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Beschreibung

Das 750-Jahr-Jubiläum der Gründung des Zisterzienserstiftes Stams (1273–2023) war der Anlass, die Geschichte dieses Klosters, das zu den herausragenden Erinnerungsorten des Landes Tirol gehört, auf eine neue Weise zu würdigen. Die hier publizierten Vorträge der wissenschaftlichen Tagung zum Jubiläumsjahr konzentrieren sich bewusst auf die frühe Klostergeschichte, um in detaillierten Tiefenbohrungen das Spezifische in der Entwicklung des Ortes sichtbar werden zu lassen. Moderne Impulse und Forschungsansätze, die für die Erforschung mittelalterlicher Klöster in den letzten Jahrzehnten bestimmend waren, werden aufgenommen und weitergedacht. Im thematischen Fokus stehen die Anfänge des Klosters, Gründungsumstände, personelle und wirtschaftliche Vernetzungsstrategien, Identifikations- und Memorialfunktionen und die Leistungen der frühen Stamser Zisterzienser auf dem Gebiet der Kunst und Historiografie.

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Seitenzahl: 800

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Julia Hörmann-Thurn und Taxis,Tobias Pamer, Jörg Schwarz (Hg.)

Anfang und Werden – Stift Stams im Mittelalter

 

 

 

Die Schlern-Schriften werden seit 2016 von Julia Hörmann-Thurn und Taxis und Leo Andergassen herausgegeben.

Schlern-Schriften 376

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Schlern-Schriften wurden 1923 von Raimund v. Klebelsberg (1886–1967) begründet und nach dessen Tod bis Band 289 von Franz Huter (1899–1997) betreut; 1992–2015 hatten Marjan Cescutti und Josef Riedmann die Herausgeberschaft inne.

Julia Hörmann-Thurn und Taxis,Tobias Pamer, Jörg Schwarz (Hg.)

Anfang und Werden – Stift Stams im Mittelalter

Vorträge der wissenschaftlichen Tagunganlässlich des 750-Jahr-Jubiläumsdes Zisterzienserstiftes Stams 1273–2023

Stift Stams, 22. bis 24. September 2022

Universitätsverlag Wagner

Inhalt

Vorwort

 

Die Konradin-Tradition des Stiftes Stams (mit einem Quellenanhang)Christof Paulus

Stams – ein typisches Zisterzienserkloster?Konventionalisierte Handlungsmuster bei Klostergründungen des Zisterzienserordens im 13. JahrhundertJulia Bruch

Stams als Identifikationsort der Tiroler LandesfürstenJulia Hörmann-Thurn und Taxis

Pro remedio anime mee.Seelgerätstiftungen und Bestattungszeremoniell des Ritteradels im spätmittelalterlichen Tirol. Die Herren von Starkenberg und Stift StamsTobias Pamer

Stift Stams und seine bürgerlichen Beziehungsnetze im Mittelalter.Das Beispiel des Haller Bürgers Konrad GrantnerClaudia Feller

Grundbesitz und Einkünfte des Stiftes Stams im Spiegel der frühen Urbare unter besonderer Berücksichtigung des Urbars von 1355Stephan Nicolussi-Köhler

Recht und Repräsentation.Die frühen mittelalterlichen Papsturkunden für Stift Stams (1278–1304)Jörg Schwarz

Kloster Stams, Maximilian I. und die europäische PolitikMalte Prietzel

Ex funere vita.Wolckers Deckenmalereien in der Stamser Stiftskirche als Bildmedium für Stifts- und OrdensgeschichteLeo Andergassen

Wolfgang Lebersorgs Chronik des Klosters Stams. Eine AnalyseChristoph Haidacher

Libri Stambsenses.Anfang und Werden der mittelalterlichen Büchersammlung des Zisterzienserstiftes StamsClaudia Schretter-Picker

Das Innsbrucker Arzneibuch (Innsbruck, ULB Tirol, Cod. 652) zwischen Antikenrezeption und Klosteralltag.Überlegungen zur Entstehung der deutsch-lateinischen RezeptsammlungKathrin Wankmiller

 

Register der Orts- und Personennamen

Autorinnen und Autoren

Vorwort

Die Geschichte des Klosters Stams steht seit vielen Jahrhunderten im Interesse der Forschung, zunächst der internen klostereigenen Historiografie, bald aber auch von Historikern und Historikerinnen außerhalb der Klostermauern. Der Tagungsband will daher nicht dringende Lücken in der historischen Darstellung schließen, sondern in erster Linie komplementär verstanden werden. Im besten Sinne soll er als Fortsetzung gesehen werden, die den Anschluss an moderne Zugänge erreichen möchte, was umso sinnvoller scheint, als die Stams-Forschung in den letzten 20 Jahren keine größeren Impulse mehr erfahren hat, abgesehen von zwei wichtigen Ausnahmen: 2016 erschien der von Michael Forcher herausgegebene Sammelband „Stift Stams. Ein Tiroler Juwel mit wechselvoller Geschichte“, der einen schönen Überblick über das Kloster in seiner historischen, kultur- und baugeschichtlichen Bedeutung bietet und auch den Bogen in die Gegenwart spannt. 2020 publizierte Hildegard Herrmann-Schneider eine substanzielle Gesamtdarstellung der Stamser Musikgeschichte „Wo die Engel musizieren. Musik im Stift Stams“. Ihr ist zu verdanken, dass die vielfach thematisch verknüpfbare Musiktradition ihren verdienten Stellenwert in der historischen Betrachtung erhält.

Auch in der Rückschau von knapp drei Jahrzehnten immer noch als Highlight zu bewerten ist die Tiroler Landesausstellung von 1995 „Eines Fürsten Traum. Meinhard II. – Das Werden Tirols“ (Leitung Josef Riedmann), die das geistliche und weltliche Zentrum des werdenden Landes Tirol als Austragungsorte wählte: Stift Stams und Schloss Tirol. Diese Ausstellung trug auch wissenschaftlich Früchte. Heute noch wird der dazu erschienene Katalog gerne benützt, wie u. a. die vielen Zitate auch in den Beiträgen dieses Bandes zeigen. Ebenfalls 1995 erschien Band 2 der „Studia Stamsensia“. Die „Studia Stamsensia“ hätten wohl eine Reihe begründen sollen, sind aber über diesen zweiten Band nicht hinausgekommen. Für den ersten Band, der 1984 publiziert wurde, war das 700-Jahr-Jubiläum des Stiftes – Stichjahr war die Weihe von Kloster und Kirche im November 1284 – Anlass für eine erneute wissenschaftliche Auseinandersetzung. Bewusst wurde damals der Fokus auf die kulturellen Leistungen des Klosters auf unterschiedlichen Gebieten gelegt, um ein wichtiges Desiderat in der historischen Betrachtung des Klosters zu füllen, war doch die rechtliche und wirtschaftliche Seite gegenüber der intellektuellen Kraft der Stamser Mönche bedeutend besser aufgearbeitet. Werner Köfler, Alfred Strnad und Katherine Walsh u. a. haben sich hier große Verdienste erworben. Damals sind auch die wertvollen Stamser Handschriften – vielfach heute in der Universitäts- und Landesbibliothek in Innsbruck verwahrt – in den Fokus der Forschung geraten. Walter Neuhauser und Sieglinde Sepp waren hier die tragenden Säulen.

Ähnlich ertragreich war das Jubiläumsjahr 1973, das an das eigentliche Gründungsjahr erinnerte. Auch diesmal waren es 700 Jahre und es ist zu diesem Anlass ein Prachtband erschienen, der sich mit historischen, kunst- und bauhistorischen Aspekten des Klosters beschäftigt. Insgesamt war die Forschung zu Stams im 20. Jahrhundert sehr ertragreich. Werner Köfler, Nikolaus Grass, Hermann Wiesflecker und Josef Riedmann, vorher auch Kassian Haid und Heinrich von Zeissberg sind nur einige Historiker, die wesentlich zur modernen Historiografie des geistlichen Zentralortes des Landes Tirol beigetragen haben.

Der von außen auf die Stamser Geschichte gerichtete wissenschaftliche Blick ist in dieser Dichte vor allem ein Phänomen der jüngeren Zeit, also des 19., 20. und jetzt auch 21. Jahrhunderts. Davor hat vor allem die hausinterne gelehrte Beschäftigung die historischen Narrative geprägt. Pater Wolfgang Lebersorg (1570/71–1646) schuf mit seiner „Chronica monasterii sancti Johannis Baptistae in Stambs“ nicht nur wegen der Einarbeitung des reichen Quellenbestandes im Stamser Stiftsarchiv ein bis heute zitiertes Werk. Seinem ehemaligen Schüler in Bibliothek und Archiv und späteren Stamser Abt Paul II. Gay (1587–1638) ist das etwas früher entstandene und ähnlich reichhaltige, allerdings ungedruckt gebliebene „Chronicon Stamsense usque ad annum 1630“ zu verdanken. Kassian Primisser (1735–1751) hat 100 Jahre später seine monumentalen „Annales Stamsenses“ vorgelegt, insgesamt 6 Bände und 9 Ergänzungsbände (1766–1771), vollgefüllt mit wertvollem Quellenmaterial. Sie alle haben mit viel Akribie und barockem Eifer die Ereignisse, Leistungen, Entbehrungen und Freuden ihres Klosters zusammengetragen und in eine zusammenhängende Darstellung gebracht, immer eingedenk ihres berühmten Stifters und Landesherrn Meinhard II., mit dem alles seinen Anfang nahm.

An den Anfang zurück ging auch die Tagung, die auf Einladung Abt German Erds – dafür ein herzlicher Dank – vom 22. bis 24. September 2022 im Bernardi-Saal des Stiftes stattgefunden hat und deren Referate nun als gedruckte Beiträge vorliegen. Sie stellen die für Stams bewegte Zeit des Mittelalters ins Zentrum. Diese zeitliche Begrenzung machte thematische Freiheiten möglich, weshalb kulturelle Aspekte genauso ihren gewichtigen Platz haben wie kunsthistorische und historische Analysen, letztere mit einem bewussten Schwerpunkt auf sozialen und wirtschaftlichen Zugängen. Ein Anliegen war es, in der Zusammensetzung der Beiträge und der Autorinnen und Autoren der regionalen Innensicht auch eine Außensicht zur Seite zu stellen, die durch die gewechselte Perspektive alternative Interpretationen zulässt.

Tagung und Tagungsband sehen sich als Beitrag der historischen Wissenschaften zum 750-Jahr-Jubiläum des Zisterzienserklosters Stams und als erneute Impulsgeber in einer langen Forschungstradition. Das konzentrierte Nachdenken über das frühe Stams soll die damals wie heute ungebrochene Bedeutung des Klosters für die Region, für das Land Tirol und – in einem übergeordneten Sinn – für die mittelalterliche monastische Kultur ins Bewusstsein rücken.

