Artemis Fowl - Der Geheimcode - Eoin Colfer - E-Book
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Artemis Fowl - Der Geheimcode E-Book

Eoin Colfer

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Beschreibung

Ein braver Junge werden? Keine Verbrechen mehr? Undenkbar, jedenfalls für Artemis Fowl. Noch einmal plant er einen großen Coup: logisch, trickreich und mit vollem Risiko. Aber einen Coup, der das Reich der Unterirdischen in höchste Gefahr bringt. Bis Artemis entdeckt, dass Teilen oft besser ist als Tricksen - und Freundschaft weitaus mehr wert als alles Gold der Welt. Artemis Fowl ist der berühmt berüchtigte Spross einer irischen Gangsterfamilie und zählt zu den besten Dieben im Land. Er ist hochintelligent, extrem technikaffin, mit hervorragenden Manieren und stets bestens gekleidet. Wenn er nicht gerade abgefahrene Technik-Gadgets entwickelt, legt er sich mit Schwerkriminellen an, um sie zu beklauen, was diese natürlich nicht so mögen. Unterstützung bekommt Artemis – wenn er sie denn mal braucht – von der Elfe Holly Short, die vom Erdvolk unter der Erde stammt. (Und ohne sie wäre er, ehrlich gesagt, schon öfter verloren gewesen.) Die acht Bände der Artemis-Fowl-Serie: Band 1: Artemis Fowl Band 2: Artemis Fowl – Die Verschwörung Band 3: Artemis Fowl – Der Geheimcode Band 4: Artemis Fowl – Die Rache Band 5: Artemis Fowl – Die verlorene Kolonie Band 6: Artemis Fowl – Das Zeitparadox Band 7: Artemis Fowl – Der Atlantis-Komplex Band 8: Artemis Fowl – Das magische Tor

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Das Buch

Dem eigenen Vater das Leben gerettet zu haben wäre für jeden ein Grund zum Feiern. Als jedoch Fowl senior immer öfter davon spricht, dass er nun ein ehrbarer Bürger werden will, sieht der junge Artemis das Ende seiner kriminellen Laufbahn nahen.

Ein letzter Coup allerdings muss sein, und der soll etwas ganz Besonderes werden. Vor einiger Zeit schon hat Artemis seine Beutestücke aus dem Elfenreich auf ihre Verwendbarkeit untersucht – und für seine Zwecke weiterentwickelt. Ein erstaunlicher Computer ist dabei entstanden, der C-Cube, den Artemis nun zu Geld machen will. Auf seine Art. Zu seinen Bedingungen. Denn Elfentechnologie in den falschen Händen kann gefährlich werden – nicht nur für Unterirdische. Nur wer den Geheimcode kennt, kann das Gerät bedienen. Und den Geheimcode kennt natürlich nur einer, Artemis selbst.

Geniale Pläne sind riskant. Die Erfahrung macht Artemis schließlich nicht zum ersten Mal. Doch ist er wirklich bereit, für seine Pläne alles zu opfern? Immerhin steht nicht nur Butlers Leben, sondern das gesamte Reich der Unterirdischen auf dem Spiel. Ein hoher Preis für einen großen Coup.

 

Der Autor

Eoin Colfer ist Lehrer und lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Wexford, Irland, nachdem er mehrere Jahre lang in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet hat. Seine Bücher sind längst kein Geheimtipp mehr. Mit Artemis Fowl gelang ihm der internationale Durchbruch.

Von Eoin Colfer sind in unserem Hause bereits erschienen:

Artemis Fowl Artemis Fowl – Die Verschwörung Artemis Fowl – Der Geheimcode Artemis Fowl – Die Rache Artemis Fowl – Die verlorene Kolonie Artemis Fowl – Die Akte Das Zeitparadox (HC-Ausgabe) Meg Finn und die Liste der vier Wünsche Cosmo Hill – Der Supernaturalist

Eoin Colfer

Artemis Fowl

Der Geheimcode

Roman

Aus dem Englischen von

Claudia Feldmann

List Taschenbuch

Besuchen Sie uns im Internet:

www.list-taschenbuch.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen,

wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung,

Speicherung oder Übertragung

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Ungekürzte Ausgabe im List Taschenbuch List ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin. 1. Auflage Dezember 2004 8. Auflage 2010 © für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2004 © 2003 für die deutsche Ausgabe by Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG, München / List Verlag © 2003 by Eoin Colfer © Textillustrations 2003 by Tony Fleetwood Titel der englischen Originalausgabe: Artemis Fowl – The Eternity Code (Viking, Penguin Group, England) Umschlaggestaltung und Konzeption: RME – Roland Eschlbeck und Kornelia Rumberg (nach einer Vorlage von Hauptmann und Kompanie Werbeagentur, München–Zürich) Umschlagillustration: © Nikolaus Heidelbach, Köln Satz: Leingärtner, Nabburg eBook-Konvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Für die Familie Power,deren Name Programm ist.

Prolog

Ausschnitt aus dem Tagebuch von Artemis Fowl Diskette 2, verschlüsselt

Im Lauf der vergangenen zwei Jahre konnten meine Geschäfte völlig unbeeinflusst von meinen Eltern neue Blüten treiben. In dieser Zeit habe ich die ägyptischen Pyramiden an einen Geschäftsmann aus dem Westen verkauft, die verlorenen Tagebücher Leonardo da Vincis gefälscht und meistbietend versteigert und die Unterirdischen um einen beträchtlichen Teil ihres Feengolds gebracht. Doch die Zeit der Freiheit neigt sich ihrem Ende zu. Während ich dies schreibe, liegt mein Vater in einem Krankenhaus in Helsinki und erholt sich von seiner zweijährigen Gefangenschaft bei der russischen Mafija. Er ist noch immer bewusstlos von der dramatischen Rettungsaktion, aber er wird bald zu sich kommen und wieder die Kontrolle über die Fowl’schen Finanzen übernehmen.

