Antifaschistische Strategie 1923/2023 -  - E-Book

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Beschreibung

Mit Beiträgen von: Ulrich Schneider (FIR), Anne Rieger (Österreich), Andreas Buderus, Matthias Fritz, Ulrich Sander, Maria Krüger, Gerhard Feldbauer, Erica Caines (USA), Joe Lauria (USA); Rezensionen zum Thema

Weitere Themen: Atomkriegsgefahr (Scott Ritter), Brasilien (Miguel Torres/ João Carlos Juruna), Mediengesetz in der Ukraine (Maxim Goldarb), »Holodomor«-im Bundestag (Rainer Dörrenbecher), Kontinuität deutscher Außenpolitik (Rudolph Bauer), Vergessener Massenmord in Indonesien (John Roosa), Polykrise und die Linke (Peter Mertens)

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Seitenzahl: 292

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Marxistische Blätter 2_2023

Peace? Now!

Lothar Geisler

In gemeinsamer Sache

Gelungener Jahresauftakt

Marxistische Blätter in Esperanto

Die Zukunft der Marxistischen Blätter…

Einladung zur Video-Konferenz

Aktuelles

Bemerkungen zu einem langweilig klingenden Gesetz

Leserkommentar von Enrico Mönke

Wie die Redefreiheit in der Ukraine zerstört wird

Maxim Goldarb, Vorsitzender der »Union der Linken Kräfte der Ukraine – Für einen neuen Sozialismus«

Nach dem Sturm, eine neue Zeit

Miguel Torres und João Carlos Juruna, Forca Sindical (Brasilien)

Der »Holodomor« in der Ukraine 1932/1933 – ein sowjetrussischer Völkermord?

Rainer Dörrenbecher

Die schreckliche Kontinuität deutscher Außenpolitik

Rudolph Bauer

90 Sekunden bis Mitternacht?

Scott Ritter, 24. Januar 2023

Leserzuschrift

Massaker nicht verschweigen!

Leserzuschrift zur »Bilanz der documenta 15« in MBl 6_2022

Thema: Antifaschistische Strategie 1923-2023

Editorial

Nachdenken über antifaschistische Bündnispolitik

Ulrich Schneider

Soziale Demagogie der extremen Rechten und antifaschistische Strategien

Anne Rieger

Über die Erforderlichkeit emanzipatorischer betrieblicher Gewerkschaftsstrategien

Andreas Buderus

Faschist:innen in Metall-Betrieben

Matthias Fritz

Die Friedensbewegung und der Antifaschismus

Ulrich Sander

Dammbrüche im Osten und Überlegungen für antifaschistische Strategien

Maria Krüger

»Reuelose Faschisten« regieren

Gerhard Feldbauer

Liberalismus – Bettgenosse des Faschismus

Erica Caines

Über faschistischen Einfluss in der Ukraine

Joe Lauria1

Positionen

Die vergessene Vernichtung

John Roosa

Die Polykrise und die Linke

Peter Mertens, PvdA/PTB (Belgien)

Rezensionen

Es schrieben diesmal

Impressum

Peace? Now!

Lothar Geisler

Der Ukraine-Krieg geht ins zweite Jahr. Und die »Atomkriegsuhr« tickt unüberhörbar. Die »nukleare Mitternacht« rückt näher. In einer Erklärung warnen US-amerikanische Atomwissenschaftler, »dass eine Eskalation des Konflikts – sei es durch Unfall, Absicht oder Fehlkalkulation – ein schreckliches Risiko darstellt. Die Möglichkeit, dass der Konflikt außer Kontrolle gerät, bleibt hoch.« Bereits vor einem Jahr warnten auch Dozenten der Hamburger Bundeswehrhochschule vor dieser Gefahr.1 Die Bundesregierung jedoch bleibt bei ihrem Kamikaze-Kurs des »Frieden schaffen mit immer mehr Waffen.« Auch andere NATO-Länder liefern in die Ukraine, was das Kriegerherz begehrt – Kampfpanzer, Munition, demnächst wohl auch Kampfjets … und was kommt dann? Die Verlängerung eines Stellungskrieges, den die Ukraine militärisch nicht gewinnen kann, so der US-amerikanische Generalstabschef General Mark Milley in einem CNN-Interview. Der fordert nur zusätzliche, unnötige Opfer. Der fördert Friedhofsruhe statt Frieden.

»90 Sekunden vor Mitternacht« oder »in Wahrheit schon eine Sekunde« wie der US-Amerikanische Militär-Experte Scott Ritter2 meint, das ist der »Ernstfall«! Dass in Russland – anders als in den USA – der atomarer Erstschlag nicht zur geltenden Militär-Doktrin gehört, beruhigt mich wenig. Hyperschallraketen, mit Atomsprengköpfen bestückt und von einem russischen Kriegsschiff abgeschossen, erreichen mit neunfacher Schallgeschwindigkeit in 90 Sekunden 250 Kilometer entfernte Ziele – auch an der US-Küste. Ob irgendwer bei solchen »Vorwarnzeiten« im Weißen Haus oder im Kreml noch rechtzeitig zum »roten Telefon« greifen kann, um zu deeskalieren, darf bezweifelt werden. Wer zuerst und wer als zweiter geschossen hat, ist dann sowieso unerheblich.

Darum heißt das Gebot der Stunde: Deeskalieren! Die Waffen nieder! Verhandeln!

»Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen«, fordert General a. D. Harald Kujat3 in einem bemerkenswerten Interview4, in dem er u. a. erläutert, warum er den »Mangel an sicherheitspolitischem Weitblick und strategischem Urteilsvermögen in unserem Lande … beschämend« findet. Es erschien in der Schweiz. Die Expertise und Meinung hochrangiger Militärs – wie Harald Kujat, Erich Vad, Kai-Achim Schönbach u. a. – ist in den Chefbüros bundesdeutscher Medien und Ministerien unerwünscht. Ein Grund mehr, warum wir sie als Bündnispartner der Friedensbewegung sehen und ihre Expertise stärker nutzen sollten. Ich hätte – als in die Jahre gekommener Kommunist, Kriegsdienst- und Atomwaffengegner – nicht das geringste Problem mit solchen Militärs gemeinsam zu marschieren. (Wie wir es in den 1980ern in der Friedensbewegung schon getan haben.)

