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Jack ist ein ganz normaler Junge, der in einem außergewöhnlichen Umfeld lebt: sein Vater vernachlässigt ihn, seine Mutter ist vor Jahren verschwunden und sein Großvater redet nur noch wirres Zeug. Auf mysteriöse Weise reist er durch die Zeit in das kalte Mittelalter, in ein magisches Land fern unserer Zeit. Dort lüftet er ein düsteres Geheimnis um einen alten, schier unbesiegbaren König, der sich in seiner Festung im Gebirge verschanzt hat. Auf der Reise erlebt er zahlreiche Abenteuer, kämpft gegen seltsame Monster und verliebt sich. Wird er es schaffen, diesen uralten König zu stürzen und wieder in seine Zeit zurückzukehren?
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Seitenzahl: 454
Veröffentlichungsjahr: 2021
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An meine bereits verstorbenen Großväter, die stets über
mich wachen. In meinen Gedanken lebt ihr weiter!
Prolog
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Vor Urzeiten wurde im schwarzen Gebirge auf der mächtigen Schatteninsel ein Eichenbaum gepfl anzt.
Aus den Ästen des Baumes schmiedete der mächtige Magier Beltrion acht mystische Steine, die sich alle in ihren Eigenschaft en und ihrem Aussehen unterschieden. Die Steine verliehen ihren Trägern besondere Eigenschaft en und ließen sie immun gegen Krankheiten werden. Das Wichtigste jedoch war die Kontrolle über die Zeit.
Eine Uhr, die so geschnitzt war, wie es nur die Hochelfen aus Steinheim zu tun vermochten und ein mystischer Stein, der von Beltrion im Schwarzen Gebirge geschmiedet war, machten ihren Träger zum Bezwinger der Zeit. Diese Steine wurden als Symbole der Macht an alle Könige Angeans verteilt und über Jahrzehnte an deren Nachfolger übergeben. Diese nutzten die Energie der Steine, um ganze Völker zu unt erdrücken und sich in großen Kriegen zu schlagen.
Manche Könige wurden so mächtig, dass sie mehrere Steine eroberten. Die Magie in diesem Land breitete sich immer weiter aus. Einem Baum gleich ragten die Äste der Zauberei in alle Teile des Landes. Manche Königreiche wurden machtgierig und führten Krieg gegen die anderen Völker. In blutigen Schlachten mit vielen Verlusten gelang es manchen Königen mehr als nur einen Stein an sich zu reißen. Immer mehr Schlachten tobten über Angean und der Friede, der einst in diesem Land herrschte, ging verloren.
Große Könige eroberten immer mehr Gebiete und Steine, während die kleinen untergingen. Das einst durch Magie und Frieden geprägte Land, wurde nun vom Krieg beherrscht. Doch als alle Hoffnung verloren schien, passierte das Unmögliche.
Die Steine, die von großen Königen geführt wurden, spürten die auflebende Dunkelheit und setzten ihre Energie frei. Mit einem großen Knall radierten sie Angean aus dem pazifischen Ozean aus, es verschwand aus allen Karten dieser Welt: Angean wurde verbannt in eine andere Welt, die parallel zu der Zeit verlief.
Die Steine verloren sich in den verschiedensten Epochen, teilten sich auf zwischen Angean und der Erde. Doch das einst magische Angean war nun in eine parallele Welt verbannt, in der es nur diejenigen erreichen konnten, die mit einem Zeitstein gesegnet waren. Das Land geriet in Vergessenheit und verblasste im Schatten der Erde.
Unter den wenigen verbliebenen Menschen entstand die Legende, dass eines Tages ein Ritter kommen würde, der mit dem Blut eines Mannes aus Angean und einer irdischen Frau gesegnet sei. Dieser würde alle magischen Stämme vereinen und den Bann aufheben. Doch ein neuer, finsterer Herrscher kam empor und die Legende verschwand. Bis zum heutigen Zeitpunkt blieb Angean verbannt. Aber wisset: In der dunkelsten Stunde erglüht das hellste Licht!
Doch bevor ich euch davon erzähle, wie ich selbst nach Angean reiste, begeben wir uns erst mal zurück zum Anfang der Geschichte: Sie begann im lauen Wind eines warmen Sommermorgens, die Reise ins Dunkle Land!
Nun, meine Geschichte begann in einer Kleinstadt in der Nähe der Metropole München. Es war Samstagvormittag, als mein Vater plötzlich nach mir schrie.
Ich war gerade erst 15 Jahre alt, noch von Kopf bis Fuß ein Teenager, an akuter »Puberterietes« leidend, mit den normalen Problemen eines Jungen in diesem Alter. Hätte ich damals gewusst, dass ich bald in ein fernes Land jenseits unserer Zeit reisen und gegen dunkle Könige meinen Kopf riskieren würde, wäre ich vermutlich nicht aus dem Bett aufgestanden.
Doch als mein Vater schließlich aus voller Kehle schrie: »Jack! Steh nun endlich auf. Ich habe dir das Frühstück hingestellt. Wenn du es nicht isst, schmeiß ich es in die Tonne. Also beweg deinen Arsch nach unten!« Schließlich stand ich trotzdem auf. Es war selten, dass mein Vater Frühstück machte. Träumte ich?
Laut gähnend und noch völlig schlaftrunken erhob ich mich aus meinem Bett, schlenderte aus meinem Zimmer hinaus und begab mich auf direktem Weg ins Bad. Ich war in gewisser Weise ein eher verschlafener und fauler Mensch, auch wenn ich es damals nie zugegeben hätte!
Ich hatte feurig brennende Augen und zog mir die alten Sachen vom Tag zuvor noch einmal an, da ich vorhatte, an diesem Tag mit meinem Freund etwas zu unternehmen.
Wir wollten selbstverständlich keine Mädchen beeindrucken, sondern nur ein wenig durchs Dorf laufen. Deswegen entschied ich mich, eine bequeme Trainingshose und ein altes Trikot meines Lieblingsvereines anzuziehen.
Anschließend ging ich die wenigen Stufen in den ersten Stock, öffnete die Tür und da überraschte er mich: Der unbeschreiblich gute Geruch von Essen. Es war selten, dass mein Vater kochte und noch seltener, dass er mich zum Essen rief.
Er war alles anders, seitdem Mutter verschwunden war. Meinen Vater hat es am meisten mitgenommen. In unserer kleinen Holzküche angekommen, nahm ich als erstes das Essen ins Visier. Ich setzte mich auf den Holzstuhl und wollte gerade über das Frühstück herfallen, als ich einen Zettel direkt neben meinem Teller bemerkte.
Auf diesem bunten, kleinen Papierfetzen stand in der grauenvollen Handschrift meines Vaters, die den Hieroglyphen aus Ägypten glich, geschrieben:
»Guten Morgen Jack, bin zum Einkaufen. Bin ca. 13 Uhr zurück. Bring den Müll raus, er stinkt fürchterlich!«
Ich mochte es eigentlich gar nicht, wenn man mich allein lässt, doch Einkaufen muss nun mal sein, zumal unser Kühlschrank, wie immer, mehr als leer war. Ich war Einzelkind, was in solchen Situationen echt blöd ist.
Immerhin war ich nicht ganz allein: Ich hatte schließlich noch meinen Stubentiger. Er war mir das treueste Familienmitglied!
Spiegelei und frischer Speck warteten auf dem Teller. Während ich so aß und nachdachte, fiel mein Blick auf die Tageszeitung.
Wo hätte mein Leben mich hingeführt, wäre ich nicht in Angean gelandet. Ich öffnete die Zeitung und sah einen Artikel über das bevorstehende Phänomen eines Sternschnuppenregens, der schon am nächsten Tag stattfinden sollte! Da musste ich dabei sein. Zu einer willkommenen Abwechslung in meinem faden Leben sagte ich nie nein. Außerdem sagte eine innere Stimme tief in mir, ich solle dieses Ereignis auf keinen Fall verpassen.
Hätte ich nicht die Reise nach Angean angetreten, hätte ich ein ganz normales Leben als Schüler an der Thormon-Fried-Realschule geführt. Doch es waren andere Wege für mich geplant. Vermutlich würde ich sowieso wieder keine Sternschnuppe sehen, das dachte ich zumindest.