Mit beiden Eltern zu Hause in Fowl Manor wird es mir unmöglich sein, meine diversen illegalen Unternehmungen unbemerkt weiterzuführen. Früher wäre das kein Problem gewesen, da mein Vater ein noch größerer Verbrecher war als ich, doch Mutter hat beschlossen, die Fowls auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.

Nun, noch ist Zeit genug für einen letzten Coup. Den meine Mutter nicht gutheißen würde. Und der den Unterirdischen sicher auch nicht gefallen würde. Also werde ich ihnen nichts davon verraten.

Teil 1

Angriff

Kapitel 1

Der Würfel

Knightsbridge, London

Artemis Fowl war beinahe zufrieden. Sein Vater sollte bald aus dem Universitätskrankenhaus in Helsinki entassen werden. Er selbst freute sich auf ein leckeres – wenn auch recht spätes – Mittagessen im En Fin, einem Londoner Fischrestaurant, und der Geschäftsmann, mit dem er verabredet war, musste jeden Moment eintreffen. Alles lief nach Plan.

Butler, sein Leibwächter, war nicht ganz so entspannt. Aber das war er eigentlich nie. Man wurde nicht zu einem der tödlichsten Männer der Welt, indem man in seiner Wachsamkeit nachließ.

Der riesige Eurasier glitt zwischen den Tischen des Lokals umher, versteckte die übliche Sicherheitsausstattung und räumte Fluchtwege frei.

»Haben Sie die Ohrstöpsel eingesetzt?«, fragte er seinen Arbeitgeber.

Artemis stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ja, Butler, obwohl ich kaum glaube, dass wir hier in Gefahr sind. Schließlich wird das ein vollkommen legales Geschäftsessen am helllichten Tag, Himmel noch mal.«

Bei den Ohrstöpseln handelte es sich genau genommen um Schallfilterschwämme, die aus einem Helm der Zentralen Untergrund-Polizei ausgebaut worden waren. Butler hatte die Helme samt einem ganzen Schatz weiterer Elfentechnologie vor über einem Jahr erbeutet, als einer von Artemis’ verbrecherischen Plänen ihn mit einer Bergungseinheit der Unterirdischen konfrontiert hatte. Die Schwämme wurden in den Laboren der ZUP gezüchtet und besaßen hauchdünne, poröse Membranen, die sich automatisch verschlossen, wenn die Dezibelstärke über den verträglichen Bereich hinausging.

»Schon möglich, Artemis, aber Killer schlagen nun mal gerne dann zu, wenn man nicht damit rechnet.«

»Mag sein«, erwiderte Artemis und betrachtete eingehend den Vorspeisenteil der Karte, »aber wer sollte ein Motiv haben, uns umzubringen?«

Butler warf einer Frau an einem der wenigen besetzten Tische einen drohenden Blick zu, nur für den Fall, dass sie etwas im Schilde führte. Die Frau musste mindestens achtzig sein. »Vielleicht sind sie gar nicht hinter uns her. Vergessen Sie nicht, Jon Spiro ist ein mächtiger Mann. Er hat eine Menge Firmen in den Ruin getrieben. Wir könnten zwischen die Fronten geraten.«

Artemis nickte. Wie immer hatte Butler Recht – und nur aus diesem Grund waren sie beide noch am Leben. Jon Spiro, der Amerikaner, den er erwartete, war genau die Sorte Mann, die die Kugeln von Killern auf sich zog. Ein erfolgreicher Milliardär aus der IT-Branche mit dunkler Vergangenheit und angeblichen Verbindungen zur Mafia. Gerüchten zufolge verdankte seine Firma Fission Chips ihren Erfolg allein gestohlenen Forschungsunterlagen. Natürlich konnte das nie nachgewiesen werden, obwohl die Chicagoer Staatsanwaltschaft es fleißig versucht hatte, und zwar mehr als einmal.

Eine Kellnerin kam herüber und lächelte Artemis strahlend an. »Hallo, junger Mann. Soll ich dir die Kinderkarte bringen?«

An Artemis’ Schläfe begann eine Ader zu pochen. »Nein, Mademoiselle, Sie brauchen mir nicht die Kinderkarte zu bringen, da die Kinderkarte selbst zweifelsohne besser schmeckt als das, was sich dort verzeichnet findet. Ich möchte à la carte speisen. Oder servieren Sie Minderjährigen keinen Fisch?«

Das Lächeln der Kellnerin wurde sichtlich kühler. Diese Wirkung hatte Artemis’ Ausdrucksweise auf die meisten Menschen.

Butler verdrehte die Augen. Und Artemis fragte sich, wer einen Grund hätte, ihn umzubringen? Nun, die meisten Kellner und Schneider Europas zum Beispiel.

»Sehr wohl, Sir«, stammelte die bedauernswerte Kellnerin. »Was immer Sie wünschen.«

»Was ich wünsche, ist eine Kombination von Hai und Schwertfisch, in der Pfanne sautiert, auf einem Bett aus Gemüse und neuen Kartoffeln.«

»Und zu trinken?«

»Quellwasser. Irisches, wenn Sie haben. Und bitte ohne Eis, da Ihr Eis, wie ich annehme, aus einfachem Leitungswasser gemacht ist, was der Absicht, Quellwasser zu trinken, wohl in sich widerspricht.«

Die Kellnerin hastete in die Küche, froh, dem bleichen Jungen von Tisch sechs zu entkommen. Sie hatte mal einen Vampirfilm gesehen, und das untote Wesen hatte genau denselben hypnotischen Blick gehabt. Vielleicht drückte der Kleine sich deshalb so erwachsen aus, weil er in Wirklichkeit fünfhundert Jahre alt war.

