Arne Claasen und die Tote am Elbufer - Ole Hansen - E-Book
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Arne Claasen und die Tote am Elbufer E-Book

Ole Hansen

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Beschreibung

Die tödlichen Schatten der Hansestadt: Der fesselnde Hamburg-Krimi »Arne Claasen und die Tote am Elbufer« von Ole Hansen als eBook bei dotbooks. Den Spaziergängern stockt der Atem: Was für sie als harmloser Ausflug entlang des Elbufers begann, endet mit einem grausigen Fund – die Leiche einer Frau mit eingeschlagenem Schädel. Die Ermittlungen führen den Kriminaldirektor und ehemaligen BND-Agenten Arne Claasen schnell zu einem ähnlichen Todesfall, der 15 Jahre zurückliegt. Aber was wurde den beiden aus Rumänien stammenden Frauen zum Verhängnis? Eine Spur führt ihn in die elitäre Halbwelt, in der die Elbprominenz ganz entspannt mit Hamburger Kiezgrößen verkehrt. Doch selbst Claasen ahnt nicht, wie tief und tödlich der Sumpf ist, den er trockenlegen muss, um den Mörder zu finden ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Hamburg-Krimi »Arne Claasen und die Tote am Elbufer« – nach den Erfolgsserien um die charismatischen Ermittler Jeremias Voss und Marten Hendriksen jetzt die neue Krimi-Reihe von Bestsellerautor Ole Hansen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 325

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Über dieses Buch:

Den Spaziergängern stockt der Atem: Was für sie als harmloser Ausflug entlang des Elbufers begann, endet mit einem grausigen Fund – die Leiche einer Frau mit eingeschlagenem Schädel. Die Ermittlungen führen den Kriminaldirektor und ehemaligen BND-Agenten Arne Claasen schnell zu einem ähnlichen Todesfall, der 15 Jahre zurückliegt. Aber was wurde den beiden aus Rumänien stammenden Frauen zum Verhängnis? Eine Spur führt ihn in die elitäre Halbwelt, in der die Elbprominenz ganz entspannt mit Hamburger Kiezgrößen verkehrt. Doch selbst Claasen ahnt nicht, wie tief und tödlich der Sumpf ist, den er trockenlegen muss, um den Mörder zu finden …

Über den Autor:

Ole Hansen, geboren in Wedel, ist das Pseudonym des Autors Dr. Dr. (COU) Herbert W. Rhein. Er trat nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker in die Bundeswehr ein. Dort diente er 30 Jahre als Luftwaffenoffizier und arbeitete unter anderem als Lehrer und Vertreter des Verteidigungsministers in den USA. Neben seiner Tätigkeit als Soldat studierte er Chinesisch, Arabisch und das Schreiben. Nachdem er aus dem aktiven Dienst als Oberstleutnant ausschied, widmete er sich ganz seiner Tätigkeit als Autor. Dabei faszinierte ihn vor allem die Forensik – ein Themengebiet, in dem er durch intensive Studien zum ausgewiesenen Experten wurde. Heute wohnt der Autor in Oldenburg an der Ostsee.

Von Ole Hansen sind bei dotbooks bereits die folgenden eBooks erschienen:

Die Jeremias-Voss-Reihe:

»Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt. Der erste Fall«

»Jeremias Voss und der tote Hengst. Der zweite Fall«

»Jeremias Voss und die Spur ins Nichts. Der dritte Fall«

»Jeremias Voss und die unschuldige Hure. Der vierte Fall«

»Jeremias Voss und der Wettlauf mit dem Tod. Der fünfte Fall«

»Jeremias Voss und der Tote in der Wand. Der sechste Fall«

»Jeremias Voss und der Mörder im Schatten. Der siebte Fall«

»Jeremias Voss und die schwarze Spur. Der achte Fall«

»Jeremias Voss und die Leichen im Eiskeller. Der neunte Fall«

»Jeremias Voss und der Tote im Fleet. Der zehnte Fall«

Die Marten-Hendriksen-Reihe:

»Hendriksen und der mörderische Zufall. Der erste Fall«

»Hendriksen und der Tote aus der Elbe. Der zweite Fall«

»Hendriksen und der falsche Mönch. Der dritte Fall«

»Hendriksen und der Tote auf hoher See. Der vierte Fall«

»Hendriksen und der falsche Erbe. Der fünfte Fall«

Die Arne-Claasen-Reihe:

»Arne Claasen und die vergessenen Toten. Der erste Fall«

»Arne Claasen und die tödliche Fracht. Der zweite Fall«

»Arne Claasen und die Tote am Elbufer. Der dritte Fall«

Eine weitere Reihe, in der Claasen und Hendriksen gemeinsam ermitteln, ist bereits in Planung.

Unter seinem Klarnamen Herbert Rhein veröffentlichte der Autor bei dotbooks auch die folgenden eBooks:

»Todesart: Nicht natürlich. Gerichtsmediziner im Kampf gegen das Verbrechen.«

»Todesart: Nicht natürlich. Mit Mikroskop und Skalpell auf Verbrecherjagd.«

***

Originalausgabe September 2021

Copyright © der Originalausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Malivan_Iuliia und AdobeStock/Gerhard1302

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-701-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Ole Hansen

Arne Claasen und die Tote am Elbufer

Der dritte Fall

dotbooks.

Kapitel 1

Claasen wartete, bis die Schlange der Passagiere sich an ihm vorbeigedrängt hatte, erst dann stand er auf, nahm die schwarze Reisetasche aus dem Gepäckraum über seinem Kopf und folgte den anderen Passagieren. Der Flugbegleiterin, die ihn am Ausgang der A320 verabschiedete, wünschte er mit einem Lächeln einen guten Rückflug.

Sein einziges Gepäck war die Reisetasche, und er ging direkt in Richtung Ausgang. Er hatte ihn fast erreicht, als ein Lautsprecher seinen Namen ausrief und ihn bat, zur Information in die Abflughalle zu kommen.

Verwundert blieb er stehen, die Stirn in Falten gelegt.

»Herr Claasen wird gebeten, sich bei der Information in der Abflughalle zu melden«, erklang es erneut.

