Anthologie aus der asiatischen Volksliteratur - August Seidel - E-Book

Anthologie aus der asiatischen Volksliteratur E-Book

August Seidel

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: A. Die Nordasiaten. B. Die Mittel- oder Hochasiaten. C. Die Südasiaten. D. Die Kaukasier.

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Seitenzahl: 499

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur

August Seidel

Inhalt:

Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur

Vorwort.

Übersicht der asiatischen Bevölkerung.

A. Die Nordasiaten.

Die Aino.3

I. Wie es bestimmt wurde, wer die Welt regieren sollte.

Sonnenaufgang.

Wie ein Mann zwei Füchse überlistete.

II.

Der freundliche Geber und der unfreundliche Geber.

Der bestrafte böse Zauberer.

III.

Der schlaue Betrüger.

IV.

Träume.

B. Die Mittel- oder Hochasiaten.

Die Japaner.

Die Nationalhymne.13

Lieder.

1.

2.

Sprichwörter.

Fabeln, Märchen und Sagen.

Die beiden Frösche.22

Der Erdbebenfisch.23

Der Habgierige.24

Uraschimataro.25

Isanagi und Isanami.26

Der dumme Tempo.28

Der Sperling mit der durchschnittenen Zunge.29

Die Macht der Musik.31

Die Koreaner.32

I.

Belohnte Kindesliebe.

II.

Der geschickte Fechter.37

III.

Liebeslieder.38

1.

2.

3.

Kindesliebe.

Verlassen.

Die Nord-Ostjaken.39

I.

Der besiegte Teufel.40

II.

Rätsel.41

Türken und Türkenvölker.

I.

Eine türkische Waltharisage.42

Sprichwörter.44

Die Osttürken.53

Sejdai.54

Meschref.

Figuli.

Nesimi.

Nevai.

Held Burk.56

Saád ü Vakkas.

Sprichwörter aus dem Turkestan.73

Özbegische Sprichwörter.75

Die Kirgisen.

Zwei Gesänge beim Heimführen der Braut.77

1. Dschar Dschar.

2.

Die gelbe Morgendämmerung.

Trauerlied.

Wettgesang.

Traditionen.

Wie der Gute und der Böse Gefährte waren.

Altajer und Teleuten.84

Sprichwörter.85

Märchen.

Der Kaufmann.

Sagen.89

I. Die Erschaffung der Erde.

II. Das Ende der Welt.99

Fabeln.

1. Der Kranich und das Füchschen.

2. Der Frosch.

3. Die Henne und der Sägeschnäbler.

4. Der gierige Hund.

5. Das Füchschen und die Krähe.

Die Tarantschen oder Ili-Tataren.105

Sprichwörter.

Erzählung.

Bäschir und Näsir.

Der Papagei.

Die Narren.

Lied.

Die Tataren der Kreise Tara, Tobolsk und Tümen.113

Die drei Gefährten.

Der Hase.

Die Tobol-Tataren.116

Der Lohn der Wohlthat.

Die Schneeweisse.

Die Tataren der Kreise Tjümen und Jalustrowsk.119

Das mit List gefreite Mädchen.

Die Mongolen.121

Sprichwörter und Sentenzen.

Die Kalmüken.123

I.

II.

Die Buriäten128

Eine Legende.

Rätsel.

Die Birmanen.132

Lieder.

1. Heimweh.

Die Kokette.133

Erzählungen.

Der ärmste Mann.134

Aus Buddhas Läuterungsjahren.135

Niemand kann seinem Schicksal entgehn.

Der erzürnte Nat (Hausgeist).

Legende über die Gründung Pegu's.136

Die Annamiten.137

Die Geschichte von Luc-Van-Tiên.

Sprichwörter und Sentenzen.

Gedichte.

Sehnsucht.141

Gattenliebe.142

Sorglos.143

Die Tonkinesen.

Warum die Grille so traurig singt, wenn der Herbst kommt.

Die Khmer in Cambodscha.

1.

Sehnsucht.

2.

Erwartung.

Die Chinesen.

Sprichwörter.146

Moralische Sentenzen.

Die zehn Verkehrtheiten thörichter Menschen.148

Die zehn Verkehrtheiten thörichter Frauen.

Novelle.

Das Abenteuer des Kaufmanns Tschang-yi.149

Fabeln.

1.

2.

3.

4.

Die Hochzeit des Fuchses.

Die Moli-Blume.155

C. Die Südasiaten.

Die Telugu.156

Sprichwörter.157

Die Kurg.158

Totenlied.

Das Lied von der Königin.

Die malayischen Völker.

Weibertreue.

Malayische Sprichwörter.160

Der Todesgang der »Ken Tambuhan«.162

Die Niasser.163

Erzählungen.

Kawofo.

Der Affe und der Zwerghirsch.

Buruti-Mensch und Buruti-Geist.

Der Fisch im Wasser und die Ratte.

D. Die Kaukasier.

Die Semiten.166

Mekkanische Sprichwörter.

Die Oman-Araber.181

Kriegeslied.

Sprichwörter der Oman-Araber.182

Volkslieder aus Mesopotamien.

I. 'Atabat.183

1. Heimliche Liebe.

2. Sehnsucht nach der Heimat.

3. Hangen und Bangen.

4. Vorbei!

5. Der Geliebten Schönheit.

6.

7. Liebesketten.

8. Der Vogelsteller.

9.

II. Mawawil.186

1.

2. Liebesglück.

3.

4. Liebeslust und Lästerzungen.

5. Entschwundenes Glück.

6.

7.

8.

9. Trennungsschmerz.

10. Vergebliches Hoffen.

11.

12. Treue Liebe.

Die Araber in Syrien.

Sprichwörter.187

Arabische Mawawil aus Syrien.188

Die Indogermanen.

a) Die indische Gruppe.

Sprichwörter aus Behar.

Die Völker des oberen Indus.

Das Kamel und die Ratte.

Der Tiger und der Hase.

Die Geschichte von dem einfältigen Lull.

Wie Lull Luftschlösser baute.

Die Geschichte von dem König und den vier Mädchen.

Hindustani-Sprichwörter.190

b) Die iranische Gruppe.

Der Perser im Lichte seiner Sprichwörter.

Volkslieder der Perser.193

Klage.

Die Flucht.

Der Gärtner.

Komm in der Nacht.

Liebesgaben.

Die Einladung.

Schwere Wahl.

Erinnerungen eines glücklichen Gatten.

Gulamschah.

Lieder der Taulischer.

1.

2.

3.

4.

5.

Sprichwörter der Afghanen.194

Lieder der Afghanen.

1. Liebeslied.

2. Betrachtungen über den Tod.

Liebeslied von Mina.195

Misrâ's.196

Ossetische Märchen und Sagen.197

Der arme und der reiche Mann.

Das Stierschulterblatt.

Wie Urysmag von einem Riesen gefangen wurde.

Bemerkungen und Litteratur.

Anthologie aus der asiatischen Volksliteratur , A. Seidel

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603298

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Meiner lieben Frau

gewidmet.

Vorwort.

Bei der Herausgabe meiner »Geschichten und Lieder der Afrikaner« (Berlin 1896, Schall & Grund) habe ich seinerzeit weniger die Zwecke der Folkloristen im Auge gehabt, obwohl ich auch denen einiges Interessante zu bieten vermochte, als vielmehr die ausgesprochene Absicht, dem grossen Publikum und in erster Reihe den Freunden der deutschen Kolonialbewegung ein Bild von dem Geistes- und Seelenleben des Afrikaners zu entwerfen und dadurch ein intimeres Verständnis für die leider bis dahin in weiten Kreisen vollständig verkannte Thatsache zu erwecken, dass der Neger nicht nur nach seinem äusseren Habitus, sondern auch nach seiner inneren Veranlagung zweifellos Anspruch darauf erheben kann zu den Menschen gezählt und – demgemäss behandelt zu werden. Aus diesem Grunde war ich in jenem Werke nicht durchaus an die Volkslitteratur in ihrer reinsten Gestalt gebunden, sondern berechtigt, ja verpflichtet, gelegentlich auch darüber hinauszugehen und z.B. dem Suaheli – Liede vom Tode Muhammeds, der muhammedanischen Fatiha und einigen anderen Stücken Aufnahme zu gewähren. Die im übrigen wohlwollende Kritik hat diesen Standpunkt in einigen Fällen nicht erkannt, und ich benutze diese Gelegenheit, ihre Einwände richtig zu stellen.

Auch das gegenwärtige Buch wendet sich nicht in erster Reihe an die Folkloristen, obgleich auch sie manches Interessante und Neue darin finden werden. Dahin gehören z.B. die malayische Erzählung von dem ungetreuen Weibe, die Mawawil aus Syrien, die persischen Sprichwörter u.s.w. Ferner wird es Vielen willkommen sein, so versteckte Materialien hier aufgedeckt zu sehen, wie z.B. die Hindustani-Sprichwörter, die aus Fallon's grossem hindustani-englischen Wörterbuch ausgezogen sind, – eine Quelle, die noch weitere reiche Ausbeute für den Folkloristen gewährt, und auf die ich ausdrücklich hingewiesen haben möchte.

Auch kam es mir im vorliegenden Falle weniger darauf an, für die angefochtenen Menschenrechte mancher tieferstehenden asiatischen Völkerschaften einzutreten, wenngleich das Buch sich auch nach dieser Richtung hin nützlich erweisen dürfte und möchte.