Desinteressiert blätterte ich weiter. Doch auf den folgenden Seiten war nichts Interessantes zu finden, nur Werbung der Discounter in der Nähe und ein Feld mit vermissten und kürzlich verstorbenen Personen.
Außerdem waren da noch langweilige Berichte, die ich nicht lesen wollte, und Reportagen zu Themen, die ich schon kannte. Nachdem ich dem Rest der Zeitung ein paar gelangweilte Blicke zugewandt hatte, stand ich auf und sah an dem an der Wand hängenden Bild vorbei auf die Uhr.
Die Zeiger standen bereits auf elf Uhr, dem Zeitpunkt, an dem ich mich mit meinem Freund treffen sollte. Wenn ich so darüber nachdenke, hatte mir die Zeit schon immer übel mitgespielt!
Eilig schob ich mir den letzten Bissen in den Mund und schluckte ihn hastig hinunter. Anschließend flitzte ich in die alte Garage hinüber.
Dort war alles ziemlich verdreckt. Altes Werkzeug von meinem Vater lag auf einer noch älteren Werkbank, es war super verstaubt. Ich ging auf ein paar Blechschränke zu, vorbei an unserem zweiten Auto, einem VW Polo. Dad hatte ihn, den alten Polo, nicht mehr benutzt, seitdem Mutter verschwunden war.
Vor ein paar Jahren war sie einfach verschwunden und nie mehr aufgetaucht, so als hätte es sie nie gegeben. Einige sagten, sie wäre mit einem Arbeitskollegen nach Amerika abgehauen, doch das konnte ich nicht glauben und wollte es nicht wahrhaben. Da glaubte ich doch lieber die durchgeknallte Geschichte meines Opas.
Durch die Garage ging ich nach draußen. Ich fühlte die Wärme der Sonne auf meiner Haut und genoss das Gefühl, frei zu sein. Plötzlich hatte ich das Gefühl, es sollte die letzte Wärme für lange Zeit sein!
Zuhause angekommen, duschte ich mich, aß zu Abend und sah fern. Und nach wenigen Stunden begann allmählich das Spektakel – die ersten Sternschnuppen fielen vom Himmel!
Ich ging mit breitem Grinsen die Treppen hinauf, durch das Zimmer meiner Eltern, bis auf den Balkon.
Vom Balkon aus hatte ich einen Ausblick auf das halbe Dorf. Ich sah den Waldrand, der sich, umgeben von unzähligen Wiesen und Feldern, in der Nähe unseres Dorfes entlangschlängelte. Kurz vor dem Waldrand, befand sich ein kleines Haus, oder eher eine Hütte, das jetzt im kühlen Abendnebel völlig versunken schien. Die Hütte war kurz davor, einzubrechen. Sie war das Haus meines verrückten Großvaters.
Ich hatte ihn früher, als Mama noch bei uns lebte, wahnsinnig gerne besucht. Aber seitdem er mit diesem dummen Zeitreiseschwachsinn und der magischen Welt jenseits unserer Zeit angefangen hatte, durfte ich ihn nicht mehr besuchen. Er war von Kopf bis Fuß verrückt, so dachte ich zumindest.
Mich hätte es ja brennend interessiert, was er gerade so trieb. Aber naja, das würde ich wohl nie erfahren. Opa hatte es nicht mal wirklich interessiert, dass meine Mutter verschwunden war, obwohl sie doch sein einziges Kind war. Manchmal dachte ich darüber nach, ob Großvater etwas zu Mutters Verschwinden beigetragen hatte, doch das war vermutlich nur ein Hirngespinst eines zutiefst verängstigten Kindes, welches gerade seine Mutter verloren hatte. Aber nun genug davon.
Ich hätte eher in den Himmel sehen sollen, wo sich das eigentliche Event abspielte. Ich dachte sowieso schon genug über dieses Thema nach. Doch schließlich beschloss ich, alles hinter mir zu lassen und nur in die Zukunft zu blicken, und deswegen sah ich nach oben. Die Sternschnuppen waren wunderschön, bedeckten den klaren Sternenhimmel und erhellten die Nacht. Die Sternschnuppen flogen alle über unser Haus und verglühten langsam auf ihrem Weg in Richtung Waldrand oder Dorf. Es war bereits später Abend und ich wollte ins Bett, der Tag hatte mich sehr erschöpft.
Letztendlich verstand ich den Sinn der Sternschnuppen nicht, denn diese Wünsche gingen niemals in Erfüllung. Trotzdem hatte ich mir etwas gewünscht. Da ich mir bewusst war, dass es reiner Aberglaube war, dachte ich an den verrücktesten und wichtigsten Wunsch, der mir einfiel: Die Rückkehr meiner Mutter.
Egal wo sie gerade war, sie hatte ein großes Stück meines Herzes mitgerissen und eine Leere in mir hinterlassen. Wieso nur hatte sie das getan? Jedes Mal, wenn ich über sie nachdachte, versank ich tiefer in Gedanken. Es war Sommer, aber trotzdem wurde es langsam kühl.
Die laue, feuchte Luft strömte mir in die Nase. Mein Vater schlief bereits, er war mal wieder betrunken. Das war er ständig, seit Mutter verschwunden war. Vermutlich hatte er vor ein paar Stunden angefangen zu trinken. Er lag weit aufgedeckt im Bett, schnarchte wie ein Schwein und bewegte seinen Kopf ruckartig auf seinem Kissen hin und her. Auch wenn ich es nicht ausstehen konnte, dass er trank, und ich deswegen wütend war, ging ich kurz in das Zimmer meines Vaters und deckte ihn zu. Sein Atem roch nach ekelhaftem Alkohol. Mit zugehaltener Nase ging ich wieder auf den Balkon. Die kühle Luft der Nacht brannte ein wenig in meinen Augen und machte mich müde. Also beschloss ich, nachdem ich immer öfter die Augen schließen musste und sie nur noch mit aller Kraft aufhalten konnte, ins Bett zu gehen.
Es war inzwischen kurz vor Mitternacht und auch wenn es auf Dauer ein ziemlich fades Spektakel war, hoffte ich inständig, es würde sich etwas ändern an meinem Leben. So konnte es nicht mehr weitergehen! Später stellte sich heraus, dass das Warten sich auf jeden Fall gelohnt hatte.
Bis jetzt hatte ich nur zwei mickrige Sternschnuppen gesehen. Ich gähnte und wollte mich gerade umdrehen, als dann ein großes, grünes Leuchten den ganzen Sternenhimmel erhellte. Ich sah es im Augenwinkel: Ein hell aufflackerndes grünes Licht, wie ein Wetterleuchten, erhellte die Nacht.
Es strahlte so hell, dass sich mein Schatten an der Wand vor mir abbildete. Vorsichtig sah ich über meine Schulter und drehte meinen Oberkörper. Mein Herz begann, schneller zu schlagen und mein Körper krampfte sich instinktiv zusammen. Als ich einen kurzen Blick riskierte, war ich so geblendet, dass ich für kurze Zeit nichts mehr sah. Es war alles so hell! Meine Augen fühlten sich an, als würde ich aus einer tiefen Schlucht kommen und das erste Mal für lange Zeit Tageslicht sehen. Schützend hielt ich meine Hand vors Gesicht und blinzelte im Sekundentakt. Mein Puls raste! Aus dem gewaltigen grünen Licht trat plötzlich eine große Sternschnuppe hervor.
Der Moment dauerte nicht allzu lange, doch die Erinnerung daran kam mir wie eine Ewigkeit vor. In diesem Augenblick spürte ich jeden einzelnen Muskel meines Körpers und mein Herz pochte immer lauter in meiner Brust. Die große Sternschnuppe war nicht wie all die anderen kleinen Punkte am Horizont. Nein, sie schwebte nur ungefähr 20 Meter über mir.
Sie war mindestens fünf Mal so groß wie die hellen Punkte aus Licht, die man sonst sah und leuchtete außerdem auch viel heller. Es war auch nicht wirklich weißes Glühen, sondern eher ein wenig grünlich. Als ich es sah, war ich erst erstaunt und geschockt, musste mich redlich bemühen, nicht laut aufzuschreien und meinen Vater nicht zu wecken. Ich hatte in diesem Moment ziemliche Angst, denn wer sieht schon eine riesige, grüne Sternschnuppe.