Innsbruck, im Oktober 2023Julia Hörmann-Thurn und Taxis

Die Konradin-Tradition des Stiftes Stams (mit einem Quellenanhang)

Christof Paulus

„Gründete Elisabeth (…) dann mit ihrem gemahle das kloster Stams, so wird angenommen, dass das zum ende Conradins in näherer beziehung steht; doch fehlt ieder hinweis in der gründungsgeschichte und der bezüglichen urkunden.“1 Mit diesen Worten fasste Julius Ficker im Jahr 1882 die Sachlage, um die es im Folgenden geht, zusammen. Damit könnte es eigentlich sein Bewenden haben, denn am Befund hat sich seitdem nichts geändert – er wurde nur mehr oder minder gedankenreich umspielt. Die Konradin-Tradition der Stamser Zisterze ist nach Quellenlage eine Erfindung der Neuzeit, weitergetragen bis zu der im Oktober 2000 gesetzten Tafel in der Vorhalle der Stiftskirche, wo zu lesen ist: „1272 stifteten Graf Meinhard II. von Görz-Tirol und dessen Gattin Elisabeth dieses Kloster. Elisabeth war in erster Ehe verheiratet mit König Konrad IV. von Hohenstaufen, deren Sohn Konradin versuchte, das Erbe seiner Väter wieder zu erringen und wurde auf Geheiß Karls von Anjou, Bruder des französischen Königs, am 29. Oktober 1268 in Neapel enthauptet.“ Die Tafel sagt nichts Näheres über eine Klostergründung als Gedächtnisstiftung für Konradin aus, doch suggeriert der mittig platzierte und als einziger versalierte und „gefettete“ Name eine Verbindung zwischen dem Tod des Staufers und der fundatio von Stams, bzw. es wird eine staufische Verbindung nahegelegt, die über Konradins Mutter, die Wittelsbacherin Elisabeth, Tochter Herzog Ottos II. von Bayern, Witwe König Konrads IV. und Gemahlin Graf Meinhards von Tirol und Görz, zum 1272/73 gegründeten Zisterzienserkloster führt, dessen für die damalige Zeit außergewöhnlich große (84 Meter in der Länge) Kirche im Jahr 1284 eingeweiht wurde.

Eindeutiger wurde – wenn im Krebsgang weitergeschritten wird – der Zusammenhang in den goldglänzenden Zwickelbildern der Stamser Pfarrkirche St. Johannes der Täufer gezogen, die Franz Anton Zeiller im Jahr 1755 ausschmückte: mors Conradini – fons vitae steht über den Darstellungen zu lesen, auf denen man Elisabeth an einem Denkmal für ihren Sohn sieht. Elisabeths Zeigegestus wird gegenüber im zweiten Fresko von Meinhard aufgegriffen, der vor dem barocken Lageplan des Klosters Stams steht.2 Die Stamser Tradition brachte die Verbindung auf die einprägsame Formel: mors Conradini vita Stamsii,3wobei, unschwer zu erkennen, das Papst Clemens IV. zugeschriebene Dictum, vita Conradini mors Caroli; vita Caroli mors Conradini Pate stand.4 Jenes Narrativ, das vom Blutgerüst Konradins zum Hochaltar von Stams führt, wird in der reichen barocken Klosterhistoriografie auserzählt, erstmals nachweislich bei Pater Wolfgang Lebersorg in dessen bis zum Jahr 1601 reichender „Chronica monasterii S. Joannis Baptistae in Stambs“.5 Der um 1570/71 in Innsbruck geborene Lebersorg war 1590 in das Kloster Stams eingetreten, arbeitete in Archiv und Bibliothek und hielt in seiner wohl in den 1630er-Jahren verfassten Chronik die Geschichte seines Klosters bildreich fest. Lebersorg erzählt – auf Latein –, wie Elisabeth 1268/69 mit viel Gold in der Tasche nach Neapel gereist sei, um ihren Sohn, den sie damals noch lebend wähnte, auszulösen.6 Als sie vom Schicksal Konradins erfahren habe, habe sie für den „letzten Staufer“ in Neapel ein reich ausgestattetes oratorium errichten lassen. Zudem habe Elisabeth den Plan gefasst, ein Kloster im Gedächtnis an Konradin zu stiften, was von ihrem Gatten Meinhard unterstützt worden sei. Lebersorg führt mehrere namentlich nicht genannte Gewährsleute an, die überlieferten, der Tod Konradins habe die ansa et occasio geboten, das Kloster Stams zu gründen.7 Ob Lebersorg mit seinen Gewährsleuten mündliche oder eher schriftliche Quellen meint, die uns heute verloren sind, kann schwerlich entschieden werden.8 Vielleicht meint Lebersorg mit den pluresauctores die von jenem Zusammenhang berichtenden, klostereigenen Traditionen, repräsentiert etwa durch den gleichzeitig mit ihm an einer Geschichte von Stams schreibenden nachmaligen Abt Paul Gay.9 Jedenfalls sollte man dem barocken Zisterzienser Lebersorg, dem insgesamt durchaus ein quellenseriöser Umgang bescheinigt wird,10 nicht von vornherein, obgleich an zentraler Stelle der Klosterhistorie, Geschichtsklitterung unterstellen. Am Ende der Studie wird hierauf nochmals einzugehen sein, da die Einschätzung des Quellenwerts von Lebersorgs Chronik für die Frühzeit der Klostergeschichte von Stams entscheidend für ein Urteil bezüglich der Konradin-Tradition der Zisterze ist. Allerdings – so ist festzuhalten – bleibt es beim Befund: Eine zur Gründung Stams zeitnahe Quelle, die einen klaren Zusammenhang zwischen dem Tod Konradins und der fundatio der Zisterze zöge, fehlt.

So formulieren einige Forscher – der Mehrerauer Zisterzienser Kassian Haid,11 der langjährige Direktor des Tiroler Landesarchivs Werner Köfler,12 der Innsbrucker Mediävist Josef Riedmann13, Heinz Dopsch im entsprechenden Handbuch-Band14 oder mehrfach der frühere Grazer, heute Heidelberger Mittelalterforscher Romedio Schmitz-Esser15 – als folgerichtiges non in fontibus-Argument: Der Konradin-Tradition von Stams fehle eine sichere mittelalterliche Grundlage. In der historischen Hinführung auf monasterium.net wird der Konradinbezug zurückhaltend als „populäre Legende“ bezeichnet,16 am schärfsten pointierte wohl Schmitz-Esser, der von einer „reine(n) ‚Erfindung‘ der Konradin-Tradition durch Lebersorg“ spricht.17 Als Hintergründe für eine barocke Schöpfung der Konradinlegende wurde nicht zuletzt eine historiografische Legitimierung im Rahmen des klösterlichen Aufschwungs im frühen 17. Jahrhundert angenommen.18 Als Motivation für ein solches Reframing könnte man eine klösterliche „Grundgeschmerztheit“ der Barockzeit anführen, letztlich auf Initiative des exkommunizierten Meinhard zurückzugehen.19 Ob diesem Missstand allerdings durch eine Konradin-Tradition Abhilfe geschaffen worden wäre, sei dahingestellt.

Jener dekonstruktivistisch vor- und vom harten Quellenbefund ausgehenden Forschergruppe stehen in der meist älteren Literatur Interpreten gegenüber, die – auch wenn es die Quellen nicht hergeben – von einem Zusammenhang überzeugt sind, den die Umstände der Klostergründung und die Beteiligung Elisabeths an der fundatio nahelegten. Der in Historikerkreisen für seinen „beherzten“ Quellenumgang berüchtigte Joseph Hormayr von Hortenburg, der allerdings auch im Archiv des Klosters gearbeitet hat, nannte Stams 1842 das „Mausoleum Conradins“ (ohne Leiche).20 Für den Doyen der Meinhardforschung, Hermann Wiesflecker, für den Innsbrucker Mediävisten Karl Pivec oder den v. a. als Buchhistoriker bekannten Ferdinand Geldner war unstrittig, dass Stams eine Gedächtnisstiftung für Konradin gewesen sein müsse.21 Diese Einschätzung hält sich mancherorts bis heute und wird etwa auf der Internetseite der langjährigen Partnergemeinde von Stams, dem bayerisch-schwäbischen Kaisheim, vertreten,22 wobei sich, so wäre zu ergänzen, auch in der Kaisheimer Klosterchronistik keine Spur für eine Konradin-Tradition findet.23 Die Beziehung zwischen Stams und seinem Mutterkloster Kaisheim ist bis heute überformt von der Teufel im Glas-Legende, die der humanistische Klosterchronist Johann Knebel erzählt und die bildliche Umsetzung im Fresko Gottfried Bernhard Göz’ in Schloss Leitheim gefunden hat.24 Hinter der Legende mag man den spätmittelalterlichen Versuch erkennen, sich der Führungsrolle Kaisheims gegenüber der filia Stams zu vergewissern.25

Zurück: Zwischen den genannten Forscherpolen liegen vorsichtiger argumentierende Interpretationen, die aus unterschiedlichen Gründen einen Konradinbezug zumindest zu einer frühen Phase des Gründungsprozesses für wahrscheinlich oder denkbar erachten. Christine Edith Janotta meinte 1995, wahrscheinlich habe Elisabeth „als Mutter bei den Verhandlungen um die Gründung von Stams immer wieder das Gedächtnis von Konradin“ beschworen.26 Ähnlich argumentierte rund ein Jahrzehnt später Elke Goez in ihrem historischen Portrait: „Dass Elisabeth bei der Stiftung auch an ihren im Kirchenbann hingerichteten Sohn gedacht haben dürfte, ist anzunehmen.“27 Ebenfalls 2006 sprach der Kirchenhistoriker Ulrich Köpf von der Doppelfunktion des Klosters – „zum Gedenken an ihre (Elisabeths und Meinhards) Verstorbenen und als Hauskloster“. In ordensgeschichtlicher Gedankenführung hob Köpf hervor, dass Stams durch Mönche aus dem Konradin verbundenen Kaisheim gegründet worden und damit in den straffen zisterziensischen Klosterverband eingefügt worden sei; vor allem die religiöse Tradition des Orts habe zu einer fundatio gerade hier geführt (wie im übrigen bereits der Klosterchronist Lebersorg meinte).28 Ähnlich argumentierte vor kurzem Abt German Erd.29 Knapp hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die Stamser Ortslegende vom Abschied Elisabeths von Konradin an der Wallfahrtskirche, Elisabeths zweimaliger Pilgerfahrt zum Täufergotteshaus und ihre vermeintliche Bestattung dort.30 Julia Hörmann-Thurn und Taxis führte den frühen Tod Elisabeths sowie das Herrschaftsdenken Meinhards, dem anderes mehr im Sinn gestanden sei, als auf altem Staufer- oder staufernahem Besitz an eine untergegangene Dynastie zu erinnern, als Gründe an, weswegen die Konradin-memoria keinen Niederschlag in den mittelalterlichen Quellen gefunden habe.31 Schon Wiesflecker hatte auf die staufischen Besitzungen im oberen Inntal hingewiesen,32 doch hat vor allem Werner Köfler eine besitzgeschichtliche Argumentationsführung relativiert – letztlich wäre rechtlich nur noch jener Platz für die Stamser Klostergründung übriggeblieben.33

