Andrew im Wunderland (Band 1): Ludens City - Fanny Bechert - E-Book

Andrew im Wunderland (Band 1): Ludens City E-Book

Fanny Bechert

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Beschreibung

"Warum hast du mich hergeholt?" "Weil wir einen Helden brauchen, der uns rettet. Weil ich einen Helden brauche …" Ich bin Andrew. Mitte zwanzig, Computernerd und mit meiner Nickelbrille und dem hageren Body bestimmt kein Supermodel. Auch kein Superheld, aber für diesen Zweck habe ich ja meine virtuellen Spiel-Charaktere. Mein Leben war ein ruhiger, gemütlicher Trott – bis zu dem Tag, als ich in ein verrücktes Paralleluniversum geriet. Ich rate euch eins: Lauft nie einem weißen Hasen hinterher. Auch nicht, wenn er eine sexy Bardame namens Lola mit Plüschohren und einem süßen Puschel am Po ist. Wieso? Weil ihr dann schneller als euch lieb ist, einem gewaltigen Problem gegenübersteht: Ihr sollt der verdammte Held einer Geschichte werden. Problem erkannt? Wieso ich Lola dennoch verspreche, Ludens City und die Fabelwesen, die dort gegen ihre Unterdrückung kämpfen, zu unterstützen, kann nur daran liegen, dass ich ein absoluter Vollidiot bin. Oder ein Freak, der jeden Sinn für Realität verloren hat. Sucht es euch aus.

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Kapitel 1 - Zurück ins Reallife

Kapitel 2 - Ich brauche einen VIP-Pass!

Kapitel 3 - Gemüse-Gekloppe

Endgültig wach – oder?

Kapitel 5 - Erste Schritte

Kapitel 6 - Andrews Entscheidung

Kapitel 7 - Was für eine süße Katze

Kapitel 8 - Bube, Dame, Turm?

Kapitel 9 - Frühstück mit Hindernissen

Kapitel 10 - Passierschein bitte

Kapitel 11 - Auszeit bei Mr. Tailor

Kapitel 12 - Wahre Worte

Kapitel 13 - Lesen bildet

Kapitel 14 - Spielregeln

Kapitel 15 - D-I-S-C-O – äh, was?!

Kapitel 16 - Goodbye, Ladys

Kapitel 17 - Das Reiten nach dem Reiten

Kapitel 18 - Der Pupperich

Kapitel 19 - Senna Interactives

Kapitel 20 - Eine Rutschfahrt, die ist lustig

Kapitel 21 - Wort für Wort

Kapitel 22 - Schwarz und Weiß

Kapitel 23 - Spielen wir ein Spiel

Kapitel 24 - Unerwünschte Unterstützung

Kapitel 25 - Im Körper des Feindes

Kapitel 26 -Danke und Ciao

Kapitel 27 - Kein Ticken mehr

Dank

 

Fanny Bechert

 

 

Andrew im Wunderland

(Band 1): Ludens City

 

Fantasy

 

Andrew im Wunderland (Band 1): Ludens City

»Warum hast du mich hergeholt?«

»Weilwir einen Helden brauchen, der uns rettet. Weil ich einen Helden brauche …«

 

Ich bin Andrew. Mitte zwanzig, Computernerd und mit meiner Nickelbrille und dem hageren Body bestimmt kein Supermodel. Auch kein Superheld, aber für diesen Zweck habe ich ja meine virtuellen Spiel-Charaktere. Mein Leben war ein ruhiger, gemütlicher Trott – bis zu dem Tag, als ich in ein verrücktes Paralleluniversum geriet.

Ich rate euch eins: Lauft nie einem weißen Hasen hinterher. Auch nicht, wenn er eine sexy Bardame namens Lola mit Plüschohren und einem süßen Puschel am Po ist. Wieso? Weil ihr dann schneller, als euch lieb ist, einem gewaltigen Problem gegenübersteht: Ihr sollt der verdammte Held einer Geschichte werden. Problem erkannt?

Dass ich Lola dennoch verspreche, Ludens City und die Fabelwesen, die dort gegen ihre Unterdrückung kämpfen, zu unterstützen, kann nur daran liegen, dass ich ein absoluter Vollidiot bin. Oder ein Freak, der jeden Sinn für Realität verloren hat. Sucht es euch aus.

 

Die Autorin

Fanny Bechert wurde 1986 in Schkeuditz geboren und lebt heute mit ihrem Mann in einem ruhigen Dörfchen im Thüringer Vogtland.

Als gelernte Physiotherapeutin griff sie erst 2012 mit dem Schreiben ein Hobby ihrer Kindheit wieder auf. Was zuerst ein Ausgleich vom Alltag war, nahm bald größere Formen an und so veröffentlichte sie im Juni 2015 ihren ersten Roman im Genre High-Fantasy, der den Beginn der mehrbändigen Reihe ›Elesztrah‹ darstellt. Seitdem widmet sie sich immer aktiver der Tätigkeit als Autorin.

Heute schreibt sie nicht nur Romane, die sie ebenfalls selbst vertont, sondern hat das Texten im Bereich des Online-Marketings auch zu ihrem Hauptberuf gemacht.

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, September 2020

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2020

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-144-4

ISBN (epub): 978-3-03896-145-1

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für meinen Mann,

das beste Plot-Bunny der Welt

 

 

Kapitel 1 - Zurück ins Reallife

 

Mit Schweißperlen auf der Stirn beobachtete Maximus12 den Flammenden Lord. Der Troll zu seiner Rechten schleuderte dem Monster gerade einen Pfeil nach dem anderen entgegen, während die Orkkriegerin Lulabell, mit der er vorhin noch geflirtet hatte, bereits in vorderster Front stand und auf das Untier einschlug.

»Weg da, Flächenschaden!«, brüllte er und rannte nach links.

Der Troll jedoch blieb stehen, feuerte unerschütterlich weiter, bis er zusammenbrach.

»So ein Vollidiot«, hörte er die warme Stimme der Ork, die jetzt beinahe gehetzt klang.

»Noob«, lachte Maximus12. Dann konzentrierte er sich erneut darauf, seine Zauber zu wirken. Einen Blitzstrahl nach dem anderen formte er, während er seine Gesundheit im Auge behielt, genau wie die des Flammenden Lords.

Sie waren zu zehnt, zwei von ihnen lagen bereits am Boden und um zwei weitere stand es kritisch. Wenn nicht bald etwas geschah …

Suchend blickte er sich um. Wo war dieser verdammte Heiler?

»Anorax«, rief er, »du musst den Troll rezzen. Ohne sein Pet haben wir keine Chance!«

»Ich kann nicht«, tönte es kläglich von dem Priester, der sie heute zum ersten Mal begleitete. »Ich hab kein Mana mehr.«

Maximus12 verzog das Gesicht. »Das darf doch nicht …«

In diesem Moment fiel auch Lulabell.

Ohne den Schutz der Kriegerin dauerte es nur Sekunden, bis alle anderen ebenfalls tot und ins Reich der Geister übergegangen waren.

 

»Verdammte Scheiße!« Wütend riss ich mir die Kopfhörer von den Ohren und stieß mich von meinem Schreibtisch ab. »So eine verfickte Scheiße!«

Wir hatten bald zwei Stunden damit verbracht, bis zum Endboss zu gelangen, und nun scheiterten wir daran, dass dieser verfluchte Priester nicht mit seinem Mana klarkam!

