Arthan der Krieger - Rainer Güllich - E-Book

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Rainer Güllich

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Beschreibung

Arthan will unbedingt Stammesführer und damit der Nachfolger seines Vaters werden. Die Chance sich zu bewähren, bietet sich ihm als Führer eines Kriegszuges in feindliches Gebiet. Er soll eine entführte Stmmesschwester befreien und die Erzfeinde seines Volkes entscheidend vernichten. Da er doch Liana, die Tochter des feindlichen Stammesführers liebt, wird er vor die schwerste Entscheidung seines Lebens gestellt: Seinen Auftrag konsequent auszuführen oder Liana als seine Frau nach Hause zu führen.

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Rainer Güllich

Arthan der Krieger

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Arthan der Krieger

 

Rainer Güllich

 

Arthan der Krieger

 

 

Fantasy-Erzählung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Initiationszug

 

 

Arthan hatte die Nase gestrichen voll. Er trat aus der Hütte und warf die Tür hinter sich zu. Seine Jacke bedeckte nur spärlich den kräftigen Oberkörper. Um das braune zerzauste Haar hatte er ein Band geschlungen. Er sah älter aus als die zwanzig Jahre, die er zählte.

Die Sonne hatte ihren Zenit erreicht und brannte erbarmungslos vom Himmel. Im Dorf herrschte Stille. Selbst die Hunde hatten sich in den Schatten der Holzhütten zurückgezogen. Kein Schwanzwedeln, kein Zucken eines Ohres zeigte, dass noch Leben in ihnen war.

 

Mit großen Schritten ging Arthan auf die nächste Behausung zu, nahm den am Strick befestigten hölzernen Türklopfer und schlug damit kräftig gegen die Tür.

Einer der Hunde blaffte erschreckt auf, die anderen fielen mit lautem Gebell ein.

„Kusch!“ Der junge Mann sagte es in einem strengen Ton. Seine Stimme tönte über den Dorfplatz. Die Hunde verstummten sofort. Ein jungenhaftes Lächeln überzog das glatt rasierte Gesicht des Mannes.

Die Tür öffnete sich. Ein alter Mann mit weißen Haaren sah den Jungen freundlich an.

„Ah, Arthan. Was möchtest du?“

„Sei gegrüßt, Warto. Ich möchte mit Ordor sprechen. Ich ziehe zu den Eisensteinbergen und suche eine Gruppe von Kriegern zusammen, die mich begleiten soll. Ordor ist der beste Jäger des Stammes. Ich könnte ihn gut brauchen.“

Der Alte lächelte. „Ich freue mich, dass du meinen jüngsten Sohn mitnehmen willst. Alle wissen, dass das eine besondere Ehre und Auszeichnung ist.“

Es war schon seit Tagen im Dorf bekannt, dass Arthan dazu ausersehen war, den Zug zu den Eisensteinbergen anzuführen. Der Rat der Ältesten hatte ihn dazu auserwählt. Es munkelten zwar einige Missgünstige, dass Arthan das nur seiner Eigenschaft als Sohn des Stammesführers zu verdanken habe, doch wussten im Grunde genommen alle Stammesangehörigen, dass der Rat der Ältesten keinen zum Anführer wählte, der nicht auch die Fähigkeiten dazu besaß.

Ordor war der Letzte, mit dem Arthan sprechen wollte. Das Gespräch mit den anderen Kriegern hatte er schon geführt. Die Auserwählten mussten wissen, was er von ihnen erwartete und welche Hoffnungen er in sie setzte. Das Wichtigste jedoch war, dass sie ihrem Anführer die bedingungslose Befehlsgewalt zuerkannten. Deshalb musste Arthan mit jedem Einzelnen reden. Sollte er irgendeinem der Krieger diesbezüglich nicht trauen können, war die gesamte Unternehmung gefährdet.

„Willst du mich nicht hereinbitten?“ Arthan lächelte.