Das wäre zielorientierte Bündnispolitik. Sie wäre der Bedrohungslage angemessen. Angemessener als manch aufgeheizte Debatten-Schleife über Demo-Aufrufe und Schlagwortgefechte über »Völkerrechtsbruch«, »rechts offene« Bündnisse, halluzinierte »Querfronten« und »Verschwörungsphantasien«. Das mobilisiert niemanden! Das Kerngeschäft einer Friedensbewegung, die diesen Namen auch verdient, ist und bleibt bei aller Vielfalt der Zugänge, die breitestmögliche »Mobilmachung für den Frieden«.

Entscheidend ist auf’m Platz. Also raus zum Ostermarsch!

1 Siehe Marxistische Blätter 3_2022, S. 5 ff.

2 Siehe diese Ausgabe, S. 99 ff.

3 Ehemals Generalinspekteur der Bundeswehr, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses und des NATO-Russland-Rates.

4 https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-1-vom-18-januar-2023.html

Einladung zur Video-Konferenz

Leser (w/m/d) treffen Redakteure

Thema: Das aktuelle Heft der Marxistischen Blätter

Antifaschistische Strategien 1923 und heute

Sonntag, 2. April 2023, ab 10.30 Uhr

Im Vorfeld unseres 60. Geburtstages im November 2023 wollen wir den Dialog und Meinungsaustausch mit unseren Abonnent:innen intensivieren. Der »Test-Lauf« von »Treffpunkt Redaktion« in 2022 war aus Sicht aller bisher Beteiligten so fruchtbar, dass wir das Projekt 2023 fortführen und den Kreis der Teilnehmenden gerne vergrößern würden.

Anmeldungen bitte bis 27. März per E-Mail an [email protected]

Achtung: Teilnehmer:innen bisheriger Treffpunkt-Veranstaltungen werden automatisch eingeladen, müssen sich also nicht erneut anmelden.

Gelungener Jahresauftakt

Mit unserem Stand bei der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) hatten wir einen erfolgreichen Jahresauftakt. Dank an unsere drei Studis, Cristian, Ruben und Marie für ihre Unterstützung der Marxistischen Blätter. Am Stand wurden viele anregende Gespräche mit Lesern und einzelnen Autoren geführt, für 1700,- Euro NIV-Bücher und MBl verkauft (davon über 50 Exemplare von Heft 1_2023) und 10 (!) neue Abonnent:innen gewonnen.

Insgesamt sind vom Heft »Denkanstößiges zum 100. der UdSSR-Gründung, zukünftigem Sozialismus und Russland heute« bis Redaktionsschluss 205 Exemplare zusätzlich verkauft worden. Im Januar haben wir bisher (»historisch einmalig«) 23 neue Abonnent:innen gewonnen (davon 10 aus dem Osten unseres Landes.)

Auch die erste Resonanz auf unsere – pünktlich zur RLK live geschaltete – neue Webseite der Marxistischen Blätter ist durchweg positiv. An unserer Video-Konferenz »Treffpunkt Redaktion« mit den Schwerpunktverantwortlichen von Heft 1_2023 haben 21 Abonnent:innen teilgenommen, deutlich mehr als bisher. Die Diskussion war – wie nicht anders zu erwarten – streitbar/kontrovers, aber – wie auch unter Linken nicht immer üblich- erfreulich konstruktiv/solidarisch.

Marxistische Blätter in Esperanto

Die Marxistischen Blätter erfreuen sich auch international einer gewissen Beachtung. Knapp 10 Prozent (139 Ex.) unserer Abo’s gehen ins Ausland, davon die Hälfte nach Österreich und in die Schweiz. Zwei unserer Beilagen des Jahres 2022 wurden von einem Freund und Genossen übersetzt und als Broschüre der »Monda Asembleo Socia (MAS)« für die weltweite Esperanto-Community herausgegeben: »Der Ukraine-Krieg und seine geopolitischen Hintergründe« von Peter Wahl (ISBN 9782369603047) sowie »Zur Geschichte der Theorie vom Sozialismus« von Eike Kopf (ISBN 9782369602804).

Die Zukunft der Marxistischen Blätter…

nach ihrem 60. Geburtstag im November 2023 stand im Mittelpunkt einer Herausgeber-Klausur am 18./19. Februar (nach Redaktionsschluss). Dabei ging es um eine umfassende Bestandsaufnahme sowie konkrete Antworten auf die Entwicklung der Produktionskosten, Abo’s und Verkaufszahlen, Finanz-, Personal- und Vertriebsfragen sowie eine zukunftsorientierte Arbeitsweise von Redaktion und Herausgeberkreis. Über Ergebnisse informieren wir in der nächsten Ausgabe.

Bemerkungen zu einem langweilig klingenden Gesetz

Leserkommentar von Enrico Mönke

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begann am 24.2.2022. Knapp fünf Wochen vorher, am 19.1.2022, wurde das »Leih-und Pachtgesetz 2022 zur Verteidigung der Demokratie in der Ukraine« in den US-Kongress eingebracht. Am 09.05.(!)2022 wurde es vom Demokraten Joe Biden, dem 46. Präsidenten der USA, unterzeichnet.

Drei Parallelen

Am 11.3.1941 wurde schon einmal in den USA ein »Leih- und Pachtgesetz« in Kraft gesetzt. Neun Monate später erfolgte dann der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg gegen Hitler-Deutschland.Der 9. Mai ist der russische »Tag des Sieges« über Nazi-Deutschland. Was für ein Zufall, dass der USA-Präsident ausgerechnet an diesem Tag ein gigantisches Hilfsprogramm für die Ukraine im Krieg gegen Russland in Kraft setzt.Wenn das »Leih- und Pachtgesetz« von 2022 auch nur annähernd dem von 1941 gleichen sollte, dann gute Nacht Russland. Mit sage und schreibe 50 Milliarden US-Dollar unterstützten die USA ab 1941 die Alliierten (GB, UdSSR, China u. a.) in ihrem Kampf gegen Hitler-Deutschland und Japan. Der Dollar von 1941 steht zu dem von 2022 etwa bei 1:20, d. h. die Alliierten wurden also nach heutigem Maßstab mit der gigantischen Summe von Tausend Milliarden US-Dollar unterstützt.