Vielmehr schwebte mir die Aufgabe vor, den deutschen Litteraturfreunden und besonders denen, die an den die volle Ursprünglichkeit athmenden Erzeugnissen der Volkslitteratur Gefallen finden und sich die von den exquisiten Genüssen der Bücherlitteratur gesättigte Seele in ihrem frischen Quell gesund baden wollen, einen Strauss der schönsten Blüten in Prosa und Poesie darzubieten. Es ist erstaunlich zu sehen, wie wenig ausserhalb der engeren Fachkreise selbst hochgebildete Leute von diesen Dingen bisher kennen, obwohl doch vielleicht gerade in Asien die Quellen zu finden sind, aus denen unsere europäische Volkslitteratur einen grossen Teil ihrer Erzeugnisse zu den verschiedensten Zeiten geschöpft hat, und ohne deren Kenntnis sie kaum zutreffend beurteilt werden kann.

Es schien mir daher nützlich, eine Auswahl auch an sich lesenswerter und interessanter Probestücke der asiatischen Volkslitteratur zu veranstalten und durch genauen Nachweis der Quellen zu weiteren Studien in dieser Richtung anzuregen.

Der verhältnismäßig geringe Baum, der mir aus finanziellen Rücksichten für die Ausführung dieses Planes zugestanden werden konnte, hat mich freilich zu grosser Beschränkung gezwungen. Gerne hätte ich mindestens von jeder einzelnen Völkerschaft, soweit die vorhandenen Quellen es erlaubten, je ein Probestück der verschiedenen Arten der Volkslitteratur dem Leser vorgelegt; ich habe mich aber im Grossen und Ganzen darauf beschränken müssen, von dem einen Volksstamm nur Tierfabeln, von dem andern Erzählungen oder Legenden, von dem dritten Sprichwörter oder Poesien mitzuteilen u.s.w.

Zwar ist unsere Kenntnis der Volkslitteratur der asiatischen Völker noch sehr beschränkt; von vielen Völkern wissen wir in dieser Beziehung bisher überhaupt so gut wie gar nichts, von andern herzlich wenig. Selten nur trifft man auf so reiche Sammlungen, wie sie Radloff unter den türkischen Völkern Südsibiriens veranstaltet hat. Daher ist der Zeitpunkt für umfassendere vergleichende Arbeiten auf diesem Gebiete nach meiner Überzeugung noch nicht gekommen; es kommt vielmehr noch immer Alles darauf an, soviel wie möglich auf den einzelnen Sprachgebieten zu sammeln, und der Überblick über das ganze Feld, wie ich ihn hier zu geben versucht habe, soll seinerseits auch dazu anregen sich um die Ausfüllung vieler klaffender Lücken zu bemühen.

Dass ich bei der Anordnung der ausgewählten Stücke die sprachliche Klassifizierung der asiatischen Völkerschaften zu gründe gelegt habe, wird man, glaube ich, nur billigen können. Ich habe aber vermieden aus der reinen Übersetzungslitteratur etwas aufzunehmen, wodurch beispielsweise rein indische Erzählungen unter den Erzeugnissen der tibetanischen Litteratur hätten aufgeführt werden müssen, so dass man im allgemeinen von den mitgeteilten Proben wohl wird sagen können, dass sie dem Volke, in dessen Sprache sie im Original abgefasst sind, auch wirklich eigentümlich zugehören.

Des Herausgebers Arbeit bestand hauptsächlich darin, zunächst die ausserordentlich zerstreute und versteckte Quellenlitteratur zu sammeln, daraus die passendsten Stücke auszuwählen, sie, wo erforderlich, aus dem Englischen, Französischen, Italienischen oder der Ursprache ins Deutsche zu übertragen und die poetischen Stücke, des besseren Eindruckes wegen, in deutsche Verse zu binden. In letzterer Beziehung habe ich meinem Freunde, Herrn Hauptmann M. Brose, hier meinen Dank abzustatten, der die Lieder der Osttürken und die arabischen Volkslieder aus Mesopotamien metrisch bearbeitet hat. Ein Teil der letzteren ist von Herrn Brose auch in Musik gesetzt worden. (Erschienen zu Berlin 1897.) Was die Auswahl der dargebotenen Stücke anlangt, so bin ich nicht zweifelhaft, dass man im einzelnen Fall über die grössere oder geringere Eignung dieses oder jenes Stückes und den Ersatz desselben durch ein anderes wird verschiedener Meinung sein können. Wenn man aber werbende Zwecke verfolgt, und das thut doch das vorliegende Buch, so muss man in erster Linie Interessantes bieten, und vor diesem Gesichtspunkt hatte meines Erachtens alles Andere zurückzutreten, obwohl es mir an sich lieber gewesen wäre, auf zwei andere Momente grösseren Wert legen zu können, nämlich einmal auf solche Proben, die eine ausgeprägte Verwandtschaft mit abendländischen Litteraturstücken zeigen, und ferner auf solche, die in ihrer Art möglichst charakteristisch für das betreffende Volk sind. Alle drei Gesichtspunkte liessen sich nicht vereinigen; ihre gleichmässige Berücksichtigung verlangt vielmehr drei besondere Sammlungen. Allgemeiner Zustimmung hoffe ich sicher zu sein, dass ich solche Stücke, die bei uns bereits in weiteren Kreisen bekannt sind, im allgemeinen ganz unberücksichtigt gelassen habe. Dahin gehört z.B. die arabische Märchensammlung der 1001 Nacht, die Fabeln des Pancatantra u.s.w. Andererseits habe ich Radloffs vorzügliche Sammlung in höherem Masse als andere berücksichtigt, da das vielbändige Werk wegen seines Preises nur Wenigen zugänglich ist.

Im Anhange habe ich zunächst die hauptsächlichste Litteratur verzeichnet, die bisher über die Volkslitteratur der Sprachengruppen besteht, von denen Proben angeführt sind. Vollständig zu sein war aus räumlichen Gründen ausgeschlossen; aber das Beigebrachte wird vollauf genügen, um den Weg für weitere Belehrung zu bahnen und giebt vielleicht den Anreiz zur sehr erwünschten Herstellung einer vollständigen Litteraturnachweisung. Die Anmerkungen geben teils Erklärungen zum Verständnis des Textes, teils weisen sie Analogien aus der Litteratur anderer Völker nach; auch hier musste ich mir einen sehr engen Rahmen ziehen und auf einige Andeutungen beschränken.

Es erübrigt mir noch, denjenigen, die mir bei der Herausgabe dieser Sammlung mit Rat und That zur Seite gestanden haben, auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

Berlin, den 1. März 1898.

Der Herausgeber.

Übersicht der asiatischen Bevölkerung.

I. Nach ethnographischen Gesichtspunkten.1

A. Die Semiten (Araber, Chaldäer, Hebräer, Syrier etc.).

B. Die Kaukasusstämme:

1. Nordkaukasier (Tscherkessen, Abchasen, Tschetschenzen oder Kisten, Lesghier).

2. Südkaukasier (Lasen, Swaneten, Tuschinen, Pschawen, Chewsuren, Grusiner oder Georgier, Mingrelier).

3. Osseten.

C. Die Indo-Europäer:

1. Die Kurden.

2. Die Armenier.

3. Die Griechen.

4. Die übrigen Völkerreste Kleinasiens.

5. Die Perser.

6. Die Afghaner, Belutschen etc.

7. Die arischen Indier.

D. Die drawidischen, singhalesischen und eingeborenen Stämme  Indiens:

1. Die Drawida.

2. Die Singhalesen.

3. Die Urbewohner.

E. Die malayische Rasse:

1. Westmalaisier (eigentliche Malayen, Batta oder Battak auf Sumatra, Javanen, Bewohner von Bali, Lombok, Sumbawa, Sumba).

2. Zentralmalaisier (auf Celebes, Buton, Saleijer und Flores mit den Unterabteilungen der Mangkassaren und der Bugi etc.).

3. Nordmalaisier (auf den Philippinen, Suluinseln und Palauan).

4. Die Ostmalaisier (auf den Molukken, Südoster- und Südwesterinseln und Timor).A1

F. Die mongolische Rasse:

a) Die Kulturvölker mongolischer Rasse:

1. Die Chinesen.

2. Die Mandschu.

3. Die Koreaner.

4. Die Japaner.

b) Die Halbkulturvölker der mongolischen Rasse:

1. Die Hinterindier (Anamiten, Thaivölker, Birmanen, Moi, Kha, Lamla, Semang, Schan, Karenni, Katjin, Mon oder Talaing etc.).

2. Die Tibetaner.

c) Die nomadischen Völker der mongolischen Rasse:

1. Die Mongolen und ihre Verwandten (Kalka oder Chalcha, Tsakaren, Skumid, Uroten, Tumeden, Barinen, Khorlo, Naiman, Kesikten, Scharamongolen, Buräten oder Burjäten, Olüten, Kalmücken).

2. Die Turktataren (Dunganen, Tarantschi, Ostturkestaner oder Kaschgarier, Kirgisen, Kiptschak, Karakalpaken, Usbeken, Turkmenen, Schahsewenzen, Osmanli).