Warto lachte verlegen. „Natürlich. Verzeih. Ich hatte nicht mit deinem Kommen gerechnet. Ich dachte, du hättest bereits deine Leute beisammen.“

„Nun, ich habe mir mit der Auswahl der Männer Zeit gelassen. Es gibt viele mutige Krieger in unserem Stamm. Ich wollte die Besten. Die, die ich für die Besten halte.“

Der Alte machte den Weg frei und führte Arthan in die Hütte. In der Mitte des Wohnraumes stand Ordor vor einem grob gezimmerten Tisch und sah den Eintretenden gespannt entgegen.

„Ich hörte, was du mit meinem Vater sprachst. – So wird es also wahr werden? Ich darf mit zu den Eisensteinbergen? Das ist eine große Ehre für mich.“

Arthan sah ihn ernst an. „Was heißt, du darfst mit? Du musst mit. Ich brauche dich auf unserem Zug. Du bist der beste Jäger des Stammes. Ich brauche dich, damit du uns mit Wild versorgst. Doch weißt du, dass du mir absoluten Gehorsam geloben musst. Willst du das tun?“

„Ich will.“ Ordor hob die rechte Hand zum Schwur und versprach seinem Anführer bedingungslosen Gehorsam.

Arthan war erleichtert. Er hatte seinen Trupp Krieger zusammen.

 

 

 

Zwei Tage später war es soweit. Es war noch dunkel, die Mondsichel glänzte blass am Himmel, als Arthan in metallenem Brustharnisch, mit Bein- und Armschienen, am Brunnen des Dorfes auf seine Gefährten wartete. Der Zug zu den Eisensteinbergen stand bevor.

Arthan hörte sich rasch nähernde Schritte. Gahlus und Morat kamen um die Ecke des am nächsten stehenden Hauses. Gahlus war mittelgroß, athletisch, er trug eine doppelschneidige Axt im Gürtel. Mit dieser Waffe verstand er es, exzellent umzugehen. Auch er trug über seinem groben Gewand einen Brustharnisch und hatte Arm- und Beinschienen angelegt.

Arthan wusste, dass Gahlus sich Hoffnung darauf gemacht hatte, dieses Jahr den Zug zu den Eisensteinbergen selbst anführen zu können. Doch hatten sich die Ältesten gegen ihn entschieden. Arthan hoffte sehr, dass es während des Zuges nicht zu Spannungen zwischen ihm und Gahlus kommen würde. Er hatte lange überlegt, ob er nicht statt des jungen Kriegers ein anderes Stammesmitglied mitnehmen sollte. Doch Gahlus war ein geschickter Axtkämpfer und im Falle eines Gefechts unverzichtbar. Wer wusste schon, welche Gefahren auf sie zukommen würden?

Morat war in einen hellbraunen Mantel gekleidet, der bis zur Erde reichte, die traditionelle Kleidung eines Schamanenlehrlings. Erst als Meister durfte er ein schwarzes Überkleid tragen. Die Kapuze seines Mantels hatte er zurückgeschlagen, sodass sein aschblondes Haar zu erkennen war. Er war groß und schlank. Seine braunen Augen hatte er auf Arthan gerichtet.

„Sei gegrüßt, Arthan. Ich habe eben ein paar Hundeknochen geworfen, um in die Zukunft zu schauen. Die Götter sind uns hold.“

Gahlus’ graue Augen blitzten. „Wir brauchen die Hilfe deiner Götter nicht. Wir sind Krieger. Wir trotzen jeder Gefahr.“

Bevor Morat etwas erwidern konnte, sagte Arthan: „Lass gut sein. Morat vertraut auf die Hilfe seiner Götter und du auf deine Stärke. Ich hoffe auf unsere Götter und auf euch als meine Gefährten.“

Er wollte nicht, dass ihre Fahrt mit einem Streit begann. Er wusste, dass Morat und Gahlus keine großen Freunde waren. Beide liebten dasselbe Mädchen und begehrten sie zu ihrer Frau.