Die Unterstützung für die UdSSR betrug z. B.: 1/3 aller Sprengstoffe. 30 % aller Reifen. 1900 Lokomotiven (Eigenproduktion der UdSSR: 932). 200.000 LKWs (Studebaker US6). 150.000 Transporter. 78.000 Geländewagen (Willys MB, »Jeep«). 380.000 Feldtelefone. 35.000 Funkstationen. Stahl 2,5 Mill. Tonnen. Nichteisenmetalle 728.000 Tonnen. Chemikalien 760.000 Tonnen. Lebensmittel 4 Mill. Tonnen. 15.000 Flugzeuge (davon 4.000 Bomber). Panzer 7.000. 132.000 MGs. 8.200 Flakgeschütze. 105 U-Boot-Jäger. 197 Torpedoboote. Stiefel 15 Millionen Paar. 60 % des gesamten hochoktanigen Treibstoffs (ohne den waren die leistungsstarken Flugzeuge etc. nicht zu betreiben)

Stalin sagte dazu auf der Konferenz von Teheran im November 1943: »Dies ist ein Krieg der Motoren und der Oktanzahl. Ich erhebe mein Glas auf die amerikanische Autoindustrie und die amerikanische Ölindustrie.« (Richard Overy: »Die Wurzeln des Sieges. Warum die Alliierten den zweiten Weltkrieg gewannen«, S. 300). Und der spätere russische Botschafter in den USA Maxim Litwinow soll im September 1941 bei einer Besprechung im Kreml mit Roosevelts Sonderbeauftragten Harriman angesichts der Liste der zugesagten amerikanischen Hilfslieferungen aufgeregt von seinem Stuhl aufgesprungen sein und gerufen haben: »Jetzt gewinnen wir den Krieg!« (Wikipedia).

Und das war noch längst nicht alles. Die Unterstützung für Großbritannien übertraf die Hilfslieferungen für die UdSSR um den unglaublichen dreifachen Betrag. Großbritannien war im Juni 1940 nach der Niederlage des Hauptverbündeten Frankreich finanziell und materiell erschöpft. Noch nach Kriegsende war GB vollständig von Lebensmittellieferungen aus den USA abhängig. Ohne die von den USA bereits ab September 1940 gelieferten 50 (!) Zerstörer hätte GB die Atlantikschlacht nicht überstanden.

Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte der Zweite Weltkrieg ohne die 50 Milliarden US-Dollar umfassenden Lieferungen der USA an Waffensystemen, Material und Lebensmitteln für die Alliierten einen anderen Verlauf genommen. Das kann man angesichts der immensen Größenordnung der Hilfslieferungen mit einiger Sicherheit vermuten. Churchill bezeichnete in einer ersten Reaktion das »Leih- und Pachtgesetz« 1941 denn auch mit dem ihm eigenen Instinkt als »praktisch eine Kriegserklärung« der USA an Hitler-Deutschland.

Dagegen ist das »Leih- und Pachtgesetz« 2022 im üblichen Mediennebel untergegangen! Aber wir sollten uns nichts vormachen und mit Churchill erkennen: Das »Leih- und Pachtgesetz« 2022 ist »praktisch eine Kriegserklärung« der USA an Russland. Mit allen noch zu erwartenden Konsequenzen.

Der Ukrainekrieg ist wie damals ein Krieg der Ökonomien. Die einstigen Antihitler-Verbündeten USA und UdSSR stehen sich jetzt in der Ukraine als Feinde gegenüber. Ihr damaliger Unterschied in der waffentechnisch maßgebenden ökonomischen Potenz schlägt unverändert zu Gunsten der USA aus. Das BiP 2021 in Billionen US-Dollar liegt in den USA bei 23, in Russland bei 1,7 (Deutschland 4,2). War es 1941 in erster Linie ein »Krieg der Motoren und der Oktanzahl«, in dem nach Stalin die USA die Nase vorn hatte, so ist es 2023 ein Krieg der Drohnen, Satelliten und autonomen Waffensysteme, in denen Russland abgeschlagen zurückliegt.

Mit dem »Leih- und Pachtgesetz« 2022 haben sich die USA entschlossen, ihre gesamte überlegene ökonomisch-militärische Potenz in den Ukrainekrieg gegen Russland einzusetzen. Die gewaltige Größenordnung dieser Eskalation kann im historischen Vergleich mit dem Vorgängergesetz von 1941 vielleicht erahnt werden. Man kann es auch als beginnenden »Kleinen Weltkrieg« betrachten.

Die Vernunft sollte jedem Politiker, jeder Mitbürgerin klar machen, dass dies eine höchst gefährliche Entwicklung ist. Russland wird wegen seiner Atomwaffen nicht wie Nazi-Deutschland militärisch von außen zu besiegen sein. Der erhoffte innere Zerfall Russlands ist unwahrscheinlich. D. h.: Eine Friedenslösung muss dringend her!

https://mronline.org/2022/11/03/an-interpretation-of-the-cpcs-20th-congress-report/

Wie die Redefreiheit in der Ukraine zerstört wird

Maxim Goldarb, Vorsitzender der »Union der Linken Kräfte der Ukraine – Für einen neuen Sozialismus«

In der Ukraine wurde kürzlich das Gesetz »Über die Medien« vom Parlament verabschiedet und von Präsident Selenskij unterzeichnet. Dieses Gesetz zielt auf die vollständige Zerstörung der von der Regierung unabhängigen Medien und der Meinungsfreiheit in der Ukraine ab.