Dumpf konnte ich hören, wie die anderen sich im Teamspeak ebenfalls aufregten. Ich wollte mir bereits die Kopfhörer wieder aufsetzen, um Max, wie der Priester angeblich hieß, ebenfalls rundzumachen, als plötzlich eine private Nachricht von Shazzar, dem Trolljäger, im Chatfenster auftauchte.

»Das mit der Orkschnecke kannst du nach dem Fail eh knicken, Andrew. Lass uns was trinken gehen.«

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Viertel vor elf … Nach kurzem Überlegen antwortete ich: »Wir könnten einen zweiten Run versuchen.«

Shazzar, der in Wirklichkeit Craig hieß, nur zwei Blöcke weiter wohnte und seit Jahren mein bester Freund war, schrieb sofort zurück. »Nee, keinen Bock. Ich geh ins ›Dark Hole‹. Komm mit oder lass es.« Dann loggte er sich kommentarlos aus.

»Wo ist Shaz hin?«, fragte Lulabell gerade, als ich mir die Kopfhörer wieder aufsetzte und von dem Menschen Andrew zurück in meine Rolle als Maximus12 wechselte.

»Der zieht euch das Reallife vor«, antwortete ich und fügte nach kurzem Zögern hinzu: »Ich bin auch raus.«

Ohne auf die Reaktion von Lulabell oder einem anderen Spieler zu warten, beendete ich sowohl Teamspeak als auch das Onlinespiel, mit dem ich beschäftigt war, seit ich halb sechs von der Arbeit gekommen war.

So verlief fast jeder Tag. Entweder ich stand an der Kasse im Walmart oder saß vor meinem Rechner und verprügelte irgendwelche Fantasywesen. Würde es Craig nicht geben, der die Realität dem virtuellen Universum noch immer vorzog, würde ich vermutlich vollkommen in ›Elesztrah‹ versacken.

Okay, vielleicht führte ich nicht das spannendste Leben, das ein Mittzwanziger haben konnte, aber mir gefiel es.

Missmutig fuhr ich meinen PC runter und stand auf. Meine Laune war nach diesem missglückten Raid dermaßen im Keller, dass ich eigentlich gar keine Lust hatte, die gemütliche Jogginghose gegen eine Jeans zu tauschen und die Wohnung zu verlassen. Aber Weiterspielen war auch nicht und um bereits schlafen zu gehen, war der Abend noch zu jung. Mein Körper würde gar nicht verstehen, was los war, wo ich doch sonst nie vor drei ins Bett ging.

Also griff ich widerwillig nach der Jeans, die über der Stuhllehne hing, angelte ein sauberes schwarzes Shirt aus dem Schrank und zog mich um.

Ein kurzer Blick in den Spiegel verriet mir, dass es besser gewesen wäre, vorher zu duschen. Meine kurzen braunen Haare klebten mir am Kopf und auf meinem Gesicht saß ein unschöner Bartschatten. Aber mir war klar, wenn ich mich jetzt unter den heißen Strahl der Dusche stellte, würde ich vollends die Lust verlieren.

Dennoch huschte ich kurz ins Bad und versuchte, mit dem Rasierer und jeder Menge Trockenshampoo zu retten, was zu retten war. Ich legte eh nicht besonders viel Wert auf mein Äußeres. Warum auch – frisch gewaschene Haare oder nicht, mit dem blassen, schmalen Gesicht und der Nickelbrille war ich so oder so nicht besonders attraktiv. Warum sich also mit dem Rest Mühe geben?

Und im ›Dark Hole‹ spielte es ohnehin keine Rolle, wie man aussah. Die Mädchen dort interessierte nur, wie viel Kohle du dabeihattest.

Bevor ich das Haus verließ, schickte ich Craig noch schnell eine Nachricht, dass er vor dem Club auf mich warten sollte – nicht ohne zu betonen, wie wenig Lust ich hatte.

 

Es war brechend voll, als Craig und ich zwanzig Minuten später den Stripclub betraten. Freitags war Poledance-Abend und das lockte immer das größte Publikum an.

Ich folgte meinem Freund, der sich wie selbstverständlich zwischen den prall gefüllten Tischen hindurchschob und auf eine der hinteren Nischen zusteuerte.

Craig war Stammkunde und hatte sich das Privileg verdient, dass dieser Platz am Wochenende für ihn und seine Freunde reserviert war. Obwohl verdient nicht das richtige Wort war, denn er bezahlte ordentlich dafür. Von Hauptberuf Sohn, konnte er sich das aber auch leisten.

Als wir die Nische erreichten, saßen bereits Mathew und Thomas dort, jeder einen Bierkrug vor sich und ein zufriedenes Grinsen auf den Lippen.

»Jo, Leute, was geht?«, begrüßte Craig die beiden mit Handschlag.

Ich tat es ihm gleich. Dann schoben wir uns zu den Jungs auf die Bänke.

»Wer ist heute auf der Bühne?«, fragte Craig, während er eine der Kellnerinnen heranwinkte.

»Natascha«, meinte Thomas und deutete mit dem Kinn auf die schwarzhaarige Russin mit den meterlangen Beinen, die sich gerade lasziv an der Stange rekelte. »Und danach kommt Georgie.«

Sein Grinsen wurde noch breiter. Er stand auf Blondinen und große Brüste – beides Dinge, die kennzeichnend für die Tänzerin waren.

Craig lachte. »Klingt nach ’nem super Programm. Oh, hey, Schätzchen.« Er legte der Kellnerin in dem knappen Hausmädchendress, die gerade an unseren Tisch getreten war, eine Hand auf die Taille. »Bring mir und meinem Kumpel doch bitte ein Bier. Und eine Runde Wodka für uns vier.«

»Gern, Süßer.« Sie schrieb die Bestellung auf ihren Notizblock, bevor sie sich umdrehte und zur Bar verschwand – nicht ohne noch mal mit ihrem Apfelpo zu wackeln.

»Nicht schlecht …«, stellte Craig fest, während er ihr hinterherblickte. »Ich frag mich echt, wo Carlos immer diese heißen Teile aufgabelt.«

Ich schnaubte. »Ich frage mich eher, warum die es nötig haben, in so einem Schuppen zu arbeiten.«

Craig verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Also sie könnten es weit schlechter treffen. Carlos zahlt gut, soweit ich weiß, und auch die Kundschaft gehört zur gehobenen Schicht, wodurch es hier noch gesittet zugeht. Kein Angegrabbel und so … Oh, danke, Baby.« Er gab der Kellnerin, die unsere Getränke brachte, einen sanften Klaps auf den Hintern.

Es war nicht das Hausmädchen. Diese hier erinnerte eher an eines dieser Schulmädchen aus den Mangas, die meine kleine Schwester früher immer gelesen hatte.

Craig war das egal, solange sie scharf aussah.

»Aha … kein Angegrabbel, soso«, murmelte ich zynisch.

Er grinste mich an, zuckte aber nur mit den Schultern und rechtfertigte sich, indem er der Kellnerin neben der Bezahlung ein ordentliches Trinkgeld reichte.

Und wenn ich dem Mädchen – wie alt war sie, vierzehn? – so ins Gesicht sah, wäre das noch nicht mal nötig gewesen. Sie genoss die Aufmerksamkeit, die Craig ihr schenkte, und wäre bestimmt nicht abgeneigt gewesen, wenn seine Hand noch an ganz andere Stellen gewandert wäre.