Nach Skizzierung der Forschung sei nun das weitere Vorgehen kurz angezeigt. Dieses legt sich in konzentrischen Ringen und diachron fortschreitend um die Quellen zur Gründung des Klosters Stams: zunächst eine Revision der Zeugnisse, die direkt von der fundatio erzählen, hierauf die assistierende Überlieferung. Diese Quellenschau wird dann durch kontextualisierende Überlegungen ergänzt, um abschließend zu einem Urteil über die mittelalterliche Konradin-Tradition in und um Kloster Stams zu kommen – ein Urteil, das aufs engste mit der Einschätzung der Chronik Lebersorgs für die Frühzeit der Klostergeschichte – der letzte Abschnitt – zusammenhängt. Spielte Konradin bzw. das Denken an ihn bei der Gründung eine Rolle? Wenn ja, warum erwähnt ihn keine zeitnahe Quelle? Oder war doch Konradins Tod der Auslöser, die occasio für das klösterliche Leben in Stams, wie es die barocken Chronisten sahen, also doch mors Conradini vita Stamsii?

***

In der urkundlichen Überlieferung tritt Meinhard als Klostergründer auf. Die Stiftungsurkunde vom 23. März 1275 gibt an, die fundatio sei pro remedio saluteque nostrorum peccaminum et progenitorum nostrorum, ad honorem et reverentiam Jesu Christi et eius gloriose genitricis semperque virginis Marie, sancti Johannis Baptiste ac omnium sanctorum erfolgt.34 Die Urkunde führt an, der von Meinhard eingeleitete Gründungsprozess der Zisterzienserabtei möge mit Gottes Hilfe glücklich vollendet werden: abbaciam monachorum Cysterciensium ordinis fundare iam ceperimus et consummare auxiliante Domino feliciter et efficaciter intendamus. Zwei Aspekte seien festgehalten: Eine Erwähnung der im Oktober 1273 gestorbenen Elisabeth, der Mutter Konradins, fehlt; zudem – dies stellte bereits der barocke Klosterchronist Kassian Primisser fest – weist die Stiftungsurkunde, auch in den zitierten Passagen, wortgenaue Übernahmen aus der Carta fundationis für das bayerische Zisterzienserkloster Fürstenfeld aus dem Jahr 1266 auf.35 Darauf wird zurückzukommen sein. Doch sei zunächst der urkundliche Bestand bis zur Kirchenweihe kurz überblickt. Es kann keineswegs gesagt werden, das Andenken Elisabeths sei systematisch getilgt worden. Meinhard ließ zwar keinen Zweifel daran, Stams sei ein monasterium per nos fundatum, wie er in den Zollbefreiungsurkunden 1275 schreiben lässt;36 andererseits erwähnt er etwa in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1282, dies erfolge in remedium anime nostre et domine Elizabete pie memorie.37 Ähnlich formuliert das zisterziensische Generalkapitel, ebenfalls 1282.38 Während Meinhard aber insgesamt den Gründungsanteil Elisabeths gering hält, wird dieser von geistlicher Seite durchaus festgehalten: Bischof Bruno von Brixen, der für Stams zuständige Oberhirte, vermerkt am 10. August 1272 – da lebt Elisabeth noch –, Meinhard betreibe die Klostergründung zusammen mit seiner Gattin Elisabeth in spe remuneracionis eterne et divine laudis.39 Den Wortlaut griff auch Bischof Egno von Trient auf.40 In der ältesten Papsturkunde, die Nikolaus III. am 25. Mai 1278 für das Kloster Stams ausstellte, fehlen Hinweise auf die Gründer.41

Weitere zeitnahe Quellen sind drei unterschiedlich lange Gründungsberichte, wobei der erste, wohl aus den frühen 1280er-Jahren, im ältesten Stamser Urbar (1284–1294) überliefert ist, das der von 1895 bis 1937 der Zisterze vorstehende Abt Stephan Mariacher (reg. 1895–1937) „entdeckte“42 und Werner Köfler 1978 ediert hat.43 Im Kloster Stams hielt man fest, die Gründung sei erfolgt durch Graf Meinhard und seine Gattin Elisabeth, instructum per nobilem dominum Meinhardum comitem Tyrole(n)sem et illustrem dominam Elizabet matronam suam, eine Formulierung, die auch in anderen Quellen sich so oder ähnlich wiederfindet.44 Ganz im Sinn zisterziensischer Marienfrömmigkeit ist die Hervorhebung der Gottesmutter als das tutum et singulare refugium peccatorum; doch belässt es der Bericht nicht dabei, sondern führt im Weiteren breit die Advokatierolle Mariens aus, die denjenigen, die vom Schmutz ihrer Sünden beladen seien, helfe, sich zu reinigen, zum „Kampfplatz der ewigen Seligkeit“ zu eilen und Ruhe zu finden.45 Eine Passage, die natürlich jeden Gläubigen einschließt, nicht zuletzt wohl den notorisch gebannten Meinhard, aber auch Platz ließe für den in Kirchenbann gestorbenen Konradin.

An die Seite zu stellen ist dieser Quelle die Mitte der 1280er-Jahre ebenfalls in Stams niedergeschriebene Fundatio monasterii von der Gründung bis zur Kirchenweihe 1284 mit angeschlossenen Passagen über Grundstückskäufe – also in zeittypischer Kombination von Bericht und Urkunde.46 In der Fundatio, auch Chronicon Stamsense genannt, liest man andere Schwerpunktsetzungen: Zunächst wird Elisabeth als fundatrix nostra an die Spitze gestellt.47 Elisabeth wird als Herzogstochter und Witwe König Konrads – dieser in einem Überlieferungszeugen noch als Sohn Kaiser Friedrichs II. präzisiert – vorgestellt, es ist demnach ein Wittelsbacher- und Stauferbezug bzw. eine argumentative „Königsfigur“ vorhanden (auch wenn man, neueren Arbeiten zufolge, die dynastischen Linien nicht mehr allzu scharf ziehen will).48 Der Schreiber gibt sich als einer der Gründermönche aus Kaisheim zu erkennen, möglicherweise handelt es sich um Friedrich von Tegernsee, den Stamser Abt der 1280er-Jahre.49 Unschwer ist das Bemühen zu erkennen, den im Vergleich zu Meinhard höheren Rang Elisabeths an den Beginn der Stamser Geschichte zu rücken. Meinhards diesbezügliches Defizit wird im weiteren Bericht mittels zahlreicher superlativischer Adjektive wie excellentissimus, nobilissimus oder illustrissimus umwölkt. Der Görzer, so die Fundatio, vollendet im folgenden Jahrzehnt mit beträchtlichem Aufwand das Werk, das seine verstorbene Gemahlin begonnen hat.50 Meinhard ist im zweiten Teil der Fundatio, in dessen Zentrum die breite Schilderung der Kirchenweihe steht, die maßgebliche „zweite“, den eingeleiteten Prozess fortsetzende Gründergestalt. Ähnlich wie auch die barocke Klosterchronistik unterscheidet der mittelalterliche Text zwei Phasen des Gründungsvorgangs: Idee, Plan, Weichenstellung – mit Elisabeth verbunden – und Vollendung durch Meinhard. Elisabeths Gründe für die Klostergründung führt die Quelle nicht an.

Zuletzt ist noch eine kurze Erwähnung der fundatio im Codex 67 der Stamser Stiftsbibliothek zu liefern, die im zweiten, ab fol. 109r einsetzenden Teil eine Mirakelsammlung enthält, mit dem Ziel, Stams als Heilsort zu profilieren – dies geschieht auch und nicht zuletzt in der 1963 freigelegten Weiheinschrift mit der für das 13. Jahrhundert üblichen Aufzählung einer stattlichen Reihe hochbedeutender Reliquien.51 Die 98 kurzen miracula que in Stams a domino per beatum Johannem perpetrantur, so das Incipit, wurden zumindest zum großen Teil von Rudolf von Stams noch vor seiner Abtwahl 1289 zusammengestellt.52 Kurz wird hierbei auf die Ankunft der Mönche aus Kaisheim im Jahr 1273 eingegangen,53 die in Stams eine weitgehend bäuerliche Bevölkerung vorgefunden hätten, woraufhin die Reihe der Wunder einsetzte.54

Folgendes sei, kurz resümierend, festgehalten: In der frühesten urkundlichen und im weitesten Sinn historiografischen Überlieferung zur Gründung von Kloster Stams finden sich unterschiedliche inhaltliche Gewichtungen, aber keine präzisen Hinweise auf die Gründungsmotive und auch keine namentliche Erwähnung Konradins. Allerdings hatten die Stamser Zisterzienser, aus deren Feder die erzählerischen Quellen stammten, wenig Grund, einen Hingerichteten und Gebannten an den Beginn ihrer Geschichte zu setzen. Zudem liegt es durchaus in der Natur der Quellen, dass diese sich bei den Motiven eher „himmlisch-wolkiger“ und wenig konkreter Formulierungen à la in remedium peccatorumbedienten – das tun vergleichbare Quellen auch, in denen man ebenfalls keine psychologischen Tiefenbohrungen findet.55 Dass Meinhard kein Interesse hatte, Staufisches allzu stark werden zu lassen, versteht sich. Auf seiner heute verlorenen, aber bei Johann von Viktring überlieferten Stamser Grabinschrift vom Ende des 13. Jahrhunderts nennt er sich cenobii factor huius pius et benefactor.56 Meinhard setzte auf die aufgehende habsburgische Sonne, nicht die untergegangene staufische. Zudem hätte eine gepflegte Gedächtnisstiftung für Konradin wohl allzu sehr Meinhards Pläne eines – wie man früher sagte – „Hausklosters“ durchkreuzt.57 Freilich sind dies nur erste allgemeine Überlegungen. Festzuhalten allerdings bleibt: Die zeitnahe Überlieferung zur Klostergründung nimmt durchaus unterschiedliche Perspektiven ein. Meinhards vermeintliche Meistererzählung hatte sich zu Anfang nicht bzw. noch nicht durchgesetzt.