Was hatte das zu bedeuten? Außer dem Sicherheitschef der deutschen Botschaft in Nikosia wusste niemand, dass er nach Zypern kam. Es musste etwas Ungewöhnliches passiert sein, sonst würde man es nicht wagen, ihn mit richtigem Namen ausrufen zu lassen. Schließlich gab es einen triftigen Grund, warum er inkognito reiste. Innerlich fluchend trat er ins Freie, sah sich unauffällig um und ging dann auf die wartenden Taxis vor dem Flughafengebäude zu. Er wartete, bis die ersten beiden abgefahren waren, und setzte sich in das dritte.

Er reichte dem Fahrer einen Zehneuroschein. »Fahren Sie mich einmal um den Flughafen, und bringen Sie mich dann zum Abflugterminal.«

Der Taxifahrer sah ihn erfreut an, bedankte sich und fuhr los. Ein paar Minuten später hielt er vor dem Abfertigungsgebäude. Davor standen zwei Polizisten mit Maschinenpistolen. Claasen sah den Taxifahrer erstaunt an. »Was ist denn hier los?«

»Ein Gefängnistransporter wurde überfallen und ein Gefangener befreit. Soll ein übler Bursche sein. Die Stadt wimmelt von Polizei. Überall gibt es Straßensperren.«

»Hoffentlich kriegen sie ihn.«

»Da wäre ich bei unserer Polizei nicht so sicher.«

»Trotzdem, gute Geschäfte.«

Claasen stieg aus und ging gelassen zur Abfertigungshalle. Auch hier patrouillierten schwerbewaffnete Polizeibeamte. Er beachtete sie nicht, sondern musterte unauffällig die Umgebung. Auf den ersten Blick konnte er keine herumlungernden Personen erkennen, auch schien sich niemand besonders für den Informationsschalter zu interessieren.

Claasen ging zum Schalter einer Fluggesellschaft und erkundigte sich nach dem Preis für einen Flug nach Ankara. Dabei behielt er die Information im Auge. Außer zwei nordeuropäisch aussehenden jungen Frauen und einem Mann mittleren Alters hielt sich niemand in der Nähe auf. Der Mann trug trotz der 32 Grad, die draußen herrschten, einen Anzug mit Hemd und Krawatte.

Claasen ging in Richtung der Sicherheitsabfertigung, drehte kurz davor um, blieb stehen und tat so, als würde er etwas suchen.

Der Mann an der Information sah auf seine Armbanduhr, blickte sich unschlüssig um und ging dann zögernd Richtung Ausgang. Claasen folgte ihm. Kurz bevor er die automatischen Türen erreichte, sprach Claasen ihn von hinten an.

»Haben Sie einen Herrn Claasen ausrufen lassen?«

Der Mann fuhr erschrocken herum, fasste sich jedoch sofort wieder.

»Ja, das habe ich. Sind Sie das?«

»Wer will das wissen?«

»Sind Sie es?« Der Mann beharrte auf einer Antwort. Da er das Gehabe eines Beamten ausstrahlte und Englisch mit bayrischem Akzent sprach, fand Claasen, dass von ihm sicher keine Gefahr ausging.

»Der bin ich.«

»Darf ich Ihren Ausweis sehen?«

Das ging Claasen dann doch zu weit.

»Wer sind Sie überhaupt?«, fragte er nun auf Deutsch.

»Ich bin Xaver Steinbichler, Sicherheitschef an der deutschen Botschaft in Nikosia.« Er zog ein Lederetui aus der Innentasche seines Jacketts und hielt es Claasen hin. Der Dienstausweis bestätigte seine Worte.

Claasen nickte und legitimierte sich ebenfalls mit seinem Dienstausweis.

»Warum, verdammt noch mal, haben Sie mich mit meinem Namen ausrufen lassen? Ich habe Sie am Telefon ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich inkognito reise und nicht abgeholt werden will.«

Steinbichler zog Claasen von der Eingangstür weg. »Trinken wir einen Kaffee.«

Er führte Claasen zu einem Kaffeeausschank, um den herum ein paar Tische und Stühle standen.

»Setzen Sie sich. Ich hole inzwischen Kaffee. Möchten Sie etwas dazu essen?«

»Nein, danke.«

»Milch, Zucker?«

»Schwarz.«

Als Steinbichler zum Kaffeeausschank ging, erhob sich Claasen und suchte eine unbesetzte Sitzgruppe, von der er die Abflughalle übersehen konnte.

Steinbichler, mit zwei Plastikbechern Kaffee in der Hand, sah sich suchend um. Claasen winkte. Der Sicherheitschef kam zu ihm hinüber und reichte ihm einen Becher.

»Sie scheinen wohl niemandem zu trauen«, sagte Steinbichler mit einem süffisanten Lächeln, das deutlich ausdrückte, für wie lächerlich er Claasens Verhalten hielt.

»Deshalb lebe ich noch, selbst wenn man mich mit meinem Namen ausrufen lässt.«

»Entschuldigen Sie, aber es ging nicht anders. Ich wollte Sie so schnell wie möglich darüber informieren, dass der Iraker, der verhaftet wurde, heute Morgen gegen sieben Uhr befreit wurde. Er befand sich auf dem Weg vom Gefängnis zum Gerichtsgebäude, wo er dem Richter vorgeführt werden sollte.«

»Was?«, stieß Claasen hervor. »Sagen Sie das noch einmal.«

»Sie haben mich schon richtig verstanden, Herr Claasen.«

»Ich glaub es einfach nicht. Ihr hattet einen der gefährlichsten Terroristen in euren Händen und lasst ihn wieder entkommen.«

»Nicht wir, Herr Claasen, sondern die Zyprioten.«

Claasen winkte ab. »Schon klar, war unglücklich ausgedrückt. Unter diesen Umständen bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mich sofort über seine Flucht informiert haben.«

»Was für ein Interesse haben Sie denn an diesem Achmed, wenn ich fragen darf?«

»Er ist mein Todfeind. Mir hat er es zu verdanken, dass er nur noch eine Hand besitzt. Die andere hat er verloren, als er mich und mein Einsatzteam in die Luft sprengen wollte.«

Dass er, Claasen, dabei selbst schwer verletzt worden war und den Dienst als Agent des BND hatte quittieren und zur Hamburger Polizei wechseln müssen, erwähnte er nicht.