Ein leises Fluchen drang zu ihnen und Therbal trat, zwei Esel im Schlepptau, aus dem sich allmählich lichtenden Dunkel auf sie zu.

„Holla! Oh, diese nichtsnutzigen Teufel, sie scheinen uns nicht begleiten zu wollen. Sie machen Schwierigkeiten, seit ich ihnen Gepäck und Vorräte aufschnallen wollte.“

Gahlus trat auf einen der Esel zu, klopfte ihm wohlwollend eine Flanke. „Sie werden sich schon daran gewöhnen. Ich habe nämlich keine Lust, meine Kraft mit Gepäckschleppen zu vergeuden.“

„Weiß einer von euch, wo Ordor bleibt? Er weiß doch, dass wir uns hier kurz vor Sonnenaufgang treffen wollten.“ Arthan schaute in die Runde.

„Er wird sich noch von seinem alten Mütterchen verabschieden müssen und nicht losreißen können.“ Gahlus lachte hämisch.

„Sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Sonst könnte dir jemand dein loses Maul stopfen wollen.“ Wie aus dem Nichts war Ordor vor ihnen aufgetaucht. Seine grünen Augen schauten durchdringend auf Gahlus. Eine Hand umschlang den Griff des Messers, das er am Gürtel trug.

Arthan trat vor. „Beruhigt euch. Ordor ist Immas jüngster Sohn. Sie ist alt. Sie hat Angst, ihren Sohn nicht wiederzusehen. Ich verstehe das. Wer wollte ihr das auch zum Vorwurf machen? –

Ich möchte keine Zwistigkeiten zwischen uns. Wenn ihr jetzt schon keinen Frieden halten könnt, kann ich unseren Zug gleich absagen und mir andere Gefährten suchen. Wollt ihr das?“

Die Krieger schüttelten den Kopf.

„Gut. Also lasst uns aufbrechen. Ich gehe an der Spitze. Ordor sichert nach hinten.“

Morat übernahm wortlos einen der Esel und ordnete sich in die Reihe der Krieger ein.

Arthan schaute noch einmal zurück. Inzwischen war es fast hell geworden, die Häuser des Dorfes wirkten wie Heuballen auf einem Feld. Er hoffte, sie würden alle heil und gesund zurückkehren.

Schon als kleiner Junge hatte er die Krieger, die zu den Eisensteinbergen zogen, bewundert und wollte einmal zu ihnen gehören. Nun war sein Wunsch in Erfüllung gegangen und er war sogar ihr Anführer geworden. Er durfte das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen.

Der Zug zu den Eisensteinbergen fand jedes Jahr statt. Die Krieger schlugen dort den Eisenstein, der später für Werkzeuge und Waffen des Stammes benutzt wurde. Wertvolle Pfeil- und Speerspitzen, scharfe Messerklingen und zahllose Schabewerkzeuge wurden aus diesem Rohstoff gefertigt. Der Hauptgrund für diese abenteuerliche Reise jedoch war der, dass sich die jungen Männer des Stammes als wahre Krieger beweisen mussten. Erst wenn sie wohlbehalten von den Eisensteinbergen zurückgekehrt waren, galten sie als vollwertige Stammesmitglieder.

Gefährlich wurde dieses Unternehmen vor allem dadurch, weil sie das Stammesgebiet der Quarun durchqueren mussten. Khenu und Quarun waren seit Urzeiten verfeindet. Keiner hätte zu sagen gewusst, wann und warum diese Feindschaft begonnen hatte. Es war einfach so.