G. Die nordasiatischen Naturvölker:

1. Die Wogulen, Samojeden, Ostjaken.

2. Die Tungusen.

3. Die Jakuten und Jukagiren.

4. Die Tschuktschen.

5. Die Korjäken und Kamtschadalen.

6. Die Eskimo.

7. Die Aino und Giljaken.

II. Nach sprachlichen Gesichtspunkten.2

A. Nordasiaten.

1. Jukagirisch.

2. Korjakisch.

3. Sprachen von Kamtschatka und Kurilen (Aino).

4. Jenissei-Ostjakisch und Kottisch.

B. Mittel- oder Hochasiaten.

1. Japanisch.

2. Koreanisch.

3. Ural-altaische Sprachen.

a) Samojedische Gruppe: Jurakisch, Tawgy, Ostjakisch-Samojedisch, Jenisseisch, Kamassinisch.

b) Finnische Gruppe: Ostjakisch, Wogulisch.

c) Tatarische Gruppe: 1. Jakutisch, 2. Türkisch, 3. Nogaisch, Kumükisch, 4. Tschagataisch, Uigurisch, Turkmenisch, 5. Kirgisisch.

d) Mongolische Gruppe: 1. Ostmongolisch, 2. Westmongolisch (Kalmückisch), 3. Nordmongolisch (Burätisch).

e) Tungusische Gruppe: 1. Mandschu, 2. Lamutisch, 3. Tschapogirisch, Orotongisch.

4. Einsilbige Sprachen.

a) Tibetisch.

b) Himalayasystem (Khyen, Zabaing, Singpho, Mischmi, Abor, Miri, Garo, Bodo u.s.w.).

c) Birmanisch, Rakhaing.

d) Siamesisch (Thai), Schian, Khamti, Talaing, Karen, Khassia.

e) Anamitisch.

f) Sprache der Sifan, Miaotse, Lolo und anderer Stämme Südchinas.

g) Chinesisch: 1. Kuanhoa (Dialekt von Peking und Nanking), 2. Fukian, 3. Kuangtung etc.

C. Südasiaten.

1. Drawida-Sprachen: Tamil, Telugu, Tulu, Kanari, Malajalam, Toda, Gond.

2. Singhalesisch (Elu).

3. Malaisch-polynesische Gruppe.

D. Kaukasier.

1. Kaukasische Sprachen.

a) Georgisch, Lasisch, Mingrelisch, Swanisch.

b) Lesghisch, Awarisch, Kasikumükisch.

c) Kistisch (Tusch).

d) Tscherkessisch, Abchasisch.

2. Semitische Sprachen.

a) Nördliche Gruppe.

b) Südliche Gruppe.

3. Indogermanische Sprachen.

a) Indische Gruppe: Altindisch (Pâli, Prâkrit), Neuindisch (Bengali, Assami, Oriya, Nepali, Kaschmiri, Sindhi, Pandschabi, Hindostani, Gudscharati, Marathi).

b) Iranische Gruppe: 1. Altpersisch, Pehlewi, Parsi; Neupersisch mit seinen Dialekten, Kurdisch (Kurmandschi, Zaza), Beludschi; 2. Zend, Afghanisch; 3. Armenisch; 4. Ossetisch.

Fußnoten

A1 Ausserdem leben noch malayische Stämme in Kambodscha und auf Ostformosa.

A. Die Nordasiaten.

Die Aino.3

I. Wie es bestimmt wurde, wer die Welt regieren sollte.

Als der Schöpfer diese Menschenwelt geschaffen hatte, waren die guten und die bösen Götter alle ohne Unterschied zusammen in der Welt und begannen sich um deren Besitz zu streiten. Sie stritten miteinander, denn die bösen Götter wollten an der Spitze der Weltregierung stehen und die guten Götter gleichfalls. Daher trafen sie folgendes Übereinkommen:

Wer zur Zeit des Sonnenaufgangs zuerst den Sonnenball erblicken würde, der sollte die Welt beherrschen. Wenn die bösen Götter zuerst die Sonne würden aufgehen sehen, sollten sie herrschen, anderenfalls die guten Götter. Darauf blickten nun die bösen Götter, wie auch die Lichtgötter nach der Richtung, wo die Sonne aufgehen musste. Nur der Fuchs (-Gott) allein stand und blickte nach Westen. Nach einer Weile rief er: »Ich sehe den Sonnenaufgang«, und als die Götter, gute wie böse, sich umwandten und hinschauten, erblickten sie den Widerschein des Sonnenballs im Westen. Daher beherrschen die Lichtgötter die Welt.

Sonnenaufgang.

Wenn die Sonne am Ende der Welt (d.h. im Osten) aufgeht, kommt ein Teufel, um sie zu verschlingen, aber dann wirft ihm jemand zwei oder drei Krähen oder Füchse ins Maul, inzwischen steigt die Sonne in die Höhe. Die zahlreichsten Geschöpfe in der Welt sind (nämlich) Krähen und Füchse. Das ist nun einmal so. Zur Belohnung für diesen Dienst können Krähen und Füchse alles essen, was auch die Menschen essen. Das kommt von der erzählten Thatsache.4

Wie ein Mann zwei Füchse überlistete.

Ein Mann ging in die Berge, um Bast zu sammeln und Taue daraus zu machen und fand eine Höhle. Zu dieser Höhle kam ein Fuchs, der folgendermassen in menschlicher Sprache redete, obwohl er ein Fuchs war: »Ich weiss etwas, woraus wir grossen Gewinn ziehen können, lass uns morgen hingehen.« Darauf erwiderte der Fuchs, der in der Höhle war: »Was meinst du für ein gewinnbringendes Geschäft? Höre, wenn es mir vorteilhaft zu sein scheint, werde ich mitgehen, sonst nicht.« Der Fuchs, der draussen war, sprach: »Das vorteilhafte Geschäft ist dies: Morgen zur Zeit des Mittagessens werde ich hierherkommen, du musst mich erwarten, und wir wollen dann zusammen fortgehen. Wenn du die Gestalt eines Pferdes annimmst und ich die eines Mannes, der auf dir reitet, und wir gehen dann zusammen fort, so können wir hinab zur Küste gehen, wo Menschen wohnen, die grosse Mengen von Nahrung und allerhand andere Dinge besitzen. Unter diesen Menschen ist sicherlich einer, der ein Pferd braucht, und an den werde ich dich verkaufen. Dafür kann ich dann eine Menge kostbarer Dinge und Lebensmittel einhandeln. Darauf mache ich mich davon, du in deiner Pferdegestalt wirst auf die Gras weide geführt und irgendwo am Hügelabhange angebunden werden. Dann werde ich kommen und dir zur Flucht verhelfen. Wir werden die Lebensmittel und die sonstigen Kostbarkeiten gleichmässig unter uns verteilen und beide Gewinn davon haben.« So sprach der Fuchs, der ausserhalb der Höhle war. Der Fuchs im Bau war es sehr zufrieden und sprach: »Komm und hole mich morgen zeitig ab, wir wollen zusammen gehen.«

Der Mann hatte im Schatten eines Baumes verborgen gestanden und gehorcht. Darauf ging der Fuchs, der vor der Höhle gewesen war, davon und auch der Mann ging zum Abend nach Hause. Am nächsten Morgen aber kam er zurück zur Höhle und sprach, indem er die Stimme des Fuchses nachahmte, der am Tage vorher vor der Höhle gewesen war: »Hier bin ich, komm schnell heraus. Wenn du dich in ein Pferd verwandelst, so wollen wir zur Küste hinabgehen.« Der Fuchs kam heraus. Es war ein wohlgenährter Fuchs. Der Mann sprach zu ihm: »Ich habe mich schon in einen Menschen verwandelt. Wenn du dich in ein Pferd verwandelst, so schadet es nichts, wenn uns auch andere Leute sehen.«5 Der Fuchs schüttelte sich und wurde ein grosses braunes Pferd. Sie gingen nun zusammen ihres Wegs und kamen zu einem sehr reichen Dorf, wo alles in Hülle und Fülle zu finden war. Der Mann sprach: »Ich möchte dieses Pferd verkaufen, falls jemand eines zu kaufen wünscht.« Da das Pferd sehr schön war, wollte es jeder gern haben. Der Mann tauschte es gegen eine Menge Lebensmittel und Kostbarkeiten um und machte sich dann davon.

Nun war das Pferd aber so hervorragend schön, dass sein neuer Besitzer es nicht herauslassen wollte, sondern es immer im Stalle behielt. Er schloss Thüren und Fenster und schnitt Gras, um es zu füttern. Aber obwohl er ihm dies grüne Futter brachte, konnte das Pferd kein Gras fressen (da es eigentlich ein Fuchs war), es wollte nur Fische fressen. Nach vier Tagen war es dem Tode nahe. Zuletzt entkam es durch ein Fenster und lief nach Hause. Als der (wieder verwandelte) Fuchs zu der Wohnung des anderen Fuchses kam, wollte er ihn töten, aber da erfuhr er, dass nicht sein Genosse ihm den Streich gespielt hatte, sondern der Mensch. Beide Füchse waren daher sehr zornig und verabredeten, den Menschen zu suchen und ihn zu töten. Aber obwohl die Füchse diesen Entschluss gefasst hatten, kam der Mann zu ihnen, entschuldigte sich demütig und sprach: »Ich kam damals, weil ich euch bei eurer Verabredung belauscht hatte, und habe euch betrogen, Ich bitte euch aber dafür um Verzeihung. Wenn ihr mich tötet, so bringt es euch keinen Nutzen. Ich will euch aber hinfort Reisbier (Sake) brauen und die göttlichen Symbole für euch aufstellen und euch anbeten für immer. Davon werdet ihr grösseren Gewinn haben, als wenn ihr mich tötet. Auch Fische will ich euch bringen jedesmal, wenn ich einen guten Fang thue, als Zeichen der Anbetung, Wenn ihr damit einverstanden seid, so werden die Geschöpfe, die da Menschen heissen, euch für ewig anbeten.«

Als die Füchse dies hörten, sprachen sie: »Das ist in der That vortrefflich und gefällt uns sehr.« So sprachen die Füchse und so kommt es, dass alle Menschen, Japaner und Aino, den Fuchs anbeten.6

II.