Das war etwas, was mich jedes Mal nervte, wenn ich mit Craig unterwegs war. In dem Onlinespiel ›Elesztrah‹ war ich der Coolere von uns beiden. Der mit den toughen Sprüchen und mindestens einem virtuellen Date in jeder Spielsession. Im Reallife jedoch hatte Craig die Nase vorn. Er hatte Geld, sah gut aus und – was wohl das Ausschlaggebende war – er besaß eine ordentliche Portion Selbstvertrauen.

Und auch heute Abend würde mich keine Frau neben ihm bemerken, wenn ich nicht mit ein paar Extrascheinen wedelte.

Meine Laune sank weiter. Ich hätte zu Hause bleiben sollen … Vielleicht wäre zwischen Lulabell und mir doch noch was gelaufen. Cybersex war immer noch besser als gar kein Sex.

Ich griff nach dem Bierglas, das die Kellnerin vor mir abgestellt hatte, und trank einen ordentlichen Schluck.

Mathew griff hingegen zu dem Shotglas mit Wodka. »Dank dem edlen Spender«, sagte er und hob es in Craigs Richtung. »Auf einen schönen Abend.«

Klirrend stießen wir die Gläser aneinander und kippten den Inhalt hinunter. Der Wodka brannte in meiner Kehle und machte meinen Mund trocken.

Doch als er meinen Magen erreichte und sich dort mit dem Bier vermischte, setzte er ihn so plötzlich in Brand, dass ich wohlig vor mich hin grinste. Okay, auf diese Art konnte es vielleicht doch noch ein schöner Abend werden …

Kapitel 2 - Ich brauche einen VIP-Pass!

 

Anderthalb Stunden und vier Shots später hatte Craig die Schulmädchen-Kellnerin auf dem Schoß und berichtete ihr mit schwerer Zunge von dem Raid, den wir an diesem Abend vergeigt hatten.

Ich hatte keine Ahnung, ob sie auch nur irgendwas davon verstand. Sie machte auf mich nicht den Eindruck, als wäre sie der klassische Zocker. Vielmehr vermutete ich, sie würde Craig auch an den Lippen kleben, wenn er ihr aus der Bibel predigte – nur weil sie hoffte, dass er selbige irgendwann doch noch auf ihre presste.

Meine Augen schwirrten durch den Raum, während ich seine Ausschweifungen mit halbem Ohr verfolgte. Ich hatte mein Bierglas bereits zum dritten Mal geleert und mein Kopf war schon recht gut mit Watte ausgepolstert. Aber eins würde noch gehen, ohne dass ich morgen den ganzen Tag ausgeknockt wäre.

Von dem Schulmädchen konnte ich nicht erwarten, dass es mir ein weiteres holte, also hielt ich Ausschau nach dem Hausmädchen, das unsere erste Bestellung aufgenommen hatte. Aber auch von ihr war nichts zu sehen.

Dafür ging im nächsten Moment eine Blondine an unserem Tisch vorbei, die ganz offensichtlich ebenfalls hier arbeitete. Sie trug einen weißen Body, ihre langen Beine endeten in weißen Lackstiefeln und an ihrem Hintern wackelte ein kleiner weißer Puschel.

»Hey, Bunny«, hielt ich sie auf. »Ich hätte gern …«

Als sie sich umdrehte, verschlug es mir die Sprache. Die Mädchen im ›Dark Hole‹ waren allesamt heiß, man erwartete nichts anderes. Aber diese Frau war … Sie war … einfach nur wunderschön.

Die glatten blonden Haare waren echt, ohne Zweifel. Und die darauf ruhenden Hasenohren passten super zu ihrem leicht rundlichen Gesicht, den riesigen blauen Augen und den vollen, feucht glänzenden Lippen.

»Was darf’s sein?«, fragte sie. Dabei war ihr Ton anders als der der übrigen Mädchen, die hier arbeiteten. Es lag nichts Flirtendes oder gar Anrüchiges darin. Sie wollte einfach nur wissen, was sie mir bringen sollte.

»Ich … ähm … Noch ein Bier, bitte.«

Sie schien meine Verlegenheit nicht zu bemerken, als sie unsere leeren Gläser auf ihr Tablett zu laden begann.

Genauso wenig wie Craig, zu meinem Glück, denn er hätte mich wohl sofort damit aufgezogen. Aber er war so im Erzählen, dass es ihm nicht auffiel.

»Du hättest Andrew mal sehen sollen. Diese Abfolge an Angriffen war so was von perfekt getimt. Blitzhagel, Feuerkeule, Mana-Buff und wieder von vorn. Und wie er ausgewichen ist! Ernsthaft, der könnte es mit jeder Bestie in ganz ›Al’Arizon‹ aufnehmen.« Er hielt mir die Faust entgegen. »Echt, Alter, du bist der beste Schamane, mit dem ich je gekämpft habe.«

Ich schenkte Craig ein halbherziges Lächeln. Zum einen fiel es mir schwer, mit Komplimenten umzugehen. Zum anderen war ich noch immer von der süßen Kellnerin abgelenkt.

Sie hatte unseren Tisch fertig abgeräumt. Nun stand sie da und betrachtete Craig mit ihren großen Kulleraugen, wobei ihr schöner Mund ein wenig offen stand, als hätte er etwas unglaublich Beeindruckendes erzählt.

Vermutlich überlegte sie aber, wie sie das Schulmädchen loswerden könnte, um ihre eigenen Chancen bei Craig zu erhöhen.

Ich seufzte innerlich. Das war nichts Neues. Ich hatte mich daran gewöhnt, in den Augen der Ladys Luft zu sein, vor allem in der Nähe meines reichen Frauenschwarmkumpels.

Umso überraschter war ich, als sie den Kopf wieder mir zuwandte. Unsere Blicke trafen sich und für eine Sekunde verlor ich mich völlig in der Tiefe ihrer Augen, die mich genauso bewundernd ansahen wie gerade noch Craig.

»Wenn du ihm das Bier bringst, bring gleich noch vier Shots mit, ja?«, wandte er sich kurz an die blonde Häsin, ehe er sich wieder dem Schulmädchen widmete.

Sie blinzelte, senkte hastig den Blick und verschwand so schnell, dass ich kaum fähig war, ihr nachzusehen.

Was war das denn gewesen? Hatte es da gerade irgendwie zwischen uns gefunkt oder so?

Im Kopf malte ich mir aus, wie ich mit ihr flirtete, wenn sie zurückkam. So wie vorhin im Chat mit Lulabell. Und wie sie am Ende des Abends auf meinem Schoß saß und nicht auf dem von Craig!

Am liebsten hätte ich laut über mich selbst gelacht. Wie betrunken war ich bitte, dass ich mir so was auch nur vorstellte?

Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare, die den Kampf gegen das Trockenshampoo gewonnen hatten und wieder an meinem Kopf klebten, wie ich nun feststellte.

Oh, ich hatte einiges intus … Das merkte ich spätestens in dem Moment, als die Hasendame mit unserer Bestellung zurückkam. Sie warf mir ein schüchternes Lächeln zu, als sie ein Bier und einen Shot vor mir abstellte. Zumindest bildete ich mir ein, dass sie es tat, auch wenn diese Verlegenheit so gar nicht in diese Umgebung passte.