Ich dachte, dass ich träumen würde, da mir alles so unwirklich vorkam. Wenn das mein Vater gesehen hätte. Doch selbst wenn, er hätte es wahrscheinlich eh nicht mitbekommen. Mein Herz pochte immer lauter. Die Sternschnuppe flog erstaunlich lange und erhellte den Sternenhimmel heller als der Mond es jemals vermochte. Normalerweise verglühten die Sternschnuppen nach ein paar Sekunden, aber diese nicht. Sie flog immer weiter auf den Waldrand zu. Oh nein! Sie wird doch wohl nicht in den Wald einschlagen.
Doch kurz nach diesem Gedanken schlug sie ein, mitten in den Wald, ohne irgendein Geräusch oder irgendein Zeichen. Alles war, als wäre es niemals passiert. Im selben Moment spürte ich einen Stich in meiner Brust, so stark, als hätte sich ein spitzer Pfeil in mich gebohrt.
Jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass ich träumte. Um das abzuklären, schlug ich mir sanft ins Gesicht.
Ich spürte den Schmerz und mir war klar, ich war voll und ganz im Hier und Jetzt. In diesem Moment hatte ich eine höllische Angst, doch nicht vor der Sternschnuppe, sondern vor mir selbst. Was, wenn auch ich nun verrückt wurde? Was, wenn es mir erging wie Großvater? Die Gedanken tummelten sich in meinem Kopf.
Schließlich rannte ich in das Zimmer meines Vaters. Allein schon wegen des hellen Lichts hätte er normalerweise aufwachen müssen, doch er schlief tief und fest, machte kein Anzeichen, dass je etwas geschehen war. Ich schob selbstverständlich alles auf den Alkohol.
Erschrocken, schossen mir tausende Gedanken durch den Kopf. Aber mein Vater ließ sich nicht wecken, egal wie ich ihn drehte und wendete. Er schlief wie ein Baby! Was, wenn dort ein Feuer ausbrechen würde, Opa wohnt ganz in der Nähe!
Ich hielt mir die Hände an den Kopf und versuchte, mich zu sammeln, ging schließlich tief in mich und beruhigte mich. Versuchte, mir einzureden, dass es nie passiert war und ging ins Bett. Das klappte soweit ganz gut, denn es dauerte nicht lange, bis meine Augen zu und zufielen und mein Atem sich verlangsamte. Doch ich sah stetig dasselbe Bild vor mir. Ich sah mich, hell leuchtend in der Sternschnuppe. Doch was hatte das zu bedeuten? Schließlich sprach eine laut hallende Stimme, die sich in meinen Kopf breit machte: »Jack! Mach dich auf den Weg, du wurdest von mir auserwählt!«
Schweißnass sprang ich auf, zog mir ein anderes T-Shirt über.
»Lass mich in Ruhe!«, rief ich laut und verängstigt. Vielleicht sollte ich meinem Opa einen Besuch abstatten. Das war das Einzige, das mir nun sinnvoll erschien! Mit meinem Vater wollte ich nicht reden und da ich nun selbst verrückt wurde, dachte ich, es wäre das Richtige, mit Großvater zu sprechen.
Wenn er mir sagen konnte, was ich gesehen hatte, dann war er vielleicht doch nicht seltsam. Oder ich wurde wirklich verrückt. Ich rannte aus dem Haus über eine nasse Wiese zur Hauptstraße, dann sofort weiter auf den Feldweg, an dessen Ende ich bereits das Haus von meinem Opa sah.
Eine kleine Laterne leuchtete an der aufwendig geschnitzten Holztür und erhellte ein kleines Stück seines verwahrlosten Gartens. Gestrüpp und Unkraut füllten die Leere seines Grundstückes.
Es war Vollmond, was schließlich alles noch seltsamer machte. Ich spürte die kühle, feuchte Nachtluft auf meinem Gesicht, und wie sie meine Augen zu Tränen zwang. Ich hörte das Heulen einer Eule im Wald und das Geraschel der Bäume, die durch das wenige Licht wie Silhouetten im sanft en Wind vor mir tanzten.
Erneut, doch nur von kurzer Dauer, schoss Adrenalin durch meinen Körper. Ich war wie in einer anderen Welt, einer düsteren, verlassenen Welt! Vorsichtig trat ich langsam an die Holztür, meine Stiefel knirschten im Sand des Feldweges.
Vorbildlich klopfte ich, meine Hand zu einer Faust geballt, an die Tür. Als niemand reagierte, trat ich vorsichtig ein. Die Tür war weder verschlossen noch war mein Großvater da. Ich trat ein und bewegte mich, nachdem ich die Tür vorsichtig hinter mir geschlossen hatte, auf dem knirschenden Holzboden vorwärts.
»Großvater? Hast du kurz Zeit?«, fragte ich. Womöglich schlief er, oder er war nicht zugegen. Neugierig schritt ich weiter durch das alte, verlassene Haus. Man hörte jeden einzelnen Schritt auf dem dunklen Holzboden. Mit meinen Augen ganz schnell hin und her schauend, sah ich eine alte Küche mit vielen vertrauten Gegenständen.
Da waren zum Beispiel eine alte Holzkelle und ein Kochlöffel. Ein Wohnzimmer gab es in dieser kleinen alten Hütte nicht. Es lag stattdessen ein alter Teppich in der Mitte des Raumes, auf dem ein knirschender Holzstuhl stand.
Die ganze Hütte bestand nur aus einem einzigen Raum, das Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche beinhaltete. Ein paar einzelne Fenster ließen die hellen Strahlen des Vollmondes hinein und erhellten die Hütte.
Mein Herz schlug schneller und ich atmete angestrengt leise die kühle Luft ein und aus.
Fast alles an diesem Ort bestand aus Holz, nur das Bett nicht. Das Bett bestand aus einer echten Matratze, die auf einer flachen Betonebene lag. Die Matratze war ganz gelb und hatte schon viele Löcher.
Ob man darauf noch schlafen konnte? Wieso hatte er sie nicht ausgewechselt? Als Kopfkissen diente ein kleinerer Teppich, der zu einer Rolle zusammengerollt war.
Die Decke war ein Badehandtuch, das wir ihm damals geschenkt hatten. Es waren ganz viele bunte Fische darauf. Es war also nicht gerade die perfekte Bettdecke, außerdem viel zu dünn, um im Winter ausreichend Wärme zu bieten. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass er dort schlief und das tat er im Moment auch nicht. Er war nirgends zu sehen! Wo also war er?
In der Hütte war es eiskalt! Durch die vielen Löcher in der Wand pfiff der kühle Wind hindurch. Es war alles verlassen. Wohnte er überhaupt noch hier? Warum bin ich überhaupt hier?
Was hatte ich mir nur dabei gedacht, um Mitternacht zu meinem verrückten Großvater zu gehen? Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, es wäre kindisch, zu denken, dass ich wirklich etwas gesehen hatte!
Doch ich glaubte an das Schicksal, ich hoffte wirklich darauf, es würde sich etwas ändern.
Mein Leben könnte interessanter werden oder meine Mutter würde zurückkehren. Nein, ich bildete es mir nur ein! Es war nichts, und alles blieb so, wie es war! Um zu Mitternacht durch Kälte und Nebel zu stapfen und die alte Hütte seines Großvaters aufzusuchen, der gar nicht dort war, brauchte man eine blühende Fantasy.
Das einzig nahezu Lebende, dass ich in der Hütte fand, war ein Pilz auf der Arbeitsfläche der Küche. Das war der offensichtliche Beweis, dass in der Hütte doch jemand lebte.
Ein mulmiges Gefühl überkam mich, mein Großvater hätte jeden Moment eintreten können.
Schließlich taumelte ich vorsichtig und angespannt an die kleine Arbeitsfläche heran. Der Pilz, den ich so genau untersuchte, war ein Maronenröhrling.