Dies ist eine fast einhellige Einschätzung des Gesetzes »Über die Medien«, nicht nur von den wenigen Oppositionspolitikern, Aktivisten und Journalisten, die noch in der heutigen oligarchischen Ukraine leben. Sogar Juristen der wichtigsten wissenschaftlichen und fachlichen Abteilung des ukrainischen Parlaments selbst haben dieses Gesetz in ihren Kommentaren wie folgt charakterisiert:

»Die Grundprinzipien der Tätigkeit im Medienbereich, nämlich Offenheit, Zugänglichkeit von Informationen, Freiheit ihrer Verbreitung, Verbot der Zensur, Verhinderung der vorherigen Genehmigung von Informationen, haben sich tatsächlich radikal verändert …

Die Bestimmungen des Entwurfs widersprechen der Verfassung der Ukraine, berücksichtigen nicht die Rechtspositionen des Verfassungsgerichts der Ukraine, die internationalen rechtlichen Verpflichtungen der Ukraine und die Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.«

Nach dem neuen Gesetz erhielt die staatliche Aufsichtsbehörde – der Nationale Rat für Fernsehen und Rundfunk – unbegrenzte Möglichkeiten zur Einflussnahme auf alle Medien – von der Analyse und Kontrolle der Inhalte bis hin zur außergerichtlichen Schließung.

So wird der Nationalrat beispielsweise Listen mit verbotenen Medien erstellen, eine »Liste von Personen« erstellen, die »eine Bedrohung für den nationalen Medienraum der Ukraine darstellen« und nicht in den Medien gezeigt werden dürfen, verbindliche Anweisungen an Medienunternehmen senden und auch kontrollieren, ob »verbotene Informationen« in den Medien veröffentlicht wurden.

Gleichzeitig ist die Liste der »verbotenen Informationen« recht umfangreich und subjektiv, hat keine klaren Kriterien und wird vom Nationalrat selbst festgelegt. Ebenso legt der Nationalrat selbst fest, was »unzutreffende Informationen« sind, deren Verbreitung als grober Verstoß gegen das Gesetz angesehen wird und für die Sanktionen verhängt werden.

All dies wird mit der »Notwendigkeit, sich der russischen Aggression zu widersetzen«, begründet, aber das Gesetz enthält keine Fristen – es funktioniert jetzt und wird auch nach dem Ende des Krieges weiter gelten.

Bei Verstößen gegen die Verbote drohen Bußgelder, der Entzug von Lizenzen, die Aufhebung der Registrierung, eine vorübergehende (für 14 Tage) oder vollständige Sperrung der Arbeit.

Besonders harte Sanktionen – außergerichtliche Sperrungen – drohen Online-Medien, die nicht offiziell als Massenmedien registriert werden. Sie werden schon bei geringfügigen Verstößen (dreimal pro Monat) oder bei zwei groben Verstößen gesperrt.

Der Nationale Rundfunk- und Fernsehrat reguliert in der Ukraine entgegen seinem Namen nicht nur die Aktivitäten von Fernsehen und Radio, sondern auch von Print- und sogar Internetmedien, einschließlich Online-Kinos oder Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten wie YouTube-Kanälen …

Der Nationalrat hat nun das Recht, Websites, die nicht als Massenmedien registriert sind, ohne Gerichtsverfahren zu sperren, und durch das Gericht diejenigen, die als Massenmedien registriert sind. In Anbetracht der Tatsache, dass die Justiz in der Ukraine durch die Maßnahmen der Behörden fast vollständig unter die Kontrolle des Präsidialamtes gestellt wurde, ist es auch unwahrscheinlich, dass die Gerichte in den meisten Fällen einen Sperrungsantrag ablehnen werden.

Die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste haben drei Tage Zeit, den Zugang zu den Medien zu sperren, nachdem sie die Mitteilung der Regulierungsbehörde erhalten haben. Wenn die offiziellen Medien gesperrt werden (und dies droht den Medien bei vier groben Verstößen innerhalb eines Monats), dann können sie erst nach einem Jahr eine neue Registrierung beantragen.

Es ist wichtig zu wissen, dass der Nationalrat nichts mit einer unabhängigen Regulierungsbehörde zu tun hat. Er besteht aus nur acht Beamten, von denen die Hälfte direkt vom Präsidenten und die andere Hälfte vom Parlament ernannt wird, in dem die Mehrheit aus Abgeordneten der präsidialen Partei »Diener des Volkes« besteht. Es gibt keine Vertreter der Medien selbst, keine Journalisten und keine öffentlichen Aktivisten im Nationalrat.

Und damit diese Beamten ihre faktischen Zensuraufgaben mit großem Eifer erfüllen können, erhalten sie hohe Gehälter. Das Gehalt eines Nationalratsmitglieds entspricht der Höhe von 75 existenzsichernden Löhnen (und der Vorsitzende des Nationalrats und sein Stellvertreter erhalten sogar noch mehr). Dabei sind die Prämien noch nicht eingerechnet, die nach dem verabschiedeten Gesetz bis zu 30 % des Gehalts betragen können. Das heißt, im ärmsten Land Europas werden die Beamten des Nationalrats Beträge aus dem Staatshaushalt erhalten, die fast 100-mal (!) höher sind als die Einkommen von Millionen von Menschen, deren Renten, Sozialleistungen und Gehälter dem Existenzminimum entsprechen.

Das Mediengesetz wurde in verschiedenen Phasen seiner Verabschiedung von Hunderten ukrainischer Journalisten und der Nationalen Journalistengewerkschaft der Ukraine, der Unabhängigen Mediengewerkschaft der Ukraine, ukrainischen und internationalen Menschenrechtsaktivisten, dem Komitee zum Schutz von Journalisten (New York), dem OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit, dem Europäischen Journalistenverband, Experten des Europarats und der Internet Association of Ukraine scharf kritisiert.

Der Europäische Journalistenverband bezeichnete dieses Dokument als »würdig der schlimmsten autoritären Regime«, und der Nationale Journalistenverband der Ukraine ist der Ansicht, dass »das Gesetz nicht die Regulierung der Mediensphäre vorsieht, sondern in Wirklichkeit die Schaffung von Unterordnungsverhältnissen, wenn die Medien unter die Kontrolle der Behörden geraten«.

Warum wollte die Regierung die Medien vollständig unterjochen? Aus demselben Grund, aus dem Diktatoren auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten dies getan haben und tun. Damit die Gesellschaft so wenig wie möglich über das gigantische Ausmaß der Korruption an der Macht und den Diebstahl internationaler Hilfsgelder, über die Schließung unabhängiger Medien, über Repressionen gegen die Opposition, über die Privilegien der Oligarchen und die Armut der Mehrheit der Bürger erfährt.