»In Hamburg hat Achmed erneut versucht, mich mit einem Bombenanschlag ins Jenseits zu befördern. Zum Glück ist dabei nur Sachschaden entstanden.« Claasen stand auf. »Verflucht, jetzt muss ich wieder mit irgend so einem Scheiß rechnen. Und ich hatte schon gehofft … ach egal, dann muss ich eben versuchen, ihn eher zu erwischen als er mich.« Die letzten Worte hatte er zu sich selbst gesprochen.

Steinbichler war auch aufgestanden. »Was haben Sie jetzt vor?«

»Ich werde mit der nächsten Maschine nach Deutschland zurückfliegen. Hier hat Achmed alle Vorteile und ich noch nicht einmal eine Waffe.«

»Kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Nein, aber vielen Dank für das Angebot und dafür, dass Sie mich über seine Flucht informiert haben.«

»Wenn ich Ihnen nicht behilflich sein kann, dann verabschiede ich mich jetzt. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Passen Sie auf sich auf.«

»Worauf Sie wetten können.«

Claasen reichte Steinbichler die Hand. Der wandte sich zum Gehen, als ein uniformierter Polizist im Rang eines Majors das Abfertigungsgebäude betrat. Ein Polizeileutnant eilte auf ihn zu, grüßte militärisch und sprach ihn an.

Claasen hielt Steinbichler zurück.

»Wissen Sie, wer das ist?«

»Das ist Major Brown, Chef der Polizei von Nikosia.«

»Die Flucht des Gefangenen muss für ganz schön Wirbel gesorgt haben.«

»Sieht fast so aus«, sagte Steinbichler.

Als der Polizeileutnant seine Meldung beendet hatte, deutete er mit der rechten Hand in ihre Richtung. Der Major nickte und kam auf sie zu.

»Er scheint mit uns sprechen zu wollen«, sagte Steinbichler. »Ich werde Sie mit ihm bekannt machen.«

»Guten Tag, die Herren«, grüßte der Major und wandte sich dann an Claasen. »Sind Sie der Herr aus Deutschland, der unseren Entflohenen identifizieren …«

»Gestatten Sie, dass ich Sie miteinander bekannt mache?«, unterbrach Steinbichler. »Der Herr«, er deutete auf Claasen, »ist Kriminaldirektor Claasen vom LKA in Hamburg. Major Brown«, er wies auf den Polizisten, »ist der Chef der Polizei von Nikosia.«

Die Männer schüttelten sich die Hände.

»Um Ihre Frage zu beantworten, Major, ja, ich bin hier, um den Gefangenen zu identifizieren.«

»Tut mir leid, dass Sie umsonst gekommen sind. Leider gibt es nichts zu identifizieren.« Aus den Worten des Polizeichefs klang aufrichtiges Bedauern. »Vielleicht können Sie mich aufklären, warum der Mann so wichtig ist. Ich habe zwar den internationalen Haftbefehl gelesen, doch der ist so allgemein gehalten, dass ich mir nur ein unzureichendes Bild von dem Gefangenen machen konnte. Uns ist er nur aufgefallen, weil er im Besitz von Sprengstoff war.«

»Das passt zu ihm«, antwortete Claasen. »Wenn es sich bei Ihrem entflohenen Gefangenen um die Person handelt, die ich meine, dann heißt der Mann Achmed und ist einer der gefährlichsten Terroristen, die ich kenne. Zuletzt wollte er mich in die Luft sprengen, was ihm glücklicherweise nicht gelungen ist.«

Claasen berichtete, was er über den Terroristen wusste.

»You can’t win ’em all«, sagte der Major gelassen. Doch die Wut, dass ihm dieser Fang durch die Lappen gegangen war, funkelte in seinen Augen.

Er bedankte sich für die Mühen, die Claasen auf sich genommen hatte, um den Terroristen zu identifizieren. Dann reichte er ihm und Steinbichler zum Abschied die Hand und ging. Steinbichler folgte, nachdem er Claasen noch einmal seine Hilfe angeboten hatte.

Claasen schulterte die Reisetasche und ging zur Anzeigetafel mit den angekündigten Abflügen der verschiedenen Fluglinien. Nur die Aegean Airlines bot einen Flug nach Hamburg an, allerdings über Athen und München. Die Flugzeit war dementsprechend lang. Er beschloss, diesen Flug zu buchen. Bis zum Abflug hatte er allerdings noch vier Stunden Zeit, also suchte er sich einen Sitzplatz, von dem er die Halle überblicken und an dem sich keiner von hinten nähern konnte. Er überlegte, wie er die nächsten Stunden am besten totschlagen könnte. Unter normalen Umständen wäre er in die Innenstadt von Nikosia gefahren. Er kannte die Stadt gut, denn sie war sein Rückzugsort gewesen, wenn es ihm im Nahen Osten zu »heiß« geworden war. In der Innenstadt lag auch sein Lieblingslokal. Es war klein und wurde hauptsächlich von Einheimischen besucht, die es wegen seiner zyprischen und griechischen Spezialitäten bevorzugten. Die Einrichtung war rustikal einfach. Auf den Plastiktischen lagen Papiertischtücher, die nach jedem Essen gewechselt wurden. Die Stühle waren aus Holz. Wem sie zu hart waren, der konnte sich neben der Theke ein Kissen holen.

Wegen der vielen Polizeisperren verzichtete er auf eine Fahrt in die Innenstadt. Das Risiko, seinen Flug zu versäumen, erschien ihm zu hoch. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich die Zeit in der Abfertigungshalle zu vertreiben. Er kaufte an einem Zeitungskiosk die Tageszeitung Die Welt, suchte sich einen Platz und begann, die Nachrichten zu lesen. Nach einiger Zeit legte er die Zeitung beiseite und beobachtete die Menschen, die sich in der Halle aufhielten.

Eine in arabische Gewänder gekleidete Familie betrat die Abfertigungshalle. Der Mann trug einen dunkelblauen Kaftan mit Kapuze, die fast gleich große Frau eine schwarze Burka mit einem Gittersichtschutz. Drei Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren folgten ihnen. Die Frau trug ein Baby auf dem Arm, eingewickelt in ein dunkles Tuch. Solche Kleidung war auf dem Flughafen in Nikosia kein ungewöhnlicher Anblick, was Claasen jedoch merkwürdig vorkam, war, dass die Kinder neben der Frau steif wie Puppen gingen, so, als seien sie verängstigt und versuchten, sich an eine einstudierte Rolle zu halten. Die Gruppe ging zum Schalter der Arabian Airline. Der Mann gab das Gepäck auf, erhielt die Bordkarte, gab eine seiner Frau und ging zum Sicherheitscheck.