Eine große Wolke schob sich vor den Mond und verfinsterte die Erde. Mit einer kleinen Taschenlampe leuchtete ich ein wenig die Küche aus. Das Lichtfeld war nicht besonders groß und die Lampe leuchtete nicht sehr hell.
Anschließend richtete ich das Licht an die alte Holzwand, doch das Einzige, was ich erkennen konnte, war ein altes Bild, das an der Wand hing. Darunter war der Name meines Großvaters in komischer Schrift geschrieben. Interessiert trat ich näher an den Schriftzug heran.
Wilhelm Müller.
Als ich das Bild genauer studierte, kam eine dunkel gekleidete Gestalt durch die Tür. Ich bemerkte es erst, als der Boden knirschte.
In diesem Moment stach etwas in mir, jeder einzelne Muskel meines Körpers zog sich zusammen und mein Herz raste wild. Ich sah gerade noch, wie diese Gestalt ihre schwarze Kapuze herunternahm und ihre grau glänzenden Haare offenbarte. Mit einem alten Hemd am Leib kam er hervor. Er hielt einen gut gefüllten Korb mit Pilzen in der Hand.
Dann fiel ich das erste Mal in meinem Leben für kurze Zeit in Ohnmacht. Eine Stunde später schreckte ich verschwitzt in dem sogenannten Bett von meinem Großvater auf, ich war mit eben der Decke zugedeckt, die ich kurz davor noch begutachtet hatte.
Die Hütte sah jetzt nicht mehr ganz so alt und schlimm aus, da alle Kerzen leuchteten und sogar eine alte Lampe brannte. Ich zuckte nochmals kurz zusammen, als ich den alten Mann, der offensichtlich mein Großvater sein musste, sah. Ich war nun nicht mehr so stark aufgeregt.
Mein Großvater sah müde auf den Herd, eines der wenigen elektrischen Geräte, die er besaß. Dass es für sein abgelegenes Haus überhaupt einen Stromanschluss gab, grenzte an ein Wunder.
Er hatte gerade einen Tee gekocht und brachte ihn mir ans Bett, mit rauer tiefer Stimme knurrend: »Was machst du so spät am Abend bei mir? Ich find es ja toll, dass du mich mal wieder besuchen kommst, aber um diese Zeit?« Ich sah ihn mit müden Augen an.
»Naja, eigentlich wollte ich dich etwas fragen!«
»Und was wolltest du mich fragen?« Er verzog fragend das Gesicht. Er machte den Eindruck, als würde er genau wissen, was ich als Nächstes sagen würde. Als ich dann aber erklärte, dass ich einen grünen Meteoriten gesehen hatte, der ganz in der Nähe eingeschlagen war, fielen seine Mundwinkel nach unten und er drehte sich um.
Es schien so, als würde er überlegen. Ich vermutete, er würde mich gleich für verrückt erklären, doch so war es nicht. Seine Antwort war genau gegensätzlich zu dem, was ich erwartet hatte: »Du hast ihn also auch gesehen, der Stein hat jemanden erwählt«, meinte er und räusperte sich ständig. Selbst ein blindes Huhn hätte seine leichte Aufregung bemerkt, was also wollte er vor mir verbergen?
»Der Stein hat jemanden erwählt?«, murmelte ich leise nach. »Ja! Er hat seinen Champion gefunden, nur er weiß, wo sich der Stein befindet!«
»Welcher Stein, wovon sprichst du?«
»Nun, alte Legenden erzählen von einem magischen Land, einst befand es sich auf der Erde, doch nun weiß niemand mehr, wo es ist. Das Letzte, das den Menschen aus diesem Land blieb, waren mystische Steine«, begann er zu erklären.
Er hatte sich bereits in Rage geredet, als ich aufstand, meine Tasse zur Seite stellte und Richtung Tür ging.
»Großvater, dass ist krank, hör doch bitte mit diesen staubtrockenen Geschichten auf. Es war sicherlich nur ein einfaches Wetterleuchten, das wir gesehen haben!«
»Nein Jack, warte! Der Stein der Zerstörung hat dich auserwählt, er hat dir seinen Weg gezeigt, ist es nicht so?«, rief er mir laut hinterher. Interessiert und neugierig schloss ich die Tür und trat erneut hinein. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit kritischem Blick in die Augen.
»Du hast es doch sicherlich selbst schon gespürt, der Stein ruft dich. Dein Schicksal verlangt nach dir. Angean ist in Gefahr, ich spüre es. Dein Vater hat dir den Stein geschickt, um diese Gefahr zu beseitigen!«
»Was redest du da? Mein Vater schläft tief und fest!« »Nein! Um Gottes Willen, ich meine doch nicht den Trunkenbold. Du wurdest auserwählt, du musst Angean retten!«
»Großvater, du bist nett, doch leider weit davon entfernt, die Wahrheit zu sagen. Ich hatte gehofft, du könntest mir etwas über meine Mutter erzählen«, sprach ich und kehrte ihm erneut den Rücken zu.
»Jack, nein, du würdest so viele in Gefahr bringen, wie auch deine Mutter«, erklärte er. Anschließend drehte ich mich zu ihm und klopfte ihm auf die Brust. Mit Tränen in den Augen sagte ich: »Sprich nie wieder von meiner Mutter, sie hat mich verlassen, ist nach Amerika gegangen und hat mich allein zurückgelassen.«
»Deine Mutter ist nicht in Amerika. Auch ihr bot sich damals diese Chance. Sie wollte sie anfangs auch nicht, doch sie hatte keine Wahl, andernfalls …«
»Andernfalls was?«, fauchte ich ihn an, wütend wischte ich mir die Tränen aus den Augen.
»Andernfalls hätten sie dich geholt, die roten Ritter! Höre auf mich! Du wirst heute Nacht deine letzte Chance erleben. Dir wurde dein Wunsch erfüllt, nun ergreife ihn!«
»Du bist doch wahnsinnig!«, rief ich und verließ die Hütte. Ich ließ Opa einfach inmitten des Raumes stehen und ging niedergeschlagen nach Haus. Dort schlief ich aller Hoffnungen beraubt schließlich ein.
Und am Morgen darauf war ich todmüde, fühlte mich wie gerädert, als hätte ich einen Kater. Doch ich hatte auch einen seltsamen Traum gehabt.
Alles war so seltsam, er hatte mich öfters wachgehalten, dieser Traum!
Ich stand auf einer großen Wiese neben einem uralten Weg. Ein frischer, kühler Wind wehte mir durch die Haare, ich war aufgeregt und mein Herz klopfte schnell.
Hastig sah ich mich um, in meiner Nähe stand ein Mädchen, es war ungefähr in meinem Alter, hatte blondes langes Haar und traumhafte blaue Augen.
Ihr Gesicht war wunderschön, ihre rechte Wange ein bisschen voller Erde, doch sie sah aus … – es war nicht in Worte zu fassen.
Alles war schön, aber plötzlich rief sie mir mit aufgeregter Stimme zu: »Komm, wir müssen gehen, auf was wartest du denn? Die Ritter, sie kommen!«
Sie sprach mit der Stimme eines Engels, jedoch klang sie so, als würde man sie bedrohen.
Merkwürdig war nicht nur, dass ich Gefühle für sie hatte, nein, der ganze Traum wirkte gar nicht wirklich wie eine Vorstellung.
Nein, der Traum kam mir wie eine Erinnerung vor, eine Erinnerung an etwas, dass noch gar nicht geschehen war.
Kurz darauf sah ich nur noch die brennende Farbe Rot und schreckte auf. Für ein paar Stunden ging mir dieser Traum gar nicht mehr aus dem Kopf
Während ich meine Hausaufgaben erledigte und die Fächer für den kommenden Tag vorbereitete, konnte ich mich nicht konzentrieren. Ich dachte immer nur an den Traum und an dieses Mädchen.
Auch wenn Schularbeiten IMMER purer Scheiß waren, diesmal aber hatte ich überhaupt keinen Bock.
Vielleicht lag es an Großvater. Das seltsame Gespräch von gestern Nacht hatte mir vermutlich diese Ideen eingeflößt.
Naja, das war vermutlich eh nur ein Traum und hatte nichts mehr zu bedeuten, oder?
