigen Zärtlichkeit kitzelte ich ihm einen heiseren Fluch aus dem Mund, gefolgt von einem tiefen Stöhnen, das durch seine breite Brust summte. Nennt mich verdorben, aber irgendwie machte es mich ein wenig mehr an, diese verruchte Seite aus diesem geweihten, guten Mann hervorzuholen. Eine, die ansonsten niemand zu sehen bekam. Zumindest hoffte ich das, denn er gehörte mir.
Huch, wo ist denn dieser Gedanke plötzlich hergekommen? Besitzansprüche waren das Letzte, was ich mir erlauben durfte. Bevor ich meine Gedanken neu ordnen konnte, bewegte sich Matej forscher unter mir und küsste mich leidenschaftlich, bis mein Hirn wie in Watte gepackt war. Eine bessere Ablenkung hätte ich mir nicht wünschen können. Es fühlte sich viel zu gut an, um jetzt aufzuhören. Ich wollte ihn spüren, um mich herum, Haut an Haut. In mir, ganz tief. Würde ich je genug von dem Gefühl bekommen, das nur er mir schenken konnte? Ich hatte keine Antwort darauf, aber allein die Frage machte mir Angst. Mein Herz erzitterte, gemeinsam mit meinem sich aufbäumenden Körper auf ihm.
∞
Durch einen dichten Nebel klingelte es vertraut in meinem Kopf. Etwas störend, aber überhörbar. Jemand hatte meinen magischen Amethystschutzring um das Haus ausgelöst. Ein Zeichen, das mir eine Warnung hätte sein sollen, wäre ich nicht derart von Matej abgelenkt.
Kurz nach dem Klingeln folgte ein Rufen: »Hey, Leute, wo hängt ihr rum?«, das nur von einem Stock höher kam. Verdammt! Das durfte nicht wahr sein. Hatten die beiden kein eigenes Zuhause oder ein Hobby?
»Wir müssen … aufhören«, japste ich zwischen zwei Küssen und bekam ein zustimmendes »Mhm, gleich … einen Moment« zu hören, bevor Matej weiter an meinem Schlüsselbein knabberte. Wenig hilfreich. Besonders, da ich selbst nicht aufhören wollte beziehungsweise mein ausgehungerter Körper. Der letzte Sex lag zwei Monate zurück. Lange Wochen, in denen mir jedoch der heiße Mann unter mir jeden Tag wie eine Karotte vor die Nase gehalten worden war.
Erneut hörte ich Jaydens Stimme: »Hallo, hallo, seid ihr hier irgendwo?«, auf die ich am liebsten mit »Nein!« geantwortet hätte.
Innerlich betete ich, sie würden gehen und später wiederkommen. Wie so oft wurde mein Flehen nicht erhört und ich fragte mich, warum das mit dem Beten und mir einfach nicht funktionierte. Denn es folgte ein Poltern, das von schweren Schritten auf Stufen zu uns nach unten zeugte.
Unter mir betete Matej leise: »Geht, geht, geht …«
Worte, die mich zum Schmunzeln brachten. Immerhin war er gesegnet und bei ihm funktionierte das mit der geistigen Verbindung ebenfalls nicht so einwandfrei. Im nächsten Moment wurde an die Tür geklopft, die zum Glück klemmte und nicht sofort aufschwang. Dadurch hatten wir Zeit, wie zwei beinahe erwischte Teenager auseinanderzuspringen. Ich landete katzengleich auf meinen Beinen und zupfte rasch meine Klamotten zurecht. Hingegen kam Matej mit leicht verschleiertem Blick behände auf die Beine und schloss den letzten Knopf seiner Hose, bevor Jaydens grinsendes Gesicht im Türrahmen erschien. »Da seid ihr! Hab euch gefunden! Wie schön.«
Aber auch nur für dich, dachte ich mir und schnappte flink eine Hantel, um eine Ausrede für meine Kurzatmigkeit und roten Wangen zu haben. Ja, selbst ich geriet noch in Situationen, die mein Gesicht zum Brennen brachten.
»Stören wir euch beide bei einer Sache?«, fragte Julian, der mit seinem GleitRollstuhl in den Trainingskeller schwebte, einen wissenden Blick auf mich gerichtet.
»Nö, wir trainieren nur eine Runde. Ihr wisst schon, mit schweren Gewichten und so Zeugs, das einen so richtig ins Schwitzen bringt«, gab ich beiläufig von mir.
Meine klägliche Verteidigung vertiefte das Grinsen der beiden nur. Klasse gemacht, Jess. Vollkommen unauffällig.