Weiten wir den Quellenring und blicken wir zunächst auf die Vorgeschichte der Gründung.58 Diese muss nicht in Einzelheiten nachverfolgt werden, sondern der Blick ist auf einen eher selten problematisierten Umstand zu richten: Nachdem Mitte September 1272 das zisterziensische Generalkapitel die gleichnamigen Äbte Konrad von Lucelle/Lützel und Raitenhaslach mit einer Ortsbesichtigung von Stams beauftragt hatte, die sich dabei auch Meinhard vorstellten – Elisabeth entschuldigte ihr Fernbleiben mit den schlechten Wegverhältnissen zu Jahreswechsel –, erhielten die beiden Zisterzienser Mitte Jänner 1273 ein Schreiben Meinhards und auch ein zweites von Elisabeth, die beide jeweils um Inkorporation des zu entstehenden Klosters in die zisterziensische Ordensgemeinschaft sowie um Entsendung von Gründermönchen und Weiterem ersuchen.59 Die Schreiben, die der Stamser Chronist Lebersorg (wohl in Abschriften) kannte und zitiert,60 sind als Inserte in originalen Pergamenturkunden überliefert und im Anhang ediert.61 An ihrer Authentizität, zumal sich bei genauem Betrachten individuelle Züge der beiden Schreiben zeigen, kann wenig Zweifel bestehen.62 Kaisheim war vom Generalkapitel als Mutterkloster bestimmt worden. Mag nun eine gewisse Gebrechlichkeit die noch im selben Jahr (1273) sterbende Elisabeth gehindert haben, am Ortstermin zugegen zu sein – entscheidend für die Argumentation ist die Existenz zweier Schreiben der beiden Gründer, die sich offensichtlich unterschieden. Man mag über Gründe spekulieren, jedenfalls ist ein eigenständiges Handeln Elisabeths kaum von der Hand zu weisen; ihr können deshalb damit auch eigene Motive zugestanden werden.63

Das Schreiben Elisabeths64 weist im Vergleich zu dem ihres Gatten Meinhard einige Eigentümlichkeiten auf. Pronomina (plantacio nostra, nos, maritus noster, sigilla nostra) heben überdeutlich den Anteil der Wittelsbacherin bei den Gründungsvorgängen heraus. Während Meinhard in seiner Urkunde vornehmlich die Ausstattung der Zisterze umreißt, gibt Elisabeth relativ genaue Angaben zu den Gegenständen, welche die 13 zu entsendenden Mönche mitbringen sollen (libri utiles et necessarii). Gegen Ende stößt die Wittelsbacherin nahezu eine Drohung aus, sollte der Zisterzienserorden den Fundationswünschen nicht nachkommen. Dies beleidige nicht nur das Stifterpaar, sondern sei ein Zuwiderhandeln gegen den Willen Gottes: Quod si, ut obtulimus, predicta nolletis acceptare, ut salva reverencia vestra dicamus, nos et totum ordinem vestrum contra Deum et iusticiam gravaretis et etiam ipsum Deum. Für den vorliegenden Zusammenhang ist Elisabeths Bemerkung, die Klostergründung diene ad salutem animarum et corporum, auffällig. Ob bei der salus corporum an ihren Sohn Konradin gedacht war?

Bis ins ausgehende Spätmittelalter fehlen dann die Quellen zur Gründungsgeschichte der Tiroler Zisterze.65 Wird in das in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, also in der Blütezeit der Stamser Handschriftenproduktion niedergeschriebene annalistische Chronicon monasterii Stamsensis geblickt, so gibt es wieder keinerlei Hinweise auf die Gründungsmotive. Elisabeth findet als Gründerin (fundatrix) neben Meinhard Erwähnung, ihr Todesjahr ist festgehalten. Abermals wird auf Elisabeths ersten Gemahl, König Konrad IV., verwiesen.66 Auch das Stamser Nekrolog des 15. Jahrhunderts gedenkt ihrer als prima fundatrix.67 Eine ältere deutschsprachige Chronik aus den 1430er-Jahren folgt diesem Tenor und überliefert ebenfalls das Gründerpaar Meinhard und Elisabeth (die was ain tochter von Payren und ain witib des Römischen kunigs Conradts).68 Insgesamt scheint sich, wenngleich in dünner Überlieferung, im ausgehenden Mittelalter die eher „elisabethanische“ Tradition durchgesetzt zu haben, nicht zuletzt, um den Königsbezug des Klosters festzuhalten. Da die Quellen keine weiteren Hinweise geben, muss im Folgenden der Kreis der Überlegungen erweitert werden. Fast zwangsläufig führen diese zunächst ins Mutterkloster von Stams, nach Kaisheim.

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Warum eigentlich Kaisheim? Warum schlug das Generalkapitel der Zisterzienser gerade das schwäbische Kloster als Mutterzisterze für Stams vor? Man könnte zunächst eine praktische Antwort geben: Kaisheim war näher als die „österreichischen“ Zisterzen Wilhering, Viktring, Zwettl, Rein, Lilienfeld, Heiligenkreuz, auch näher als das bayerische Aldersbach und viele der „baden-württembergischen“ Zisterzen. Deutlich näher als Kaisheim lag Fürstenfeld, aber das Zisterzienserkloster bestand wohl zu kurz, um Mönche als Gründungstrupp nach Tirol zu entsenden. Doch hätten etwa patres aus dem wirtschaftlich allerdings etwas angeschlagenen Salem69 oder aus Raitenhaslach berufen werden können – zwei Zisterzen, die etwa gleich weit entfernt oder sogar näher an Stams lagen als Kaisheim. Kaisheim hatte um 1270 aber offensichtlich die wirtschaftlichen wie personellen Ressourcen, eine Tochtergründung zu tragen.70 Unter dem dort ab 1267 vorstehenden Abt Trutwin explodierte förmlich der klösterliche Besitz. Im Jahr 1282 beauftragte das Generalkapitel das Kloster Kaisheim mit der Visitation des Männerklosters Schöntal an der Jagst.71 Offensichtlich galt Kaisheim auch als innerlich vorbildlich.72 Zudem ging die schwäbische Zisterze wie Salem über das elsässische Kloster Lucelle und Bellevaux auf die Primarabtei Morimond zurück, kam also der Wurzel des zisterziensischen Stammbaums recht nah,73 was gewiss eine religiös-symbolische Bedeutung hatte und erklärt, weshalb auch der Abt von Lucelle die Stamser Ortsbesichtigung vornahm. So blieb man in Stams, das in der zisterziensischen „Diaspora“ des aber durchaus von Siedlungen, durch kirchliche Strukturen und religiöse Institute74 erschlossenen Ostalpenraums lag (somit alles andere als ein zisterziensisch topischer locus horroris et vastae solitudinis),75 den Ordensursprüngen verbunden. Die Gründer von Stams konnten sich sicher sein, dass „ihr“ Kloster in den weitverzweigten Verband der Ordensfamilie dauerhaft eingebunden sein würde.76

Hinzukam, dass Elisabeth über ihren Bruder Herzog Ludwig II. (dem Strengen) von Bayern, der 1258/63/66 als päpstlich verordnetes Sühnekloster für den Mord an seiner Gattin Seldental, später Fürstenfeld, gestiftet hatte und mit Zisterziensern aus Aldersbach hatte besiedeln lassen,77 dem Orden aus Cîteaux verbunden war – hierfür sprechen die erwähnten Anklänge in der Stiftungsurkunde. Doch lief über ihren Sohn Konradin auch eine direkte Verbindung nach Kaisheim.78 Auf dem Tag zu Augsburg im Februar 1267 hatte Konradin an die schwäbische Zisterze zwei Schenkungen getätigt – die Birkacherhöfe und das Gut Neuweiler.79 In beiden Urkunden lässt Konradin der gewachsenen Beziehungen Kaisheims zu seinen Vorfahren gedenken – es ist demnach ein Stauferbezug zu fassen.80 Die zweite Urkunde wird in Spitzenstellung von Herzog Ludwig testiert, so dass hier – was auch andernorts umfangreich zu belegen ist81 – eine Verknüpfung zwischen Staufern, Wittelsbachern und der Zisterze Kaisheim aufscheint. Dieser Kreis ist um den Görzer Meinhard zu erweitern: Im Februar 1266 testierten zu München sowohl Meinhard als auch der junge Konradin, der nach der Heirat Elisabeths mit dem Görzer 1259 unter wittelsbachischer Obhut stand (nicht unter der Meinhards und Elisabeths!),82 Ludwigs Gründung Fürstenfeld.83 Hier scheinen Verbindungen auf, die nicht zuletzt die Beeinflussung der Stamser Klostergründungsurkunde durch die Fürstenfelder Vorgänge erklären können. Entscheidend für das hier zu diskutierende Thema ist gewiss die Frage, wie die Verbindungen Elisabeths zu ihrem Sohn Konradin in den Jahren bis zu dessen Tod zu gewichten sind.

Konradin sah seine Mutter Elisabeth zum letzten Mal in der zweiten Augusthälfte 1267 zu Hohenschwangau.84 Es war die Verabschiedung vor dem Italienzug. Zugegen waren auch Meinhard sowie Herzog Ludwig, die Konradin über die Alpen begleiteten. Elisabeth gab damals ihren Zöllnern zu Passiria (Passeier), Sterzing, Innsbruck Anweisungen, was ein weiteres Mal schlaglichtartig das Eingreifen der Wittelsbacherin in „politische“ Belange der Zeit zeigt.85 Im Jahr zuvor, November 1266, hatte Konradin zu Innsbruck – vermittelt durch Bischof Leo von Regensburg86 – das Wittum seiner Mutter geregelt; von den Maßnahmen profitierten v. a. Meinhard und Herzog Ludwig:87 Während sich der von Konradin zusammen mit seinem Bruder Heinrich XIII. als Erbe88 eingesetzte Ludwig zentrale Besitzungen am Lechrain und auf dem Nordgau sichern konnte, erhielt Meinhard über seine Gemahlin unter dem Vorbehalt der Nutznießung auf Lebenszeit wichtige Güter im Inntal.89 Man hat die gewichtigen besitzrechtlichen Verschiebungen als späte Mitgiftregelung Elisabeths gedeutet,90 jedenfalls musste sich Konradin, um das Wertgefälle auszugleichen, zur Zahlung von 2.000 Mark Silber an Elisabeth und Meinhard verpflichten, auszuzahlen bis zum 23. April 1267 (was Konradin nicht einhalten konnte und was gewiss auf seine Italienvorbereitungen drückte). Während Meinhard einen wichtigen weiteren Baustein für seine Durchdringung Tirols setzen konnte,91 ist Elisabeths Motivlage wohl eher in der Abwägung der Interessen von Gatten, Sohn und wittelsbachischen Brüdern zu suchen.92 Keineswegs sollte man Elisabeths Handeln und Beweggründe mit denen Meinhards in eins setzen, dies zeigte sich auch an anderer Stelle.93 So wird man ihr – mag auch ihr Verhältnis zu Konradin in den 1260er-Jahren nach Ausweis der Quellen, wie sich Karl Hampe ausdrückte, „einen etwas geschäftsmässigen Charakter“ besessen haben94 – wohl auch bei der Gründung der Zisterze Stams eigene Beweggründe unterstellen dürfen. An dieser Stelle darf an das Gesagte erinnert werden.