Ich raufte mir die Haare, spielte mit dem Gedanken, Opa erneut zu besuchen. Ich wollte Antworten, doch im Grunde genommen auch wieder nicht. Mist!
Gesagt, getan, rannte ich erneut zu Großvater. Aufgeregt und wissbegierig, von Neugierde aufgeweckt, wer das Mädchen sein konnte.
Mein Vater bekam von alle dem nichts mit, er schlief seinen tiefen Rausch noch immer aus.
Lauthals platzte ich buchstäblich durch die Tür: »Großvater, du sagtest, ich hätte eine letzte Chance«, keuchte ich laut.
»Was zum …! Jack? Du kannst doch einfach anklopfen?«, fauchte er mich erschrocken an und setzte sich mit gerunzelter Stirn auf einen der alten Stühle nieder. Einen Moment lang war alles still: »Du hast dich also doch dafür entschieden, deinen verrückten Großvater nochmals zu besuchen, ja?« Er hob genervt die Augen.
»Es tut mir leid, doch ich wollte nicht nochmal verletzt werden!«
»Jaja, das macht nichts, ist schon gut!«
»Nun, du meintest, ich hätte eine letzte Chance? Ich hatte einen Traum von einem Mädchen, sie war in Panik und sprach mit mir. Doch ich konnte mich weder an sie erinnern, noch an die Situation im Allgemeinen.
Großvater lachte: »Kaum sieht ein pubertierender Junge ein Mädchen, glaubt er plötzlich an Elfen!
Das Mädchen, das du gesehen hast heißt Otilia, sie lebt in Angean!«
Ich musste grinsen, wurde aber anschließend wieder ernst: »Du meinst, wenn ich sie gesehen habe und sie mit mir gesprochen hat, werde ich auch irgendwann nach Angean gelangen?«, hakte ich interessiert nach, die Stirn in Falten legend.
»Ja, das wirst du und das solltest du auch. Wenn ein Zeitstein dich auserwählt hat, bist du der Einzige, der Angean nun noch helfen kann«, erzählte er. Er war bereits so in Rage geredet, dass es sich beinahe so anhörte, als wäre er dem neusten Fantasy-Buch entsprungen!
»Es wird kein Weg daran vorbeiführen, oder?«
Er schüttelte betrübt den Kopf, anschließend ging er langsam zu einem alten Schrank und kramte darin. Seltsame Gegenstände hausten in dessen Inneren: Eine alte Halskette, eine Uhr, ein verrostetes Schwert und ein mysteriöser blauer Stein.
Langsam kniete er und wanderte mit seiner Hand über die Gegenstände. Plötzlich griff er zu dem Stein, hielt dann aber doch inne.
Anschließend griff er langsam zu der Uhr und überlegte zaghaft. Doch dann drückte er mir das Gerät aus aufwendig geschnitztem Eichenholz einfach in die Hand.
Welcher Mann war imstande, solche filigranen Verzierungen in ein selbst schon so kleines Uhrenkästchen zu schnitzen?
»Na los, nimm sie! Sie wurde in Steinheim gefertigt, der Hochburg der Elfen!«
Ich sah die Uhr neugierig an. Anschließend blickte ich zu ihm, zog eine Augenbraue nach oben und fragte ihn: »Du glaubst doch nicht wirklich an Elfen, oder?«
»Doch natürlich, jeder kennt doch die Geschichte der Elfen. Naja, jeder aus Angean!
Die stolzen Handwerker und schlauen Köpfe, die durch den Segen oder die Verachtung des Baumes der Entscheidungen zu Elben oder Externiern werden!«
Er fügte leise hinzu: »Schau sie dir doch mal genauer an. Die Uhr!« Zögernd sah ich auf das Ziffernblatt, erstaunt kniff ich meine Augen zusammen und runzelte die Stirn.
Anstatt Zahlen hatte sie Punkte, vier an der Zahl. Alle versehen mit knalligen Bemalungen. Die Drei und die Neun waren durch einen weißen Punkt ersetzt.
Auf der Zwölf lag ein brauner Punkt und auf der Sechs ein blauer. In der Mitte der Uhr war ein Feld, auf dem 2020 geschrieben stand.
Es befanden sich drei verschiedene Zeiger auf dem Ziffernblatt, der längste war schwarz, der mittlere war rot und der kleinste grau.
Ich sah meinen Großvater verwirrt an, traute mich aber nicht, zu fragen, was das zu bedeuten hatte.
»Schwarz für das Zeitalter, Rot für den Monat, und Grau steht für den Tag, an dem du reisen willst.«
»Schwarz für Zeitalter?«, murmelte ich leise. Er sagte nichts.
»Der große Knopf an der Spitze der Uhr, ist für die Reise nach Angean, dort gilt natürlich dieselbe Zeitwissenschaft wie hier«
Es stimmte, was er sagte: Das Filigranste und Aufwendigste an der Uhr war der Holzknopf an ihrem oberen Ende. Verdreht wie eine Wendeltreppe und mit Dutzenden von eingeritzten Verzierungen türmte er auf der kleinen Uhr.
Das Ziffernblatt bestand aus zwei Schichten: Auf der ersten waren Januar, Februar und die restlichen Monate, auf der zweiten die Zahlen von Eins bis Einunddreißig angegeben.
Dieses zweite Ziffernblatt, dass nur zur Hälfte unter dem ersten hervorragte, zeigte den Tag und den Monat des Reisedatums an.
Ich wusste schließlich, dass Großvater nicht mehr ganz richtig tickte, aber ich hätte niemals gedacht, dass er gleich so verrückt war, sich eine eigene Uhr bauen zu lassen.
Nun, er war erst 65, also konnte es kein Alzheimer sein, vermutete ich.
Er hatte selbst auch eine Uhr am Handgelenk. Ich wusste jedoch nicht, ob es die Gleiche war, oder nicht.
»Du willst doch deine Mutter so schnell wie möglich retten, oder?«, fragte er, als ich nach einiger Zeit zu ihm sah.
»Koste es, was es wolle!«
»Der Stein hat dich auserwählt, da du ein starkes Herz hast! Wirst du deine Mutter retten wollen, wird er dich zu ihr führen. Doch sei gewarnt: In den Sümpfen von Angean leben Kreaturen von enormer Stärke, die du noch nie zuvor gesehen hast«
»Du meinst, ich solle jetzt gleich aufbrechen? Das geht nicht«, debattierte ich und sah ihn entsetzt an.
»Wolltest du nicht deine Mutter retten, um jeden Preis?«
»Ich kann mich doch nicht einfach ins Blaue aufmachen, ich sollte mich zuerst ausrüsten mir eine Karte über Angean anlegen! Ich kann beim besten Willen nicht Mal ein Schwert anheben.« Ich starrte ihn an: »Ich brauche noch etwas Zeit!«
»Bis dahin könnte deine Mutter bereits tot sein!«
»Du meinst also, ich soll so, wie ich jetzt bin, in ein magisches Land reisen, dass voll von gefährlichen Monstern ist?«
»Ja! Der Stein hat dich nicht umsonst ausgewählt. Er wird dich schützen und dir übernatürliche Kräfte verleihen, du wirst schon sehen!«
Auch wenn ich gerne zu Superman oder Doctor Strange werden würde, glaubte ich nicht an das alles. So schön es auch wäre.
»Ich habe doch nicht einmal eine Waffe!«
»Um das werde ich mich kümmern, wenn es so weit ist, nun jedoch solltest du deinen Stein suchen«, rief er und scheuchte mich aus seinem Haus.
Nun war ich mir ziemlich sicher, dass Großvater wirklich nicht mehr alle Latten am Zaun hatte, oder etwa doch?
Die Uhr steckte ich mit größter Vorsicht in meine Hosentasche. Ich blickte in den Wald, der sich hinter Großvaters Haus erstreckte.
Dort musste der Stein eingeschlagen sein!
Vorsichtig trat ich über kleine Dornenbüschel in den Wald. Umringt von Bäumen und begleitet vom Geruch nach nasser Erde und den verschiedensten Vogelgeräuschen ging ich weiter.