Die Krieger schritten kräftig aus. Mittlerweile war die Sonne höher gestiegen, vor ihnen lag eine unendlich wirkende Fläche aus dunkelgrünem Gras. Sie marschierten zügig voran, bis die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, dann rasteten sie. Sie aßen Beeren und vom getrockneten Fleisch, das sie mit sich führten. Ihren Durst löschten sie mit dem klaren, leicht salzhaltigen Wasser, das aus ihrem Dorfbrunnen stammte. Ausgeruht und erfrischt zogen die jungen Männer wieder los. Jeder der Gefährten hing seinen Gedanken nach, sie redeten nicht miteinander.

Als es zu dämmern begann, schlugen sie ihr Lager in der weiten Steppe auf. Sie führten Zelte aus Rinderleder und Decken mit sich. Darin wickelten sie sich ein und waren bald eingeschlafen.

 

 

 

Der Bodennebel lichtete sich. Arthan erwachte. Er fröstelte. Er erhob sich und weckte seine Gefährten. Nachdem sie einige trockene Maisfladen zu sich genommen hatten, begaben sie sich wieder auf den Weg. Arthan machte seine Gesellen darauf aufmerksam, dass sie nach Wild Ausschau halten mussten, wollten sie ihre Vorräte nicht vorzeitig aufbrauchen. „Also haltet die Augen offen“, schloss er seine Rede.

Nach ungefähr einer Stunde Marsch erblickten sie in der Ferne ein Waldstück.

„Wenn nicht hier, wo sollten wir sonst auf Wild stoßen“, meinte Ordor. „Lasst uns hier gezielt vorgehen und nach Beute Ausschau halten.“

Als sie den Wald erreichten, traten sie nur noch vorsichtig auf und bemühten sich, sich so leise wie möglich zu bewegen.

Auf einer kleinen Lichtung gebot Arthan seinen Gefährten Halt. „Morat, du bleibst mit den Eseln hier“, flüsterte er. „Wir anderen gehen weiter und versuchen Wild aufzuspüren.“

Sie verteilten die kleinen Jagdbogen unter sich, die sie im Gepäck der Lasttiere mitführten, und liefen mit leisen Schritten tiefer in den Wald.

Vögel zwitscherten, die Wipfel der Bäume schaukelten sanft im lauen Wind und gaben einen leisen, rauschenden Ton von sich. Im Gesträuch vor ihnen raschelte es hin und wieder, wenn eine aufgescheuchte Eidechse oder ein erschreckter Frosch durch das Laub flüchtete.

Plötzlich hob Arthan die Hand. „Leise! Seht!“, wisperte er und deutete nach vorne.

Ein prächtiger Rothirsch äste fünfzig Meter von ihnen entfernt. Durch die Baumlücken war er gut zu erkennen. Er hatte sie noch nicht gewittert.

„Lasst Ordor schießen“, befahl Arthan seinem Jagdtrupp. „Er hat den schärfsten Blick und die ruhigste Hand.“ Er nickte Ordor aufmunternd zu.

Der zog lautlos einen Pfeil aus seinem Köcher, legte ihn auf den Bogen und zog die Sehne bis hinter sein rechtes Ohr. Dann schwirrte der Pfeil mit einem leichten Surren durch die Luft.

Der Hirsch sprang hoch und stob augenblicklich in den Wald davon. Das Geschoss hatte seine rechte Flanke getroffen, für einen Blattschuss hatte es nicht gelangt.

„Dann los“, sagte Arthan. „Der Hirsch ist getroffen, er wird nicht weit kommen.“

Er klopfte Ordor auf die Schulter. „Mach dir nichts daraus. Nicht jeder Schuss trifft direkt ins Leben. Die Hauptsache ist, wir werden heute noch frisches Fleisch essen.“

Er wandte sich zu Therbal um. „Hole Morat mit den Eseln und folgt uns. Wenn ihr euch sputet, werdet ihr uns schnell einholen. Es kostet Zeit, nach der Schweißspur des Hirsches zu schauen.“

Therbal verschwand im tiefen Dickicht, die anderen schlugen die Richtung ein, die der verwundete Hirsch genommen hatte.