»Sag mal, Bunny«, begann ich, merkte aber sofort, wie schwer es meinem alkoholgetränkten Hirn fiel, sinnvolle Sätze aneinanderzureihen. Trotzdem wollte ich es versuchen. »Bist du öfter hier?«

Craig mir gegenüber stieß ein schnaubendes Lachen aus, verkniff sich aber einen Kommentar zu meiner billigen Anmache.

»Es ist mein erster Abend«, erwiderte die Häsin knapp und senkte den Blick.

Verdammt, ich wollte nicht, dass sie wegsah. Ich wollte, dass ihre großen Kulleraugen mich weiter so ehrfurchtsvoll ansahen, wie sie es gerade noch getan hatten.

»Dann setz dich doch zu uns und wir erklären dir, wie der Hase hier läuft«, forderte ich sie auf, nicht ohne über meinen eigenen schlechten Scherz zu lachen. »Verstehst du? Wie der Hase läuft … und du bist ja ein Hase …«, prustete ich.

Spitze, Andrew, gratulierte ich mir selbst. Scheiß Witze reißen und diese dann auch noch erklären … Geht’s noch peinlicher?

Zumindest hatte ich erreicht, dass sie mich wieder ansah.

Himmel, sie war wirklich die schönste Frau, der ich je begegnet war. Diese Stupsnase … Die kleinen Sommersprossen auf den Wangen …

Ja, mein Entschluss stand fest: Ich würde sie heiraten.

Ich wollte sie gerade fragen, ob sie meine Frau werden würde, als sie einen Schritt zurücktrat.

»Ein andermal vielleicht, ich habe gleich einen Auftritt«, sagte sie.

Mein Herz machte einen Salto. Würde ich ihr wirklich gleich zusehen dürfen, wie sie sich auf der Bühne um die Stange wickelte?

Aber Moment … Wenn ich sie dort sah, dann ja auch alle anderen im ›Dark Hole‹. Das hieß, in ein paar Minuten würde ein ganzer Haufen notgeiler Idioten meiner zukünftigen Verlobten dabei zusehen, wie sie für mich tanzte.

Ich wollte mit den Fäusten auf den Tisch schlagen, aufspringen, sie packen und schütteln. Ja genau, ich würde ihr einfach verbieten, auf die Bühne zu gehen!

Aber dann würde ich sie ja auch nicht in Aktion sehen dürfen …

Während ich sie noch anstarrte und darüber nachgrübelte, was die beste Lösung für dieses weltbewegende Problem war, ergriff Craig das Wort.

»Krass, ist untypisch für Carlos, dass er die Neuen gleich auf die Bühne lässt.«

Die Hasendame schüttelte den Kopf und deutete mit dem Daumen über ihre Schulter. »Ich tanze hinten, im kleinen Raum.«

Damit drehte sie sich um und ging.

Ein debiles Grinsen legte sich auf mein Gesicht, während meine Augen an ihrem Puschel hingen, bis sie durch einen Perlenvorhang im privaten Teil des Clubs verschwunden war.

Dort hinten ging es ruhiger zu. Es gab ebenfalls eine Bar und eine Bühne, aber keine Tische und Bänke, sondern gemütliche Couchgarnituren. In diesem abgelegenen Reich begannen die privaten Abenteuer, die nicht selten in einem der angrenzenden Einzelzimmer ihren Höhepunkt fanden – im wahrsten Sinne des Wortes. Das zumindest hatte Craig erzählt – ich selbst war noch nie dort gewesen.

»Mann, Andrew-Schmendrew, was ist denn mit dir los?«, zog Craig meine Aufmerksamkeit auf sich. »Ich glaube, ich habe dich noch nie sabbern sehen.« Er lachte auf und das Schulmädchen auf seinem Schoß tat es ihm gleich.

»Willst du dir und deinem Freund nicht einen VIP-Pass gönnen?«, fragte sie und fuhr mit dem Finger an seinem Kinn entlang. »Dann ist er beschäftigt und wir könnten uns … zurückziehen.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, wobei er kurz die Augen schloss.

Craig griff nach seinem Shotglas und leerte es in einem Zug. Dann schob er das Mädchen von sich runter und stand auf. »Gute Idee, Baby. Los, Andrew, lass uns deinem Bunny folgen.«

 

Craig drückte dem schrankgroßen Typen, der neben dem Perlenvorhang stand, ein Bündel Scheine in die Hand und kurz darauf fanden wir uns auf der anderen Seite wieder.

Einen Moment blieb ich mit offenem Mund stehen. Ich fühlte mich, als hätte ich eine völlig andere Welt betreten. Statt lautem Techno tönte beruhigende Jazzmusik aus den Boxen. Ich nahm kaum Unterhaltungen wahr, schon gar nicht so ein Gegröle wie vorn an der Bühne. Und das blaue Licht, in das alles getaucht war, sorgte für eine fast mystische Atmosphäre.

Noch dazu schien sich der Raum irgendwie zu drehen. Die Sessel, die kleinen Couchtische, die Bühne … Alles verschwamm ein wenig ineinander.

Okay, dieser Eindruck konnte tatsächlich davon kommen, dass ich mein letztes Bier ex in mich hineingekippt hatte. War vielleicht nicht meine beste Idee gewesen …

Ich sah mich nach Craig um, musste aber feststellen, dass er verschwunden war. So heiß, wie er auf die kleine Kellnerin gewesen war, wunderte es mich nicht. Vermutlich vögelte er sie bereits hinter einer der Türen, die von hier abgingen.

Ich zuckte mit den Schultern. »Mir doch egal«, murmelte ich vor mich hin. Ich hatte meine eigenen Pläne.

Ich musste meine Auserwählte finden, um ihr von meinen Hochzeitsplänen zu berichten – also, von unseren Plänen.

Mein Blick glitt zur Bühne. War das ein Hase, der sich dort elegant um sich selbst drehte? Nein, die Ohren waren zu kurz, der Schwanz zu lang und die Haare zu bunt. Außerdem kam diese Frau nicht im Mindesten an die Schönheit der Häsin heran. Na ja, zumindest fast nicht. Scharf war sie schon.

Ich ging zu ihr, stützte mich am Rand der Bühne ab und gaffte sie an. Als sie mich bemerkte, hielt sie inne und beugte sich zu mir herab. »Na, Kleiner, gefällt dir, was du siehst?« Sie strich über den roten Body zu ihrem Po und ließ den langen rot-orange gestreiften Schwanz durch ihre Finger gleiten.

Jaaa, das war ziemlich heiß, das musste ich zugeben. Aber deswegen war ich nicht hier.

»Wo … ist das Bunny?«, brachte ich mühsam hervor.

Ihrem Blick nach schien sie mich tatsächlich verstanden zu haben. Respekt – so sehr wie ich lallte.

Ein wissendes Grinsen huschte über ihr Gesicht. »Ah, du suchst das weiße Kaninchen.« Sie richtete sich wieder auf. Dann deutete sie mit dem Kinn auf eine der Türen, während ihre Hüften bereits wieder begannen, sich im Takt der Musik zu wiegen. »Ich glaube, du wirst bereits erwartet.«

»Danke«, nuschelte ich.

Ich steuerte auf das Zimmer zu, auf das sie gedeutet hatte. ›Hole Seven‹ stand auf einem Schild an der Tür.