Der freundliche Geber und der unfreundliche Geber.

Einst legte ein Mann seine Netze quer über den Fluss. Als er das Netz aufgestellt hatte, tötete er eine Menge Fische. Währenddem kam ein Rabe und setzte sich neben ihn. Er schien grossen Hunger auf Fische zu haben und sah sehr kläglich aus. Daher wusch der Fischer einen von den Fischen und warf ihn dem Raben zu. Der Rabe frass ihn mit grossem Vergnügen. Später kam er wieder und obwohl er ein Rabe war, sprach er wie, ein Mensch: »Ich danke dir sehr, dass du mir einen Fisch zu essen gegeben hast. Wenn du mit mir zu meinem alten Vater kommen willst, wird er dir auch danken. Es wird dein Schade nicht sein.«

Der Mann ging mit. Der Rabe flog durch die Luft, und der Mann folgte zu Fuss. Nachdem sie eine Zeitlang gegangen waren, kamen sie an ein grosses Haus. Dort angekommen, ging der Rabe hinein, und der Mann folgte ihm und als er aufblickte, erschien ihm der Rabe wie ein menschliches Wesen, obwohl es doch ein Rabe war. Auch war ein göttlicher alter Mann und eine göttliche alte Frau zugegen, ausser dem göttlichen Mädchen, welches den Mann hergeführt hatte. Der göttliche Alte sprach: »Ich bin dir sehr dankbar, dass du meiner Tochter Fische zu essen gegeben hast und da ich es bin, habe ich dich hierher kommen lassen, um dich zu belohnen.« So sprach der göttliche Alte.

Nun waren dort ein goldener Hund und ein silberner Hund. Beide erhielt der Mann zum Geschenk. Der göttliche Alte sprach zu ihm: »Ich sollte dir wohl eigentlich Schätze geben, aber das würde nutzlos sein. Wenn ich dir dagegen diese Hunde schenke, so wirst du grossen Gewinn davon haben, denn der eine von ihnen speit Gold, der andere Silber. Wenn du sie dann an Beamte verkaufst, wirst du ein reicher Mann werden, merke das wohl.« Der Mann grüsste respektvoll und empfahl sich. Die beiden Hunde nahm er mit nach Hause und gab ihnen immer nur wenig auf einmal zu fressen. So bekam er von dem einen Silber, von dem andern Gold, verkaufte das Metall und ward ein sehr reicher Mann.

Ein anderer wollte es ihm nachthun und warf gleichfalls sein Netz im Flusse aus. Auch er tötete eine Menge Fische. Darauf kam der Rabe. Der Mann beschmutzte einen Fisch mit Koth und warf ihn dann dem Raben zu, der mit ihm davonflog. Der Mann folgte ihm eine weite Strecke Wegs und gelangte endlich an ein grosses Haus. Als er eintrat, war der göttliche Alte sehr zornig und sprach: »Du bist ein Mann von sehr bösem Herzen. Als du meiner Tochter einen Fisch gabst, hattest du ihn über und über mit Schmutz besudelt. Ich bin sehr zornig auf dich, aber obwohl ich zornig bin, will ich dir doch einige Hündchen schenken, da du doch einmal zu mir gekommen bist. Wenn du sie recht behandelst, wirst du Gewinn davon haben.« So sprach der göttliche Alte und gab ihm einen goldenen und einen silbernen Hund. Der Mann verbeugte sich und ging heim.

Er dachte nun bei sich, wenn ich die Hündchen reichlich füttere, werde ich reichlich Gold und Silber von ihnen bekommen. Es wäre ja thöricht, wenn ich immer nur wenig von ihnen erhalten wollte. So will ich es machen, damit ich reich werde. Und so fütterte er die Hunde reichlich mit allerlei Dingen, selbst mit Unrat. Da erhielt er aber kein Metall von ihnen, sondern nur Schmutz und Unrat, sodass sein ganzes Haus davon voll war. Der erste Mann dagegen, der die Hündchen von dem göttlichen Alten geschenkt bekommen hatte, fütterte sie nur mit gutem Futter und nur mit wenigem auf einmal, und so erhielt er Gold und Silber von ihnen und ward ein reicher Mann.

Wenn also in alten Zeiten die Menschen reich zu werden wünschten, so fand ihr Wunsch Erfüllung, wenn ihre Herzen gut waren, aber über die zahlreichen Missethaten der bösen Menschen wurden die Götter zornig. Daher erhielt der Mann selbst von einem goldenen Hund nichts als Unrat und sein Haus war voll davon, sodass niemand dasselbe betreten konnte. Daher, ihr Menschenkinder, seid nicht bösen Herzens. Das ist die Geschichte, die ich gehört habe.7

Der bestrafte böse Zauberer.

Eines Tages erzählte ein Zauberer einem Mann, den er kannte, dass, wenn jemand den und den Berg besteige und dann auf den darunter liegenden Wolkengürtel herabspringe, er auf den Wolken wie auf einem Pferde würde reiten und die ganze Welt seilen können. Der Mann glaubte ihm, that, wie der Zauberer ihm gesagt hatte und war in der That imstande, auf den Wolken umherzureiten. Er besuchte auf diese Weise die ganze Welt und brachte eine Karte mit, die er gezeichnet hatte und zwar sowohl von der Welt der Götter, wie von der der Menschen. Als er nach dem Berge in Aino-Land zurückkam, trat er von den Wolken wieder auf den Berg, stieg ins Thal hinab und erzählte dem Zauberer, wie erfolgreich und angenehm die Reise gewesen und dankte ihm für die freundlich gewährte Gelegenheit so vielerlei bemerkenswerte Dinge zu sehen.

Der Zauberer war sehr erstaunt, denn was er dem Mann gesagt hatte, war eine Lüge gewesen, eine hässliche Lüge, die er nur in der Absicht erfunden hatte, um seinen Tod zu veranlassen, denn er hasste ihn. Da er aber sah, dass das, was er lediglich als eine müssige Fabel angesehen hatte, offenbar eine wirkliche Thatsache war, so entschloss er sich, selbst die Welt auf diese bequeme Art und Weise in Augenschein zu nehmen. Er bestieg daher den Berg, und als er ein wenig unter sich einen Wolkengürtel bemerkte, sprang er hinab, wurde aber beim Sturz ins Thal in Stücke zerschmettert.

In derselben Nacht erschien der Gott des Berges dem guten Mann im Traume und sprach zu ihm: »Der Zauberer hat den Tod gefunden, den sein Betrug und seine Thorheit verdienen. Dich habe ich vor Schaden bewahrt, weil du ein guter Mann bist. Als du daher, dem Rate des Zauberers folgend, auf die Wolken hinabsprangst, trug ich dich und zeigte dir die Welt, um dich klüger zu machen. Ein jeder möge sich dies zur Lehre dienen lassen, dass Bosheit die verdiente Strafe findet.«8

III.

Der schlaue Betrüger.

Vor langer, langer Zeit war einmal ein Schelm, der in die Berge ging, um Holz zu holen. Er wusste nicht, wie er sich lustig machen sollte und kletterte hinauf zum Gipfel eines dicken Fichtenbaumes. Er hatte etwas Reis gekaut und legte davon etwas rings auf die Zweige, sodass es wie Vogelmist aussah. Dann ging er zum Dorfe zurück, zum Hause des Häuptlings und sprach zu ihm: »Ich habe eine Stelle gefunden, wo ein schöner Pfauhahn nistet. Komm, lass uns hingehen! Ich bin ein armer Mann und fühle mich unwürdig, mich dem göttlichen Vogel zu nähern; du aber bist ein reicher Mann und sollst den Pfauhahn fangen. Es wird ein grosser Schatz für dich sein. Lass uns also gehen.«

Der Häuptling ging mit ihm. Als (sie hingekommen waren und) der Häuptling hinsah, erblickte er wirklich viel Spuren von Vogelmist in der Nähe des Gipfels der hohen Fichte. Er glaubte daher, der Pfauhahn wäre da. Deshalb sprach er: »Ich verstehe es nicht auf Bäume zu klettern. Du bist zwar arm, aber hiermit weisst du doch Bescheid. Klettere also hinauf und hole den Pfauhahn herunter, ich will dich gut belohnen. Geh und hole den göttlichen Pfauhahn!« Der arme Mann erkletterte also den Baum. Als er halbwegs oben war, sprach er: »O Herr, dein Haus scheint in Brand zu stehen.« Der Häuptling war sehr erschrocken und schickte sich an, nach Haus zu eilen. Aber der Schelm sprach zu ihm: »Bis dahin ist dein Haus längst niedergebrannt. Es nützt gar nichts, wenn du jetzt dorthin eilst.« Der reiche Mann dachte bei sich, er wollte irgend wohin gehen, um zu sterben, und ging nach den Bergen zu. »Nachdem er eine Strecke gegangen war, dachte er, ich will doch einmal gehen und wenigstens die Trümmer meines verbrannten Hauses sehen.« Er ging also hin und sah, dass sein Haus gar nicht verbrannt war. Da wurde er zornig und wollte den Schelmen töten. Der kam gerade herzu. Der Häuptling befahl seinen Leuten und sprach: »Leute! Dieser Mann ist nicht nur ein Bettler, sondern auch ein nichtsnutziger Betrüger. Steckt ihn in eine Matte, wickelt ihn hinein, ohne ihn zu töten und werft ihn in den Fluss. So geschehe ihm!« Also sprach der Häuptling.