Claasen wäre vor Erregung fast aufgesprungen. Als die Frau die Bordkarte entgegennahm, verrutschte das Tuch, in das das Baby gewickelt war, und für einen kurzen Moment sah er, dass die Frau eine Handprothese trug.

Claasen stand auf und steuerte auf den Polizeileutnant zu. Sobald er mit ihm Sichtkontakt hatte, gab er ihm einen Wink. Offenbar hatte ihm der Major erzählt, wer der Mann in der sportlichen Kleidung war, denn er kam Claasen gleich entgegen.

»Die Frau in der schwarzen Burka ist keine Frau. Das könnte euer entflohener Gefangener sein.«

Der Leutnant sah ihn verblüfft an. »Wie kommen Sie …«

»Keine Zeit für Diskussionen, Mann. Sie trägt eine Handprothese, genau wie euer Gefangener. Nehmen Sie ihn fest, aber denken Sie daran, dass er verdammt gefährlich ist.«

Als ihn der Leutnant immer noch verdattert ansah, fuhr ihn Claasen zischend an: »Verdammt, Mann, handeln Sie, oder soll ich Major Brown melden, dass Sie unfähig sind, einen Einsatz zu leiten?«

Die Erwähnung des Majors löste die Starre. Er griff zu seinem Funktelefon und gab Befehle.

Claasen zog sich zurück. Er sah, wie sich Männer und Frauen in Zivil der arabischen Familie näherten. Sehr professionell, das musste er zugeben. Als die Frau in Schwarz sich in der Radarschleuse befand, griffen die Polizisten in Zivil zu. Die Frau hatte keine Chance, sich zu wehren. Rechts und links wurde sie durch die Wände der Schleuse behindert, und von hinten griffen zwei kräftige Männerhände zu, bogen die Arme nach hinten und ließen Handschellen zuschnappen. Das »Baby« fiel klappernd zu Boden. Es war eine Puppe. Der Begleiter wurde zur gleichen Zeit überwältigt. Die Kinder hatte eine andere Beamtin übernommen.

Claasen gab dem Leutnant mit den Fingern ein Zeichen, sie sollten der angeblichen Frau das Kopftuch abnehmen. Der Leutnant sprach in sein Funkgerät, und gleich darauf zog einer der Beamten den Sichtschleier vom Kopf der Frau. Das Gesicht von Achmed erschien. Claasen gab dem Leutnant ein Handzeichen mit dem Daumen nach oben. Selbst auf die Entfernung hin konnte er sehen, wie seine Augen strahlten.

Um die Identifizierung amtlich zu machen, riss Claasen aus seinem Notizblock einen Zettel und bestätigte schriftlich, dass der mit einer Burka bekleidete Festgenommene Achmed, der Terrorist, war. Nachdem er seine Aussage unterschrieben hatte, ging er zu einem der uniformierten Polizisten, übergab ihm den Zettel mit der Bitte, ihn dem Leutnant zu übergeben.

»Doch nicht umsonst geflogen«, sagte er zu sich selbst und zog sich zufrieden auf seine Sitzbank zurück.

Kapitel 2

Claasen ging frühzeitig durch die Sicherheitsschleuse, um bis zum Abflug der Aegean Airlines noch ein wenig durch den internationalen Bereich des Flughafens zu bummeln. Er stöberte durch die Duty Free Shops, ohne etwas Brauchbares zu finden. Die alkoholischen Getränke waren kaum billiger als in den Hamburger Discountern.

Als sein Flug aufgerufen wurde, schlenderte er zum entsprechenden Gate und bestieg die A320. Sein Sitzplatz lag am Notausgang. Wenn möglich versuchte er, immer hier einen Platz zu bekommen, denn die Sitzreihen standen weiter auseinander als im Rest der Maschine, so dass er bequem die Beine ausstrecken konnte. Das Flugzeug war nur spärlich besetzt. In seiner Sitzreihe saß eine Frau am Fenster, der mittlere Platz war unbesetzt. Claasen hoffte, dass es so blieb.

Er grüßte die Frau auf Englisch, verstaute seine Reisetasche im Gepäck-Compartment und setzte sich auf seinen Platz am Gang.

Während sie auf den Abflug warteten, musterte er seine Nachbarin unauffällig. Er schätzte sie auf Mitte 30. Sie war schlank, trug eine Jeans, dazu eine sommerliche Bluse und darüber eine Weste. Die braunen Haare trug sie modisch kurz, was gut zu ihrem schmalen Kopf passte. Eine Sonnenbrille mit großen, runden Gläsern verbarg das meiste vom Gesicht. Nur die schön geschwungenen Lippen und ein energisch wirkendes Kinn waren zu sehen. Die Jeans war am rechten Bein bis zu den Knien aufgeschnitten und durch nachträglich angebrachte Ösen mit einem blauen Band über einem Gipsverband zusammengebunden.

Der Lautsprecher knackte, und das Cockpit forderte das Flugpersonal auf, sich zu setzen. Kurz darauf liefen die Triebwerke mit höheren Touren, und die A320 bewegte sich vorwärts. Der Weg zur Startbahn kam Claasen ungewöhnlich lang vor, doch schließlich drehte der Airbus auf die Startbahn ein. Die Düsen dröhnten auf, die Maschine rollte an und raste Sekunden später immer schneller werdend über die Startbahn. Das Abheben bemerkte der Passagier nur, wenn er aus dem Fenster blickte und sah, wie der Boden unter ihm verschwand. Ein Rumpeln ertönte, als der Pilot das Fahrwerk einfuhr.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Claasen, wie sich die Hände der Frau bei jedem Wechsel der Fluggeräusche um die Handlehne des Sitzes verkrampften.