Die Sonnenstrahlen, wie sie sich ihren Weg durch die lichten Stellen der dichten Baumkronen bahnten, und die Spinnenweben, deren einzelne Fäden von feuchtem Tau benetzt waren, untermalten die Tatsache, dass ich gerade am Suchen eines Zeitreliktes war. Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen und atmete tief ein und aus.
Der Stein war ungefähr 200 Meter weiter im Inneren des Waldes eingeschlagen. Wenn es stimmt, was Großvater meinte, sollte er noch immer dort sein! Sollte ich tatsächlich nachsehen?
Von Neugierde angetrieben, ging ich tiefer in den Wald hinein, kreuz und quer durch das wilde Meer aus Bäumen, weit entfernt von Wanderwegen und irgendwelchen Menschen.
Ich sprang in jede Himmelsrichtung, durchkämmte jeden Busch, doch selbst nach mehreren Stunden fand ich den Stein nicht. Der Wald war nicht riesig, ich hätte den Stein schließlich schon längst gefunden haben müssen, doch vermutlich spürte der Stein meine Zaghaftigkeit.
Der Gedanke, das Großvater doch verrückt war, rückte deshalb immer näher.
Eifrig und voller Hoffnung sah ich weiter, lief durch das Blättermeer und sah unter jeden Stein. Doch alles, was ich fand, waren viele Insekten, Äste, Moos und Dornen.
Ich zweifelte jede Minute mehr an der Existenz Angeans, und schließlich, nachdem ich jegliche Hoffnung verloren hatte, trat ich den Rückweg an. Die warme Luft wurde langsam kühl, der Nachmittag wandte sich dem Abend zu. Es war wirklich töricht zu denken, es gäbe Hoffnung für meine Mutter.
Als ich dem Ende des Waldes näherkam, vorbei an Dutzenden von Stämmen verschiedenster Bäume, leuchtete mir allmählich das Licht der sanft untergehenden Sonne entgegen. Als ich durch die Sträucher wanderte, wurde mir immer unwohler. Ich begann, selbst an meinem Verstand zu zweifeln.
»Jack! Hör auf meine Stimme! Nur wenn du bereit bist, das zu finden, was kein anderer irdischer Mensch zu finden vermag, wirst du eine Chance haben«, sprach eine Stimme, mit stetig auf- und abklingendem Ton. Das Seltsamste war, dass die Stimme nach mir klang!
»Du bist nicht real, du bist nur in meinem Kopf und willst mich verrückt machen«, rief ich laut durch den Wald und hielt mir den Kopf.
Selbst der Waldrand verschwand vor meinen Augen und ich befand mich plötzlich erneut in den Tiefen des Waldes.
»Was wollt ihr von mir?«, rief ich laut und sank auf meine Knie. Ruckhaft sah ich mich um und schlug mir die Hände über den Kopf. Das Moos, auf dem ich kniete, fühlte sich weich und sanft an. Ich fühlte das Leben, das von der Waldpflanze ausging, fühlte die Kraft!
Doch plötzlich wurde es heiß und ich sprang instinktiv auf. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich auf den weichen Waldboden, er sah genauso aus wie zuvor. Doch wieso war er heiß? Was passierte hier?
Ich hörte die Stimme in meinem Kopf, fühlte das Brennen vom Moos und das wilde Kreischen der Waldtiere. Ich wurde immer benommener, mir wurde schwummrig und schließlich taumelte ich weiter.
Bis plötzlich wenige Meter vor mir eine meterhohe Stichflamme vor dem dunklen Unterholz emporstieg und den Wald in Brand setzte.
Blitzschnell begann mein Herz schneller zu schlagen, der Schweiß lief mir den Rücken hinunter. Aus der Flammenwand zog sich laut knisternd ein großer Halbkreis heraus. Das Feuer breitete sich rasch im trockenen Holz aus.
Das Feuer spaltete sich und öffnete einen Durchgang. Schließlich trat ein Mensch aus den Flammen empor.
»Wer bist du?«, fragte ich leise.
Ein Ritter trat aus den Flammen. Er trug einen mächtigen Helm, an dessen Seiten zwei Hörner herausragten. Der Ritter steuerte das Feuer langsam auf mich zu, die Flammenwand setzte sich in Bewegung und kam in rasendem Tempo immer näher auf mich zu.
»Hey! Was soll das? Mach, dass es aufhört«, rief ich ihm laut zu. Plötzlich zog er sein Schwert, das in seinen Händen lichterloh aufflammte. Er richtete es direkt auf mich.
Die Flammen loderten und das Feuer knisterte!
Instinktiv entschied ich mich dazu, zu rennen! Meine Beine rannten, sprangen über die Wurzeln und wichen den Bäumen rasch aus. Mein Puls pulsierte im Sekundentakt und Adrenalin durchschoss meinen Körper.
Das Feuer breitete sich rasch aus und erreichte beinahe meine Füße. Ich blickte nur selten zurück, rannte einfach weiter.
Die Aufregung verschlug mir jegliche Sprache. Selbst wenn ich hätte schreien wollen, es kam kein einziges Wort aus meinem Mund! Nach wenigen Sekunden öffnete sich plötzlich eine Lichtung vor mir, wie aus Zauberhand tauchte sie vor meinen Füßen auf.
Aufgeregt sah ich flott zurück, das Feuer war nicht mehr als eine Elle entfernt und kurz davor, mich zu verschlingen. Das Inferno schoss wie eine Welle aus Lava hinter mir her, ließ die Bäume hinter sich einstürzen und schlug eine Schneise der Zerstörung in den Wald!
Ich spürte förmlich die Hitze und die dunkle Wut, die in dem Feuer brannte. Ich konnte den Hass fühlen und bemerkte die Hoffnungslosigkeit.
Plötzlich stolperte ich am Rande der Lichtung über einen großen Stein und fiel zu Boden!
Der Feuersturm kam näher, die Zeit verlief in Sekunden. Es wurde immer heißer. Über den Wurzeln liegend streckte ich instinktiv meine Hand vors Feuer. Die heißen Flammen verbrannten sofort meine Finger. Von Schmerzen geplagt, zog ich sie schnell zurück und schloss krampfhaft meine Augen.
Das Knistern und Knattern des Odems kamen näher, scharf zog ich die Luft ein.
Doch plötzlich war nichts mehr zu hören. Totenstille kehrte von einem auf den anderen Moment ein. Ich wollte gerade meine Augen öffnen, als ein Vogel lauthals zwitschernd über mich flog und mich erneut zusammenkauern ließ.
Vorsichtig öffnete ich die Augen. Schnell zwinkernd nahm ich das rote Licht der untergehenden Abendsonne wahr. Doch das war auch das einzige Rot weit und breit.
Mir war immer noch heiß, doch vom Feuer fehlte jede Spur. Es brannten weder der Wald, noch die Lichtung, auf der ich mich befand. Alles sah so aus, als wäre nie etwas vorgefallen und auch von dem mysteriösen Ritter fehlte jede Spur.
Vorsichtig stand ich auf, klopfte mir den Dreck von den Klamotten und sah zu, wie der Staub von mir herabregnete. Verwundert sah ich in den Wald, in die Schneise, aus der ich kam, die kurz zuvor noch in Flammen stand und lichterloh brannte. Wie konnte das sein? Wurde ich nun verrückt? Hatte ich mir das alles nur eingebildet?
Unruhig kratzte ich meinen juckenden Finger. Er brannte, als hätte man ihn in eine Kerze gehalten. Da kam es mir! Eilig sah ich auf meine Hand, sie war vom Ruß leicht schwarz.
Ich hatte mir es doch nicht eingebildet! Mir fiel ein Stein vom Herzen. Aufgeregt ging ich zum nächsten Baum und berührte ein Eichenblatt. Auch das war heiß.
Heißer, als es die Sonne je hätte machen können! Das war der Beweis, dass ich nicht verrückt war! Den Brand hatte es wirklich gegeben! Das Feuer jedoch hatte nichts verbrannt. Wie konnte das alles sein?
Schlussendlich hatte es mich nur zu dieser Lichtung gejagt, die es davor noch nicht gegeben hatte, dessen war ich mir bewusst. Erstaunt drehte ich mich um und sah es.