Die Leute thaten den Schelm in die Matte und banden diese ringsum fest zu. Dann trugen ihn zwei an einem Pfahl an das Flussufer. Als sie an den Fluss gekommen waren, sprach der Schelm: »Obgleich ich ein schlechter Mensch bin, so besitze ich doch kostbare Schätze. Geht und holt sie. Wir wollen dann sehen, wie ich solche unter euch verteile. Nachher könnt ihr mich in den Fluss werfen.« Als die beiden diese Worte hörten, machten sie sich auf und gingen nach des Schelmen Hause.

Inzwischen kam ein blinder alter Mann des Weges daher und stiess mit dem Fusse gegen etwas, das in eine Matte gewickelt war. Verwundert darüber, befühlte er es mit dem Stock. Da sprach der Schelm: »Blinder Mann, wenn du thust, was ich dir sage, will ich zu den Göttern beten, und deine Augen werden aufgethan werden.« Der alte blinde Mann freute sich sehr, knüpfte die Matte auf und liess den Schelmen frei. Dieser sah, dass der Mann, obwohl alt und blind, wie ein Gott angekleidet war. Da sprach er zu ihm: »Ziehe deine Kleider aus und entblösse dich, dann werden deine Augen sofort aufgethan werden. Der Blinde zog seine Kleider aus, der Schelm aber« (ergriff ihn) steckte ihn nackend in die Matte, schnürte sie ringsum zu, machte sich mit den Kleidern davon und versteckte sich.

Kurz darauf kamen die beiden Leute wieder und sprachen: »Du Schelm, du bist wirklich ein Betrüger. Schätze besitzest du zwar nicht, aber Überfluss an Verschlagenheit. Jetzt werden wir dich ins Wasser werfen.« Da sprach der blinde alte Mann: »Ich bin ein blinder alter Mann und nicht jener Schelm. Tötet mich nicht!« aber schon war er ins Wasser geschleudert worden. Darauf gingen die beiden zu ihrem Herrn nach Hause.

Der Schelm zog nun des blinden alten Mannes schöne Kleider an, begab sich zu des Häuptlings Haus und sprach: »Ich habe nur zum Schein wie ein Schelm gehandelt. Die Göttin, welche im Flusse wohnt, hatte mich sehr gern. Sie wünschte meinen Geist zu haben und zu heiraten, wenn ich in den Fluss geworfen und getötet sein würde. Meine Missethaten sind daher alle ihr Werk. Ich kam nun zwar zu jener Göttin, aber ich fühlte mich unwürdig ihr Gemahl zu werden, denn ich bin ein armer Mann. Ich habe mit ihr verabredet, dass du, der Häuptling des Dorfes, zu ihr kommen und sie heiraten würdest und bin hergekommen, um es dir zu sagen. Daher habe ich auch diese prächtige Kleidung an, weil ich von der Flussgöttin komme.« So sprach er. Als der Dorfhäuptling sah, dass der Schelm in die schönsten Kleider gehüllt war, glaubte er, dass jener die Wahrheit spräche und sagte: »Gut, lass mich in eine Matte binden und in den Fluss werfen.« So geschah es, wie es mit dem Schelm geschehen war, und er ertrank.

Nun wurde der Schelm Häuptling im Dorfe und wohnte im Hause des ertrunkenen Häuptlings. So lebten auch in alten Zeiten sehr böse Menschen, wie erzählt wird.9

IV.

Träume.

Von Reisbier, einem Flusse, schwimmen oder irgend etwas zu träumen, was mit Flüssigkeiten zusammenhängt, verursacht Regenwetter.10

Träumen, dass man Fleisch isst, bringt Krankheit, ebenso dass man Zucker oder etwas rotes isst?11

Träumen, dass man jemanden tötet oder zu Boden schlägt, bedeutet Glück; getötet oder zu Boden geschlagen werden, bedeutet Unglück.

Träumen, dass eine schwere Last, die man trägt, leicht erscheint, bedeutet Glück; das Gegenteil weissagt Krankheit. Von einem langen Seile träumen, das nicht reisst und in welchem keine Knoten sind, auch wenn es aufgewunden wird, bedeutet Glück und Sieg.

Träumen, dass man fliegt wie ein Vogel und auf einem Baume sitzt, deutet auf Regen und schlechtes Wetter.

Wenn jemand auf die Jagd gehen will, ist es ein glückliches Zeichen, wenn ihm träumt, dass er einem Gott in den Bergen begegnet, dem er Geschenke darbringt und Verehrung bezeigt. Nach einem solchen Traume kann er sicher sein, dass er einen Bären als Jagdbeute heimbringt.

Träumen, dass man mit einer scharfen Waffe verfolgt wird, bedeutet Unglück.

Träumen, dass einer verwundet ist und blutet, ist ein gutes Zeichen für die Jagd.

Von der Sonne und dem Mond zu träumen, deutet wahrscheinlich auf Unglück, besonders wenn man vom abnehmenden Monde träumt. Vom Neumond zu träumen, ist dagegen nicht unglückverkündend. Vom Zusammenbruch einer Brücke träumen, bedeutet Unglück; aber träumen, dass man eine Brücke sicher überschreitet, bedeutet Glück.

Für einen Ehemann bedeutet es Unglück, wenn ihm träumt, dass sein abwesendes Weib lacht, schöne Kleider anzieht oder bei ihm ruht.12

B. Die Mittel- oder Hochasiaten.

Die Japaner.

Die Nationalhymne.13

Übersetzung:

Möge des Kaisers Geschlecht tausend und abertausend Jahre blühen, bis ein kleiner Stein zum Fels wird und Moos ihn bedeckt.

Lieder.

1.

Übersetzung:14

1. Mag es noch, so sehr schneien und hageln, es ist mir gleich.

2. Es giebt dann kein grösseres Vergnügen, als mit den vertrauten Freunden im Kreise zusammen zu sitzen.

2.

Übersetzung:15

»Wie lieblich ist es, wenn der vom Frühlingsregen durchnässte Pfingstvogel16 mit der Pflaumenblüte tändelt, deren Duft sich durch den Schlag der Flügel verbreitet! Ist es auch nur ein Vögelchen, hat es doch den sehnsüchtigen Wunsch, eine bestimmte Ruhestatt zu haben. Ich bin der Pfingstvogel, du bist die Pflaume. Wenn ich in Bälde meinem Herrn folgen kann, ist es dann nicht, wie bei der Oshukubai?« (d.h. der Pflaume, auf der der Pfingstvogel wohnt).

Sprichwörter.

»Geld ist der Feind der Welt.«

»Wenn der Teufel (-gestrenger Hausherr) nicht zu Hause ist, thut man sich gütlich.« (Wenn die Katze nicht zu Hause ist, tanzen die Mäuse.)

»Mit einem Bissen kann man sich die Backe verbrennen.« (Kleine Ursachen, grosse Wirkungen.)

»Die Reue kommt nicht vor der That.«

»Berate dich mit einem andern und wenn es dein Knie ist!«

»Selbst ein Bauer, der Packpferde führt, sieht in guten Kleidern besser aus.«

»Selbst Kobodaishi17 machte einen Schreibfehler.«

»Er ringt mit dem Lendengurt eines andern.«

»Gewaschene Kleider sind besser als geliehene.«

(Es ist besser eigene Sachen zu brauchen, wenn sie auch schlecht sind.)

»Wer von der Grossmutter erzogen ist, ist drei Sen billiger« (weil er verzogen ist).

»Auch ein Teufel (-hässliches Mädchen) ist mit siebenzehn (resp. achtzehn) Jahren nett18, auch schlechter Thee hat seinen ersten Aufguss.« (Jeder hat einmal eine Zeit, in der er hübsch ist.)

»Wenn es einen Gott giebt, der einen verlässt, giebt es wieder einen, der hilft.«

»Der Hund strengt sich an, und vom Falken wird der Vogel gefangen.« (Man erntet die Früchte der Mühe eines andern.)

»Kleide dich in Brokat, wenn du nach der Heimat kommst!« (Gehe nicht eher in die Heimat zurück, als bis du etwas erworben und dort gut auftreten kannst!)

»Selbst Eltern und Kinder sind in Geldsachen wie Fremde.«

»Eine hübsche Blume trägt keine guten Früchte« (sagt man z.B. wenn eine hübsche Mutter ein hässliches Kind hat).

»Er fängt weder Pferdefliegen noch Bienen.« (Er will zwei Dinge und bekommt keins, wie der Hund mit dem Fleische.)

»Ein Rabe, der einen Kormoran nachahmt,« ertrinkt. (Wer einem andern etwas nachahmt, ohne es zu verstehen, kommt in Ungelegenheiten.)

»Wenn man von einer Sache spricht, die man im nächsten Jahre ausführen will, lacht der Teufel.«

»Wenn man Geld leiht, macht man ein (freundliches) Gesicht, wie eine Götze, wenn man es zurückgiebt, macht man ein (fürchterliches) Gesicht, wie der Höllengott Emma.«

»Er trägt zwar Lumpen, aber sein Herz ist von Brokat.«

»Wenn du Gift nimmst, lecke den Teller mit ab!«

»In ein Haus, wo man lacht, kehrt das Glück ein.«

»Warte schlafend auf das Glück!« (Wie sehr man dem Glück nachjagt, holt man es nicht ein, es kommt, wenn man es nicht erwartet.)