In der Chronik des 1297/98 gestorbenen Bischofs im kalabresischen Mileto, Saba Malaspina, wird erwähnt, Konradin und die weiteren zu Ende Oktober 1268 in Neapel Hingerichteten seien unter einem Steinhaufen bestattet worden, dass aber das Gerücht umgehe, Konradins Gebeine seien auf Drängen seiner Mutter ausgegraben und ihr übergeben worden.95 Letzteres ist nicht zu belegen, doch scheint es nicht unwahrscheinlich, Elisabeth habe sich in Neapel um eine angemessene Bestattung ihres enthaupteten Sohnes bemüht.96 Im Jahr 1270 erlaubte Karl von Anjou den Neapolitaner Karmeliten, die eine kleine Kapelle unterhielten, den Bau einer Kirche zum Andenken an seine Eltern: Santa Maria del Carmine. In dem Gotteshaus sollte dann auch Konradin bestattet werden. Möglicherweise schwingt in den paraphrasierten Zeilen Saba Malaspinas ein Hinweis auf einen wie auch immer gearteten Einsatz Elisabeths mit, die tatsächlich bei Karl von Anjou, ob nun persönlich oder durch Boten, vorstellig geworden sein könnte. Letztlich wurde Konradin unter Karls gleichnamigem Sohn in einer Bleitruhe unter dem Hochaltar beigesetzt, ein durchaus prominenter Kirchenplatz. Insgesamt ist ein Bemühen Elisabeths um ihren hingerichteten Sohn vorstellbar. Wenn sich zudem vor Augen gehalten wird, dass Karl von Anjou mit Urkunde vom 1. Jänner 1274 zu Bari, also ein Jahr nach der Stiftung von Stams, die Gründung der Zisterzienserabtei Santa Maria della Vittoria in den Abruzzen im ausdrücklichen Andenken an die Schlacht bei Tagliacozzo 126897 förderte und 1277 weiter vorantrieb,98 könnte man hier durchaus eine Reaktion auf eine nun verstärkte Konradin-memoria, ob nun in Neapel oder in Stams, für möglich erachten.

Ein letzter kontextualisierender Schritt zum Verhältnis von Konradin zu Meinhard sei mit einer berühmten Äußerung des nach 1348, also im deutlichen Abstand zu den Ereignissen, gestorbenen Franziskaners Johannes von Winterthur eingeleitet. Johannes bringt einen harschen fiktiven Monolog des wegen der zweiten Ehe seiner Mutter gekränkten siebenjährigen Konradins gegenüber Elisabeth. Diese sei eine imperatrix Romana gewesen, habe aber nun Meinhard geheiratet, einen vir longe te minor.99 Wie vieles bei Johannes ist auch diese Episode gut erfunden, doch steht sie für den letztlich unleugbaren Umstand, dass Elisabeth im Oktober 1259 „hinuntergeheiratet“ hatte.100 Für Meinhard hingegen bedeutete die Eheschließung eine wichtige Rangerhöhung. Hinzukam, dass der Görzer durchaus die Nähe Konradins suchte. Im Februar 1266 trifft man Meinhard in München zusammen mit dem Staufer an,101 im Oktober 1266 ist der Görzer auf dessen Augsburger Hoftag anwesend.102 Meinhard sicherte maßgeblich Konradins Alpenübergang und begleitete ihn bis zu Jahresanfang 1268 nach Verona.103 Auf der anderen Seite gelang es Meinhard zu Dezemberende 1267, sich noch eine bedeutende Verpfändung zu sichern.104 Auffallenderweise bezeichnet Konradin in der diesbezüglichen Urkunde Meinhard als Freund. Dem Quellenbefund nach ist eine Nähe zwischen Meinhard und dem Bayernherzog festzustellen, aus der nicht vorschnell ein gemeinsames politisches Operieren oder konzertiertes Agieren rekonstruiert werden sollte. Nicht notgedrungen müssen auch beide die gleichen Gründe für den Abschied von Konradin in Verona gehabt haben. Ohne in die verminte Diskussion um das Im-Stich-Lassen Konradins (oder nicht) einzusteigen, ist daran zu erinnern, dass Meinhard am 8. Februar 1268 zu Cremona von Erzbischof Philipp von Ravenna, dem apostolischen Legaten, wegen seines Eintretens für den Staufer exkommuniziert wurde.105

Jedenfalls verließen nicht nur Meinhard und Ludwig damals Konradin, sondern auch ein Mann, auf den der Görzer in Zukunft verstärkt setzen sollte: Rudolf von Habsburg.106Bezeichnenderweise wurde auf dem Nürnberger Hoftag von 1274 die Hochzeit zwischen der Tochter Meinhards, Elisabeth, und Rudolfs Sohn Albrecht umgesetzt.107 Die Heiratsverhandlungen müssen demnach in etwa parallel zur Gründung des Klosters Stams und zur Königswahl Rudolfs 1273 abgelaufen sein. Man mag zu den Gründen für die Eheschließung vieles anführen, relativ sicher ist, dass Meinhards Unterstützung Rudolfs bei der Wahl im Oktober 1273 eine Rolle gespielt haben muss.108 Meinhards Verwandter, Ludwig II. der Strenge, musste seine Ambitionen auf den Thron begraben.109 Es hatte sich bei den vielschichtigen Vorgängen um die Königswahl abgezeichnet, dass einem Spiel mit staufischer Karte – etwa via Landgraf Friedrich den Freidigen, den Enkel Kaiser Friedrichs II. – gerade kurialerseits mit erheblichem Argwohn begegnet wurde.110 Man könnte darin einen Grund für Meinhards nicht übermäßiges Bedienen staufischer Reminiszenzen erkennen wollen, die die Kurie gereizt hätten und seinem (womöglich) intendierten Tiroler „Gründermythos“ entgegengestanden wären. Zudem bemühte sich Meinhard in den folgenden Jahren, Abhängigkeiten vom Herzogtum Bayern zunehmend abzubauen.111 Auch sollte König Rudolf wenige Monate nach seiner Wahl die Stamser Zisterze fördern.112

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Im Jahr 1309 stiftete eben genannte Elisabeth, Tochter Meinhards und Elisabeths, im Andenken an ihren am 1. Mai 1308 von seinem Neffen Johann Parricida getöteten Gatten, König Albrecht I., das Klarissenkloster Königsfelden.113 Ob der um 1262 geborenen Elisabeth mögliche Beweggründe ihrer Mutter bei der Gründung von Stams dabei durch den Kopf gingen? Wir wissen es nicht. Jedenfalls liegen klösterliche Gedächtnisstiftungen für gewaltsam aus dem Leben Gerissene durchaus im Denken der Zeit. Dass Konradin in den Gründungsdokumenten um Stams keine Erwähnung findet, könnte mit zisterziensischen Gepflogenheiten zu tun haben, schließlich hatte das Generalkapitel 1157 nur die Bestattung von Klosterstiftern erlaubt und damit einem – modern gesprochen – Personenkult vorgebaut. Diese strikte Haltung war zwar ein Jahrhundert später bereits aufgeweicht worden,114 zudem hatte das Generalkapitel von 1201 gestattet, unter gewissen Bedingungen das gewünschte kollektive Gedächtnis durch eine individuelle memoria cluniazensischer Prägung zu ersetzen.115 Doch war der Konflikt zu Gründungszeiten von Stams noch keineswegs ausgestanden, dies sollte erst Ende des 14. Jahrhunderts offiziell gelöst sein. So mag es nicht überraschen, wenn in den entscheidenden urkundlichen Quellen kein konkreter Name eines Motivgebers, schon gar nicht der eines Kirchengebannten auftaucht, stattdessen die Defizite des tatsächlichen Gründers Meinhard auf verschiedenen Wegen umschrieben werden.

Hat nun Elisabeth bei der Gründung des bei der Pfarrkirche zum enthaupteten Täufer geweihten Kloster Stams an ihren geköpften Sohn gedacht?116 Ist es Zufall, dass im November 1284 die Kirchenweihe, bei der Meinhard in einer für die damalige Zeit einzigartigen „Translokationsoffensive“ seine vor über einem Jahrzehnt gestorbene Gemahlin sowie die Gebeine der gestorbenen Kinder überführen ließ, in der Oktav nach dem Hinrichtungstag Konradins gefeiert wurde?117 Wir wissen es nicht. Unwahrscheinlich erscheint es nicht, dass Konradin bei der Klostergründung eine Rolle gespielt hat, mag auch Julius Ficker, wie eingangs zitiert, zu Recht festgestellt haben: „doch fehlt ieder hinweis in der gründungsgeschichte und der bezüglichen urkunden.“ Es gibt aber letztlich zu viele Bezüge, die für eine konradinische memoria schon für die frühen 1270er-Jahre sprechen. Doch ist es letztlich eine Indizienbeweisführung.

Wahrscheinlich überlagerten sich im Fall Stams wie bei anderen Klostergründungen die Motive, durchaus denkbar ist auch ein Stufenmodell, bei dem sich Meinhard nach und nach das „landesfürstliche“ Narrativ zu eigen machte, das die Forschung allzu gern an der „Wiege Tirols“ weitersang. Ob die Stiftungsrolle Elisabeths bereits nach ihrem Tod 1273 von Meinhard unterdrückt wurde118 oder ob eher die doch in gewissem Abstand ausgestellte und von 38 testes bekräftigte Stiftungsurkunde von 1275, dann die im großen Stil und vor zahlreichen Anwesenden inszenierte Kirchenweihe 1284 – „Höhepunkt und Abschluss“119 des langgestreckten Gründungsprozesses – die entscheidenden Zäsuren waren, ist letztlich schwer zu entscheiden. Das Zisterzienserkloster Stams als „politisch-religiöses“ Statement des gebannten Meinhard umfasste notgedrungen auch eine letztlich gescheiterte damnatio Elisabethae (vel Conradini). Dass ein Weg vom Richtplatz in Neapel nach Stams geführt haben mag, dass die Konradin-Tradition in Stams nicht erst im 17. Jahrhundert dorthin gelangt ist – erscheint nach dem Gesagten als durchaus denkbar. Um zu den barocken Zwickelbildern Zeillers vom Anfang zurückzukehren: Die mors Conradini war wohl einer, aber nicht der einzige der fontes, aus dem das zisterziensische Leben in Stams strömte.