Artemis lächelte in Vorfreude auf sein Essen, ohne die Bestürzung zu bemerken, die er hervorgerufen hatte.

»Bei den Schulbällen werden Sie ein echter Hit sein«, bemerkte Butler.

»Wie bitte?«

»Sie haben das arme Mädchen fast zum Weinen gebracht. Es würde Ihnen nicht wehtun, gelegentlich ein wenig freundlicher zu sein.«

»Ich glaube kaum, dass ich zu irgendwelchen Schulbällen gehen werde, Butler.«

»Das Tanzen ist nicht der Punkt. Es geht um die Kommunikation.«

»Kommunikation?«, spottete der junge Master Fowl. »Ich glaube kaum, dass es einen Teenager gibt, dessen Vokabular mit meinem mithalten kann.«

Gerade als Butler ihm den Unterschied zwischen Sprechen und Kommunizieren erklären wollte, öffnete sich die Tür des Restaurants. Ein kleiner, braun gebrannter Mann trat ein, flankiert von einem regelrechten Riesen. Jon Spiro und sein Leibwächter.

Butler beugte sich zu seinem Schützling hinunter. »Seien Sie vorsichtig, Artemis«, flüsterte er. »Ich habe schon so einiges über den Großen gehört.«

Spiro schlängelte sich mit ausgestreckten Armen zwischen den Tischen hindurch. Er war ein Amerikaner mittleren Alters, dünn wie ein Speer und kaum größer als Artemis. In den Achtzigern hatte er auf Frachtschiffe gesetzt, in den Neunzigern war er mit Aktien steinreich geworden. Jetzt war Kommunikationstechnologie an der Reihe. Er trug einen weißen Leinenanzug, sein Markenzeichen, und an den Fingern und Handgelenken hing genug Schmuck, um das Taj Mahal zu vergolden.

Artemis erhob sich, um seinen Geschäftspartner zu begrüßen. »Willkommen, Mr Spiro.«

»He, kleiner Artemis Fowl, wie geht’s, wie steht’s?«

Artemis schüttelte die dargebotene Hand. Der Schmuck rasselte wie der Schwanz einer Klapperschlange. »Danke, bestens. Freut mich, dass Sie kommen konnten.«

Spiro zog sich einen Stuhl heran. »Wenn Artemis Fowl mir ein Angebot machen will, würde ich sogar über Glasscherben gehen, um mich mit ihm zu treffen.«

Die beiden Leibwächter musterten sich unverhohlen. Abgesehen von der Körpermasse waren sie so verschieden, wie man nur sein konnte. Butler war der Inbegriff zurückhaltender Effizienz. Schwarzer Anzug, kahl geschorener Kopf, so unauffällig, wie es bei einer Größe von fast zwei Metern möglich war. Der Neuankömmling hatte wasserstoffblondes Haar, ein T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln und silberne Piratenringe in beiden Ohren. Dies war kein Mann, der vergessen oder übersehen werden wollte.

»Arno Blunt«, sagte Butler. »Ich habe von Ihnen gehört.«

Blunt baute sich neben Jon Spiro auf. »Butler. Einer von den Butlers«, betonte er mit neuseeländischem Akzent. »Es heißt, ihr wärt die Besten. Sagt man jedenfalls. Hoffen wir, dass wir den Ruf nicht auf die Probe stellen müssen.«

Spiro lachte. Es klang wie eine Schachtel voller Grillen. »Arno, bitte. Wir sind hier unter Freunden. Heute ist kein Tag für Drohungen.«

Butler war sich da nicht so sicher. Der Soldatensinn unter seiner Schädeldecke summte wie ein Hornissennest. Gefahr lag in der Luft.

»Nun, mein Freund, kommen wir zum Geschäft«, sagte Spiro und fixierte Artemis aus eng zusammenstehenden dunklen Augen. »Mir ist während des gesamten Flugs das Wasser im Munde zusammengelaufen. Was hast du für mich?«

Artemis runzelte die Stirn. Er hatte gehofft, die Arbeit könnte bis nach dem Essen warten. »Möchten Sie nicht zuerst die Speisekarte sehen?«

»Nein. Ich nehme kaum noch etwas zu mir. Außer Tabletten und Flüssigkeiten. Magenprobleme.«

»Gut«, sagte Artemis und legte einen Aktenkoffer aus Aluminium auf den Tisch, »dann also zum Geschäftlichen.«

Er öffnete den Deckel. In dem Koffer lag, schützend eingehüllt in blauen Schaumstoff, ein roter Würfel von der Größe eines Minidisk-Players.

Spiro polierte sich die Brillengläser mit der Spitze seiner Krawatte. »Was soll das sein, mein Junge?«

Artemis stellte den schimmernden Würfel auf den Tisch. »Die Zukunft, Mr Spiro. Ihrer Zeit voraus.«

Jon Spiro beugte sich vor, um das Ding genauer zu betrachten. »Sieht aus wie ein Briefbeschwerer.«

Arno Blunt feixte spöttisch und warf Butler einen herausfordernden Blick zu.

»Nun gut, eine kleine Vorführung.« Artemis griff nach dem Metallkasten. Er drückte auf einen Knopf, und das Gerät begann leise zu summen. Eine Blende glitt zur Seite, und ein Bildschirm und ein Paar Lautsprecher kamen zum Vorschein.