Mit einer Hand stützte ich mich am Türrahmen ab, in der Hoffnung, die Welt um mich würde sich dadurch ein bisschen langsamer drehen. Dann klopfte ich mit der anderen Hand an, drei Mal.

Ich bekam keine Antwort.

Aber sie musste hier sein, meine Herzdame, immerhin hatte die Mieze auf der Bühne das behauptet.

Also drückte ich die Klinke hinunter, glitt ohne weiteres Zögern in den Raum und schloss die Tür hinter mir.

Stille empfing mich.

Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür und ließ meine Augen durch das Zimmer wandern. Ein Bett, ein Tisch, ein Schrank, eine Stehlampe … Aber kein Bunny!

Verdammt, wo war sie nur?

Ich machte einen vorsichtigen Schritt in den Raum hinein. Das Bett sah wirklich einladend aus. Vielleicht sollte ich mich einfach kurz hinlegen und warten. Sie machte sich bestimmt nur noch frisch – schließlich bekam man nicht jeden Tag einen Heiratsantrag!

Und zugegeben, ich war ganz schön müde … Es würde nicht schaden, etwas Kraft zu tanken für die Frage aller Fragen.

Ich setzte mich auf die Bettkante. Wow, wie weich das war …

Gerade als ich mich hinlegen wollte, entdeckte ich ein Fläschchen auf dem Nachttisch. Die blaue Flüssigkeit darin war bestimmt Likör. Wie nett, dass sie ihren Gästen hier einen kleinen Gute-Nacht-Drink spendierten.

Obwohl ich eigentlich genug getrunken hatte, griff ich nach dem Flakon.

»Hihi, wie passend«, kicherte ich, als ich die Aufschrift las. Follow the white Rabbit stand in verschnörkelten Buchstaben auf einem vergilbten Etikett.

Also wenn das mal kein Zeichen war!

Ich zog den Korken aus der Flasche, setzte sie an die Lippen und schüttete mir den Inhalt in den Mund. Er schmeckte süß, gleichzeitig herb und brannte nicht ein bisschen, als ich ihn hinunterschluckte.

Die Flasche noch in der Hand, ließ ich mich nach hinten fallen. Woher kam diese plötzliche Dunkelheit?

Ach, richtig … Ich hatte die Augen geschlossen.

Kapitel 3 - Gemüse-Gekloppe

 

»Alter«, keuchte ich und griff mir an die Stirn. Dahinter probte eine ganze Herde von Nilpferden in Stöckelschuhen den ›Schwanensee‹.

In meinem Mund mussten sie übrigens auch gewesen sein, zumindest hatte ich einen entsprechenden Geschmack auf der Zunge.

Ich drehte mich zur Seite und öffnete ein Auge. Wo zum Henker war ich?

Ein Nachttisch, ein Schrank, dunkle, vertäfelte Wände … Ach ja, das Zimmer im ›Dark Hole‹.

Mühsam zerrte ich meinen Arm unter mir hervor und warf einen Blick auf meine Digitaluhr. Na toll, gerade jetzt waren die Batterien alle und das Display schwarz. Ich hatte also keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte.

Obwohl man meinen Zustand kaum als Schlaf bezeichnen konnte. Es war eher eine Art Ohnmacht, ein Delirium, ein Saufkoma gewesen. Und nun bekam ich die Quittung.

Einen Moment kämpfte ich mit mir und dem Inhalt meines Magens, damit dieser sich nicht neben dem Bett ergoss. Als ich endlich nicht mehr das Gefühl hatte, bei der kleinsten Bewegung kotzen zu müssen, richtete ich mich auf.

Von draußen drangen Gespräche herein, lauter und mehrstimmiger als vorhin. Fast schien es, als wäre der VIP-Bereich mittlerweile genauso voll wie die eigentliche Bar. Außerdem ertönte nicht mehr die beruhigende Jazzmusik, sondern etwas, das nach Mittelalterfolklore klang.

Okay, ich war definitiv noch total betrunken. Ich hörte Stimmen, fremde Musik und selbst der Geruch hatte sich in meiner Nase verändert, war nicht mehr süßlich-einlullend, sondern modrig-schwer.

Scheiß auf die scharfe Hasendame. Ich musste nach Hause. Ich gehörte in mein eigenes Bett, um meinen Rausch auszuschlafen.

Aber bevor ich den Schuppen verließ, gab es noch etwas Dringendes zu erledigen: Ich musste pinkeln.

Ich stieß mich vom Bett hoch, etwas zu schnell, sodass sich die Welt um mich herum drehte, und torkelte zur Tür. Mit der Hand auf der Klinke atmete ich noch ein paar Mal tief durch, was dank des eigenartigen Geruchs nicht unbedingt gut gegen meine Übelkeit wirkte, und trat schließlich hinaus.

Ich prallte fast gegen einen Schrank von Mann, der mit dem Rücken zu mir vor der Tür stand. Und er war bei Weitem nicht der Einzige. Meine Güte, wieso war das so brechend voll hier?

Mit gesenktem Kopf schob ich mich zwischen den Leuten durch, die mit Krügen in den Händen beieinanderstanden und sich grölend unterhielten.

Nach ein paar Schritten blieb ich stehen und starrte verständnislos nach vorn. Hätte dort nicht der Durchgang in die eigentliche Bar sein müssen? Inklusive Perlenvorhang und Türsteher?

Stattdessen war dort eine Wand mit einem großen Poster, von dem mich ein auf den Hinterbeinen stehendes Schwein angrinste, das einen Menschen an der Leine führte. Wie absurd …

Der Druck meiner Blase lenkte mich wieder auf das Wesentliche. Sie forderte so eindringlich Entleerung, dass es mir den Schweiß auf die Stirn trieb.

Ich musste das beschissene Klo finden. Obwohl, beschissen sollte es besser nicht sein, denn … Wieder wurde mir schlecht, als mein Hirn mir die entsprechenden Bilder schickte.

Tief durchatmen, Andrew. Wenn du mitten ins ›Dark Hole‹ kotzt, bekommst du hundertpro Hausverbot, und das würde Craig gar nicht gefallen.

Ich hob den Kopf, um mich zu orientieren. Wo war nur die Toilette, verdammt?

Während mein Blick durch den Raum glitt, schien die Temperatur urplötzlich zu fallen. Mir gefror regelrecht das Blut in den Adern.

Das hier war nicht das Hinterzimmer des ›Dark Hole‹, so viel stand fest. Ich befand mich nicht in einem Stripclub, sondern in einer dieser typischen Vorstadtkneipen, in denen sich die niedere Schicht den Abend um die Ohren schlug und mit billigem Fusel ihre Probleme ertränkte.

Diese Erkenntnis war es jedoch nicht, die mich so dermaßen schockierte. Es hätte durchaus sein können, dass Craig mich im Vollsuff einfach in die nächste Bar gezerrt hatte oder ich sogar mit der heißen Kellnerin weitergezogen war, ohne mich erinnern zu können.

Was an dem Bild, das sich mir bot, das wirklich Verstörende war, war der Typ hinter der Bar.

Mein Kopf ruckte herum, zurück zu dem Poster mit dem Schwein und dann wieder zum Tresen, hinter dem ebendieses Wesen stand.

Ich blinzelte. Trotzdem veränderte sich nichts: Da stand ein Schwein, also ein Typ mit Schweinekopf und Lederhaut, hinter der Bar und polierte mit seinen hufartigen Händen Gläser.