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Ein letzter Schritt: Zentral für die Beurteilung der Konradin-Tradition, wenn auch letztlich nicht abschließend zu klären, ist die Einschätzung des Quellenwerts von Lebersorgs Chronik. Genauer: Ist dem ansonsten als Antiquar nach dem Verständnis seiner Zeit dokumentarischpositivistisch arbeitenden Zisterzienser die Erfindung der Konradinlegende zuzutrauen, wie – so eingangs skizziert – manche Forscher suggerieren? Lebersorg beginnt mit Kaiser Friedrich II., dessen Tod am 13. Dezember 1250 das erste genannte Datum in der Chronik darstellt.120 Der Zisterzienser leitet über zum vermeintlichen Giftmord des Friedrichsohns Konrad IV. durch dessen Halbbruder Manfred,121 um bereits zu Anfang Konradin zu erwähnen, dessen Beinamen Lebersorg auf italienische und andere Chronisten zurückführt, die den Staufer propter ipsius iuventutem et per despectum dieses Diminutiv verpasst hätten. Im Folgenden gestaltet Lebersorg Konradin zu einer Symbolfigur, die, von den Fürsten an die Spitze eines Heers gestellt, die deutsche Ehre gegen die Franzosen (Karl von Anjou) und Teile des feindlichen Italiens, wo das regimen Germanorum verhasst ist, vertritt – non tam pro eius [Conradini] causa quam pro Germanici nominis gloria.122 Lebersorg, folgend dem Leitmotiv der ersten Chronikseiten, der miseria, verklärt in seinem vormodernen Nationalismus123 den Staufer nicht, der aufgrund seiner jungen Jahre eher als Spielball der Mächtigen und Halbmächtigen erscheint, dessen Niederlage am Beginn der erfolgreichen Stamser Klostergeschichte steht und für den eine jugendliche ignorantia kennzeichnend ist.124

Folgerichtig wird Konradin, an dessen Lebensaltern sich die „Erzählung“ ausrichtet,125 nach seiner Niederlage fallengelassen. Keine Hand rührt sich für ihn nec in Italia neque in Germania,126 allein seine Mutter, die Lebersorg zuvor schon als mulierem fortem, prudentem et tam pietate quam aliis regalibus virtutibusque insignem vorgestellt hat,127 ergreift die Initiative, reist nach Neapel, um ihren gefangen gewähnten Sohn mit Gold auszulösen.128 Da ihr dies auch nicht für den Leichnam gelingt, fasst Elisabeth den Entschluss, kein weiteres Geld für einen Leichnam im feindlichen Land auszugeben (in terra hostili pro eius corpore facere extensas). Stattdessen gelobt sie, das Geld für das Seelenheil ihres Sohns aufzuwenden, die Konradin-memoria nördlich der Alpen zu installieren und zu dessen Ehren ein Kloster zu gründen (in eius honorem monasterium aliquod construendum vovisse dicitur).129 Dort sollen Mönche nicht nur für Konradins Seelenheil, sondern für das von Elisabeths Familie und der ganzen Welt beten: non solum pro anima illius [Conradini], sed cunctae familiae suae [Elisabethae], imo totius mundi delictis. Das Gelübde, die causa prima et praecipua constructionis monasterii Stambs,130 wird nach Elisabeths Rückkehr von Meinhard unterstützt. Hierauf setzt bei Lebersorg die eigentliche Gründungsgeschichte von Stams als eines monasterium iam voto conceptum131 mit der Ortswahl ein, wobei der Chronist eine für unseren Zusammenhang wichtige Bemerkung trifft: Er habe keine Quellen gefunden, die Licht in die folgenden beiden Jahre nach Elisabeths Rückkehr aus Italien in patriam werfen könnten.132 Dadurch wird eine quellenmäßige Absicherung für das zuvor Ausgeführte suggeriert. Man könnte darin eine Verschleierungsfinte Lebersorgs vermuten, doch ist zunächst nach dem Quellenverständnis des Zisterziensers zu fragen.

Lebersorg gibt in den ersten Seiten seiner Chronik Quellen immer dann an, wenn er sie wörtlich zitiert, etwa im Abschnitt über den Kauf von Dorf Stams (de emptione eiusdem villae Stambs), wo er „alte Mitbrüder“ (antiqui fratres) auf Deutsch wiedergibt, die Urkunde der Zisterzienseräbte Konrad von Lucelle und Konrad von Raitenhaslach oder die litterae fundatoris/fundatricis zitiert.133 Auch an einer weiteren Stelle der klösterlichen Frühgeschichte, die für diese Überlegungen besonders interessant ist, nennt er seine Referenzgröße. Als Lebersorg von Elisabeths Bemühen um ihren Sohn vor Karl von Anjou berichtet, zitiert er eine längere Passage aus den Annales Ecclesiastici, die der Dominikaner Abraham Bzowski (Bzovius, 1567–1637) in Fortsetzung der Kirchengeschichte Cesare Baronios (1538–1607) verfasst hat.134 Der entsprechende Band für die Jahre 1198 bis 1299 wurde 1617 in Antwerpen gedruckt, war demnach, als Lebersorg über seiner Stamser Geschichte saß, eine vergleichsweise aktuelle Veröffentlichung.135 Vergleicht man Lebersorgs Staufererzählung mit den entsprechenden Passagen von Bzovius, so stellt man eine deutliche Abhängigkeit fest, etwa bei den Aussagen zum vermeintlichen Giftmord Konrads IV.,136 bei Ausführungen zu Papst Clemens IV. und Karl von Anjou137 oder zu Konradins Italienzug (bis hin zur Heeresgröße).138 Allerdings erwähnt der Dominikaner, der sich bei seinen Passagen zu der staufischen Geschichte wiederum auf Flavius Blondus (Biondo Biondi, 1392–1463), Johannes Nauclerus (Johannes Vergenhans, 1425–1519) oder Thomas Facellus (Tommaso Fazello, 1498–1570) stützt, an keiner Stelle etwas zur Stamser Konradin-Tradition. Diese kann Lebersorg demnach nicht von Bzovius haben, der zwar den Spruch vita Conradini mors Caroli kennt,139 doch ein gänzlich anderes Konradinbild zeichnet.

Lebersorg leitet seine Variante der Konradin-Tradition aus dem Werk des Dominikaners ab. Dies gibt der Zisterzienser offen zu, indem er erklärt, er habe dies anführen müssen, um Elisabeths Motive für die Gründung von Stams zu erläutern.140 Bzovius ist Lebersorg ein Beweis für das, was ihm ohnedies unstrittig ist. Wenn der Zisterzienser weitere autoritative Quellen gehabt hätte, hätte er diese gewiss zitiert. Lebersorg, zeittypisch interessiert an Emotionalität, erwähnt ausdrücklich, er berufe sich auf mündliche Tradition (dicitur), die am ehesten in der Stamser Klosterüberlieferung zu suchen ist. Kurzum, die Konradin-Tradition – ob von den Anfängen weitergetragen oder auf nicht mehr zu rekonstruierenden Wegen und Beziehungen vielleicht des Ordens von Italien nach Tirol gelangt und dort geformt – ist keine Erfindung Lebersorgs, sondern eine zisterziensische Gewissheit, die der gelehrte Historiograf mit der aktuellen Geschichtsschreibung in Einklang zu bringen versucht und für die er in sich stimmige und logische Argumente beibringt, die er aus der „Mutterrolle“ Elisabeths ableitet. Für Lebersorg war Konradin zeittypisch eher ein tragischer denn ein strahlender Held.141 Für eine Glorifizierung der Stamser Vergangenheit gewinnt er mit dem jungen Staufer wenig, den vor allem erst das 19. Jahrhundert verklärt. Konradin dient dem Zisterzienser eher zur frommen Überzeichnung Elisabeths, die als prima fundatrix ja tatsächlich in Stams ruht. Bei aller Unsicherheit lässt sich zumindest festhalten, dass durch die Chronik Lebersorgs ein via Elisabeth nicht zu leugnender Stauferbezug von Stams und eine naheliegende Konradin-Tradition verklart und Wahrscheinlich- und Möglichkeiten vereindeutigt wurden. Eine Erfindung der Frühgeschichte ist Lebersorg hingegen nicht zuzutrauen.

Quellenanhang

Die Transkriptionen sollen einen möglichst vorlagentreuen, dabei aber auch möglichst lesbaren Text zur Verfügung stellen und folgen weitgehend den Regeln der Bayerischen Archivschule. Die Vorlage wird dabei im Wesentlichen grafiegetreu wiedergegeben, lediglich /u/ und /v/ sowie /i/ und /j/ wurden dem heutigen Lautwert angepasst. Ligaturen und Abbreviaturen wurden aufgelöst. Leichte Eingriffe hin zu einer modernen Zeichensetzung mögen die Lesefreundlichkeit erhöhen. Angegeben im Apparat sind zudem die Unterschiede zur Überlieferung in der Chronik Lebersorgs, wobei der durchgängige unterschiedliche Gebrauch von /c/ und /t/ (etwa abbacia vs. abbatia) nicht jeweils eigens belegt wird. Die Edition ist im Haupttext nicht kursiv gehalten, im Anmerkungsapparat sind die lateinischen Wörter hingegen kursiv geschrieben.

I

Die mit der Inkorporation des zu gründenden Klosters Stams in den Zisterzienserorden vom Generalkapitel beauftragten Äbte von Lucelle und Raitenhaslach verzeichnen die an sie elf Tage zuvor ausgefertigten Gründungsurkunden Meinhards von Tirol-Görz und seiner Gemahlin Elisabeth. Meinhard schenkt darin Einkünfte in Höhe von 60 Mark (ausgenommen die Kirche Silz, auf deren Vogteirechte er jedoch verzichtet), sichert die Übernahme der Baukosten und die zisterziensische libertas zu und bittet um Entsendung von zwölf Mönchen und einem Abt. Auch Elisabeth sucht um 13 Konventualen und für das Klosterleben wichtige Ausstattungsgegenstände an; zugleich drängt sie die Zisterzienser zur Erfüllung des Gründungsvorhabens. Der mit der konkreten fundatio betreute Abt Trutwin von Kaisheim bestätigt die Rechtmäßigkeit mit seinem Siegel.