Das von der derzeitigen ukrainischen Regierung verabschiedete Mediengesetz ist ein Gesetz gegen die Medien, gegen die Redefreiheit und gegen die Wahrheit. Es muss aufgehoben werden, und wir rufen zum Kampf für die Abschaffung dieses Gesetzes für alle auf, für die das Recht, eine Meinung zu haben und diese frei zu äußern, wirklich wichtig ist.

Nach dem Sturm, eine neue Zeit

Miguel Torres und João Carlos Juruna, Forca Sindical (Brasilien)

Um die Bedeutung der Wahlen von 2022 in Brasilien unter dem Gesichtspunkt der Arbeitnehmerinteressen zu bewerten, müssen wir den gesamten politischen Kontext, der sich seit fünfzehn Jahren entwickelt hat, die Veränderungen in der Arbeitswelt und die Beziehung zwischen der politischen Instabilität des Landes und der Aufrechterhaltung des demokratischen Regimes berücksichtigen. So können wir den gegenwärtigen Moment als Ergebnis der Auswirkungen der Krise von 2008 und einer Art Suche nach der Rettung der politischen Normalität analysieren.

Auf diese Krise folgten, nach einer Kettenreaktion der lokalen Wirtschaft und der Verbreitung von Smartphones und sozialen Netzwerken, massive Proteste wie die als Arabischer Frühling bekannten Ereignisse vom Dezember 2010, Occupy Wall Street im Jahr 2011 und Juni 2013 in Brasilien (sowie andere auf der ganzen Welt, wie in der Ukraine im Jahr 2014). Einerseits schienen diese Demonstrationen nur ein spontaner Volksaufstand zu sein, andererseits hat sich im Laufe der Zeit herausgestellt, dass die meisten von ihnen von privaten und rechten Organisationen vereinnahmt wurden und einen im Wesentlichen gegen das Establishment und die herrschende Politik gerichteten Charakter annahmen.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Aufkommen von Smartphones, die wie Taschencomputer funktionieren, und von sozialen Netzwerken, die die Bevölkerung von einer Stunde auf die andere in ständiger Verbindung halten, einen starken Einfluss auf den Verlauf der Krise hatte. Die Gadgets und die sozialen Netze (Haupttriebkräfte der Ereignisse), haben den liberalen Charakter der Megademonstrationen, die sich in der ganzen Welt ausbreiteten, noch weiter vertieft und den mobilisierenden Platz von Parteien und Bewegungen eingenommen.

In Brasilien waren die Tage im Juni 2013 ein Meilenstein, von dem aus eine antipolitische Offensive gestartet wurde, die sich auch gegen die Linke und die sozialen Bewegungen richtete. Die Proteste im Zusammenhang mit der Erhöhung der Bustarife in der Hauptstadt São Paulo lösten eine Welle von Demonstrationen im ganzen Land aus, mit einer größeren Konzentration in São Paulo, Rio de Janeiro und Brasilia. Wir befanden uns noch in der ersten Amtszeit von Präsidentin Dilma Rousseff, und die Regierung brauchte einige Zeit, um das Ausmaß des Ereignisses zu begreifen und zu reagieren. Dilma wurde 2014 mit knappem Vorsprung wiedergewählt und sah sich von Beginn ihrer zweiten Amtszeit an einer starken Opposition gegenüber. Der Aufstieg der extremen Rechten und der neoliberalen Agenda vollzog sich von da an rasant.

Die Krise von 2008 und die soziale Katharsis vom Juni 2013 schufen in Brasilien die Voraussetzungen für die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff und den Amtsantritt der Regierung von Michel Temer, die neoliberale Reformen mit einem weitgehenden Abbau sozialer Rechte vorantrieb. Dies war das Szenario, das 2018 den Weg für die Wahl von Jair Bolsonaro ebnete, einem Kongressabgeordneten, der sich als »System-Gegner« präsentierte. Trotz der Interessen, die eine solche Offensive begünstigten, sahen die meisten Wähler in Bolsonaros Außenseiter-Image die Antwort auf die intensive Propaganda, die Politik und soziale Bewegungen verurteilt.

Die Wahlen 2018 waren tragisch für die arbeitenden Menschen und das progressive Lager. Mit einem Wahlkampf, der auf Versprechungen liberaler Reformen in der Wirtschaft und konservativer Agenden in der Zoll-und Steuerpolitik basierte, sowie einem trügerischen Diskurs, der den Kampf gegen Korruption und das politische System selbst predigte, wurde Bolsonaro im Oktober 2018 im zweiten Wahlgang gegen Fernando Haddad von der Arbeiterpartei (PT) gewählt. Sein Sieg bedeutete die Krönung der brasilianischen extremen Rechten.

Die Arbeitsreform und ihr sklavischer Charakter

Noch unter der Regierung Temer wurde die Arbeitsreform 2017 im Zuge von Angriffen auf die Rolle des Staates, der Politik und insbesondere der Gewerkschaftsbewegung verabschiedet. Sie kam mit der Maske der Modernisierung, der Entbürokratisierung und der Schaffung von Arbeitsplätzen daher, aber ihr Inhalt war eine Synthese des rückschrittlichen Projekts, das bereits im Gange war. Es war die größte Demontage des Konsolidierung des Arbeitsrechts (Consolidation of Labour Laws – CLT) auf einen Schlag seit ihrer Einführung im Jahr 1943 und ein bedeutender Schlag der Finanzmarktelite gegen die arbeitenden Menschen.

Im Parlament gab es keinen Widerstand, der die Reform hätte eindämmen können, und der Widerstand der Bevölkerung war gering, da die Bewegungen aus einem Prozess der Verluste und der Demobilisierung hervorgingen.

Doch heute, nach mehr als fünf Jahren der Reform, ist die Verlogenheit des Diskurses, der die Umsetzung der Reform begleitete, offensichtlich. In Brasilien gibt es inzwischen mehr als 9 Millionen Arbeitslose, die informelle Arbeit hat Rekorde gebrochen, was zu prekären Arbeitsverhältnissen führt (z. B. die Arbeit von Lieferfahrern per App), das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung senkt und die Ausbreitung von Hunger und Ausgrenzung begünstigt.