»Entspannen Sie sich«, sagte er mit einem beruhigenden Lächeln. »Schließen Sie die Augen, atmen Sie ruhig ein, zählen Sie bis fünf, und atmen Sie gleichmäßig aus. Achten Sie dabei nur auf Ihren Atem. Das machen Sie jetzt zehnmal hintereinander.«

Als er sah, dass die Frau die Augen schloss und zu atmen begann, begleitete er sie mit den Worten: »Langsam einatmen, bis fünf zählen und langsam ausatmen.« Danach winkte er eine Flugbegleiterin heran und sagte leise zu ihr: »Bringen Sie bitte einen heißen schwarzen Tee mit viel Zucker. Meine Nachbarin hat Flugangst.«

Die Flugbegleiterin lächelte verständnisvoll. »Kommt sofort.«

Als die Frau mit der Atemübung zu Ende war, kam bereits der Tee.

»Trinken Sie den. Er wird Ihnen guttun. Stören Sie sich nicht daran, dass er sehr süß ist. Das muss so sein.«

Claasen klappte der Frau den Tisch herunter und stellte den Pappbecher darauf.

»Seien Sie vorsichtig. Er ist sehr heiß.«

Die Frau nahm den Becher in die Hand und nippte zaghaft daran. Sie schüttelte sich ein wenig, was an der Süße liegen mochte, doch sie nippte tapfer weiter. Claasen sah es mit Zufriedenheit. Er hatte sich schon darauf vorbereitet, seine Vorschläge lang und breit erklären zu müssen.

Als sie den Becher ausgetrunken hatte, hatten ihre Wangen wieder Farbe bekommen. Die Hände lagen entspannt auf den Armlehnen.

Sie wandte sich ihm zu und lächelte. »Sind Sie Arzt?«

»Nein. Ich bin früher nur viel geflogen und habe dabei so meine Erfahrungen gemacht.«

»Ich fühle mich viel besser.«

»Das freut mich.«

Die Frau nahm die Sonnenbrille ab, und Claasen konnte jetzt ihr hübsches Gesicht sehen.

»Wissen Sie, wie ich meine Flugangst bekämpft habe? Ich habe mich zu Hause in meinen Lieblingssessel gesetzt und mir vorgestellt, ich säße in einem Flugzeug und genösse den Flug. Ich machte jede Bewegung, jedes Manöver des Flugzeugs mit und fühlte, wie schön und beschwingt ich war, wenn ich mir vorstellte, wie ich in die Kurve ging oder den Steigflug spürte. Diese Übung habe ich immer gemacht, wenn ich fliegen musste. Die Flugangst ist seit damals nie wiedergekommen.«

»Das werde ich mir merken.«

»Tun Sie es. Es wird Ihnen helfen.«

»Ich bin Katharina Wellinghaus. Meine Freunde nennen mich Kathy. Danke noch einmal für Ihre Fürsorge.«

»Kein Dank notwendig. Ich helfe einem leidenden Mitmenschen gerne. Ich bin Arne Claasen. Arne, für meine Freunde, und ich darf Sie doch zu meinen Freunden zählen?«

»Vielen Dank, Arne. Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen.«

»Ich Ihres ebenfalls, Kathy.« Claasen sah auf ihr eingegipstes Bein. »Nicht gerade angenehm, mit so einem Klumpen zu fliegen.«

»Wem sagst du das? Ich darf dich doch duzen? Schließlich sind wir ja Freunde, oder? Ich finde sich mit Sie und Vornamen anzureden einfach blöd – typisch deutsch. Da sind die Engländer mit dem you viel unkomplizierter.« Sie lächelte charmant.

Claasen erwiderte das Lächeln und sagte: »Ich halte die Engländer zwar nicht für unkompliziert, aber was die Anrede angeht, da hast du recht, Kathy.«

»Ja, es ist schon ein Problem, mit so einem Gipsbein zu fliegen. Zum Glück habe ich einen Platz am Notausgang bekommen. Hier kann ich es wenigstens ausstrecken.«

»Leg es doch auf den Mittelsitz. Mich stört es nicht.«

»Guter Gedanke.«

Kathy drehte sich in ihrem Sitz und legte das Bein hoch. Ganz behaglich war ihr dennoch nicht zumute. Claasen merkte, dass ihr die Flugzeugwand zu kalt war, stand auf und holte aus dem Overhead Compartment eine Decke und ein Kissen.

»Wenn du dir das in den Rücken stopfst, wirst du die Kälte nicht spüren.«

»Vielen Dank. Bist du immer so aufmerksam?«

Claasen antwortete nicht. Er sah, wie sie mit dem Kissen in ihrem Rücken herumwurschtelte, um es in die richtige Position zu bringen, und stand erneut auf.

»Beug dich mal nach vorn.«

Er nahm ihr das Kissen aus der Hand, lehnte es gegen die Kabinenwand und legte darüber die Decke, und zwar so, dass Kathy den oberen Teil über den Nacken und die Schultern ziehen konnte.

»Vielen herzlichen Dank. So einer wie du ist sicher verheiratet.«

»Keine Spur, wie kommst du darauf?«

»Ein so fürsorgliches Exemplar kann doch unmöglich noch frei herumlaufen.«

»Du kennst meine anderen Fehler nicht.«

Zwei Flugbegleiterinnen mit dem Servicewagen unterbrachen ihr Gespräch.

»Wünschen Sie etwas zu trinken? Tee, Kaffee, Orangensaft …«

Kathy nahm einen Kaffee, Claasen einen Tomatensaft.

»Fliegst du auch nach Deutschland?«, nahm Kathy die Unterhaltung wieder auf.

»Ja, nach Hamburg.«

»Das ist schön. Ich auch. Dann habe ich ja eine angenehme Reisebegleitung. Und ich hatte schon einen Horror vor diesem Flug.«

»Urlaub, oder wohnst du dort?«

»Weder noch.«

»Dann bleibt nur noch Geschäftsreise.«

»Auch nicht.«

»Jetzt bin ich mit meinem Latein am Ende.«

Kathy ging nicht auf die Bemerkung ein, sondern fragte: »Kennst du dich in Hamburg aus?«

»Ich denke doch. Schließlich bin ich dort geboren.«

Kathys Augen leuchteten auf. Claasen hatte das Gefühl, sie wollte etwas sagen, wusste aber nicht, ob sie ihm trauen konnte. Claasen störte sie in ihren Überlegungen nicht, obwohl er neugierig war, was sie bewegte. Schließlich schien sie zu einem Entschluss gekommen zu sein.