Schlagartig wurde mir alles klar. Ich brauchte kein Klo. Ich brauchte einen Krankenwagen. Und diesen zu rufen, würde ich nicht allein hinbekommen.

Ich tippte der Frau, die mir am nächsten stand, auf die Schulter. »Entschuldigung, ich bräuchte dringend Hilfe«, presste ich mühsam hervor. »Könnten Sie einen …«

Der Rest des Satzes blieb mir im Hals stecken, als sie sich zu mir umdrehte.

Sie war kein Schwein, das war schon mal gut. Ihr Gesicht war so weit das einer normalen Frau. Dafür war ihre Haut von einem dunklen Grünton und mit einer Art Schleim überzogen.

Ich zog meine Hand zurück und wollte aufschreien, aber sie kam mir zuvor.

»Ein Meeeeeeensch«, kreischte sie und stolperte ein Stück zurück, wobei sie gegen jemanden stieß, der sich daraufhin ebenfalls zu mir umwandte.

Dieser Kerl sah annähernd menschlich aus, mal abgesehen von der riesigen Nase in seinem Gesicht, die einer Kartoffel glich. Moment, das war eine Kartoffel! Das wurde mir aber erst bewusst, als er seine Hand nach mir ausstreckte, deren Finger aus Karotten bestanden.

In der nächsten Sekunde packte der Typ mein Shirt, zerrte mich zu sich und warf mich dann auf den Boden. Es ging so schnell, dass ich keine Chance hatte, meinen Fall abzubremsen, und hart mit dem Kinn auf die Holzdielen knallte. Das gefiel weder meinem Magen noch den Nilpferden in meinem Kopf, die wieder wild zu tanzen begannen. Ich würgte, schaffte es gerade noch, mich mit den Armen etwas nach oben zu drücken, und übergab mich.

»Jetzt reihert der scheiß Spitzel auch noch alles voll!«, brüllte jemand.

Dann wurde ich wieder auf die Füße gezerrt. Um mich herum standen nun mehrere Gestalten, eine abstruser als die andere. Aber eines hatten sie alle gemeinsam: Keiner von ihnen sah mich auch nur ansatzweise freundlich an.

Sie rissen mich zu sich, stießen mich weg, fingen mich auf, ließen mich fallen. Ich spürte Fäuste im Gesicht, Tritte im Magen und Hände, die an meinen Haaren zerrten. Oben, unten, vorn und hinten existierten nicht mehr. Da waren nur noch Schmerz und das Gefühl, völlig die Kontrolle verloren zu haben.

Das musste es sein – ich hatte den Verstand verloren. Dass ich in einer Bar mit irgendwelchen Fantasiegestalten stand, die mich gerade zu Brei schlugen, konnte ja wohl kaum der Realität entsprechen.

Aber … Verdammt! Dafür, dass es nur in meinem Kopf passierte, tat es scheiße weh! Aber immerhin wurde es langsam dunkel vor meinen Augen, was wohl bedeutete, dass ich auf dem besten Weg war, aus diesem Albtraum aufzuwachen. Mir blieb nichts weiter, als die Augen zusammenzukneifen und abzuwarten.

»Weg von ihm! Lasst ihn in Ruhe!«, drang plötzlich ein Rufen zu mir durch. Die Stimme war hoch und schrill, klang aber dennoch irgendwie vertraut.

Es folgten noch zwei weitere Tritte, einer in meinen Magen, einer gegen meine Schulter. Dann war Schluss.

»Geh aus dem Weg, Lola«, hörte ich eine andere, tiefere Stimme. »Das ist bestimmt ein Spion.«

»Ist er nicht.« Ich spürte, wie sich jemand neben mich kniete und mich auf den Rücken drehte. »Er gehört zu mir.«

Die dunkle Stimme stieß ein lautes Lachen aus. »Was willst du denn mit einem Menschen? Schlägst du dich auf ihre Seite, oder was?«

»Er ist kein Mensch«, blaffte die Frau zurück.

Etwas Warmes, Weiches strich mir über die Wange. Es fühlte sich so angenehm an, dass ich trotz der Schmerzen lächeln musste.

»Ich erkenne doch einen, wenn ich ihn sehe«, mischte sich noch jemand in die Diskussion ein.

»Genau«, rief ein Dritter. »Machen wir ihn kalt!«

Abrupt wurde das weiche Etwas von meinem Gesicht weggerissen und das Gegröle um mich herum schwoll erneut an. Reflexartig rollte ich mich wieder zur Seite und zog die Knie zum Bauch, um mich wenigstens ein bisschen vor den kommenden Attacken zu schützen.

Schon spürte ich die erste Stiefelspitze, die hart in meinem Rücken landete.

Warum zum Henker konnte ich nicht einfach aufwachen? Lag ich vielleicht wirklich dank einer Alkoholvergiftung im Koma?

»Nein, nein, nein!«, brüllte die Frau, die nun wieder weiter weg zu sein schien.

Noch ein Tritt, noch ein Tritt, noch ein …

Oh, super, jetzt hatte ich mich auch noch eingepinkelt. Es wäre mir jedenfalls lieber, wenn es Urin wäre, der meine Hose so feucht machte, und keine Unmengen von Blut.

»Schluss jetzt, ihr hirnverbrannten Schweinsköpfe. In meiner Bar dulde ich keine Schlägereien, und schon gar keine Morde. Mensch hin oder her.«

Wieder hielten meine Angreifer inne.

»Ach, aber du duldest solchen Abschaum, oder was?«, fragte einer von ihnen.

»Wenn ich das nicht täte, wäre meine Kneipe jeden Abend leer«, entgegnete der vermeintliche Barbesitzer, den ich dunkel als den Schweinemann in Erinnerung hatte.

Super, ich wurde von einem Schwein vor Echsenmenschen und sprechendem Gemüse gerettet … Ich musste dringend aufhören, ständig diese Fantasy-Spiele zu zocken.

»Also, wenn ihr nicht allesamt Hausverbot haben wollt, lasst ihr den Jungen jetzt in Ruhe. Und du kümmerst dich darum, dass er verschwindet.«

Nun wagte ich es doch, die Lider zu heben. Sehr viel konnte ich allerdings nicht erkennen, da Blut von meiner Stirn in meine Augen floss, was mich blinzeln ließ.

Ich sah, wie sich die Stiefel um mich herum langsam entfernten, begleitet von missbilligendem Gemurmel und halblauten Beleidigungen, die sich sowohl gegen mich, aber auch gegen den Barmann richteten.

Das Bild vor meinen Augen verschwamm, als erneut Stiefel in mein Blickfeld traten, kleiner und schmaler. Und dann spürte ich wieder diese sanfte Berührung.

»Scheiße«, murmelte die Frauenstimme. »Hey, komm, nicht ohnmächtig werden, ja? Wir müssen jetzt gehen. Kannst du aufstehen?«

Ich nickte, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie ich hochkommen sollte. Es fühlte sich an, als würde ich am Boden festkleben.

»Soll ich dir helfen?«, erklang die Stimme eines Jungen und gleich danach: »Nein, ich helfe ihr.«

»Ihr … könnt mir beide helfen«, erwiderte die Frau zögerlich. Vermutlich hatte sie bemerkt, dass ich aus eigener Kraft nicht würde aufstehen können.