»Niedlich«, grummelte Spiro. »Ich bin sechstausend Kilometer geflogen wegen eines Minifernsehers?«

Artemis nickte. »Ein Minifernseher. Richtig. Aber auch ein sprachgesteuerter Computer, ein Handy und ein Multifunktionsscanner. Dieser kleine Kasten kann jede Art von Information auf absolut jeder Plattform lesen, ob elektronisch oder organisch. Er kann Videos, Laserdisks und DVDs abspielen, im Internet surfen, E-Mails abrufen und sich in jeden Computer einloggen. Er kann sogar Ihre Brust durchleuchten und Ihren Puls messen. Seine Batterie hat eine Lebensdauer von zwei Jahren, und natürlich funktioniert er vollkommen kabellos.«

Artemis hielt inne, um das Gesagte sacken zu lassen.

Spiros Augen hinter den Brillengläsern wirkten riesig. »Willst du damit sagen, dieser Kasten …«

»Wird jede andere Technologie überflüssig machen. Ihre Computerfirmen werden wertlos sein.«

Der Amerikaner atmete ein paarmal tief durch. »Aber wie … wie?«

Artemis drehte den Würfel um. An der Unterseite blinkte dezent ein Infrarotsensor. »Das hier ist das Geheimnis. Ein Omnisensor. Er kann alles lesen, was Sie ihm befehlen. Und wenn man die Quelle eingibt, kann er jeden beliebigen Satelliten anzapfen.«

Spiro schwenkte warnend den Zeigefinger. »Aber, aber. Das ist doch verboten, oder?«

»Nein, nein«, erwiderte Artemis lächelnd. »Es gibt keine Gesetze gegen dieses Gerät, und das wird auch noch mindestens zwei Jahre nach Erscheinen so bleiben. Sie wissen doch, wie lange es gedauert hat, um Napster stillzulegen.«

Der Amerikaner ließ den Kopf in die Hände sinken. Es war zu viel.

»Ich begreife das nicht. Das Ding ist allem, was auf dem Markt ist, Jahre, ach was, Jahrzehnte voraus. Und du bist bloß ein dreizehnjähriger Junge. Wie hast du das angestellt?«

Artemis überlegte einen Moment. Was sollte er darauf sagen? Dass Butler sechzehn Monate zuvor eine ZUPBergungseinheit schachmatt gesetzt und den Elfen ihre Spezialausrüstung abgenommen hatte? Und dass er dann aus deren Komponenten diesen Zauberwürfel zusammengebastelt hatte? Wohl kaum.

»Sagen wir einfach, ich bin ein sehr cleverer Junge, Mr Spiro.«

Spiros Augen verengten sich zu Schlitzen. »Vielleicht nicht ganz so clever, wie du denkst. Zeig mir, was das Ding kann.«

»Aber gerne«, sagte Artemis. »Haben Sie ein Handy dabei?«

»Selbstverständlich.« Spiro legte sein Exemplar auf den Tisch. Es war das neueste Modell von Fission Chips.

»Abgesichert, nehme ich an?«

Spiro nickte arrogant. »Fünfhundert-Bit-Verschlüsselung. Das Beste in seiner Preisklasse. Ohne den Zugangscode kommst du nicht in das Fission 400 rein.«

»Wir werden sehen.«

Artemis richtete den Sensor auf das Handy. Sofort erschien auf dem Display eine Röntgenaufnahme vom Innenleben des Geräts.

»Download?«, fragte eine metallische Stimme aus dem Lautsprecher. »Bestätigt.«

In weniger als einer Sekunde war die Sache erledigt.

»Download abgeschlossen«, sagte der Kasten mit einem Anflug von Selbstgefälligkeit.

Spiro war fassungslos. »Das darf doch nicht wahr sein! Dieses System hat mich zwanzig Millionen Dollar gekostet.«

»Wertlos«, entgegnete Artemis und zeigte ihm den Bildschirm. »Möchten Sie zu Hause anrufen? Oder vielleicht ein bisschen Geld transferieren? Sie sollten Ihre Bankverbindungen wirklich nicht auf einer SIM-Card speichern.«

Der Amerikaner versank ins Grübeln.

»Das ist ein Trick«, erklärte er schließlich. »Du musst alles über mein Handy gewusst haben. Irgendwie – wenn ich auch nicht weiß, wie – bist du vorher drangekommen.«

»Verständliche Annahme«, räumte Artemis ein. »Würde ich auch denken. Sagen Sie mir, was Sie testen wollen.«

Spiro ließ den Blick durch das Restaurant schweifen, seine Finger trommelten hektisch auf die Tischplatte. »Da drüben«, sagte er dann und wies auf ein Videoregal über der Bar. »Spiel mir eine von den Kassetten ab.«

»Ist das alles?«

»Das reicht für den Anfang.«

Mit großem Getue ging Arno Blunt die Kassetten durch und wählte schließlich eine ohne Etikett. Er knallte sie auf den Tisch, dass das gravierte Silberbesteck einen Zentimeter in die Luft hüpfte.

Artemis widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen, und stellte den roten Kasten direkt auf die Oberfläche der Kassette.

Auf dem winzigen Plasmabildschirm erschien ein Röntgenbild von den Innereien der Videokassette.

»Download?«, fragte die Stimme erneut.

Artemis nickte. »Download, kompatibilisieren und abspielen.«

Wiederum war der Vorgang in weniger als einer Sekunde abgeschlossen. Der Bildschirm zeigte die alte Episode einer englischen Seifenoper.

»DVD-Qualität«, kommentierte Artemis. »Unabhängig vom Input. Der C Cube kompatibilisiert alles.«

»Der was?«

»C Cube«, wiederholte Artemis. »So habe ich meinen kleinen Kasten genannt. C für Control, weil er seinem Besitzer die Kontrolle über alles verleiht.«

Spiro schnappte sich die Videokassette. »Sehen Sie nach, ob’s stimmt«, befahl er und warf sie Arno Blunt zu.

