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Ich dachte alternativ ... und sonst nichts Von Armenien hat man in den Nachrichten immer wieder gehört – meist in Verbindung mit Wörtern wie "Genozid" und "Völkermord". Doch wofür steht dieses kleine Land mit der großen Tradition? Wie leben, leiden und lieben die Menschen in Armenien? Hier sind die Antworten – in einer Anthologie, wie es sie im Deutschland noch nicht gibt: "Armeniens Herz, Gedichte ... und sonst nichts." Fünfundzwanzig zeitgenössische, armenische Poeten zeichnen die Gefühle eines Landes, das sich zwischen Tradition und Moderne hinter dem Berg Ararat erhebt. Ein einmaliger Einblick in die armenische Seele. "Mit der vorliegenden Anthologie machen Agapi Mkrtchian und Helmuth R. Malonek den deutschsprachigen Lesern ein wunderbares Geschenk." Muriel Mirak-Weißbach, Autorin
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Seitenzahl: 61
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Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet dieses Buchin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
Erste Auflage März 2017
© Größenwahn Verlag Frankfurt am Main, 2017
www.groessenwahn-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 978-3-95771-148-9
eISBN: 978-3-95771-149-6
Agapi Mkrtchian / Helmuth R. Malonek(Hrsg.)
Gedichte… und sonst nichts
25 GegenwartslyrikerInnenin Erstübersetzungaus dem ArmenischenvonAgapi Mkrtchian und Helmuth R. Malonek
IMPRESSUM
ARMENIENS HERZReihe: Via Egnatia
Herausgeber und ÜbersetzerAgapi Mkrtchian / Helmuth R. Malonek
SeitengestaltungGrößenwahn Verlag Frankfurt am Main
SchriftenConstantia und FELIX TITLING
Covergestaltung und IllustrationenGrößenwahn Verlag Frankfurt am Main
CoverbildMarti O´Sigma
Druck und BindungPrint Group Sp. z. o. o. Szczecin (Stettin)
Größenwahn Verlag Frankfurt am MainMärz 2017
ISBN: 978-3-95771-148-9eISBN: 978-3-95771-149-6
All denen,die Armenien im Herzen tragen
Als der Deutsche Bundestag 2015 über den Völkermord an den Armeniern debattierte und ein Jahr später eine Resolution verabschiedete, in welcher der Völkermord explizit als solcher benannt wurde, war dies mehr als ein Meilenstein in der Politik. Denn durch die intensive Diskussion, eine ausführliche Presseberichterstattung und eine Reihe neu erschienener Bücher hören viele Deutsche erstmals von den 100 Jahre zurückliegenden Gräueltaten. Und mehr als das, auch die Jahrtausende alte Kultur der Armenier rückte ins Rampenlicht1. Man wollte mehr erfahren über die Armenier: Woher kamen sie, welchen Beitrag hatten sie in der Kunst, Wissenschaft oder Musik geleistet? Auf solche Fragen versucht auch die Deutsch-Armenierin Agapi Mkrtchian, Autorin und Lyrikerin, eine Antwort zu geben, welche hier als Mitherausgeberin dieser Anthologie ihrem Publikum die »vergessene Kultur«, Gedichte und Lieder der Armenier präsentiert.
Schon im Gedenkjahr 2015 erschien ein Gedichtband mit Werken des großen armenischen Dichters Parujr Sewak, ins Deutsche übertragen von Agapi Mkrtchian und der Autorin und Lyrikerin Heide Rieck. Bei Lesungen in Wiesbaden, Potsdam und Berlin brachten sie ihren deutschen Zuhörern Sewaks Ideengut und seine eindrucksvoll rhythmische Sprache nahe. Während eines Armenienbesuchs reifte dann bei Agapi Mkrtchian der Gedanke, Gedichte zeitgenössischer armenischer Dichter zu sammeln und sie ebenfalls in deutscher Übertragung herauszugeben. Mitinitiator war Helmuth R. Malonek, der ein Diplomstudium in Jerewan absolvierte und heute Universitätsprofessor in Portugal ist, selbst Gedichte schreibt und 1986 in der DDR die Auswahl der ersten Sewak-Übersetzung im »Poesiealbum 223« besorgte. Das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit ist die vorliegende Anthologie – ein wichtiger Beitrag zur Verbreitung armenischer Literatur im deutschsprachigen Raum.
Armenier haben eine ganz besondere Beziehung zu ihrer Sprache. Wo sonst fände man mitten im Land ein Denkmal für das Alphabet2 – ein Monument aus zwei Meter hohen, in Stein gehauenen armenischen Buchstaben? In welchem anderen Land gibt es einen offiziellen Feiertag zu Ehren der Übersetzer?
Der Grund ist ebenso beeindruckend wie einfach: Das Armenische, in der indogermanischen Sprachfamilie als selbständige Sprache klassifiziert, wurde nachweislich bereits im sechsten vorchristlichen Jahrhundert gesprochen und entwickelte sich sehr früh zur Schriftsprache. Schon im Jahr 301 wurde das Christentum in Armenien Staatsreligion. Hundert Jahre später, im Jahr 405, entwarf der Mönch Mesrop Maschtoz (360-440) ein phonetisches Alphabet, das bis heute fast unverändert gültig ist, obwohl sich die Sprache selbst weiterentwickelt hat. Das erste ins Armenische übersetzte Buch war – wenig überraschend – die Bibel, gefolgt von Werken der griechischen Klassiker und anderen Werken der antiken Welt. Ein Biograph verglich Mesrop Maschtoz, der sein Alphabet in die Heilige Stadt Edschmiadsin brachte, mit Moses, der mit den Schrifttafeln vom Berg Sinai zurückkehrte. Er wird bis heute als Heiliger verehrt, denn seinem Wirken ist es zu verdanken, dass Religion und Sprache Armeniens bis heute überlebt haben.