1273 Jänner 26/15

Staatsarchiv Augsburg, Reichsstift Kaisheim, Klosterurkunden 2774 (zuvor St. Bonifaz/ München, Kaisheimer Urkunden 20); Original; Pergament; ein beschädigtes Siegel erhalten; Außenseite: litterae comitis et comitissa de Tirole super fundacione in Stams / IV N. 49 N. 20 / pertinet ad saculum in loculo abbatum Cisterciensium (kaum mehr lesbar).

Vgl. HAIDACHER, Lebersorgs Chronik (wie Anm. 5) 12/14/16.

Quoniam, ut ait Salomon, solus non habet, cum cecidit,142 sublevantem,143 minus caute proceditur, cum ea, quibus actus quasi fundamentaliter innituntur, carent duplici testimonio litterarum.144 Hinc est quod nos fratres Conradus et Conradus de Lucela et Raithenhasla abbates Cisterciensis145 ordinis inspectores et incorporatores abbacie de Stams146 nostri ordinis dati a capitulo generali, litteras illustris viri domini M(einhardi) comitis Thirolis et Goricie147 et uxoris eius domine Elisabeth,148 quas nobis miserunt super exercicione negocii149 nobis commissi et suo proposito in hac parte, decrevimus sub nostris sigillis ac venerabilis coabbatis nostri de Cesarea,150 qui ipsas tenuit atque legit de verbo ad verbum sine mutacione qualibet registrare, quarum tenor seu continencia talis erat.151

Reverendis in Christo patribus dominis de Lucela et Raitenhasla152 abbatibus Meinhardus Tirolis et Goricie153 comes et ecclesiarum Aquilegiensis, Tridentinensis154 et Brixinensis advocatus reverenciam et obsequendi affectum. Ut ad recepcionem et incorporacionem plantacionis novelle de Stams155 vestro ordini faciendam facilius intendatis, in hoc convenimus propositum atque votum, quod loco plantacionis predicte156 in certis possessionibus sexaginta157 marcarum redditus volumus elargiri exceptis redditibus ecclesie158 de Sils, in qua eciam ius advocacie nostre159 decrevimus remittendum. Locum ipsum omni privilegio libertatis ac commodi gaudere volentes, quibus pociuntur cetera160 ordinis vestri loca, sumptibus nostris atque in sua edificacione161 complendum. Quare deprecamur vestram discrecionem, quatenus cum ordinem vestrum specialiter amplexemur eique quo ad162 consilia et monita salutaria163 elegerimus subiacere, plantacionem predictam164 velitis ordini vestro incorporare. Ita quod in continenti videlicet ante Carnisprivium ad locum ipsum fratrum duodecim165 congregacionem transmittatis et unum abbatem. Si vero, quod absit, vos in premissis difficiles redderetis, in hoc non solum nos et uxorem nostram dilectam, sed etiam iusticiam et iusticie actorem166 offenderetis. Datum in Thirol167 XV intrante168 Ianuarii.

Venerabilibus viris dominis de Lucela et Raitenhasla169 abbatibus E(Lisabeth) Thirolis et Goricie170 comitissa cum reverencia sinceram171 ad beneplacita voluntatem. Quod ad presentandum172 vos conspectibus dilecti mariti nostri173 et ad inspiciendum locum novelle plantacionis nostre in Stams174 venire personaliter curavistis, grates vobis referimus copiosas pro certo tenentibus,175 quod nos non sine multo desiderio una cum ipso marito nostro vos videre venissemus, nisi viarum lubricarum pericula obstitissent. Quia igitur nos et dictus maritus noster plantacionem ipsam ad salutem animarum et corporum excogitatam et inceptam176 cum proventibus sicut per litteras ipsius recepistis et ultra id, quod dedimus ambo et promisimus, cupimus in sua edificatione177 expedire, petimus diligenter, ut locum ipsum et plantacionem curetis recipere ac ordini vestro incorporare mittendo illuc fratrum tredecim178 congregacionem, cum qua libri utiles et necessarii ante Carnisprivium transmittantur, causa nostri perpetui servicii179 et amoris. Considerantes quod nos et prelibatus180 noster maritus specialiter vestrum ordinem pre caeteris181 amplexamur et eidem quo ad182consilia saluti animarum nostrarum profutura et omni183 devocione subiecimus mente pia184 et sincera, quod intueri vos condecet et ad preces nostras flecti, sic ut finem huic negocio imponatis. Nam predia de Stams185 et omnia dicte plantacionis186 per nos tradita plene procurabimus187 expedire ipsamque188 libertatibus ac immunitatibus privilegiare, quibus gaudent alia ordinis vestre189 (sic) loca. Quod si, ut obtulimus, predicta190 nolletis acceptare, ut salva reverencia vestra dicamus, nos et totum ordinem vestrum contra Deum et iusticiam gravaretis et etiam ipsum Deum. Datum in Thirol191 XV intrante192 Ianuarii.

In cuius rei testimonium sigilla nostra huic registro duximus apponenda. Datum et actum anno Domini MCCLXXIIo in crastino conversionis sancti Pauli.193

Nos vero frater Chunradus194 dictus abbas Cesariensis,195 qui prefatas196 litteras vidimus, tenuimus et de verbo ad verbum legimus, sigillum nostrum cum sigillis antedictorum partum venerabilium appendimus huic scripto in testimonium praemissorum.197

 

II

Die Äbte von Lucelle und Raitenhaslach führen nach einem Ortstermin einen Beschluss des Generalkapitels von (September) 1272 aus, inkorporieren den von Graf Meinhard und seiner Gemahlin Elisabeth in der Diözese Brixen mit eigenem Besitz ausgestatteten Konvent zu Stams in den Zisterzienserorden und unterstellen Stams als Tochterkloster dem Konvent von Kaisheim. Von dort werden, angeführt von dem bestimmten Abt Heinrich, 13 gewählte Mönche mit Büchern, Kelchen und weiteren notwendigen Gegenständen nach Stams entsendet.

1273 Jänner 27

Staatsarchiv Augsburg, Reichsstift Kaisheim, Klosterurkunden 2775 (zuvor St. Bonifaz/ München, Kaisheimer Urkunden 21); Original; Pergament; beschädigte Siegel an Pergamentpresseln; Außenseite: super fundatione data in Stams / IV N. 50 N. 21 / 1272 / pertinet ad saculum in loculo abbatum Cisterciensium.

Vgl. HAIDACHER, Lebersorgs Chronik (wie Anm. 5) 16/18.

In nomine sancte et individue198 trinitatis amen. Sicut cautum est paxillo palmitem alligari, ne vergens deorsum in terram corruat et putrescat, sic cuiusque religionis novellam plantacionem expedit litteris199 confirmari,200 ne cum labente tempore labatur et deficiat, set201 semper in bonis actibus proficiat atque crescat.

Hinc est quod nos fratres Conradus et Conradus de Lucela et de Raitenhasla202 abbates Cisterciensis203 ordinis notum facimus universis Christi fidelibus per presentes, quod204 auctoritate205 nobis commissa a nostro capitulo generali anno Domini MCCLXXo secundo inspiciendi, incorporandi ac conventum introducendi in locum dictum Stams, Brixinensis dyoecesis,206 in quo vir illustris dominus M(einhardus) comes Thirolis et Goricie207 ac uxor eius domina208 Elisabeth209 comitissa de propriis facultatibus fundaverunt novam nostri ordinis abbatiam. Ad ipsum locum accessimus inter festum epiphaniae210 et purificacionem211 virginis gloriose212 eiusdem anni eum inspicientibus cum omnibus suis circumstanciis, diligenter summam assignatorum reddituum subtilius exstimantes213 et omnem cautelam et diligentiam, quam potuimus et tali negocio fore necessariam intelleximus, adhibentes. Communicato quoque colloquio comitis antedicti eiusque pio ac favorabili in parte hac plenius indagato proposito, in facto quidem placito, set214 multo amplius et copiosius in promisso. Tandem ad domum de Cesarea215 nostri ordinis, ad quam spectat dicte nove abbacie filiacio216 ex commissione capituli generalis personaliter accessimus, ubi totum conventum senes videlicet et iuvenes convocantes217 nostrum processum eis plene218 exposuimus viva voce requirentes eorum consilium et consensum, quo plene, libere et concorditer optento219 pulsati denuo antedictorum precibus instantissimis fundatorum sexta220 feria proxima ante prenotatum221 festum purificacionis virginis gloriose222 capitulo dicte domus Cesariensis223 presente abbate et conventu more solito presidentes,224 prefatum locum Stams225 sentencialiter approbavimus et ordini nostro incorporavimus cum omnibus suis appendenciis presentibus226 videlicet et futuris. Eligentes de predicto227 conventu tredecim228 fratres, qui recepta a nobis eligendi libera facultate fratrem Henricum dictum de Honstetten229 sibi in abbatem rite et canonice elegerunt. Hiis230 igitur secundum consuetudinem ordinis consumatis, iam dictum abbatem cum suis fratribus ad sepedictum locum Stams231 misimus cum libris et calicibus ac aliis utensilibus sibi necessariis, quibus nec carere poterant nec debebant. Iniungentes eisdem in remissionem232 peccatorum suorum, ut ad omnem observanciam regularium statutorum instent crebrius et laborent. Inpendentes233 abbati domus234 de Cesarea,235 quo pro tempore fuerit tanquam visitatori suo, omnem reverenciam, debitam obedienciam236 et honorem. In cuius rei testimonium sigilla nostra presenti pagine237 duximus appendenda ad maiorem evidenciam premissorum.238 Datum et actum anno domini ut supra infra terminum prelibatum239 sexta240 feria prenotata.241

1 Regesta Imperii (künftig RI) V/1/2: Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard. 1198–1272, bearb. von Julius FICKER (J. F. Böhmer, Regesta Imperii V/1/2), Wien 1882, n. 4860a.

2 Josef WEINGARTNER, Die Pfarrkirche von Stams im Oberinntal, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 34 (1913) 147–150, hier 148 f.

3 Hierzu Werner KÖFLER, Zur „staufischen Tradition“ des Stiftes Stams, in: Tiroler Heimat 35 (1971) 111–114, hier 114. Der Sinnspruch war im 18. Jahrhundert noch im Gewölbe der Pfarrkirche zu lesen. Vgl. Hermann WIESFLECKER, Meinhard der Zweite. Tirol, Kärnten und ihre Nachbarländer am Ende des 13. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 16), Innsbruck 1955 (ND Innsbruck 1995 in der Reihe Schlern-Schriften 124), 53.