Der blondierte Leibwächter schaltete den Fernseher über der Bar ein und schob die Kassette in den Schlitz. Coronation Street flimmerte über den Bildschirm. Dieselbe Folge, aber nicht annähernd dieselbe Qualität.

»Überzeugt?«, fragte Artemis.

Der Amerikaner klimperte mit einem seiner zahlreichen Armbänder. »Fast. Noch ein letzter Test. Ich habe das Gefühl, dass die Regierung mich überwacht. Kannst du das herausfinden?«

Artemis überlegte einen Moment, dann sprach er das Gerät an: »Cube, registrierst du irgendwelche Überwachungsstrahlen, die auf dieses Gebäude gerichtet sind?«

Der Apparat surrte kurz. »Der stärkste Ionenstrahl befindet sich derzeit achtzig Kilometer westlich von hier. Gesendet von einem US-Satelliten, Codeziffer ST1132P. Registriert auf die Central Intelligence Agency. Geschätzte Ankunftszeit acht Minuten. Außerdem sind da mehrere ZUP-Sonden, verbunden mit –«

Hastig schaltete Artemis den Ton ab, bevor der Würfel fortfahren konnte. Offensichtlich reagierten die Elfenkomponenten des Computers noch auf ZUP-Technologie. Das würde er abstellen müssen. Wenn diese Informationen in die falschen Hände gerieten, hätte es katastrophale Auswirkungen auf die Sicherheit der Unterirdischen.

»Was soll das, Junge? Der Kasten war noch nicht fertig. Wer ist die ZUP?«

Artemis zuckte die Achseln. »Ohne Geld läuft nichts. Ein Test ist genug. Die CIA – nicht übel.«

»Schau, schau«, sagte Spiro. »Die sind hinter mir her, weil sie glauben, dass ich Militärgeheimnisse verschachere. Sie haben einen ihrer Vögel extra aus seiner Umlaufbahn geholt, nur um mich zu beobachten.«

»Oder vielleicht auch mich«, bemerkte Artemis.

»Ja, vielleicht«, spottete Spiro. »So gefährlich, wie du aussiehst.«

Arno Blunt lachte herablassend. Butler ignorierte das. Einer von ihnen musste sich schließlich professionell verhalten.

Spiro ließ die Fingerknöchel knacken, eine Angewohnheit, die Artemis nicht ausstehen konnte.

»Wir haben noch acht Minuten, also lass uns zur Sache kommen, Kleiner. Wie viel willst du für den Kasten?«

Artemis hörte nicht zu. In Gedanken war er noch mit der Information über die ZUP beschäftigt, die der Würfel beinahe preisgegeben hätte. Durch seine Unaufmerksamkeit hatte er seine unterirdischen Freunde um ein Haar an einen jener Männer verraten, die sie garantiert ausbeuten würden.

»Entschuldigung, was haben Sie gesagt?«

»Ich fragte, wie viel du für den Kasten willst?«

»Erstens ist es ein Würfel«, verbesserte ihn Artemis. »Und zweitens steht er nicht zum Verkauf.«

Jon Spiro schnaubte. »Nicht zum Verkauf? Du hast mich über den Atlantik geholt, nur um mir etwas zu zeigen, das du gar nicht verkaufen willst? Was soll das?«

Butlers Finger schlossen sich um den Griff der Pistole, die in seinem Hosenbund steckte. Arno Blunts Hand verschwand hinter dem Rücken. Die Luft vibrierte vor Spannung.

Artemis legte die Fingerspitzen aneinander. »Mr Spiro. Jon. Ich bin kein Trottel. Mir ist klar, wie wertvoll mein Würfel ist. Auf der ganzen Welt gibt es nicht genug Geld, um dieses Wunderwerk zu bezahlen. Egal, wie viel Sie mir geben, innerhalb einer Woche wäre er tausendmal so viel wert.«

»Worum geht’s dann, Fowl?«, fragte Spiro grimmig. »Wie sieht dein Angebot aus?«

»Ich biete Ihnen zwölf Monate. Gegen eine entsprechende Summe bin ich bereit, meinen Würfel noch ein Jahr vom Markt zu halten.«

Spiro spielte mit seinem ID-Armband. Er hatte es sich selbst zum Geburtstag geschenkt.

»Du willst die Technologie ein Jahr zurückhalten?«

»Genau. Das dürfte Ihnen Zeit genug lassen, Ihre Aktien zu verkaufen, bevor sie abstürzen, und den Gewinn in Fowl Industries zu investieren.«

»Fowl Industries? Gibt’s doch gar nicht.«

Artemis lächelte spöttisch. »Noch nicht, aber bald.«

Butler drückte die Schulter seines Schützlings. Es war keine gute Idee, einen Mann wie Jon Spiro zu reizen.

Doch Spiro hatte den Seitenhieb gar nicht bemerkt. Er war zu sehr mit Rechnen beschäftigt, wobei er sein Armband wie eine Gebetsschnur durch die Finger gleiten ließ. »Und der Preis?«, fragte er schließlich.

»Gold. Eine metrische Tonne«, erwiderte der junge Fowl-Erbe.

»Das ist eine Menge.«

Artemis zuckte die Achseln. »Ich mag Gold. Es ist wertbeständig. Außerdem ist es ein Witz im Vergleich zu dem, was Ihnen dieser Deal ersparen wird.«

Spiro dachte darüber nach. Arno Blunt fixierte Butler mit starrem Blick. Der Fowl’sche Leibwächter blinzelte ungehemmt. Falls es zu einer Auseinandersetzung kam, würden trockene Augen ihn nur behindern. Wettstarren war etwas für Amateure.