Ein helles grünes Leuchten in der Mitte der Lichtung. Wie bei einer Taschenlampe entsprang das Leuchten einem Punkt und warf seinen Schein in die Höhe. Was hatte das alles zu bedeuten? Es war alles zu viel für diesen Tag, soviel stand fest!
Vorsichtig schlich ich durch das Gras, die Sonne war bereits untergegangen und abendliche Düsternis überkam das Land.
Es wurde allmählich kühler und auch die Vögel wurden ruhiger. Alles war so seltsam und erschien so unwirklich. Allein die Tatsache, dass eine grün glühende Sternschnuppe abgestürzt war, ohne jedoch ein Geräusch verursacht oder größeren Schaden angerichtet zu haben, kam mir seltsam vor.
Langsam nähertretend, stand ich bald ungefähr einen Meter vor dem grünen Licht. Es glühte so hell auf, dass ich selbst den Stein nicht erkennen konnte.
Behutsam streckte ich meine Hand über das Leuchten. Ich fühlte die Wärme und die unglaubliche Stärke, die von dem Kristall ausging.
Allein die Hitze hinterließ in mir das Gefühl, ich könne Bäume ausreißen!
Schließlich führte ich meine Hand sicher zu dem Stein. Das Licht wurde immer wärmer. Erneut schoss Adrenalin durch meinen Körper. Ich konzentrierte mich auf den Stein und blendete mein restliches Umfeld aus:
auf das Schreien der durch die Nacht gleitenden Eulen, den Geruch der kühlen Abendluft und den wunderschönen Himmel, der die Silhouetten der Bäume malerisch einfärbte.
Gebannt auf den tennisballgroßen Stein starrend, begann mein Herz, erneut wild zu schlagen. Selbst meine Gedanken blendete ich aus, ließ meine Finger wie in Trance weiter zu dem Stein gleiten.
Schließlich packte ich ihn! Schnell wie eine Schlange und gierig wie ein Geier nahm ich das Zeitrelikt in die Hand.
Doch blitzschnell verkrampften sich meine Finger, umfassten dicht die kantige Oberfläche und blieben fest geschlossen. Ich schrie laut und panisch auf! Hektisch bewegte ich meine Hand!
Schweiß tropfte mir von der Stirn! Mit meinem anderen Arm versuchte ich, meine zuckende Hand zu besänftigen, doch vergebens.
»Was passiert hier?!«, brüllte ich wild umher.
Der Stein glühte, fühlte sich an wie ein Wärmekissen, doch er leuchtete so hell, dass ich nicht zu ihm hinsehen konnte. Die untere Seite des Steins drang tief in meine Haut.
Ich war in diesem Moment so geladen, besaß unglaubliche Kraft und Willensstärke, fühlte mich großartig, und vergaß die Schmerzen, die der Stein verursachte.
Das helle Leuchten durchdrang selbst meine Finger!
Der Stein knisterte in meiner Handfläche. Erfasst von dessen Stärke taumelte ich über die Lichtung. Geblendet von dem Glühen des Lichtes, wanderte ich blind umher.
Selbst nach Dutzenden Lidschlägen erlangte ich meine Sehkraft nicht zurück. Panik überkam mich und mir wurde heißer, alles Blut stieg mir in den Kopf.
Wie in einer Diashow, sah ich plötzlich ganz viele Bilder von Menschen, die ich gar nicht kannte, darunter ein Ritter in roter Rüstung und ein alter Mann mit einem langen weißen Bart.
Das Strahlen drang selbst durch meine Lider. Doch plötzlich wurde es erneut dunkel und die Finsternis kam über mich.
Als ich meine Augen wieder öffnete, drangen kleine Bilder in meinen Kopf, anfangs nur Silhouetten, kurz danach erkannte ich wieder mein Umfeld. Der Stein lag nun dort auf meiner Handfläche. Weder leuchtete er, noch prägte ihn seine starke Aura.
»Er hat dich angenommen, herzlichen Glückwunsch«, sprach Großvater freudig und kam hinter mir hervor.
»Wie?! Du hast das alles gesehen?«
»Ja, vom Feuer bis zum Stein. Ich war dir immer ganz nah.
Und glaubst du immer noch, dass ich verrückt bin?«, fragte er und zog die Augenbrauen hoch.
»Nein, ich glaube, dass ich verrückt bin«, antwortete ich.
»Großvater? Aus den Flammen kam ein Mann, er sah aus wie ein Ritter. Ich verliere den Verstand!« Ich fasste mir an den Kopf.
»Der Mann, den du gesehen hast, ist der Despot Angeans. Er lebt tief im dunklen Land in Omulgard, seiner großen Festung!«
»Alles klar? Und wie heißt dieser Mann?«
»Seinen Namen wirst du früh genug erfahren. Allerdings muss ich dich warnen. Ich schickte Katharina, deine Mutter, damals los, um den Flammenkönig zu besiegen. Er hatte dich ins Visier genommen!
Deine Mutter ist nie zurückgekehrt, sie sitzt vermutlich gerade in den tiefsten Verliesen Omulgards.«
Ich ließ mich sofort auf den kühlen Waldboden fallen, der Stein glitt mir aus der Hand.
»Ich will dich nicht davon abhalten, sie zu befreien, dir wurde ein Zeitstein geschickt, das Schicksal hat dich erwählt. Allerdings will ich auf keinen Fall denselben Fehler nochmals machen. Ich wäre dir schließlich nicht böse, würdest du dich entscheiden, hier zu bleiben.«
Nachdenklich fuhr ich mir über die Haare. Wenn meine Mutter keine Chance gegen ihn gehabt hatte, wie sollte ich etwas gegen ihn ausrichten können? Ich war noch ein Teenager, kein Krieger!
»Du wirst allerdings auch nicht allein sein. Derjenige, der dir den Stein geschickt hat, wird an deiner Seite kämpfen!«
Ich musste ständig an meine Freunde hier auf der Erde denken, an mein Leben und an das Gefühl, immer wieder etwas ändern zu wollen.
Mir eröffnete sich hier eine zweite Chance, doch sollte ich sie annehmen? In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Letztendlich entschied ich mich.
Entschlossen nahm ich den Stein auf und stand auf: »Du sagst, jener Ritter hätte meine Mutter in seiner Gewalt?«
Großvater nickte und sah mir tief in die Augen.
»Und er war es, der mich im Wald bedrohte?« Er nickte ebenfalls.
»Nun, dann bleibt mir keine Wahl«, sprach ich und griff in meine Tasche.
Vorsichtig kramte ich meine filigrane Uhr heraus und hielt sie nachdenklich vor mir. Ich glaubte noch immer nicht an Angean. Selbst die Anzeichen, die es gab, bewiesen noch lange nicht die Existenz eines Landes fernab von unserer Zeit. Dennoch zog mich eine unbekannte Kraft ins Ungewisse.
Vielleicht war dies die Möglichkeit, endlich etwas zu verändern.
»Ich werde nach Angean gehen, ins dunkle Land reisen, Omega töten und dann komme ich so schnell wie möglich wieder zurück auf die Erde!«
Großvater nickte: »Das ist eine sehr weise Entscheidung!«
»Allerdings geht mir noch ein wichtiger Gedanke durch den Kopf«, begann ich und sah Großvater verwirrt an. »Du hast selbst einen Stein, wieso gehst du nicht?«
Großvater begann plötzlich, lauthals zu lachen, doch dann starrte er gen Boden: »Nun, du hast keine Ahnung, was für finstere Kreaturen es noch gibt. Der Flammenkönig ist dagegen nur ein einfaches Sandkorn in der stürmischen Brandung der See. So gerne ich meiner Tochter helfen würde, ich kann nicht!« Er biss sich fest auf die Zähne: »Ich halte hier auf der Erde die Stellung, dass diese Mächte nicht zu uns kommen!«
Ich nickte und atmete laut aus. Mein Adrenalinspiegel stieg immer weiter an, wie vor einer unlösbaren Aufgabe war ich an mein Schicksal gefesselt und musste nun den Willen der Zeit abwarten!