Arme schoben sich unter meine Achseln und zwei Sekunden später befand ich mich in der Senkrechten. Ich würgte kurz, schaffte es aber, mich nicht erneut zu übergeben.

Während wir uns in Bewegung setzten, drehte ich den Kopf nach links und sah einen jungen Kerl, der auf den ersten Blick ziemlich normal wirkte – abgesehen davon, dass mir sein Kopf irgendwie … groß vorkam.

Erst als wir eine Tür erreichten, die uns aus der Gruppe noch immer zeternder Barbesucher führte, schaffte ich es, meinen Kopf auf die andere Seite zu drehen.

Und da war sie, die süße Kellnerin aus dem ›Dark Hole‹, die ich zu meiner zukünftigen Frau auserkoren hatte.

»Das weiße Kaninchen«, sagte ich, was durch meine aufgeplatzte Lippe nur nuschelnd hervorkam.

Dann wurde alles schwarz.

Ich wachte auf.

Endgültig wach – oder?

 

»Alter …«

Stöhnend drehte ich mich auf die Seite. Mein Schädel dröhnte, als würde eine Familie Pinguine ihren Kindern beibringen, wie richtige Bauchklatscher funktionierten.  

Ich hatte gestern Abend eindeutig zu viel getrunken. So wie es roch, hatte ich mir eingepinkelt, und dem Geschmack auf meiner Zunge nach zu urteilen, hatte ich einen nicht unerheblichen Teil davon zwar wieder ausgekotzt, aber es hatte trotzdem gereicht, um mir den verrücktesten Traum aller Zeiten zu bescheren.  

So ganz konnte ich mich zwar nicht mehr erinnern, aber die bruchstückhaften Bilder von Schweinsköpfen und Kartoffelnasen reichten mir. 

Ich schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass ich es irgendwie bis nach Hause geschafft hatte und nun in meinem eigenen Bett lag. So richtig glaubte ich allerdings nicht daran. Die Matratze war zu hart, die Decke über mir zu kratzig … 

Na gut, es half ja nichts. Je schneller ich meine Augen öffnete und vollständig wach wurde, desto schneller konnte ich von hier verschwinden, nach Hause dackeln und mich in meiner Wohnung verbarrikadieren, bis ich diesen fiesen Kater überstanden hatte. Ich würde mir einen ordentlichen Kaffee kochen, eine Tüte Erdnussflips aufreißen und eine Runde in ›Elesztrah‹ abtauchen. Vielleicht wartete Lulabell ja schon auf mich … 

Meine Lider wogen schwer wie Blei, als ich die Augen aufschlug. 

»Lola, ich glaube, er wacht auf«, sagte jemand neben mir.

Vage erinnerte ich mich an den jungen Kerl in meinem Traum. Er hatte genauso geklungen.  

Vermutlich war es ein Kumpel von Craig, den er dazu verdonnert hatte, sich um mich zu kümmern. Schon seltsam, wie mein Unterbewusstsein das, was ich im Schlaf gehört hatte, in meinen Traum gemischt hatte. 

Aber dieser Name … Lola … Auch ihn hatte ich im Traum gehört, konnte ihn aber nicht zuordnen. 

Schritte näherten sich und gleich danach sagte eine mir nur allzu bekannte Frauenstimme: »Den Sternen sei Dank. Deedle, geh und füll den Krug noch mal auf. Er wird bestimmt durstig sein.« 

Das war sie, die heiße Kellnerin im Hasendress! Ich lag also immer noch in dem privaten Zimmer im ›Dark Hole‹. Scheiße …

Ich riss die Augen auf. Na ja, zumindest das eine – das andere blieb ein schmaler Schlitz, so zugeschwollen wie es war. 

Eine unangenehme Ahnung beschlich mich. Aber … Das konnte nicht sein.

Vorsichtig führte ich meine Finger an mein Gesicht. Tatsächlich ertastete ich eine Platzwunde an der Stirn und eine angeschwollene Augenbraue, die wohl die Ursache für mein minimiertes Sehvermögen war. Meine Brille war auch irgendwie verbogen, aber zumindest waren die Gläser intakt.

Kurz stockte mir der Atem, doch dann checkte ich endlich, was los war. Ich war hingefallen, ganz einfach. Im Vollsuff war ich in meiner eigenen Kotze ausgerutscht und so hart mit dem Kopf aufgeschlagen, dass ich eine Weile ohnmächtig gewesen war. Und im Delirium hatte sich die Realität mit diesem abstrusen Traum gemischt.

Ja, das war extrem peinlich. Aber immer noch besser als die Option, mein Wahn wäre Wirklichkeit gewesen.

»Tut mir echt leid«, brummte ich.

Schwerfällig wälzte ich mich herum. Jeder Knochen tat mir weh und mein Körper fühlte sich an, als wäre er mit blauen Flecken übersät. Elender Kater …

»Nein«, sagte sie. »Mir tut es leid. Ich hätte besser auf dich aufpassen müssen.«

»Na ja, das ist ja nun wirklich nicht dein … Wuaaahhhhh!«

War mir gerade noch jede Bewegung schwergefallen, schnipste ich nun hoch wie eine Sprungfeder. Ich rutschte von ihr fort, fiel dabei vom Bett und krabbelte rücklings weiter. Dabei klebte mein panischer Blick an ihr, als hätte ich ein Monster vor mir.

Nun, ich hatte ein Monster vor mir. Eines mit langen Ohren, Stupsnase und weißem Fell am ganzen Körper. Das Einzige, was noch an die Kellnerin erinnerte, waren die großen Kulleraugen, auch wenn deren Iris nicht mehr stahlblau, sondern schwarz wie Kohle war.

»Fuck … Scheiße … FUCK!«, stieß ich aus, während ich weiter von ihr fortrobbte, bis ein Widerstand in meinem Rücken mich innehalten ließ. »Du … Du bist …« Ich zeigte mit dem Finger auf sie, während ich weiter herumstammelte: »Du hast Ohren … und du …«

Nein, ich brachte definitiv keinen ganzen Satz zustande. Aber wer konnte es mir verdenken. Immerhin hatte sich meine zukünftige Verlobte in ein riesiges weißes Kaninchen verwandelt.

Sie erhob sich von dem Hocker, auf dem sie neben meinem Bett gesessen hatte. »Bitte beruhig dich. Es ist alles in Ordnung. Niemand wird dir etwas tun!« In einer beschwichtigenden Geste streckte sie ihre Hände nach vorn.

Doch der Anblick der flauschigen Finger und rosa Ballen anstelle von Handflächen beruhigte mich keineswegs. »Du bist ein fucking Kaninchen!«

Sie verzog das Gesicht, als hätte ich sie geschlagen. »Na und«, erwiderte sie. »Du bist ein fucking Mensch – und mache ich so ein Drama daraus?«

Anstelle eines Konters gab ich nur ein Wimmern von mir. Heiliger Misthaufen, ich saß noch immer in meinem Traum fest.

In diesem Moment schwor ich mir, nie wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren. Der heftigste Drogentrip war ein Scheiß gegen diese Saufkoma-Paranoia.

»Du warst auch ein Mensch«, schaffte ich schließlich, zu sagen.

»In deiner Welt, ja«, gab sie zurück.