»Vermindere lieber deine Diener, als dass du zum Glücksgotte betest.«

»Einen Reiskuchen in den offnen Mund.« (Was man gewünscht, kommt unverhofft.)

»Es giebt auch Insekten, die Wasserpfeffer lieben.« (Über den Geschmack lässt sich nicht streiten.)

»Urteile über einen Menschen, wenn du ihm nahe getreten bist, über ein Pferd, wenn du es geritten!«19

»Ein gefüttertes Seidenkleid nimmt man auch im Sommer geschenkt.« (Einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul.)

»Auch auf einem Stein kann man drei Jahre lang sitzen.« (Dieser Spruch mahnt zur Ausdauer in schwierigen Verhältnissen.)

»Auch ein Götze wird zornig, wenn man ihm dreimal übers Gesicht fährt.«20

»Nur wenn man in Not ist, bittet man die Götter um Hilfe.«

»Wein ist der Besen, mit dem man die Sorgen auskehrt.«

»Man kann auch zum Kopf einer Sardelle beten, es kommt nur auf den Glauben an.«

»Er reisst einem lebendigen Pferde die Augen aus« (sagt man von einem behenden Taschendiebe).

»Rechtlichkeit und Lendengurt sind zwei unentbehrliche Dinge.«

»Niemand ist mehr zu fürchten, als der Dummkopf.«

»Es giebt kein Mittel einen Dummen klug zu machen.«

»Die Wände haben Ohren.«21

»Gute Erziehung ist besser, als gute Familie.«

»Eine Theetasse auf dem Brunnenrand« (ist in Gefahr).

»Aus dem Aschenbehälter ist eine grosse Schlange gekommen« (wird gesagt, wenn jemand sehr aufschneidet).

»Selbst ein Insekt von einem Zoll Länge hat einen Verstand von einem halben Zoll.« (Man soll auch den Kleinsten nicht verachten.)

»Die Lüge ist der Anfang der Diebe.«

Fabeln, Märchen und Sagen.

Die beiden Frösche.22

Es waren einmal zwei Frösche, von denen der eine ganz nahe bei der Küstenstadt Osaka in einem Graben, der andere dicht bei der schönen Hauptstadt Kioto in einem klaren Bache wohnte. Beide kamen auf den Gedanken, eine Reise zu machen, und zwar wollte der Frosch, der in Kioto wohnte, sich einmal Osaka ansehen, und der andere, der in Osaka wohnte, hatte Sehnsucht, die Kaiserstadt, Kioto, wo der Mikado residierte, zu besuchen. Ohne dass, sie sich kannten oder auch nur von einander gehört hatten, machten sie sich daher beide zu derselben Stunde auf den Weg und begannen ihre mühsame Wanderung. Die Reise ging nur langsam von statten, denn ein Berg, dessen Höhe die Hälfte des Weges war, musste überschritten werden, und diesen Berg zu erklimmen, war für die Frösche ein mühsames Stück Arbeit. Doch endlich war die Spitze erreicht, und siehe da, beide trafen sich, glotzten sich im ersten Augenblick einander an und fingen dann an, sich zu unterhalten. Als nun einer dem andern den Beweggrund seiner Reise mitteilte, da lachten sie beide vor Vergnügen, setzten sich zusammen in das hohe Gras und beschlossen, erst ein wenig auszuruhen, ehe sie sich trennten. »Wenn wir nur grössere Tiere wären«, sprach der eine, »dann könnten wir von hieraus beide Städte sehen und könnten schon jetzt beurteilen, ob es sich der Mühe verlohnt, noch weiter zu wandern.« »O, dem ist abzuhelfen,« entgegnete der zweite, »wenn wir das Ziel unserer Reise von hier aus sehen wollen, so können wir uns aneinander aufrichten, und jeder blickt nach der Stadt hin, die er noch nicht kennt.« Dieser Vorschlag leuchtete dem andern Frosche gewaltig ein, und gesagt, gethan, die beiden kleinen Kerlchen stellten sich auf ihre langen Hinterfüsse und hielten sich mit den Armen umschlungen, damit sie nicht umfielen. Der Frosch, welcher aus Kioto kam, richtete seine Nase nach Osaka zu, und der, welcher aus Osaka kam, wandte die seine nach Kioto. Und so standen sie da, ganz steif, still und versunken in ihre Betrachtungen. Nun hatten die dummen Frösche aber garnicht bedacht, dass ihre grossen Augen, wenn sie den Kopf so hoch in die Luft reckten, wie sie es thaten, auf dem Rücken lagen und nach rückwärts blickten, und dass sie daher beide ihre eigene Heimat und die Stadt, von der sie ausgezogen waren, zu Gesicht bekamen. »Ach, was sehe ich?« rief der eine Frosch aus Osaka, »was sehe ich? Kioto sieht ganz so aus, wie Osaka; ich kann mir den Weg dahin ersparen!« Und ganz dasselbe sagte der Frosch aus Kioto, und wie beide zu dieser Erkenntnis gekommen waren, da liessen sie einander los, und plumps! fielen sie in das Gras. Dann machten sich die beiden Frösche eine Verbeugung, sagten einander Lebewohl und wanderten heim. Bis an ihr Lebensende haben sie geglaubt, dass die Städte Kioto und Osaka, die doch so grundverschieden sind, einander so ähnlich wären, wie ein Ei dem andern, und nie haben sie ihren Irrtum, der aus ihrer Dummheit entsprang, eingesehen.

Der Erdbebenfisch.23

In der Urzeit waren die Erdbeben in Japan noch häufiger und schrecklicher als jetzt. Der Grund davon ist der, dass ein riesiger Fisch mit ungeheurem, breitem Kopfe, langen Bartfäden und mächtigen Flossen, dessen grösste Kraft in seinem endlos langen Schweife enthalten ist, sich unter der Insel befindet. Sein Kopfende liegt gen Norden, sein Schweif reicht bis ins Herz der Insel, bis nach Yemato, in die Nähe der grossen Stadt Kioto. Das ist denn auch der Grund, weshalb in letzterer Gegend die Erde am öftesten erbebt, denn meist rührt das Ungetüm nur den Schweif.

Damit dasselbe nicht noch grösseres Unheil schafft, hält ein mächtiger Gott, Kaschima, Wache und lastet nicht nur selbst auf dem Rücken des Tieres, sondern beschwert denselben auch noch mit Felsen. Ist auch dies nicht ausreichend, so ergreift der Gott sein mächtiges Schwert, das er einst in der Landschaft Hidatschi in die Erde stiess und dessen Griff einen mächtigen Felsen bildet, den man den Kanamefelsen, den Grundpfeiler der Insel Nippon genannt hat. Dies Schwert vermag niemand zu heben, als Kaschima; erfasst er es aber, so ergreift Furcht den grossen Erdbebenfisch, und ohne dass Kaschima es wirklich zu zücken braucht, beruhigt er sich und das Erdbeben hört auf.

Der Habgierige.24

In der Hauptstadt Japans wohnte vor Jahren ein Tischler, welcher sehr fleissig und geschickt war, aber den Fehler an sich hatte, sehr geizig und habgierig zu sein. Täglich betete er zu den Göttern, sie möchten ihm doch zwei paar Hände statt des einen, dessen sich die Menschen erfreuen, gnädig bescheren, sie würden sehen, wie treu und fleissig er sie benutzen würde. Und die Götter erfüllten seinen Wunsch und schenkten ihm in der That noch ein paar Hände. Natürlich verdiente er jetzt doppelt so viel, statt aber von dem Gelde, welches er erwarb, auch armen Leuten etwas zu gute kommen zu lassen, speicherte er es nur auf und ward zugleich immer habgieriger, sodass er abermals die Götter ohne Unterlass anflehete, nochmals die Zahl seiner Hände zu verdoppeln. Wiederum fand er Erhörung; er arbeitete nun mit acht Händen, war aber immer noch nicht befriedigt und geizte in hergebrachter Weise mit seinem Gelde.

Da trat eines Tages ein Fremder zu ihm herein, lobte seinen Fleiss und seine Geschicklichkeit und pries das Wunder, das ihn mit acht Händen ausgestattet habe. »Indessen,« fügte er hinzu, »sollte es nicht viel vorteilhafter sein, wenn ihr euch, da ihr ein solcher Wundermensch seid, der mit acht Händen, gleich einer Spinne, arbeiten kann, einfach für Geld beim Volke sehen liesset? Dann hättet ihr noch viel mehr Einkommen als jetzt und brauchtet doch nicht vom Morgen bis zum Abend im Schweisse eures Angesichtes zu arbeiten, sondern nur dann und wann ein wenig, um eure Geschicklichkeit den Leuten zu zeigen.« Das leuchtete dem Tischler ein; er sagte zu dem Vorschlage des Mannes ja und liess sich sogar thörichterweise von demselben in einen Käfig sperren, um besser den Schaulustigen vorgeführt werden zu können.

Nun schleppte ihn aber der Fremde rastlos von Stadt zu Stadt; er musste überall die Menge belustigen und erhielt dafür kaum satt zu essen, während sein Führer auf seine Kosten reich ward. Mit Thränen in den Augen bejammerte er sein hartes Los; wenn aber sein Peiniger ihn klagen hörte, so bekam er noch Schläge obenein. Jetzt erst erkannte er, wie sündhaft seine Habgier gewesen, und bereute dieselbe zu spät. Der Fremde aber, der mit ihm herumzog und ihn im Käfig den Leuten zeigte, war, wie man sagt, niemand anders als ein Abgesandter des greisen Gottes von Inari, des Gehilfen der grossen Göttin des Landbaues, der den Armen und Bettlern besonders wohlwill und dem Tischler eine schwere, aber gerechte Strafe für seine Hartherzigkeit und für seine sündhafte Ungenügsamkeit zukommen lassen wollte.