»Wenn du Hamburg so gut kennst, kannst du mir sicher einen seriösen Privatdetektiv empfehlen.«

Claasen sah sie interessiert an. »Jetzt hast du mich neugierig gemacht. Ist es ein Geheimnis, oder darf ich wissen, worum es sich handelt? Ich frage nicht aus reiner Neugier. Um dir jemanden zu empfehlen, wäre es gut zu wissen, in welche Richtung er ermitteln soll. Nicht jeder Privatdetektiv ist für jede Aufgabe geeignet. Die Seriösen haben sich spezialisiert. Von den Guten übernimmt kaum jemand Beschattungsaufträge. Willst du zum Beispiel nur herausfinden, ob dein Freund dich mit einer anderen Frau betrügt, dann kann ich dir keinen empfehlen.«

»Nein, Arne, darum geht es nicht. Ich habe keinen Freund.« Bei diesen Worten wurden ihre Wangen rot. »Es geht um etwas ganz anderes.«

»Ich will nicht in deine Privatsphäre eindringen, aber ich könnte dir möglicherweise tatsächlich behilflich sein.«

»Jetzt bin ich verwirrt. Wie kannst du mir behilflich sein, wenn du gar nicht weißt, worum es geht?«

»Wenn du einen Privatdetektiv suchst, dann hast du offensichtlich ein Problem. Und ich bin von Berufs wegen ein Problemlöser.«

Während er sprach, zog er ein kleines Ledertäschchen aus der Hosentasche und entnahm ihm eine Visitenkarte, die er Kathy reichte.

Sie nahm sie, blickte darauf und schaute Claasen verblüfft an.

»Du bist Kriminaldirektor?«

»So ist es. Beim LKA in Hamburg. Ich habe dir die Karte gegeben, damit du siehst, dass du mir vertrauen kannst.«

»Danke, Arne, ich bin froh, dich getroffen zu haben. Es ist kein großes Geheimnis. Ich fliege nach Hamburg, weil mir ein Rechtsanwaltbüro mitgeteilt hat, dass ich von einem Onkel als Erbe eingesetzt worden bin und dieser Onkel verstorben ist und ich somit das Erbe antreten kann.«

»Ein großes Erbe?«

»Ja. Allerdings gibt es einen Haken. Es gibt noch eine weitere Erbin. Eine Stiefschwester, die ich nie getroffen habe. Jede von uns erbt die Hälfte des Besitzes. Die Stiefschwester hat mein Stiefvater mit in die Ehe gebracht. Sie ist erheblich älter als ich und lebte zum Zeitpunkt der Heirat nicht mehr bei meinem Stiefvater. Ich weiß aus Erzählungen, dass sie einen lockeren Lebenswandel gehabt haben soll.«

»Wie alt dürfte sie jetzt sein?«

»Mitte 50, denke ich.«

»Und wo liegt das Problem? Wozu brauchst du einen Privatdetektiv? Es dürfte doch alles klar sein, oder gibt es eine Klausel im Testament, die Schwierigkeiten macht?«

»Nicht dass ich wüsste. Jedenfalls hat der Rechtsanwalt nichts davon in seinem Schreiben erwähnt.«

»Na also, dann ist doch alles im grünen Bereich.«

»Offenbar nicht ganz. Wie der Anwalt mir mitteilte, kann er den Aufenthaltsort meiner Stiefschwester nicht ermitteln, was bedeutet, dass mir nur ein Viertel des Erbanteils ausgezahlt wird. Die Kanzlei hat Nachforschungen nach ihr angestellt, ist aber bis jetzt erfolglos geblieben.«

»Hast du eine Ahnung, wann deine Eltern zum letzten Mal Kontakt mit ihr hatten? Könnte bei der Suche sehr wichtig sein.«

»Das hat mich der Rechtsanwalt auch schon gefragt.«

»Und? Hast du etwas herausgefunden?«

»Ich glaube, ja. Ich habe in den Briefen meiner Mutter nachgeschaut, ob sie Anyana mal erwähnt hat – Anyana ist der Vorname meiner Stiefschwester. Zum Glück hebe ich immer alle Briefe auf. Darin hat sie erwähnt, dass Anyana ihren Vater besucht hat. Das war vor 15 Jahren. Ein paar Monate später schrieb sie, dass er sich Sorgen um seine Tochter macht. Anyana schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.«

»Ist sie danach wieder aufgetaucht?«

»Den Briefen nach nicht mehr.«

»Da der Rechtsanwalt sie nicht gefunden hat, willst du jetzt auf eigene Faust ermitteln?«

»Ja, das habe ich vor. Deshalb suche ich einen seriösen Privatdetektiv, bei dem ich sicher sein kann, dass er auch ermittelt und nicht nur versucht, mich um mein Geld zu erleichtern.«

»In der Beziehung kann ich dir tatsächlich helfen. Ich kenne einen, der zwar nicht billig, aber jeden Cent wert ist. Hast du etwas zum Schreiben?«

»Habe ich, einen Augenblick.«

Kathy öffnete ihre Handtasche und holte einen Terminkalender heraus. Sie zog einen Filzschreiber aus der Halterung am Kalender und sah Arne auffordernd an.

»Der Mann heißt Dr. Marten Hendriksen und ist Geschäftsführer der Hamburger Agentur für vertrauliche Ermittlungen. Sein Büro liegt im Mittelweg 85 in einer Jugendstilvilla. Solltest du ihn aufsuchen, sag ihm, ich hätte dich geschickt. Wir beide haben schon öfter zusammengearbeitet.«

»Vielen, vielen Dank, Arne. Ich kann gar nicht fassen, dass der Horrorflug meine Probleme auf so wunderbare Weise löst. Ich hoffe, ich darf dich zum Dank in Hamburg zum Essen einladen.«

»Dank ist nicht nötig. Aber die Einladung zum Essen nehme ich gerne an. Du hast ja meine Karte. Sonst weiß auch Dr. Hendriksen, wo ich zu finden bin.«

Kathy zog eine Geschäftskarte aus der Handtasche und reichte sie ihm.