»Wie benutze ich überhaupt diesen …«, ich sah auf meine Hand, »… Stein? Und wie gehe ich mit dem Schwert um? Großvater, ich glaube ich bin doch noch nicht bereit!«
»Wie ich dir vor Kurzem schon gesagt habe, das Leben deiner Mutter und die Herrschaft über Angean hängen an einem seidenen Faden. Außerdem hat der Stein dich auserwählt, er allein wird dein Lehrmeister sein! Nun solltest du gehen!«
Ich nickte, Schweiß brach langsam auf meiner Stirn aus. Schließlich packte ich den grünen Stein und legte ihn langsam und vorsichtig in die mysteriöse Uhr ein.
Die beiden Gegenstände schienen sich wie zwei Magnete anzuziehen. Ich klappte den hinteren Teil der Uhr zu, und zog scharf die Luft ein, bis sie schließlich weiß zu leuchten begann.
»Wie funktioniert sie noch gleich?« fragte ich leise.
Großvater lächelte: »Du musst das nicht machen Jack! Du brauchst dich vor mir nicht zu fürchten, solltest du nein sagen wollen!«
»Nein Großvater, ich ziehe das durch. So viele Kinder durften froh sein, mit einer Mutter aufzuwachsen. Ich durfte das nicht, nun hole ich sie mir zurück!«
»Du solltest den Knopf am oberen Ende der Uhr drücken, mehr musst du nicht tun!«, schmunzelte er mir zu.
Würde ich tatsächlich nach Angean, in das magische Land, reisen und schon bald gegen den Flammenkönig kämpfen können?
Mein Puls stieg bei diesem Gedanken erneut an und mein Herz klopfte schneller. Sofort bekam ich ein flaues Gefühl im Bauch.
Die Eulen schrien und durch den Wind raschelten die Blätter der Laubbäume.
Ich versuchte sofort, meine Gedanken zu sammeln, sowie Großvater es gesagt hatte.
Ich würde all meine Freunde, meine Familie, sogar meinen Vater zurücklassen. War es das Risiko wert? Ich zögerte kurz, doch dann hatte ich mich entschieden.
Felsenfest davon überzeugt, meine Mutter retten zu wollen, ließ ich meinen Finger wandern. Ein letztes Mal wehte mir der kühle Sommerwind durch die Nase, anschließend sah ich gerade aus und drückte mit zitternden Fingern den Knopf.
Als ich schließlich den Knopf losließ, glühte die Uhr plötzlich grün auf und es ertönte ein dumpfes Geräusch. Erschrocken sah ich wild hin und her.
Mein Herz klopfte immer wilder, mein Puls raste, doch letztendlich passierte nichts.
Alles war noch wie zuvor, nichts hatte sich geändert und auch Großvater stand noch vor mir.
Was war ich auch für ein Idiot! Warum sollte ich durch die Zeit reisen können, noch dazu in ein magisches Land. Es war alles wahr, was man über Großvater sagte, er war wirklich verrückt.
»Großvater, ich …«, begann ich, doch plötzlich verdunkelte sich das Licht meiner Uhr und das Ziffernblatt verfärbte sich erneut in ein wolkiges Weiß. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich zu Großvater hinüber.
»Viel Glück!«, rief er mir zu. Seine Augen tränten und auch er schien aufgeregt.
Meine Uhr begann sofort, pfeilschnell aufzublitzen.
Das helle grüne Licht färbte den Himmel und strahlte so stark durch den Wald, dass alle Vögel sich von den Bäumen erhoben und fortflogen. Auch die Wesen im Unterholz verkrochen sich noch tiefer. Das Licht hauchte alles in meinem Blickfeld in ein milchiges Violett.
»Jack, das habe ich vergessen«, rief Großvater wild durch den Strudel, der sich gerade um mich herum bildete.
»Was?!«, ich verstand kaum ein Wort, von dem, was er sagte.
»Hüte dich vor dem Nebelwald und seinen Bewohnern!«
Erneut ein lautes dumpfes Geräusch. Was passierte nun? Mein Herz raste nun so schnell, dass ich das Pochen hören konnte, den Worten von Großvater schenkte ich kaum noch Beachtung.
Die violette Farbe machte mich allmählich benommen, schließlich taumelte ich über die Wiese.
Plötzlich fing die Umgebung um mich herum an, sich wie wild zu drehen. Die Lichtung kreiste immer schneller, wie von einem Strudel wurde sie aufgesogen.
In jenen Augenblicken hätte ich gerne geschrien, was das Zeug hält, doch mein Unterkiefer krampfte sich so zusammen, dass ich kein Wort herausbrachte.
Der Strudel sog die restlichen Farben meines Umfeldes auf und zum letzten Mal für eine lange Zeit sah ich das Gesicht meines Großvaters.
Die Welt verschwand und das Unvorstellbare wurde Wirklichkeit. Schließlich tauchte sich mein Umfeld völlig in die lilafarbene Welt.
Ich fragte mich, welche Drogen mir untergemischt worden waren, dass ich so etwas erlebte. Doch wie ich es auch drehte und wendete, es war die Wirklichkeit.
Ob das nun eine gute oder schlechte Erkenntnis war, das sollte sich erst noch herausstellen.
Ich sah mich hastig um. Links, rechts, oben und unten – alles war lila. Scharf zog ich die Luft ein, mein Adrenalinspiegel stieg immer weiter an. In meinem Kopf schwammen die Eindrücke herum wie in einer Buchstabensuppe und meine Gedanken schlugen Purzelbäume.
Kurze Zeit später verschwand der lila Strudel und es wurde allmählich heller. Und schließlich war ich wieder auf der Wiese, auf der ich schon vor fünf Minuten gestanden hatte.
Doch die Bäume, die ich zuvor gesehen hatte, waren jetzt nicht mehr da!
Ein alter Feldweg verlief nun vor mir. Bereits von Moos überwuchert, schlängelte er sich durch das Gelände, auf dem eigentlich Großvaters Hütte stehen sollte.
Der ganze Wald, die Bäume und sogar Opa waren verschwunden. Dort, wo sich nur wenige Kilometer entfernt mein Haus befand, lag nur noch Wald. Kurz darauf verschärfte sich mein Blick und ich erwachte in einer völlig neuen Welt.
Mit dem Gesicht im weichen Gras einer Wiese liegend schreckte ich hoch. Erschrocken sprang ich auf. War dies alles nur ein Traum?
Schließlich sah ich in meine Hand, mit festem Griff umklammerte ich die Uhr, mit dem Zeitstein in ihrem Inneren.
Es war doch kein Traum! Ich atmete erstmal ein und wieder aus und setzte mich anschließend zurück ins Gras. Ich musste erst einmal mit dem gerade Erlebten klarkommen.
Ständig wurde mir schwarz vor Augen. Und so sehr mein Verstand auch nach Erklärungen suchte, um das Geschehene zu begreifen, es fand sich keine. Es schien alles so unwirklich zu sein.
Ich blickte langsam auf diese merkwürdige Uhr, die nun braun leuchtete.
War ich wirklich in eine andere Welt gereist? In welchem Land befand ich mich überhaupt? Denn auch, wenn es gerade dunkel und durch die Nacht zudem kühl war, bezweifelte ich, dass ich mich im dunklen Land befand.
Mir war immer noch schwindlig und unwohl. Diese Gefühle verstärkten sich bei dem Gedanken daran, was gerade geschehen war. Obendrein war ich erschöpft und ausgelaugt. Ich konnte immer noch nicht glauben, was geschehen war.
Plötzlich kam Wind auf. Große Nebelschwaden schwebten über die Wipfel der Bäume. Befand ich mich in Gefahr?
Hektisch sah ich mich um, hörte auf das Heulen der Tiere und das Rascheln der Bäume.
Eine große Rauchwolke stieg am nahen Horizont auf. Das war ein klares Anzeichen für Zivilisation. In einem fernen Land allein kam ich nicht weit und wenn Großvater recht hatte, würde ich bereits erwartet werden.
Ich steckte meine Uhr wieder in die Hosentasche und spazierte auf dem steinigen Feldweg in Richtung Rauchfahne. Von den Gedanken an das Mädchen aus meinem Traum gefesselt, versuchte ich, mich von der schaudernden Dunkelheit abzulenken.