Die Befürworter der Reform, die den CLT angriffen, um die liberale Agenda durchzusetzen, beschuldigten die brasilianische Gesetzgebung, alt und überholt zu sein. In der Geschichte Brasiliens bedeutete das Arbeitsgesetz von 1943 jedoch einen Bruch mit der Sklavenmentalität, die in den Eliten und Geschäftsleuten auch nach der Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1888 weiterlebte.

Wir leben immer noch mit den Nachwirkungen von mehr als 300 Jahren Sklaverei. Diese Folgeerscheinungen äußern sich sowohl in einer Form von Rassismus als auch in der Vorstellung, dass Arbeitnehmer keine Rechte brauchen und sozial nicht aufsteigen sollten. Es besteht ein Missverhältnis zwischen der Dauer des Bestehens des CLT und der Dauer der Sklaverei in Brasilien.

Die Schlussfolgerung ist, dass die CLT nicht alt ist. Im Gegenteil, sie ist das Ergebnis der Organisation der Arbeitnehmer zur Verteidigung ihrer Rechte und markiert einen Prozess der Industrialisierung, Urbanisierung und Modernisierung des Landes. Im Mai 2023 wird das CLT 80 Jahre alt. Erst seit 80 Jahren hat der Arbeitnehmer Zugang zu Sicherheit und sozialem Schutz, während die Masse der Arbeiter mehr als 300 Jahre lang keine Rechte hatte, weil sie Sklaven, d. h. Eigentum des Arbeitgebers waren.

Wenn einerseits die CLT die Bildung einer Mittelklasse, die Produkte und Dienstleistungen konsumiert, ermöglichte und der arbeitenden Bevölkerung die Staatsbürgerschaft verlieh, so führte andererseits ihre Demontage, die sich vor allem in der Arbeitsreform niederschlug, in die entgegengesetzte Richtung, indem sie die Bevölkerung aus der Mittelklasse entfernte und sie in die Armut stürzte.

Deindustrialisierung

Die Arbeitsmarktreform 2017 hatte eine Wirkung, die der von ihr gepredigten Modernität zuwiderlief. Angefangen bei der brasilianischen Industrialisierung, die an Schwung verlor und auf der Weltbühne noch kleiner wurde, wie mehrere Studien zeigen.

Daten der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) zeigen, dass Brasilien zwischen 2005 und 2020 aus der Gruppe der zehn größten Industrie-standorte der Welt ausschied und in der globalen Industrialisierungsrangliste von Platz 9 auf Platz 14 abstieg.

Eine von der National Confederation of Trade in Goods, Services and Tourism (CNC) im Auftrag der Zeitung O Estado de São Paulo durchgeführte Umfrage ergab die schockierende Tatsache, dass Brasilien zwischen 2015 und 2020 insgesamt 36.600 Industriebetriebe verloren hat, wobei die Fälle von Ford, Mercedes-Benz, LG und Sony und die gesamte Produktionskette um sie herum am deutlichsten sind.

Besorgniserregende Daten über die Deindustrialisierung wurden auch in einer Studie des Zentrums für regionale Entwicklung und Planung (Cedeplar) der Bundesuniversität von Minas Gerais (UFMG) ermittelt. Laut der Studie sank die Zahl der wettbewerbsfähigen Industrien im Land zwischen 2016 und 2020 von 196 auf 167, während der Anteil der mit der Agrarindustrie verbundenen Primärprodukte von 37,2 % auf 44,3 % stieg.

Eine Studie des Institute for Industrial Development Studies (IEDI), die im September 2021 veröffentlicht wurde, zeigt, dass es anders als in Brasilien keinen allgemeinen Prozess der Deindustrialisierung in der Welt gibt. Die Regierungen hoch industrialisierter Länder wie der USA, Chinas und der Länder der Europäischen Union, die durch die Pandemie große Verluste erlitten, investierten in Konjunkturprogramme, um die Krise zu überwinden und die wirtschaftliche Dynamik zu stärken.

Im Gegensatz zu diesen Maßnahmen haben die Maßnahmen der Regierung Bolsonaro, die auf dem Fehlen von Anreizen, der geringen Wirksamkeit der auf Innovation, Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und internationale Integration ausgerichteten Maßnahmen und dem Mangel an Infrastrukturen beruhen, Investitionen abgeschreckt, den Markt abgekühlt und die Gesellschaft verarmt.

Während Industrie 4.0 und die Sorge um grüne Arbeitsplätze in Ländern, mit denen wir früher um einen Platz unter den zehn am stärksten industrialisierten Ländern konkurrierten, bereits Realität sind, waren die Regierungen Temer und Bolsonaro durch die Stärkung der Position Brasiliens in der Welt als Exporteur von Rohstoffen und Importeur von Technologie gekennzeichnet. Dies ist keine Bestimmung, sondern eine Entscheidung der Regierung, das Wachstum einzudämmen und die Arbeitnehmer herabzustufen, da die Industrie der Sektor ist, der die besten Arbeitsplätze mit höheren Einkommen und größerer Rechtssicherheit bietet.

Wachstum des Hungers

Diese ganze Bewegung, die sich seit der Krise von 2008 entwickelt hat, hatte eine starke Basis, die sich in mehreren Ländern ausbreitete und es schaffte, ein Projekt der Macht zu fördern. Aber sie stieß auf die Realität und stolperte über die damit verbundenen Schwierigkeiten.

Eine im Juni 2022 veröffentlichte Studie von Oxfam Brasilien ergab, dass in Brasilien 33 Millionen Menschen hungern. Der Studie zufolge wurden die Probleme, die sich aus der Pandemie und dem Missmanagement der Regierung Bolsonaro ergaben, durch liberale Reformen wie die Arbeitsmarktreform noch verschärft.

Mit anderen Worten: Das Wachstum der extremen Rechten und die neoliberale Agenda boten keine Lösungen für die grundlegendsten und unmittelbarsten Probleme der Bevölkerung. Im Gegenteil, sie hat die Probleme noch verschärft. Und heute stehen wieder progressivere Ideen im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte.

Eine im Juni 2022 veröffentlichte Umfrage des Datafolha-Instituts ergab, dass die Identifikation der Brasilianer mit der Linken zugenommen hat und nun 49 % beträgt, während die Rechte zurückgegangen ist und 34 % ausmacht.