»Auf der Rückseite steht meine private Handynummer. Unter der bin ich auch in Hamburg zu erreichen. Ich hoffe, du wirst mich mal anrufen. Ich würde mich freuen.«

»Das mache ich mit Sicherheit. Weißt du schon, wo du wohnen wirst?«

»Ich habe ein Zimmer im ibis budget Hamburg City gebucht. Ich werde dort bleiben, bis ich in das Haus meines Onkels einziehen kann. Haus ist wohl nicht ganz das richtige Wort, denn es handelt sich bei dem Erbe um einen Obsthof im Alten Land.«

Kathy und Arne waren so in ihr Gespräch vertieft, dass die Reise buchstäblich wie im Fluge verging, inklusive der Zwischenlandungen. Als der Pilot ankündigte, dass sie zum Anflug auf Hamburg die Flughöhe verließen, kannte Claasen Kathys ganze Lebensgeschichte. Er wusste, dass sie seit dem Abitur bei der International Shipping Agentur in Nikosia arbeitete, seit zwei Jahren als Abteilungsleiterin für die Ausrüstung von Kreuzfahrtschiffen. Ihre Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, sie hatte ihren Stiefvater nicht geliebt, liebte dafür Skifahren, war kein Partygirl, sondern eher zurückhaltend, und war vor zehn Jahren einmal verheiratet gewesen. Die Ehe hatte jedoch nur drei Jahre gehalten. Der Grund war, dass ihr Ehemann eine Beziehung zu einer Minderjährigen gehabt hatte. Seitdem hatte sie kein festes Verhältnis mehr gehabt. Was sie mit ihrem Erbe machen wollte, wusste sie noch nicht.

Sie verabschiedeten sich im Hamburger Flughafen auf dem Weg zur Gepäckausgabe. Claasen reichte Kathy zum Abschied die Hand und versprach ihr, sich zu melden.

»Ich verlass mich darauf, dass du es auch tust. Am besten noch diese Woche«, sagte sie. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Das war heute das erste Mal, dass ich keine Flugangst hatte, ja, ich habe den Flug sogar genossen. Dafür danke ich dir ganz besonders. Sollte ich jemals wieder Angst vor dem Fliegen haben, dann werde ich an unseren Flug denken.«

Bevor Claasen etwas erwidern konnte, drehte sie sich um und ging, so schnell ihr Gipsbein es zuließ, zur Gepäckausgabe.

Kapitel 3

Wie jeden Morgen erschien Claasen gegen acht Uhr im Büro im Keller des Polizeipräsidiums am Bruno-Georges-Platz. Dank der organisatorischen Fähigkeiten von Kriminalhauptwachtmeister Kaspar Millbrandt war der ursprünglich als Abstellkammer genutzte Raum in ein gut ausgerüstetes Büro verwandelt worden.

Claasen betrat das Polizeiarchiv, an dessen Ende sein Arbeitsplatz lag, und begrüßte die Archivarin, als sie ihm die vergitterte Tür öffnete. Er hätte sich die Tür auch selbst aufschließen können, doch er hielt es für einen Akt der Höflichkeit, die Beamtin morgens persönlich zu begrüßen und ein paar Worte mit ihr zu wechseln, bevor er sich in sein Reich zurückzog. Auf dem Weg dorthin passierte er den Vorraum, in dem Margarete residierte. Sie war das jüngste Mitglied seines Teams, nicht nach dem Alter, sondern nach der Dauer der Zugehörigkeit. Im Moment saß sie nicht an ihrem Schreibtisch, er hörte jedoch ihre Stimme aus dem Büro, das er sich mit den anderen Teammitgliedern teilte.

Als er den Raum betrat, sahen ihn vier Augenpaare erstaunt an.

»Guten Morgen, Chef, ich dachte, Sie seien nach Zypern geflogen«, begrüßte ihn Merle Johannson. Sie war Kriminaloberkommissarin und seine Stellvertreterin.

Merle war jung und dynamisch und versuchte, ihre Ermittlungsarbeit streng nach Vorschrift auszuführen. Damit stand sie im Gegensatz zu ihrem Chef, der als ehemaliger Agent im Außeneinsatz Vorschriften als Diskussionsgrundlage ansah und sich nur nach ihnen richtete, wenn sie für seinen Auftrag nützlich waren. Zwar legte er sie, seitdem er zur Kriminalpolizei versetzt worden war, nicht mehr ganz so freizügig aus wie während seiner Tage im Nahen Osten, ließ sich durch sie aber auch nicht behindern. Mit seiner Haltung stieß er immer wieder mit seinem direkten Vorgesetzten, dem Leiter des LKA, Dr. Schreiner, zusammen. Zwischen beiden Männern herrschte ein gespanntes Verhältnis, das jedoch nicht in offene Feindschaft ausartete, weil Claasen bis jetzt jeden Fall gelöst hatte.

Merle stand am Whiteboard und wollte gerade mit der täglichen Lagebesprechung beginnen, als sie durch Claasens Eintreffen unterbrochen worden war.

Margarete saß in ihrem Rollstuhl daneben, bereit, die wichtigsten Punkte auf dem Whiteboard einzutragen. Sie hatte Kinderlähmung gehabt und war seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen. Der hinderte sie jedoch nicht daran, alle anfallenden Büroarbeiten zu übernehmen. Außerdem war sie ein Computergenie, was für Claasens Team, das Cold Cases bearbeitete, von ungeheurem Vorteil war.

Nachdem Claasen auch die anderen begrüßt und erklärt hatte, warum er schon wieder zurückgekommen war, forderte er Merle auf weiterzumachen.

»Chef, wir haben nur ein Thema auf der Tagesordnung. Es handelt sich um den kleinen Rüdiger Handschuh, der vor 18 Jahren aus einem Schullandheim verschwunden und seitdem nicht wieder aufgetaucht ist. Seine Leiche wurde bis heute nicht gefunden.«

»Ich weiß, Merle. Gerade weil die Sonderermittlungsgruppe Handschuh trotz intensiver Bemühungen erfolglos war, haben wir uns diesen Fall ja ausgesucht. Was habt ihr inzwischen herausgebracht?«

»Unter dem Strich noch nichts. Wir sind ja auch erst seit zwei Tagen dabei.« Merle zeigte auf ihren Schreibtisch, auf dem zehn Leitz-Ordner standen. »Wir sind dabei, die Akten durchzuarbeiten, was noch einige Zeit dauern dürfte.«

»Gut, Merle, ich will dich nicht weiter unterbrechen. Mach weiter.«

Claasen ging zu seinem Schreibtisch. Missbilligend sah er auf den Stapel Post, der während seiner kurzen Abwesenheit eingegangen war.