Sie kamen tatsächlich nur langsam voran. Hier und da fanden sie frische Blutspuren an Blättern oder im dunklen Moos. So hatten Therbal und Morat sie bald erreicht und gemeinsam setzten sie die Suche nach dem Tier fort.

Der Wald wurde dichter, das Gebüsch immer undurchdringlicher. Sie folgten dem natürlichen Pfad vor ihnen, den auch der Hirsch genommen haben musste. Die Blutflecke wurden größer, das Tier schien schwächer zu werden und immer öfter innehalten zu müssen.

Der Pfad schlug einen weiten Bogen und … unversehens standen sie vor einer Höhle, deren Eingang wie das dunkle Maul eines Ungeheuers vor ihnen aufklaffte. Sie war in einen steinigen Hügel geschlagen, der sich, von Gesträuch und Flechten überzogen, plötzlich vor ihnen erhoben hatte.

„Was für eine Überraschung! Hier geht es wohl ins Innere der Erde?“ Arthan zögerte. Doch der Hirsch konnte nur diesen Weg genommen haben. An den Seiten des Pfades war kein Durchkommen. Sollten sie dem angeschlagenen Tier in das Ungewisse der Höhle folgen? Wer wusste, was sie dort erwartete? – Arthan war der Anführer. Er musste eine Entscheidung treffen. Er durfte nicht zögern. Seine Gefährten würden sonst womöglich seine Führerschaft anzweifeln.

Die Ältesten des Stammes hatten ihn zum Anführer gewählt, also waren sie von seinen Fähigkeiten überzeugt. Doch Arthan plagten oft Zweifel. Ob er wirklich der Richtige war, um eine führende Stellung im Stamm einzunehmen? Er war vorsichtig und behutsam, brauchte länger, um Entscheidungen zu treffen. Er wog Vor- und Nachteile bedächtig ab und entschloss sich erst nach gründlicher Überlegung.

 

 

 

Arthan trat näher an den Höhleneingang heran, um ihn genauer zu inspizieren. An der rechten Höhlenwand war trotz des schroffen Gesteins ein Streifen frischen Blutes zu erkennen.

„Der Hirsch ist in die Höhle geflohen … Morat, schnell, dein magisches Licht, leuchte uns den Weg! Wir sind hinter dir. Bei Gefahr sind wir dir gleich zu Hilfe.“

Morat griff in seinen Ziegenlederbeutel, in dem er Heilkräuter und magische Gerätschaften untergebracht hatte. Er holte eine kleine Glasphiole hervor, die sofort zu leuchten begann. Der Höhlengang erstrahlte in hellem Licht. Abzweigungen waren nicht zu erkennen, es gab offenbar nur diesen einen Gang.

‚Umso besser’, dachte Arthan, als er das bemerkte. ‚So ist erst einmal keine weitere Entscheidung nötig.’ Mit vorsichtigen Schritten betraten die Gefährten den Gang. Dicke Tropfen fielen von der Decke auf den feuchten rutschigen Boden. Wässrige Blutspuren waren im Schlamm zu erkennen.

Nach einiger Zeit öffnete sich der Gang zu einer weiten Kaverne. Rechts führte der Weg in die Tiefe der Erde. Vor ihnen, genau in der Mitte der Grotte, lag der Hirsch. Er war entkräftet zusammengebrochen. Seine Flanken bebten. Ängstlich ging sein Blick in die Runde. Er versuchte aufzustehen, doch rutschten seine Beine unter ihm weg.

„Ich werde ihn erlösen“, sagte Arthan. „Reich mir deine Waffe.“

Therbal gab ihm seinen Spieß. Arthan stieß dem Hirsch tief ins Herz. Das Tier bäumte sich ein letztes Mal auf, mit einem seufzenden Schnauben fiel sein Kopf zu Boden.