»Nehmen wir mal an, mir gefallen deine Bedingungen nicht«, sagte Jon Spiro. »Nehmen wir an, ich ziehe es vor, dein kleines Spielzeug einfach mitzunehmen.«

Arno Blunt plusterte seine Brust um einen weiteren Zentimeter auf.

»Selbst wenn es Ihnen gelingen sollte, den Würfel an sich zu bringen«, erwiderte Artemis gelassen, »würde er Ihnen wenig nützen. Die Technologie ist allem voraus, was Ihre Ingenieure je zu Gesicht bekommen haben.«

Spiro lächelte schmallippig. »Oh, ich bin sicher, sie kommen schon damit zurecht. Und selbst wenn es ein paar Jahre dauern sollte, wird dich das nicht kümmern. Nicht dort, wo du hingehst.«

»Egal, wo ich hingehe, die Geheimnisse des C Cube gehen mit mir. Sämtliche Funktionen sind durch einen Code an meine Stimmmodulation gebunden. Und es ist ein ziemlich cleverer Code.«

Butler ging leicht in die Knie, zum Sprung bereit.

»Ich wette, den können wir knacken. Ich habe ein verdammt gutes Team bei Fission Chips.«

»Verzeihen Sie, wenn mich Ihr verdammt gutes Team nicht sonderlich beeindruckt«, gab Artemis zurück. »Schließlich hinken Sie immer noch hinter Phonetix her, und das schon seit Jahren.«

Spiro sprang auf. Das Wort mit dem P konnte er nicht ausstehen. Phonetix war die einzige Firma im Bereich Kommunikationstechnologie, deren Aktien höher notiert wurden als die von Fission Chips. »Okay, Kleiner, du hast deinen Spaß gehabt. Jetzt bin ich dran. Ich muss verschwinden, bevor der Satellitenstrahl uns hier erreicht. Aber ich lasse Mr Blunt hier.« Er klopfte seinem Leibwächter auf die Schulter. »Sie wissen ja, was Sie zu tun haben.«

Blunt nickte. Und ob er das wusste. Er freute sich schon darauf.

Zum ersten Mal seit dem Beginn des Gesprächs vergaß Artemis sein Mittagessen und konzentrierte sich ganz auf die Situation. Es lief nicht wie geplant. »Mr Spiro, das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Wir befinden uns in einem öffentlichen Restaurant, umgeben von Gästen. Ihr Mr Blunt hat gegen Butler nicht die geringste Chance. Falls Sie mit diesen lächerlichen Drohungen fortfahren, sehe ich mich gezwungen, mein Angebot zurückzuziehen und den C Cube sofort auf den Markt zu bringen.«

Spiro stützte sich mit den Händen auf den Tisch. »Hör zu, mein Junge«, flüsterte er. »Ich mag dich. Noch ein paar Jahre und du wärst genauso wie ich. Aber hast du schon mal jemandem eine Pistole an den Kopf gehalten und abgedrückt?«

Artemis antwortete nicht.

»Nein?«, knurrte Spiro. »Dachte ich mir. Manchmal ist das das Einzige, was zählt – Mumm. Und der fehlt dir.«

Artemis war sprachlos. Und das war seit seinem fünften Geburtstag erst zwei Mal vorgekommen.

Butler sprang ein, bevor die Stille zu lastend wurde. Unverhüllte Drohungen fielen ohnehin eher in sein Ressort. »Versuchen Sie nicht zu bluffen. Ihr Blunt ist zwar nicht ohne, aber ich kann ihn zerquetschen wie eine Banane. Und dann steht niemand mehr zwischen Ihnen und mir. Glauben Sie mir, das wird Ihnen nicht gefallen.«

Spiro lächelte und entblößte dabei nikotinverfärbte Zähne. »Oh, ich würde nicht sagen, dass zwischen uns niemand steht.«

Butlers Gefühl schlug Alarm. Den Alarm, in den ihn höchstens ein Dutzend auf seine Brust gerichtete Laserpointer versetzen konnten. Eine Falle. Sie waren in eine Falle getappt. Irgendwie war es Spiro gelungen, Artemis zu überlisten.

»He, Fowl«, sagte der Amerikaner. »Wie kommt es eigentlich, dass dein Essen so lange braucht?«

Da wusste Artemis, dass sie in der Tinte saßen.

Alles ging unglaublich schnell. Auf ein Fingerschnippen von Spiro zogen sämtliche Gäste im En Fin eine Waffe aus dem Mantel hervor. Mit einem Revolver in der knochigen Hand sah die achtzigjährige Dame gleich um einiges gefährlicher aus. Aus der Küche kamen zwei Kellner, Maschinengewehre im Anschlag. Butler hatte nicht einmal Zeit, Luft zu holen.

Spiro kippte das Salzfass um. »Schach und matt. Ich habe gewonnen, Kleiner.«

Artemis versuchte sich zu konzentrieren. Es musste einen Ausweg geben. Es gab immer einen Ausweg. Doch ihm fiel nichts ein. Er war hereingelegt worden. Vielleicht endgültig. Es war noch keinem Menschen gelungen, Artemis Fowl zu überlisten. Nun, einmal reichte ja auch.