Im Jahr 2014, als dieser Prozess der Rechtsexpansion und der von den sozialen Netzwerken aufgeblasenen Megamanifestationen seinen Höhepunkt erreichte, identifizierten sich 45 % mit der Rechten und 35 % mit der Linken.

Die Umfrage zeigt auch, dass die Zahl der Personen, die der Meinung sind, dass die Gewerkschaften wichtig sind, um die Interessen der Arbeitnehmer zu verteidigen, von 38 auf 47 % gestiegen ist. Mit anderen Worten: Nach der Reform hat sich das Image der Gewerkschaften verbessert.

Die Notwendigkeit einer neuen Ära

Dies war der Hintergrund für die Wahlen im Jahr 2022. Der Aufbau einer breiten Front war von grundlegender Bedeutung, um einen Kandidaten zu wählen, der sich für die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze, die Aufwertung des Mindestlohns, öffentliche Dienstleistungen – insbesondere das Einheitliche Gesundheitssystem (SUS) –, Anreize für Unternehmen, insbesondere für Kleinst- und Kleinunternehmen, eine positive Politik der sozialen Eingliederung, die Beteiligung an Vereinbarungen und globalen Entscheidungen zum Schutz der Umwelt und die Erhaltung der Demokratie einsetzt.

Mit seiner Fähigkeit, seine Anliegen zu vermitteln, ist es Präsident Lula gelungen, den Widerstand in den Sektoren zu verringern, die sich zuvor gegen ihn gestellt hatten, wie z. B. in den Organen der Mainstream-Presse und sogar bei Persönlichkeiten des Marktes. Menschen und Sektoren, die erkannt haben, dass diese Entwicklung irreführend war, dass sie falsch war, dass sie zu Bolsonaro geführt hat, was eine Katastrophe war, und die ihre Positionen ebenfalls revidiert haben.

Die feierliche Amtseinführung am 1. Januar 2023, bei der das Volk stark vertreten war, markiert den Wandel, den das Land braucht. Erstaunlich ist jedoch, dass Präsident Lula mit knappem Vorsprung gewonnen hat, zumal Bolsonaro eine so erbärmliche Person ist. Dies zeigt, dass wir immer noch in einem instabilen Umfeld leben, das von starken Gegensätzen geprägt ist. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Demokratie gewonnen hat, dass aber die extreme Rechte gestärkt und besser organisiert aus der Regierung Bolsonaro hervorgeht.

Gewerkschaftsbewegung

Die Gewerkschaftsbewegung hat in all diesen Jahren des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verfalls viel verloren. Es war eine Zeit des enormen Widerstands, der Arbeit und der Debatten, die von den brasilianischen Gewerkschaftsdachverbänden noch mehr Einigkeit verlangte. Doch trotz der Demontage durch die Arbeitsmarktreform konnte die Gewerkschaftsbewegung dank des Engagements der Gewerkschaftsmitglieder für die Beschäftigten aktiv bleiben.

Während der gesamten Zeit seit dem Sturz der PT-Regierung durch ein zweifelhaftes Amtsenthebungsverfahren bis zur Wahl Lulas im Jahr 2022 haben die Gewerkschafter und insbesondere die zentralen Gewerkschaften hart gearbeitet, um den Putsch zu bekämpfen, die Demokratie zu sichern und sich vor allem für die Entwicklung des Landes auf der Grundlage der Interessen des Volkes einzusetzen.

In dieser Zeit des Wandels besteht die Perspektive darin, dass ein Teil des politischen Kampfes darin besteht, die Verluste angesichts der Rückschläge, die Brasilien in den letzten Jahren erlitten hat, wieder aufzuholen. Der Kampf gegen Hunger und Armut und die Schaffung von Ernährungssicherheit müssen in dieser Zeit, die gerade erst begonnen hat, ebenso zu den Prioritäten der Gewerkschaften gehören wie der Kampf gegen die Deindustrialisierung, die Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen und die Anhebung des Mindestlohns.

Die Maßnahmen des spanischen Präsidenten Pedro Sánchez zur Reform des Arbeitsmarktes sind ein Vorbild für Brasilien. Sánchez war bestrebt, durch Verhandlungen mit der Regierung, den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern die für die Arbeitnehmer nachteiligen Punkte rückgängig zu machen und die Rolle der Gewerkschaften, Tarifverhandlungen und unbefristete Verträge zu stärken. Dies ist ein Weg für Brasilien.

Da die Regierung noch nicht einmal einen Monat im Amt ist, ist es für eine Prognose noch zu früh. Das Klima der Instabilität und die Bedrohung der Demokratie sind immer noch sehr präsent. Nur eine Woche nach der Amtseinführung des Präsidenten wurde Brasilien von einer großen, offen putschenden Demonstration terrorisiert, die sich bereits seit Bolsonaros Niederlage organisiert hatte. Die Begründungen für solche Taten sind besorgniserregend, da sie zeigen, dass es in dem Land eine Bewegung gibt, die auf Rückständigkeit, Autoritarismus und die Vertiefung der sozialen Ungleichheit abzielt.

Es liegt nun an uns, dafür zu sorgen, dass diese rückschrittliche Bewegung nicht gedeiht, so wie wir hart für den Sieg der Demokratie an den Wahlurnen gearbeitet haben. Und trotz der Putschdemonstrationen weht zum ersten Mal seit dem Sturz von Dilma Rousseff der Wind zugunsten der progressiven Kräfte, und die internationale Bereitschaft zur Unterstützung der brasilianischen Demokratie ist groß.

Nach derzeitiger Auffassung haben wir das Ende eines Zyklus erreicht, der vor zehn Jahren begann, wenn wir die Auswirkungen der Demonstrationen vom Juni 2013 betrachten, oder vor 15 Jahren, wenn wir die internationale Krise von 2008 betrachten. Wie auch immer, der Sturm hatte Zeit, sich zu formieren, sich zu beruhigen, die Gesellschaft zu erschüttern und großen Schaden anzurichten. Es war auch Zeit für die Bevölkerung, auf die eine oder andere Weise die politischen Tricks zu verstehen, die zu diesem Prozess geführt haben. So sehr, dass Luiz Inácio Lula da Silva nach all den Verfolgungen, denen er als größter Führer des progressiven Lagers in Brasilien ausgesetzt war, erneut zum Präsidenten gewählt wurde.