Uraschimataro.25

Es war einmal ein frommes Ehepaar, das hart an der Küste wohnte und sich vom Fischfange nährte. Ein einziger Sohn war das Glück der beiden Alten, und da derselbe sehr wohl geraten und brav war, so klagten sie nie über ihr hartes Tagewerk, sondern verbrachten in Zufriedenheit ihre Lebenstage. Der Sohn hiess Uraschimataro, das bedeutet: Sohn der Meeresinsel. Er wuchs zu einem schönen, beherzten Jüngling heran, und da er die Stütze seines Vaters beim Fischfange wurde, so sah man ihn täglich selbst bei Wind und Wetter auf die See fahren. Niemand im Dorfe, das wegen seiner Fische in der ganzen Gegend berühmt war, wagte sich so weit hinaus auf das Meer wie er, und manchmal sagten die Nachbarn zu seinen Eltern: »Wenn euer Sohn so tollkühn bleibt, so erlebt ihr noch einmal ein Unglück, die Wellen werden ihn begraben und eines Tages wird er nicht zu euch zurückkehren.« Doch Uraschimataro kümmerte sich nicht um diese Reden, und da er stark und unerschrocken seinen Kahn zu lenken wusste, so waren seine Eltern auch ohne Sorge.

Eines Morgens, bei klarem, hellem Wetter, als er seine schwergefüllten Netze aus dem Wasser zog und in seinen Kahn entleerte, fand er unter den Fischen eine kleine, allerliebste Schildkröte. Er freute sich sehr darüber und warf sie in ein Holzgefäss. Da plötzlich redete ihn das Tier an und bat gar jämmerlich um sein Leben. »Schone mich,« so sprach es, »was kann ich dir nützen? Ich bin ja noch so jung und klein und möchte so gern noch leben; wenn du barmherzig bist und mich frei giebst, so werde ich dir erkenntlich sein, das verspreche ich dir.«

Mehr bedurfte es nicht; Uraschimataro war viel zu gutmütig, als dass er hätte irgend jemand einen Wunsch abschlagen können, und deshalb ergriff er sofort die Schildkröte und setzte sie wieder ins Wasser.

Jahre waren verflossen, und Uraschimataro trieb nach wie vor jeden Morgen seinen Kahn hinaus auf das weite Meer. Eines Tages aber überraschte ihn, als er sein Fahrzeug gerade um einen Felsen lenkte, ein gewaltiger Wirbelwind, der die Wogen aufwühlte und den Kahn zertrümmerte. Uraschimataro ward in das Wogengebrause hinein geschleudert; da er aber gut schwimmen konnte, so verzagte er nicht, sondern teilte mit kräftigen Armen die Flut und suchte das Ufer zu gewinnen. Da sah er plötzlich eine grosse Schildkröte auf sich zu schwimmen, die ihn anredete und deutlich, trotz des Sturmgeheuls, folgende Worte zu ihm sprach: »Ich bin die Schildkröte, der du einst das Leben gerettet hast; ich will nun meine Schuld abtragen und mich dankbar bezeigen. Das Ufer ist noch weit entfernt; du würdest es ohne meine Hilfe nimmermehr erreichen. Steig deshalb auf meinen Rücken; ich bringe dich, wohin du willst.« Uraschimataro liess sich das nicht zweimal sagen und nahm die Hilfe seiner Freundin dankbar an. Doch kaum sass er auf ihrem Rücken, so machte sie ihm den Vorschlag, für heute nicht an den Strand zurückzukehren, sondern sich von ihr tragen zu lassen, wohin sie wolle. »Du wirst Wunder schauen,« sagte sie; »es wird dich nicht gereuen.«

Uraschimataro war höchlich erstaunt, willigte aber ein und tauchte schon im nächsten Augenblicke mit der Schildkröte unter, in die Tiefe des Meeres hinein. Hei, wie rasch ging es fort und fort durch die blauen Fluten dahin! Der kühne Jüngling wusste kaum, wie ihm geschah, und so schwamm er drei Tage lang, bis endlich die Schildkröte bei einem riesigen Palaste Halt machte. Derselbe war aus Krystall und köstlichem Gestein erbaut und flimmerte von Gold und Silber, von leuchtend roten Korallen und schimmernden Perlen. Die Schildkröte führte Uraschimataro in den Palast, und wenn er schon draussen ganz erstaunt über die Pracht und Schönheit desselben gewesen war, so wuchs seine Verwunderung noch, als er hineintrat. Da gab es eine unbeschreibliche Pracht, goldene Früchte, mit Perlen bestreute Blätter, strahlende Edelsteine, und an den Wänden glitzerten rings umher köstliche Fischschuppen wie tausend Lichter.

»Wohin hast du mich gebracht?« fragte Uraschimataro seine Führerin leise.

»In den Palast Riugu, in das Haus des Meeresgottes, dem wir alle unterthan sind,« entgegnete die Schildkröte; »ich aber bin die erste Dienerin seiner Tochter, der unvergleichlich schönen Prinzessin Otohime, die du bald sehen wirst.«

Uraschimataro blickte noch immer verwundert um sich und wartete der Dinge, die da kommen sollten. Die Schildkröte aber, welche ihrer Herrin viel von dem schönen Jüngling erzählt hatte, und welche auf den Wunsch der Prinzessin ausgezogen war, um ihn herbeizuführen, ging nun hin, um die Ankunft Uraschimataros zu melden. Und als die Prinzessin ihn sah, fand sie ihn so schön, wie die Schildkröte ihn beschrieben, und deshalb liess sie ihn festlich empfangen und bat ihn alsogleich, für immer bei ihr zu weilen; der Lohn dafür solle ewige Jugend und Schönheit sein. »Du wirst nie und nimmer altern,« sprach sie schmeichelnd, und da sie so schön wie die Sonnenkönigin selber war und so liebenswürdig und reizend bat, so willigte Uraschimataro ein und blieb bei ihr. Nun führte er mit der Prinzessin das glücklichste Leben; in lauter Freude und Wonne verging die Zeit. Wie lange das war? er wusste es nicht und kümmerte sich nicht darum.

Doch plötzlich überkam ihn inmitten alles Glückes eine grosse unbeschreibliche Sehnsucht nach seinen guten Eltern. Er konnte, so viel er auch dagegen ankämpfte, dies Gefühl nicht verbergen und sass eines Morgens so traurig da, dass es der Prinzessin ganz unmöglich war, ihn aufzuheitern. Endlich fragte sie ihn nach seinem Kummer, und da gestand ihr Uraschimataro ganz aufrichtig, dass er Sehnsucht nach seinen Eltern habe und nicht leben könne, wenn er sie nicht wiedersähe. Die Prinzessin war darüber sehr erschrocken.

Vergebens stellte sie ihm vor, dass dieser Wunsch für ihn die grösste Gefahr mit sich bringe. »Ich werde dich verlieren, wir sehen uns nie wieder,« klagte sie unter Thränen. Doch Uraschimataro blieb fest und sagte traurig und beklommen: »Ich muss meine Heimat, meine Eltern wiedersehen! Doch will ich gern zu dir zurückkehren, wenn du es befiehlst.«

Traurig senkte die schöne Prinzessin das Haupt und seufzte tief. »Es giebt wohl ein Mittel, dich sicher zurückzubringen,« sprach sie, »doch fürchte ich, du wirst die Bedingung, welche daran geknüpft ist, nicht erfüllen können.«

»Ich werde alles thun, um zu dir zurückkehren,« entgegnete Uraschimataro und blickte sie treuherzig an; doch die Prinzessin blieb traurig – ihr sagte eine Ahnung, dass sie ihn verlieren würde. Dennoch stand sie auf und holte eine kleine goldene Büchse. Diese übergab sie Uraschimataro und ermahnte ihn mit vielen eindringlichen Worten, sie gut zu verwahren und vor allen Dingen sie nie und nimmer zu öffnen. »Kannst du diese Bedingung erfüllen,« sprach sie ernst, als sie ihm Lebewohl sagte, »so brauchst du nur deine Freundin, die Schildkröte, am Strande herbeizurufen, und sie bringt dich auf dem dir bekannten Wege zu mir zurück.« Tief gerührt dankte ihr Uraschimataro und gelobte nochmals, ihrem Geheisse unverbrüchlich Folge zu leisten. Er verwahrte die Büchse gut in seinem Gewände und setzte sich auf den Rücken der bereit stehenden Schildkröte, die ihn von dannen trug, indessen ihm die Prinzessin traurig nachblickte.

Sie schwammen abermals drei Tage und drei Nächte und landeten glücklich am heimatlichen Strande. Die Schildkröte sagte ihm Lebewohl und verschwand in den schäumenden Wellen.

Uraschimataro nahete sich raschen Schrittes und fröhlich seinem Dorfe; er sah den Rauch von den Herden aufsteigen, er sah die alten Strohdächer aus den grünen Gebüschen hervorragen, er hörte der Kinder fröhliches Rufen und Jauchzen, er hörte die Klänge des KotoA1 aus einer Hütte am Wege und jubelte voller Entzücken und Freude über die heissersehnte Heimkehr.