»Ich verschwinde jetzt«, sagte Spiro und steckte den C Cube ein. »Bevor mich der CIA-Satellit erwischt, und dieser andere – ZUP, oder wie war das? Kenne ich nicht, aber sobald ich dieses Spielzeug zum Laufen gebracht habe, werden die Typen sich wünschen, sie hätten noch nie von mir gehört. War nett, mit dir Geschäfte zu machen.«

Auf dem Weg zur Tür zwinkerte Spiro seinem Leibwächter zu. »Sie haben sechs Minuten, Arno. Traumhaft, was? Sie werden derjenige sein, der den berühmten Butler erledigt.« Dann wandte er sich noch einmal Artemis zu, unfähig, sich eine letzte Stichelei zu verkneifen. »Ach, übrigens – ist Artemis nicht ein Mädchenname?«

Dann verschwand er in dem multikulturellen Touristengewimmel auf der Straße. Die alte Dame schloss hinter ihm die Tür ab. Das Klicken hallte durch das Restaurant.

Artemis beschloss, die Initiative zu ergreifen. »Nun, meine Damen und Herren«, sagte er, bemüht, nicht in die schwarzen Löcher der Waffenläufe zu starren, »ich bin sicher, wir können uns einig werden.«

»Still, Artemis!«

Artemis’ Gehirn brauchte eine Weile, um die Tatsache zu verarbeiten, dass Butler ihm befohlen hatte zu schweigen. Und das obendrein auf höchst impertinente Weise.

»Wie war das …?«

Butler hielt seinem Arbeitgeber den Mund zu. »Still, Artemis. Diese Leute sind Profis. Und mit denen verhandelt man nicht.« Butler ließ den Kopf kreisen, dass die Sehnen in seinem Nacken krachten.

»Gut erkannt, Butler. Wir sind hier, um euch zu töten. Sofort nachdem Mr Spiro den Anruf bekam, haben wir Leute hergeschickt. Ich kann’s nicht fassen, dass du darauf reingefallen bist, Mann. Wirst wohl langsam alt.«

Butler konnte es selbst nicht fassen. Früher hätte er jeden Treffpunkt erst einmal eine Woche lang observiert, bevor er sein Okay gegeben hätte. Vielleicht wurde er tatsächlich alt. Und die Chancen standen gut, dass er keinen Tag älter werden würde.

»Also gut, Blunt«, sagte er und streckte die leeren Hände von sich. »Sie und ich. Einer gegen einen.«

»Sehr edel«, spottete Blunt. »Das gehört wohl zu deinem asiatischen Ehrenkodex, was? So was habe ich nicht. Wenn du meinst, ich würde das Risiko eingehen, dass du hier irgendwie rauskommst, dann hast du dich geschnitten. Die Sache ist ganz einfach. Ich schieße, und du stirbst. Keine Kraftprobe, kein Duell.«

In aller Ruhe griff Blunt in seinen Hosenbund. Wozu sich beeilen? Eine Bewegung von Butler, und ein Dutzend Kugeln würde ihn durchlöchern.

Artemis’ Gehirn schien abgeschaltet zu haben. Der gewohnte Ideenstrom war versiegt. Ich werde sterben, dachte er. Ich glaub’s einfach nicht.

Butler sagte etwas. Artemis entschied, dass es nicht schaden konnte zuzuhören.

»Was hat sechs Farben und weist den Weg zum Gold?«, fragte der Leibwächter laut und deutlich.

Blunt schraubte einen Schalldämpfer auf den Lauf seiner Keramikpistole. »Was ist los? Was soll der Quatsch? Dreht der große Butler jetzt durch? Na, wenn ich das weitererzähle …«

Doch die alte Dame sah nachdenklich aus. »Sechs Farben? Hm … Das kenne ich.«

Artemis kannte es auch. Das Lösungswort war der Detonationscode für die Schallgranate der ZUP, die mithilfe eines Magneten an der Unterseite des Tisches angebracht war. Eine von Butlers kleinen Sicherheitsvorkehrungen. Sobald jemand das Wort sagte, würde die Granate explodieren und eine massive Schallladung durch das Gebäude jagen, die jedes Fenster und Trommelfell in Stücke riss. Kein Rauch, keine Flammen, aber jedem im Umkreis von zehn Metern, der keine Ohrstöpsel trug, blieben genau fünf Sekunden, bevor heftiger Schmerz einsetzte.

Die alte Dame kratzte sich mit dem Revolverlauf am Kopf. »Sechs Farben, und weist den Weg zum Gold? Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein! Das hatten wir früher mal in der Schule. Die Lösung lautet: Regenbogen.«

Regenbogen. Das entscheidende Wort. Gerade noch rechtzeitig dachte Artemis daran, den Kiefer zu lockern. Wenn er die Zähne zusammenbiss, würden die Schallwellen sie zertrümmern wie Zuckerglas.

Die Granate explodierte in einer Druckwelle komprimierten Schalls und schleuderte elf Leute durch den Raum, bis eine Wand sie bremste. Wer Glück hatte, traf auf eine Trennwand und segelte direkt hindurch. Wer Pech hatte, knallte gegen eine massive Steinwand. Dabei ging einiges kaputt. Und das waren nicht die Steine.

Artemis fand sich geschützt in Butlers Umarmung wieder. Der Leibwächter hatte sich an einem soliden Türrahmen abgestützt und den fliegenden Jungen in den Armen aufgefangen. Doch sie hatten noch einige andere Vorteile gegenüber Spiros Killern: Ihre Zähne waren heil, sie hatten keine Splitterbrüche, und die Membranen der Schallfilterschwämme hatten sich verschlossen und so ihre Trommelfelle vor dem Platzen bewahrt.

Butler sah sich im Raum um. Spiros Leute lagen allesamt am Boden und pressten sich die Hände auf die Ohren. Es würde noch Tage dauern, bevor ihre Augen aufhörten zu schielen.