»Kaspar, du hast dich mit dem ersten Ordner befasst. Was kannst du uns über den Fall berichten?«, fragte Merle ihren Mitarbeiter.

Kaspar Millbrandt hatte sein privates Notebook vor sich auf dem Schreibtisch stehen. Er blickte kurz auf den Bildschirm, bevor er seine Ermittlungen zusammenfasste.

»Rüdiger war mit seiner Klasse in einem Schullandheim in Fischbek. Zusammen mit seiner Klasse, der 5a, befand sich noch eine Klasse, die 5b, in dem Schullandheim. Beide Klassen kamen von der damaligen Mittelschule aus Hamburg-Harburg. Die 5a bestand aus elf Jungen und 14 Mädchen. Bei der der 5b waren es 13 Jungen und zwölf Mädchen. Das Schullandheim war damit zu zwei Dritteln ausgelastet. Die Leitung hatte jeweils der Klassenlehrer. Er wurde unterstützt von einer Lehrerin für die Mädchen und einem Lehrer für die Jungen. Dazu kamen noch zwei Eltern pro Klasse. Die Jungen und Mädchen waren getrennt in je einem Schlafsaal untergebracht. Rüdiger verschwand kurz vor Ende der einwöchigen Klassenfahrt. Am nächsten Tag sollte es zurück nach Harburg gehen. Während des Aufenthalts in Fischbek hatte es keine Auffälligkeiten gegeben. Rüdiger hatte sich wie gewohnt verhalten. Er war, wie der Klassenlehrer aussagte und wie von den anderen Lehrern bestätigt wurde, ein zurückhaltender, ruhiger Schüler. Am Abend, bevor er verschwand, war die Klasse wie gewohnt um zehn Uhr zu Bett gegangen. Um halb elf hat der für die Jungen verantwortliche Lehrer das Licht aus- und die Nachtbeleuchtung eingeschaltet. Zu diesem Zeitpunkt lagen alle Jungen im Bett. Um Mitternacht kontrollierte der Klassenlehrer noch einmal den Schlafsaal und stellte die Vollzähligkeit fest. Danach ging das Aufsichtspersonal ebenfalls schlafen. So weit mein Bericht.«

»Ich glaube, es ist noch zu früh, um den Fall zu diskutieren. Wir werden uns weiter durch die Akten arbeiten und zunächst die Fakten zusammentragen. Hat jemand dazu etwas zu bemerken oder eine Frage?«

Merle sah, während sie sprach, Oliver Förster, dann Kaspar und zuletzt Margarete an. Alle schüttelten den Kopf.

»Chef, möchten Sie etwas dazu sagen?«

»Nein, Merle, macht so weiter wie besprochen.«

»Dann ist die Lagebesprechung beendet.«

Merle ging zu ihrem Schreibtisch und nahm sich einen neuen Aktenordner vor.

Kaspar stand auf, um sich einen Kaffee zu holen.

»Will noch jemand einen?«, fragte er.

Claasen hatte sich schon im Flugzeug vorgenommen, Kathy zu helfen, ihre Stiefschwester zu finden. Da sie seit 15 Jahren verschwunden war, ging er davon aus, dass sie tot war und der Rechtsanwalt sie aus diesem Grund nicht gefunden hatte. Wenn sie ohne Fremdeinwirkung gestorben war, dann musste es eine Sterbeurkunde geben. Um diese zu finden, musste er ihren letzten Wohnort kennen.

Kurzentschlossen wählte er Kathys Handynummer.

»Katharina Wellinghaus«, meldete sie sich.

»Hallo, Kathy, hier ist Arne, Arne Claasen.«

»Hallo! Ich freue mich, dass du dich meldest. Um ehrlich zu sein, so schnell hatte ich nicht mit einem Anruf gerechnet.«

»Ich gehöre zur schnellen Truppe. Doch Spaß beiseite. Der Grund, warum ich anrufe, ist, dass ich versuche, mit meinen Mitteln deine Stiefschwester zu finden. Dazu müsste ich wissen, wo sie zuletzt gewohnt hat. Kannst du mir ihre Anschrift geben?«

»Das ist sehr lieb von dir. Ich nehme deine Hilfe gerne an. Leider kann ich dir nicht sagen, wo sie gewohnt hat. Ich weiß nur, dass sie aus Rumänien stammt und lange dort gelebt hat. Wo? Keine Ahnung.«

»Wann war das?«

»Lange bevor sie von der Bildfläche verschwunden ist.«

»Haben deine Eltern, ich meine dein Stiefvater, nicht ihre Anschrift?«

»Meine Eltern sind vor drei Jahren bei einem Autounfall gestorben. Ich hatte es dir erzählt.«

»Ja, stimmt. Tut mir leid.«

»Muss dir nicht leidtun. Ich bin darüber hinweg.«

»Hast du die Wohnung aufgelöst?«

»Nein, ich habe eine Firma, die sich mit Wohnungsauflösungen befasst, damit beauftragt. Ich konnte zu dem Zeitpunkt nicht aus Nikosia fort. Um ehrlich zu sein, ich war auch dankbar dafür, denn in den Sachen meiner Eltern herumzuwühlen, wäre mir zu sehr an die Nieren gegangen.«

»Das kann ich gut verstehen. Hast du gar nichts für dich behalten, Briefe, Fotografien und ähnliche Erinnerungen?«

»Nein, nur die die üblichen amtlichen Papiere, die beweisen, dass ich die Tochter meiner Mutter bin und so was.«

»Verstehe. Das bedeutet, du hast nichts, aus dem hervorgeht, wo deine Stiefschwester gewohnt haben könnte?«

»Das ist richtig – ich meine, ich habe keine Unterlagen über sie.«

»Pech, dann wird die Suche schwierig. Wie alt war sie zum Zeitpunkt ihres Verschwindens?«

»Ich meine, sie war 36 oder so um den Dreh.«

»Wie sah sie aus? Hatte sie irgendwelche körperlichen Merkmale, an denen sie identifiziert werden könnte?«

»Nicht, dass ich mich erinnere, außer du erkennst einen Unterarmbruch als Erkennungsmerkmal an.«

»Besser als gar nichts. Wie hieß sie mit Nachnamen?«

»Joitani, Anyana Joitani, wie mein Stiefvater.«

»Hast du ein Foto von ihr?«

Kathy schwieg einige Augenblicke, bevor sie antwortete.