Aber wie wurde ihm plötzlich bange ums Herz, als er weiter durch die Strassen wanderte! Alles war verändert, kein Haus, kein Mensch war ihm bekannt. Hastig lief er dem Hause seiner Eltern zu; ja, es stand wohl noch da, aber es hatte ein fremdes Aussehen. Beklommen fragt er die Bewohner nach seinen Eltern, doch sie kannten den Namen nicht und wussten ihm keine Auskunft zu geben.

Aufgeregt und unglücklich lief er auf den Friedhof, den einzigen Platz, der ihm Rat und Hilfe in seiner Not geben konnte. Hier waren ja alle guten Götter zugegen; sie würden ihm gewiss Aufschluss über diese sonderbaren, qualvollen Augenblicke geben. Und er hatte sich nicht getäuscht – nach kurzem Suchen fand er die Gräber seiner Eltern, und die Steine zeigten eine Jahreszahl, welche nicht viel von der verschieden war, die man schrieb, als er fort in den Palast der Meeresprinzessin gezogen war. Er verrichtete sein Gebet und blickte um sich, und immerfort sah er Gräber mit jüngerem Datum. Und endlich fand er, dass dreihundert Jahre verflossen sein mussten, seit er seine Heimat verlassen.

Schaudernd lief er die Dorfstrasse zurück, um sich zu erkundigen, und da hörte er nur zu gut, dass es so und nicht anders war. In Verzweiflung holte er die Büchse der Prinzessin Otohime hervor – vielleicht umgab ihn ein böser Zauber, und sie konnte ihn retten! Fast mechanisch drehte er sie auf und sah einen purpurnen Dunst daraus hervorsteigen. Er hielt verwundert die leere Büchse in der Hand und sah, wie diese Hand, welche noch vor einem Augenblicke die kräftige Hand eines Jünglings gewesen, nun zusammengeschrumpft, faltig und knochig wie die eines steinalten Mannes war. Er ging zu dem klaren Bache, der aus dem Berge daherfloss, und besah sein Bild in der spiegelglatten Fläche; ein mumienhaftes Antlitz blickte ihm daraus entgegen. Entsetzt und bis zum Tode ermüdet, schleppet er sich durch das Dorf. – Niemand erkannte in dem alten, alten Manne den kräftigen Jüngling, der erst vor einer Stunde durch die Strassen lief. So ging er mühselig weiter, bis er an den Strand des Meeres kam. Hier setzte er sich nieder und rief vergebens nach der Schildkröte; sie kam nicht mehr, und so erlöste ihn bald der Tod. Vorher aber hat er den Leuten, die ihn einsam am Strande sitzen sahen und herbeikamen, um ihn zu trösten, seine Erlebnisse mitgeteilt, und diese erzählten sie weiter und weiter und priesen den guten, braven Sohn, der aus Liebe zu seinen Eltern alle Pracht und alle Wunder des Palastes der schönen Meeresprinzessin verlassen hatte. Und so preist man ihn noch heute, und wenn ein Sohn in die Ferne zieht, so ermahnen ihn seine Eltern, dem Beispiele Uraschimataros zu folgen und im höchsten Glück nie die Eltern und die Heimat zu vergessen.

Fußnoten

A1 Saiteninstrument.

Isanagi und Isanami.26

Im Urbeginn aller Zeiten, welcher im Grunde noch keine Zeit benannt werden kann, damals, als es vor Erschaffung der Welt nur ein wirres Chaos gab, als der Himmel noch nicht von der Erde getrennt war, als noch keine Kreatur existierte und alle Dinge vermengt, gestaltlos und planlos umherschwammen wie Wolken auf der Meeresfläche, da erstanden bereits – so erzählen die Japaner – die uranfänglichen Gottheiten. Und die allererste derselben entstammte einer riesigen Schilf knospe, die gleich einem emporstrebenden Horne inmitten des grenzenlosen Wirrwarrs aufsprosste. Aus dieser ersten Gottheit folgten andere, und so vergingen drei Geschlechter, bevor die richtige Sonderung der feinen, flüchtigen Teile nach oben und der schweren, gröberen nach unten hin vor sich ging. Selbst als endlich durch die dritte Gottheit, welche man den grossen Himmelsgeist nennt, Götterpaare entstanden und am oberen Ende, wo sich jene aufstrebende Knospe einer Pflanze ähnlich ausbreitete, der Himmel sich bildete und von der unteren Welt schied, blieb auf Erden noch alles verworren, und hier war der Unterschied gegen ehedem noch gering.

So folgten – wie lange Zeit darüber verging, das kann man unmöglich angeben, ja nicht einmal ahnen – im ganzen vier Götterpaare aufeinander, und erst durch das letzte derselben ward die Erde erschaffen, wie wir sie kennen.

Das vierte Götterpaar waren der gewaltige Urgott der Luft Isanagi, und die Urgöttin der Wogen, Isanami; diesen beiden war es vorbehalten, die Erde zu bilden, und von ihnen stammen alle Menschen ab und alles, was da lebt und webt.

Einstmals wandelten beide auf der schwebenden in sieben Farben schillernden Brücke des Himmels, einem wunderbaren Gebilde, das ohne irgend welche Stütze fest dastand. Und da sprach plötzlich der Urgott der Luft, Isanagi, zu der Urgöttin der Wogen, Isanami: »Es giebt doch auch noch unter uns ein Reich; warum sollen wir nicht einmal auf dasselbe hinuntersteigen?« Und wie er also gesprochen, stiess er seine kostbare Lanze, die mit Edelsteinen und Korallen besetzt war, in die gährende Masse dort unten. Und wie er sie anrührte, da gerann es um die Spitze der Lanze herum, und das erste Eiland, die Insel Onogoro, entstand. Auf diese Insel nun stiegen die beiden Gottheiten hernieder und errichteten darauf einen hohen Pfosten, einen riesenhaft aufstrebenden Bergzacken, auf dessen Spitze sie die Himmelsbrücke legen konnten, und diesen Pfosten, diese steile Klippe machten sie zum Mittelpunkt der Erde, auf der sie nun wohnen wollten.

Nun war aber durch die Weisheit des grossen Himmelsgeistes der Urgott Isanagi ein männliches Wesen und die Urgöttin Isanami ein weibliches, und so beschlossen sie, sich zu vermählen und künftig als Mann und Frau auf der Erde zu leben. Mit diesem Entschlüsse aber kam auch sofort der Gedanke in ihre Seele, dass sie feierlich und förmlich um einander zu werben hätten, und zu dem Zwecke beschlossen sie, dass Isanagi von links her, Isanami von rechts her den hohen Berg umwandeln sollte, und wenn sie sich träfen, sollte die Werbung vor sich gehen. Und so geschah es; sie gingen der eine links, die andere rechts um den Bergpfosten, und sowie sie einander ansichtig wurden, rief Isanami, die Göttin der Wogen, begeistert aus: »O, welch ein schöner Mann!« Dabei ergriff sie zuerst die Hand des Gemahls und die Vermählung ward vollbracht. Nun aber geschah es, dass sie keine so glückliche Nachkommenschaft hatten, als sie geglaubt, und das war nicht allein der Fall bei einem Sohne, den sie bekamen, sondern auch in allen andern Dingen; denn diesen höchst wunderbaren Gottheiten war es beschieden, dass sie auch Länder zur Welt bringen mussten. Nun war das Eiland, das sie erzeugten, kein grosses herrliches Reich, wie sie gehofft, sondern nur eine öde armselige Insel, das Eiland Awaji. Und der Knabe, den sie bekamen, war kein stattlicher Herrschersohn, sondern nur ein lahmes krüppelhaftes Kind. Er hiess Hiruko, und da er noch nach drei Jahren nicht zu stehen vermochte, so flochten die Eltern aus Schilf einen Kahn; in diesen setzten sie das Kind und liessen das Fahrzeug von Wind und Wellen ins weite treiben.

Dann aber stiegen der Urgott Isanagi und die Urgöttin Isanami wieder zum Himmel empor und fragten den grossen Himmelsgeist, wie es wohl zugehe, dass sie so viel Missgeschick hätten, und wie sie es anfangen müssten, glücklicher zu werden. Und da belehrte sie der erhabene und weise grosse Himmelsgeist, dass stets und immerdar der Mann den Vorrang haben müsse. Es sei nicht wohlgethan gewesen, dass Isanami, das Weib, die Werbung begonnen habe; es sei Sache ihres Herrn und Gebieters Isanagi gewesen, und aus dieser Ursache sei all ihr Misserfolg hervorgegangen.

So belehrt, zogen beide eilig wieder zur Erde hinab, um ihre Werbung aufs neue zu beginnen. Und abermals wandte sich Isanagi von der Linken und Isanami von der Rechten um den zuerst geschaffenen Grundpfeiler der Erde, und als sie nun sich trafen, rief zuerst der Urgott der Luft, Isanagi: »O, welch ein schönes Weib!« Und nun waren sie abermals vermählt, und viel glücklicher als ehedem. Jetzt bekamen sie als Nachkommen die schönen acht grossen Inseln des Reiches Japan, zuerst die herrliche fruchtbare Insel von Yamato – dem alten Mittelpunkte der Hauptinsel, – dann Schikoku, Kiuschiu, Oki, Sado und andere Inseln. Die kleinen Felseilande aber gerannen von selbst aus der Brandung an den Küsten jener von Isanagi und Isanami geschaffenen Inseln, und ebenso entstanden die Inseln und Landschaften von China und alles Festland und alle Eilande der übrigen Welt. Dann aber wurde ihnen der Gott des Meeres geboren, der Beherrscher der Flüsse, der Gott der Berge, darauf der Gott der Bäume und eine Göttin, der sie die Obhut der zarteren Pflanzen anvertrauten.