Der Diener zog seine SIG Sauer aus dem Schulterhalfter. »Bleiben Sie hier«, befahl er. »Ich überprüfe die Küche.«

Artemis setzte sich wieder auf seinen Stuhl und holte zitternd Luft. Um ihn herum herrschte ein Chaos aus Staub und Gestöhne. Doch Butler hatte sie wieder einmal gerettet. Es war noch nicht alles verloren. Vielleicht schafften sie es sogar, Spiro zu schnappen, bevor er das Land verließ. Butler hatte einen Kontaktmann bei der Flughafen-Security in Heathrow, Sid Commons, einen ehemaligen Green Beret, mit dem er in Monte Carlo als Leibwächter gedient hatte.

Eine massige Gestalt schob sich vor das Sonnenlicht. Es war Butler, zurück von seiner Aufklärungstour.

Artemis atmete tief durch, während ungewohnte Gefühle ihn übermannten. »Butler«, begann er, »wir müssen wirklich mal über Ihr Gehalt sprechen …«

Doch es war nicht Butler. Es war Arno Blunt. Er hielt etwas in den Händen. In der Linken zwei kleine Kegel aus gelbem Schaumstoff. »Ohrschdöpschel«, nuschelte er durch die Stümpfe seiner zerborstenen Zähne. »Hab ich immer dabei, wenn’sch ernschd wird. Prakdisch, wasch?«

In der Rechten hatte Blunt seine Pistole mit Schalldämpfer. »Du dschuerschd«, sagte er. »Dann der Affe.«

Arno Blunt legte an, zielte kurz und drückte ab.

Kapitel 2

Abschottung

Haven City, Erdland

Obwohl Artemis es nicht beabsichtigt hatte, sollte der Strahlencheck des Würfels weit reichende Folgen haben. Die Suchparameter waren so allgemein gehalten, dass der Würfel seinen Scanner bis hinaus ins All und natürlich auch in die Tiefen der Erde schickte.

In Erdland war die Zentrale Untergrund Polizei nach der erst vor kurzem niedergeschlagenen Verschwörung der Kobolde bis an die Grenzen ihrer Einsatzfähigkeit gefordert. Drei Monate nach dem Umsturzversuch saßen die meisten der Anführer zwar hinter Gittern. Doch noch immer schlichen versprengte Einheiten der B’wa-Kell-Koboldbande mit illegalen Softnose-Lasergewehren in den Tunneln von Haven City herum.

Sämtliche verfügbaren ZUP-Officer waren dazu abgestellt, bei der Operation Großputz zu helfen, die beendet sein sollte, bevor die Reisesaison begann. Der Rat wollte um jeden Preis vermeiden, dass die Touristen ihr Urlaubsgold in Atlantis ausgaben, weil die Hauptfußgängerzone von Haven nicht sicher genug war. Immerhin brachte der Tourismus der Hauptstadt achtzehn Prozent ihrer Einkünfte.

Auch Captain Holly Short von der Aufklärungseinheit war vorübergehend abberufen worden. Normalerweise bestand ihre Aufgabe darin, Unterirdische aufzuspüren, die sich ohne Visum an die Erdoberfläche begeben hatten. Schließlich wäre es ein für alle Mal mit der Ungestörtheit von Erdland vorbei, falls auch nur ein entflohenes Erdwesen von den Oberirdischen entdeckt wurde. Solange aber nicht sämtliche Mitglieder der Koboldbande in den Zellen von Howler’s Peak hinter Schloss und Riegel saßen, hatte Holly denselben Auftrag wie jeder andere ZUP-Officer: schneller Einsatz bei jedem B’wa-Kell-Alarm.

An diesem Tag eskortierte sie vier randalierende Koboldgangster zum Verhör ins Polizeipräsidium. Man hatte sie schlafend in einem Insektenfeinkostgeschäft gefunden, die Bäuche nach einer langen Nacht der Schlemmerei bis zum Platzen gefüllt. Sie konnten noch froh sein, dass Holly rechtzeitig gekommen war, denn der Zwerg, dem der Laden gehörte, war bereits drauf und dran gewesen, die vier schuppigen Nichtsnutze in der Fritteuse zu versenken.

Hollys Partner bei der Operation Großputz war Corporal Grub Kelp, der kleine Bruder des berühmten Captain Trouble Kelp, einer der meistdekorierten Officer der ZUP. Grub besaß jedoch nicht den stoischen Charakter seines Bruders.

»Ich hab mir einen Nagel eingerissen, als ich den letzten Kobold festgenommen habe«, jammerte der junge Officer und nagte an seinem Daumen.

»Wie unangenehm«, erwiderte Holly mit kaum verhülltem Desinteresse.

Sie fuhren über einen Magmastreifen zum Polizeipräsidium, die Übeltäter in Handschellen im Fond ihres Dienstwagens. Der war allerdings kein ZUP-Fahrzeug. Die B’wa Kell hatte es während der kurzen Zeit ihrer Machtübernahme fertig gebracht, so viele Polizeiwagen in Brand zu setzen, dass die ZUP sich gezwungen gesehen hatte, jedes Fahrzeug zu beschlagnahmen, das einen Motor und Platz genug für ein paar Gefangene hatte. Die Karre, die Holly steuerte, war in Wirklichkeit der Lieferwagen einer mobilen Curryküche, auf dessen Seiten das Eichelsymbol der ZUP aufgesprüht worden war. Die Gnome von der Fahrzeugabteilung hatten einfach die aufklappbare Seitenwand verriegelt und die Kochstelle ausgebaut. Schade nur, dass sie nicht auch den Geruch entfernt hatten.

Grub betrachtete seinen verletzten Finger. »Diese Handschellen haben ganz schön scharfe Kanten. Ich sollte eine Beschwerde einreichen.«