Das geschriebene Wort hat für Armenier einen hohen Stellenwert, insbesondere das Wort Gottes in den heiligen Schriften. Bücher gelten seit jeher als äußerst wertvoller Besitz, wie die erhaltenen illustrierten Handschriften aus dem Mittelalter beweisen. Auch die Sorgfalt, mit der viele Kodizes in der Matenadaran-Bibliothek in Jerewan und andere Sammlungen in Klöstern und Bibliotheken, darunter auch im Ausland, gepflegt und für die Nachwelt bewahrt werden, legt beredtes Zeugnis davon ab. Jahrhundertelang wurden die Werke von Scriptoren kunstvoll kopiert, bis dank Gutenbergs Erfindung 1512 in Venedig das erste Buch in armenischer Sprache gedruckt wurde. Zum 500. Jahrestag ernannte die UNESCO 2012 Jerewan zur »Welthauptstadt des Buches«; auch in mehreren deutschen Städten wurde die Ausstellung »Schriftkunst und Bilderzauber« mit Exponaten armenischer Buchdruck-Kunst, darunter Exemplare der Erstdrucke, gezeigt.
Bedeutete die armenische apostolische Kirche mit ihrer in der altarmenischen Sprache Grabar gesungenen Liturgie jahrhundertelang, über unzählige Konflikte und Angriffe hinweg, für die Armenier einen Fels in der Brandung, so hat die moderne armenische Sprache – ob in der ostarmenischen oder der westarmenischen Version – sich als das Mittel erwiesen, mit dem wir Armenier in der Diaspora, Kinder und Enkel der Überlebenden des Völkermords, unsere kulturelle Identität bewahren. Unsere Liebe zur Literatur, insbesondere zur Lyrik, bleibt ungebrochen. Wer die Armenier verstehen will, kommt nicht umhin, sich eingehend mit ihrer Kultur und Kunst, insbesondere mit der beeindruckenden Architektur ihrer Kirchen, zu befassen. Einblick in die Seele der Armenier jedoch eröffnen ihre Gedichte. Mit der vorliegenden Anthologie machen Agapi Mkrtchian und Helmuth R. Malonek den deutschsprachigen Lesern ein wunderbares Geschenk.
Muriel Mirak-Weißbach
Autorin
Wiesbaden, November 2016
1 Am 25. April 2015 beispielsweise gestalteten der Wiesbadener Poesieverein »Dichterpflänzchen« und die Pianistin Anita Arakilian das Programm Armenien, die vergessene Kultur: Perlen alter und neuer Poesie in deutscher und armenischer Sprache. Vorgetragen wurden Gedichte von Gregor Narekazi aus dem 10. Jahrhundert n. Chr. und der modernen Dichter Jeghische Tscharenz und Parujr Sewak sowie Kompositionen von Komitas und Arno Babadschanjan.
2 Der Park des Alphabets (Ajbubeni huschardsan) liegt nahe dem Dorf Artaschawan, rund 20 Kilometer entfernt von Aparan. Die großen Skulpturen aller armenischen Buchstaben wurden 2005 zur Feier des 1600. Jahrestages der Entwicklung des Alphabets aufgestellt.
Ein Gedicht
über die Schneeglocke,
den Frühling,
und über meinen Vater,
der, bevor die Schneeglocke blüht,
bevor der Frühling kommt,
nachts
mit erfrorenen Fingern
eine Kerze anzündet
an jedem Grabenrand seines halbzugedeckten Gemüsegartens,
damit junge Pflanzen nicht plötzlich erfrieren …
Ein Gedicht
über Obama,
Medwedew
und über meinen Vater,
der sich nicht mit wichtigen Weltfragen befasst,
sondern nachts
mit erfrorenen Fingern
eine Kerze anzündet
an jedem Grabenrand seines halbzugedeckten Gemüsegartens,
damit junge Pflanzen nicht plötzlich erfrieren …
Ein Gedicht
über den Dichter,
den Leser
und über meinen Vater,
der weder Gedichte schreibt
noch liest,
weil er nachts
mit erfrorenen Fingern
eine Kerze anzündet
an jedem Grabenrand seines halbzugedeckten Gemüsegartens,
damit junge Pflanzen nicht plötzlich erfrieren …
Ein Gedicht über meinen Vater,
auf seinen Schultern blüht eine Schneeglocke,
der Frühling kommt …
Der Ölweide Duft
In Fresno wächst armenische krauslockig-
akkurate Ölweide.
Du liebtest der Ölweide Laub zu zertreten, die Blüte,
deren Duft sich verbreitete, schnell, sehr schnell,
deines alten Heimatlandes Duft sollen sie atmen,
des amerikanischen Landes Bewohner,
alle, alle …
Obwohl du in der Kleinstadt
Fresno lebtest,
warst du lediglich ein Phantom von dir …
Deine Gedanken waren in den Bergen,
in Armeniens Bergen …
Als man deine Urne überführte,
William Saroyan,
bewunderte ich
die eiserne Urne,
wie sie umhüllte dein
großes Herz und dein Wesen,
unermesslich – unermesslich …
Als Beobachterin auf dem Weg zum Kloster Norawank
Ich ging diesen Weg, um euch jetzt zu sagen,
leicht wird es nicht sein.
Nicht als Beobachterin ging ich, mit wichtigtuerischem Gesicht,
sagen wir, wie ein europäischer Beobachter hier,