Wir beginnen nun einen neuen Zyklus, mit mehr Reife und Kraft, um voranzukommen.

(Arbeitsübersetzung aus dem Portugiesischen.)

Der »Holodomor« in der Ukraine 1932/1933 – ein sowjetrussischer Völkermord?

Rainer Dörrenbecher

Die große Hungerkatastrophe von 1932/33 in der Sowjetunion wurde zum Jahreswechsel 2022/23 vor dem Hintergrund des Krieges vom nationalistischen Regime der Ukraine genutzt, um den politischen Druck zu erhöhen, den millionenfachen Tod in der Ukraine als Völkermord, als »Holodomor«, international anzuerkennen. Am 16. November 2022 wandte sich das ukrainische Parlament mit einem entsprechenden Appell an die Parlamente der Welt. Dem folgten der Deutsche Bundestag schon am 30. November und das EU-Parlament am 15. Dezember. Für die MdBs von SPD, FDP, Grünen und CDU/CSU handelt es sich um eine »gezielt herbeigeführte Hungersnot«. »Aus heutiger Perspektive (liege) eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe.« Im antikommunistischen und antirussischen Selbstverständnis der Abgeordneten »handele (es) sich beim Holodomor um eine gewollte und geplante Hungersnot«.1

Der »Holodomor« – ein politischer Kampfbegriff

Die Hungerkatastrophe 1932/33 in der Sowjetunion ist ein schwieriges Thema, das von politischen und entsprechend geschichtswissenschaftlichen Kräften unterschiedlich interpretiert wird. Die ukrainisch-nationalistische Position des »Holodomor« als Genozid ist eine politische Wertung, die selbst durch die bürgerliche Geschichtswissenschaft nicht belegt ist.

In der Entschließung werden auch die Hungertoten in Kasachstan und Russland erwähnt und auf die Verbrechen der deutschen Wehrmacht in der Sowjetunion verwiesen. Man will sich ja keine zu offensichtliche moralische Blöße geben. In der Ukraine wird der »Holodomor« mit dem Holocaust gleichgesetzt, nicht nur in nationalistischen Kreisen. Diese Gleichsetzung ist offizielle Auffassung. In Deutschland verbietet sich politisch eine derartige Gleichsetzung, doch wird von der etablierten Politik und den Medien der »Holodomor« mit dem Holocaust verglichen und in dessen Nähe gerückt.

In Russland wird die Einordnung des »Holodomor« politisch und geschichtswissenschaftlich als Völkermord nach ethnischen und nationalen Kriterien abgelehnt. Im Frühjahr 2008 nahm die Duma eine Erklärung zur Hungerkatastrophe von 1932/33 an, in der die Ukraine als eines von mehreren Opfern der Hungerkrise genannt wurde. Die Genozidthese wird dort als »antirussische Schuldzuweisung« bezeichnet.2

Die Bundestags-Entschließung reiht sich ein in die fortgesetzte Kampagne einer Mobilisierung der öffentlichen Meinung zur Unterstützung der Ukraine und deren nationalistischen Selbstverständnisses. Die Geschichte der Sowjetunion und Russlands als Nachfolgestaat wird diffamiert und die ukrainische Bevölkerung wird fortgesetzt als besonderes Opfer russischen Großmachtstrebens dargestellt. Der neue Botschafter der Ukraine Oleksij Makejew sprach dann auch in diesem Zusammenhang von »der heutigen russischen genozidalen Kriegsführung«,3 einer Fortsetzung des Stalinschen Genozids.

An der Debatte und Abstimmung im Bundestag nahmen der neue Botschafter der Ukraine und der Vorgänger und jetzige Vize-Außenminister Andrij Melnyk teil. Letzterer ist bekannt als Verehrer des Anführers Stepan Bandera und der ukrainischen Nationalisten und Kollaborateure während der deutschen Besatzung; er ist ein Leugner deren Teilnahme an Kriegs- und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die »Ukrainische Aufstandsarmee« (UPA) war beteiligt an der Ermordung der dortigen jüdischen Bevölkerung, an Pogromen gegen die polnische und prosowjetische Bevölkerung. Der »Holodomor« ist der Deckmantel, mit dem diese Verbrechen relativiert werden. A. Melnyk zumindest als faschistoid zu bezeichnen, dürfte keine Übertreibung sein. Sein Aufstieg vom Botschafter zum Vize-Außenminister ist für das gesellschaftspolitische Selbstverständnis der Ukraine bezeichnend.

Seit der »orangenen Revolution« 2004 und wieder verstärkt nach dem »USA-Maidan«, fälschlich Euro-Maidan genannt, 2013/14 entwickelten die ukrainische Regierung und Exilgruppen eine internationale Kampagne zur Anerkennung des ›Holodomor‹ als Genozid. »Seit dem Jahr 2003 bemüht sich die ukrainische Diplomatie darum, den »Holodomor« als Genozid am ukrainischen Volk durch die UN-Vollversammlung anerkennen zu lassen. Bisher wurde auf der Ebene der Vereinten Nationen der ›Holodomor‹ aber nicht als Genozid anerkannt. Im Herbst 2003 verabschiedete die 58. Vollversammlung der Vereinten Nationen zum 70-jährigen Gedenken an die Hungersnot 1932/33 eine Resolution, in der das Hungersterben als ›nationale Tragödie des ukrainischen Volkes‹ bezeichnet wurde.«4

Die Bundeszentrale für Politische Bildung hat einen umfangreichen Beitrag von Prof. Dr. Gerhard Simon aus dem Jahr 2007 veröffentlicht.5 Etwa seit dieser Zeit wird der Mythos des »Holodomor« in der »Wissenschaft« und diversen Medien in NATO-Ländern bemüht.

Bisher war der Deutsche Bundestag zurückhaltend mit Entschließungen zur Anerkennung von Völkermord. Einige Ausnahmen sind die politische Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch die osmanische Türkei während des ersten Weltkrieges und die Anerkennung des Völkermordes an den Jesiden durch den Islamischen Staat 2015. Nach hartnäckigem Drängen wurde der Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, ebenfalls politisch, nicht aber juristisch, anerkannt.