»In … In meiner Welt?« Ich fuhr mir durch die Haare. »Wo zur Hölle sind wir hier, wenn das nicht meine Welt ist?«

»Das hier ist Ludens City.«

»Ludens City …« Ich musste echt aufhören, ständig zu wiederholen, was sie sagte. »Was soll das sein?« Meine Stimme war noch immer zittrig, aber zumindest schaffte ich es, wieder sinnvoll Worte aneinanderzureihen.

»Das ist meine Welt.«

»Und was soll ich hier? Wie komme ich hierher? Und … Wie komme ich hier wieder weg?«

Was war das für ein verrücktes Gespräch … Diese Fragen waren völlig sinnlos! Ich kannte die Antwort.

Ich kniff die Augen zusammen, den Schmerz ignorierend, den das auslöste. »Okay, Andrew … Zeit, aufzuwachen. Komm schon … Mach die Augen auf … Komm zu dir!«

Ich wartete einen Moment, dann öffnete ich die Augen wieder.

Das Kaninchen sah mich erwartungsvoll an.

Noch mal: Augen zu, aufwachen, Augen auf.

Nein, es half nichts. Noch immer hockte ich in dieser Rumpelkammer und starrte in die Augen der Kaninchenfrau, die meiner Meinung nach nicht existent war.

»Das ist vielleicht gerade ein bisschen viel für dich …«, sagte sie mit sanfter Stimme und klopfte mit ihrer Hand – nein, ihrer Pfote – auf das Bett. »Wie wäre es, wenn du dich wieder hinlegst und ich erkläre dir alles?«

In diesem Moment ging die Tür auf, neben der ich hockte, und der Junge kehrte zurück, der mich in der Bar gestützt hatte. Ich erkannte ihn sofort an dem großen Kopf, der nun, mit mehr Licht und Klarheit, nicht nur groß, sondern gigantisch wirkte. Dafür besaß er kaum Haare, nur ein winziges hellbraunes Büschel am Scheitel, und anscheinend keinen Hals …

Ich stöhnte. »Ich will nichts erklärt haben. Ich will aufwachen, verdammt.«

Der Junge sah zu mir herab und in der nächsten Sekunde ergoss sich eine Ladung kalten Wassers über mich.

»Deedle, was soll das?«, schrie das Kaninchen, kam auf uns zu und riss ihm den Krug aus der Hand, den er über mir entleert hatte.

»Na, ich wollte ihn aufwecken«, antwortete der Junge mit Unschuldsmiene.

»Aber er ist doch schon wach.«

»Wieso hat er dann gesagt, dass er aufwachen will?« Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Na, weil er geglaubt hat, dass er schläft, du Doofkopf.« … »Nenn mich nicht Doofkopf, du Riesenbaby! Wie kann man denken, dass man schläft, wenn man wach ist?« … »Nenn mich nicht Riesenbaby, du Eierkopf!« Er stampfte mit dem Fuß auf.

»Schluss, ihr beiden!«, unterbrach die Kaninchendame sein Selbstgespräch und drückte ihm erneut den Krug in die Hand. »Hol neues Wasser – und dieses Mal gibst du es ihm zu trinken.«

Mit offenem Mund hatte ich die Unterhaltung verfolgt. Jetzt wischte ich mir über das Gesicht und strich die nassen Haare nach hinten. So wie das Wasser in mein T-Shirt sickerte die Erkenntnis in mein Hirn.

Mir war kalt und ich hatte Schmerzen.

Ich roch die modrige, rauchgeschwängerte Luft.

Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel und die Bodendielen knarrten.

Gut, ich sah verrückte Dinge – aber alle anderen Sinne funktionierten tadellos.

»Das hier ist kein Traum«, murmelte ich. Dann blickte ich zu dem Kaninchen, das zum Bett zurückgekehrt war.

Es nickte lächelnd und strich sich verlegen ein Ohr nach hinten. »Wesen wie mich nennt man Migwicks. Wir sind nicht gefährlich oder so …«

»Das habe ich gemerkt, so freundlich, wie ich empfangen wurde«, knurrte ich und strich mir unwillkürlich über die Platzwunde an der Stirn.

»Sie hatten nur Angst«, verteidigte sie ihresgleichen, lenkte aber sofort ein, als sie meine starre Miene bemerkte. »Trotzdem hätten sie nicht so reagieren dürfen. Aber weißt du, die Menschen hier in Ludens City sind uns nicht sonderlich wohlgesonnen. Sie verstoßen uns, jagen uns, töten uns. Und das nur, weil wir anders sind.« Ihre Stimme war lauter geworden, zitterte aber auch ein wenig. Sie atmete tief durch, bevor sie weitersprach. »Wir wollen einfach nur einen berechtigten Platz zum Leben, unseren Anteil an der Stadt. Aber das gönnt man uns nicht.«

Ich musste mich beherrschen, nicht laut aufzulachen. Menschen und Fabelwesen, die einander ohne ersichtlichen Grund bekriegten. Das klang wie der Plot eines meiner verfluchten Computerspiele.

Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Lass mich raten – und ich bin der heroische Ritter, der euch in diesem Kampf zum Sieg führen soll.«

Ihre Augen wurden noch größer, was ich kaum für möglich gehalten hätte. Sie strahlte mich regelrecht an und öffnete den Mund, doch ich kam ihr zuvor.

»Tut mir leid, Schätzchen, aber da hast du dir den Falschen ausgesucht. Ich bin alles andere als ein Held.«

Sie senkte den Kopf und ich konnte sehen, wie sie in sich zusammensackte.

Es tat mir schon leid, sie so enttäuschen zu müssen. Aber was sollte ich machen? Ich war nun mal nicht der, für den sie mich hielt.

»Aber du hast diese Höllenbestie getötet«, sagte sie leise. »Und du kannst zaubern, Elemente beherrschen und so ein Zeug.«

Nun war ich derjenige, der sie mit großen Augen anstarrte. »Wie kommst du denn auf den Blödsinn?«

Abrupt hob sie den Kopf. »Na, das hat doch dein Freund erzählt, der schmierige Typ in der Bar.«

»Craig ist nicht schmierig«, stellte ich klar.

Als ob das gerade wichtig wäre! Sie hatte das, was Craig über unsere Streifzüge in ›Elesztrah‹ erzählt hatte, für bare Münze genommen. Sie hielt mich ernsthaft für einen fucking Schamanen – das sollte ich richtigstellen!

»Was hast du im ›Dark Hole‹ gemacht?«, fragte ich stattdessen.

»Einem Freund von mir ist es gelungen, eine Art Durchgang zu erschaffen, ein Tor in andere Welten. Na ja, also eigentlich ist es ihm aus Versehen passiert, aber egal. Ich habe mich als Freiwillige gemeldet, hindurchzugehen und nach jemandem zu suchen, der uns helfen kann. Frag nicht, wo ich überall gewesen bin und in was für Körpern ich gesteckt habe, bevor ich in deiner Welt gelandet bin.«

So verrückt das alles auch klang, machte es mich doch neugierig. »Erzähl mir davon.«

Sie schüttelte den Kopf. »Später. Jetzt müssen wir erst mal zusehen, dass wir von hier verschwinden. Piggy Pete wird die Meute nicht noch einmal aufhalten, sollte dich jemand hier entdecken.«

Ich lachte auf. »Piggy Pete? Ernsthaft?«

Sie hob eine flauschige Augenbraue, doch ich winkte ab.

»Wohin gehen wir?«, wollte ich wissen.