4 Zum vermeintlichen Papstzitat, das nicht zuletzt durch literarische Adaption – bei Friedrich Maximilian Klinger oder Matthias Claudius, um nur zwei besonders prominente Autoren zu nennen – populär wurde, vgl. etwa Karl HAMPE, Geschichte Konradins von Hohenstaufen. Mit einem Anhang von Dr. Hellmuth KÄMPF, zwei Tafeln und einer Kartenskizze, Leipzig 19423, 314 f.; Enzo PETRUCCI, Art. Corradino di Svevia, in: Enciclopedia Dantesca 2 (1970) 217 f., hier 218. Das Dictum gab Anlass zu modern-politischer Instrumentalisierung; als ein Beispiel hierfür vgl. etwa Hans HIRSCH, Konradin. Sein „Prozeß“ und sein Ende in gesamtdeutscher Beleuchtung, in: Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik, München 1938, 33–46.

5 Christoph HAIDACHER (Bearb.), Pater Wolfgang Lebersorgs Chronik des Kloster Stams (Stiftsarchiv Stams, Codex D 40). Edition und Übersetzung (Tiroler Geschichtsquellen 42), Innsbruck 2000, bes. 8. Zu Lebersorg vgl. Wolfgang G. SCHÖPF, Art. Wolfgang Lebersorg, in: Biographia Cisterciensis. Cistercian Biography online, Version vom 9.12.2020 (Juni 2014), URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Lebersorg,_Wolfgang; Einordnung in die Klostergeschichtsschreibung durch Lav ŠUBARIĆ, Geschichtsschreibung, in: Tyrolis Latina. Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Gründung der Universität Innsbruck, hg. von Martin KORENJAK et al., Wien–Köln–Weimar 2012, 480–504, hier 492–495 (Paul Gay), 495 f. (Wolfgang Lebersorg). Šubarić datiert die Abfassungszeit des Geschichtswerks auf die Jahre nach 1631/ nach 1638. Daneben wurden auch andere Datierungsvorschläge vorgebracht: 1625/40 (Baumann), 1635/40 (Haidacher).

6 HAIDACHER, Lebersorgs Chronik (wie Anm. 5) 8: Per haec tempora venit Neapolim Margaretha (Elisabetha),mater Conradini, multo auro onusta, si forte posset redimere filium quem adhuc vivere existimabat. Reperit tamen casum, et cum aliud in defunctum maternae pietatis officium praestare neque in loco caedis negante id Carolo tumulum erigere potuisset, istum unicum impetravit, ut in alium locum cadaver occisi transferret inididemque oratorium aedificaret ac redititibus divitaret etc. Noch um 1300 rechnete man offensichtlich mit einem Weiterleben, was die Grundlage für den ersten nachweisbaren „falschen Konradin“ darstellt. Vgl. Hermann SCHREIBMÜLLER, Der Schmied von Ochsenfurt. Ein Kulturbild vom Ende der Stauferzeit, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 1 (1949) 96–146.

7 Das Zitat überliefert Kassian HAID, Meinhard II. als Stifter des Klosters Stams, in: Festschrift zu Ehren Oswald Redlichs (Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 8), Innsbruck 1928, 57–72, hier 64; in der Lebersorg-Chronik findet es sich allerdings nicht: Eandem fundandi Stambsensis monasterii ansam et occasionem nempe Conradini necem fuisse plures alii confirmant auctores.

8 Christine Edith JANOTTA, „Mors Conradini vita Stamsii”. Zur Konradinstradition im Kloster Stams, in: Studia Stamsensia 2: Aus Kultur und Geistesleben der Oberinntaler Zisterze in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von Alfred A. STRNAD / Katherine WALSH (Innsbrucker Historische Studien 16/17), Innsbruck–Stams 1995, 7–22, hier 21, geht von mündlichen Traditionen aus; Lebersorgs Begrifflichkeit (auctores) legt eher schriftliche Zeugnisse nahe. S. dazu auch die Bemerkungen im Schlussabschnitt dieser Studie.

9 Vgl. HAID, Meinhard (wie Anm. 7) 63; Hermann WIESFLECKER (Bearb.), Die Regesten der Grafen von Tirol und Görz, Herzoge von Kärnten, Bd. 2: Die Regesten Meinhards II. (I) 1271–1295 (Publikationen des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung 4/1/2), Innsbruck 1952, 11 f., Nr. 31 (s), Zitat 11.

10 HAIDACHER, Lebersorgs Chronik (wie Anm. 5) XI, XXV–XXVII.

11 HAID, Meinhard (wie Anm. 7).

12 KÖFLER, Zur „staufischen Tradition“ (wie Anm. 3); DERS., Die Gründung von Stift Stams, in: Eines Fürsten Traum. Meinhard II. – Das Werden Tirols. Tiroler Landesausstellung 1995. Schloß Tirol, Stift Stams, hg. von Josef RIEDMANN, Innsbruck 1995, 335–360.

13 Josef RIEDMANN, Zur Chronologie der Gründung von Stams, in: Veröffentlichungen des Landesmuseums Ferdinandeum 52 (1972) 223–233; DERS., Wie es zur Gründung von Stams kam, in: Stift Stams. Ein Tiroler Juwel mit wechselvoller Geschichte, hg. von Michael FORCHER, Innsbruck–Wien 2016, 16–25.

14 Heinz DOPSCH / Karl BRUNNER / Maximilian WELTIN, Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter (Österreichische Geschichte 1122–1278), Wien 1999, 408. Zu erwähnen wäre etwa auch Heinrich KOLLER, Die ältesten österreichischen Zisterzen, in: In Tal und Einsamkeit. 725 Jahre Kloster Fürstenfeld. Die Zisterzienser im alten Bayern, Bd. 3: Kolloquium „Die Zisterzienser in Bayern, Franken und den benachbarten Regionen Südostmitteleuropas. Ihre Verbandsbildung sowie soziale und politische Integration, 29.8.–2.9.1988, hg. von Klaus WOLLENBERG, Fürstenfeldbruck 1990, 209–224, hier 219, für den selbstverständlich Stams Meinhards Werk ist (und der Elisabeth gar nicht erwähnt).

15 Romedio SCHMITZ-ESSER, Italienzug Konradins, 1267/68, publiziert am 2.6.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Italienzug_Konradins,_1267/68, eingesehen 04.09.2022; DERS., Stift Stams und seine epigraphischen Quellen. Von der (mythischen) staufischen Gründung zur Fürstengrablege (13.–16. Jahrhundert), in: L’eredità di Federico II. Dalla storia al mito, dalla Puglia al Tirolo. Atti del convegno internazionale di studi (Innsbruck–Stams, 13–16 aprile 2005), hg. von Fulvio DELLE DONNE et al., Bari 2010, 209–240, hier 231 f.; DERS., Meinhard II., Rudolf von Habsburg und das lange Leben Konradins in Österreich, in: Konradin (1252–1268). Der letzte Staufer, hg. von Karl-Heinz RUESS (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 37), Göppingen 2018, 70–87, hier 79, 86 f.; vgl. auch Christina ANTENHOFER, Tirol und die Staufer, in: L’eredità di Federico II., 191–208, hier 202 f.; zuletzt etwa Arnold ESCH, Der Mythos Konradins in Italien und Deutschland, in: Konradin (1252–1268). Eine Reise durch Geschichte, Recht und Mythos. Kolloquium zum 750. Jahrestag der Enthauptung Konradins (Neapel, Università degli studi die Napoli Federico II, 29. Oktober 2018), hg. von Giovanni VITOLO / Vera Isabell SCHWARZ-RICCI, Heidelberg 2022, 147–154, hier 149 („Mythos statt memoria!“).

16www.monasterium.net/mom/AT-StiAStams/Urkunden/fond, Thomas PALFRADER, eingesehen 05.09.2022.

17 SCHMITZ-ESSER, Stift Stams (wie Anm. 15) 236.

18 Vgl. etwa JANOTTA, Mors (wie Anm. 8) 7 f.

19 SCHMITZ-ESSER, Stift Stams (wie Anm. 15) 236.

20 Joseph von HORMAYR, Die goldene Chronik von Hohenschwangau, der Burg der Welfen, der Hohenstauffen und der Scheyren, München 1842, 71–82; HAID, Meinhard (wie Anm. 7) 60 f. Zu ihm Hans WAGNER, Art. Hormayr, Josef Freiherr von, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972) 626 f.

21 WIESFLECKER, Regesten 2 (wie Anm. 9) Nr. 31 (s), 11 f.; DERS., Meinhard (wie Anm. 3) 54–56, hier 54; Karl PIVEC, Das Fragment einer unbekannten Petrus de Vinea-Handschrift in Tirol, in: Festgabe für Hans Kramer, hg. von Franz HUTER (Tiroler Heimat 29/30), Innsbruck–Wien 1966, 201–208, hier 203; hierzu auch JANOTTA, Mors (wie Anm. 8) 7; Ferdinand GELDNER, Konradin, das Opfer eines großen Traumes. Größe, Schuld und Tragik der Hohenstaufen, Bamberg 1970, 121 f. Ferner auch, auf Wiesflecker rekurrierend, Birgitt MAIER, Kloster Kaisheim. Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Zisterzienserabtei von der Gründung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft 1/25), Augsburg 1999, 55, 161–163.

22www.kaisheim.de/de/marktgemeinde-kaisheim/geschichte/kloster/tochter-stams, eingesehen 04.09.2022. Vgl. auch Ottmar SEUFFERT, Das Zisterzienserkloster Kaisheim/Kaisersheim von 1133 bis 1802. Ein geschichtlicher Abriss, in: Kaisheim. Markt und Kloster, hg. von Werner SCHIEDERMAIR, Lindenberg im Allgäu 2001, 54–65, hier 56.

23 Franz HÜTTNER (Bearb.), Die Chronik des Klosters Kaisheim, verfasst vom Cisterzienser Johann Knebel im Jahre 1531 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 226), Tübingen 1902, 86 f.

24 HÜTTNER, Chronik (wie Anm. 23) 113 f.; hierzu Katherine WALSH, „Der Teufel im Glaß“. Eine Teufelsaustreibung in Stift Stams zur Zeit von Margarethe Maultasch, in: STRNAD / WALSH, Studia (wie Anm. 8) 205–212; Hans PÖRNBACHER, Von Handschriften, Bibliotheken und Büchern, in: SCHIEDERMAIR, Kaisheim (wie Anm. 22) 159–169, hier 163 f.

25 Möglicherweise spiegelt die Legende, die von der Besessenheit einer Tochter Meinhards erzählt und um eine Dilemmasituation der benediktinischen Gelübde stabilitas loci und oboedientia kreist, auch Schwierigkeiten Kaisheims im Umgang mit der Klostergründung durch den Görzer wider.

26 JANOTTA