„Lasst uns das Wild aus der Decke schlagen und zerlegen. Dann beladen wir die Esel mit dem Fleisch.“ Arthan fühlte sich ganz als Führer der Truppe. Seine Anspannung, die ihn beim Betreten der Höhle befallen hatte, war verschwunden.

Therbal brachte die beiden Lasttiere in die Nähe des Hirsches. Die Tiere rochen das Blut des getöteten Tieres, sie schnaubten und ließen sich nur schwer zur Ruhe bringen.

Gahlus hob lauschend den Kopf. „Hört ihr das? Dieses merkwürdige Geräusch?“

Nun spitzten auch die anderen die Ohren. Arthan, der bereits angefangen hatte, das Fell des Hirsches aufzuschneiden, unterbrach seine Tätigkeit.

Tatsächlich. Rechts aus dem Gang waren Knurren und das Tappen von Pfoten zu hören. „Zu den Waffen. Es droht Gefahr!“

Plötzlich stürmte eine Meute von riesigen Wölfen in die Kaverne, sie stoppten beim Anblick der Jäger und umringten sie mit bleckenden Zähnen. Ihre gelben Augen glänzten im Licht der Glasphiole. Mensch und Tier starrten sich an. Jeden Moment würde der Angriff erfolgen.

Auf einmal sprang Gahlus auf den am nächsten stehenden Wolf zu und schlug ihm seine Axt in den Schädel. Sie wieder herauszuhebeln, war das Werk eines Augenblicks und prompt starb ein zweiter Wolf unter seinem gezielten Hieb. Doch hatte sich die Waffe in dessen Kopf verkantet und so war Gahlus für einen Moment wehrlos. Das nutzte ein dritter Wolf, er fiel ihn an und verbiss sich in seiner rechten Schulter. Doch ein Pfeil vom Bogen Ordors machte diesem Tier den Garaus.

Das Leittier, ein gewaltiger, fast schwarzer Wolf, hatte Arthan angegriffen. Der wehrte ihn aber mit dem Arm ab und tötete die Bestie mit einem kräftigen Schlag seines Schwertes in das Genick.

Therbal hatte seinen Spieß auf einen der Wölfe gerichtet und wartete auf dessen Angriff. Als das Tier absprang, stieß Therbal ihm den Spieß tief in die Eingeweide. Mit jämmerlichem Geheul stürzte der Wolf zu Boden. Flink zog Therbal sein Jagdmesser aus dem Gürtel und tötete das Tier, das sich soeben in seine Wade verbissen hatte, durch einen Stich zwischen die Halswirbel.

Der letzte der Wölfe, ein großer dunkelgrauer, ergriff die Flucht und verschwand in dem Gang, aus dem die Meute gekommen war.

Die Gefährten atmeten auf, schauten in die Runde, um sich zu orientieren.

Sechs Wölfe lagen in ihrem Blut, Gahlus und Therbal hatten Verletzungen davongetragen.

„Lasst sehen“, sagte Morat und untersuchte die Wunden. Beide Krieger hatten nur oberflächliche Blessuren, kein Muskel war tiefer verletzt worden.

„Es lohnt sich kaum meine Arznei anzuwenden“, sagte Morat lachend. „Doch sollt ihr in ihren heilkräftigen Genuss kommen.“

Er zog ein Holzgefäß aus seiner Umhängetasche, in dem sich eine gelbliche Salbe befand. Er trug die Arznei dünn auf die Verletzungen der Krieger auf, nachdem er sie mit etwas Wasser aus seiner Trinkflasche gereinigt hatte.

„Lasst die Wunden offen, so kann die Salbe ihre Wirkung voll entfalten und ihr werdet bald nichts mehr spüren.“

Sie dankten ihm mit einem Nicken.

Die fünf Menschen umstanden sich schweigend. Dann ergriff Arthan das Wort. „Wir sollten jetzt den Hirsch zerlegen. Die Wölfe lassen wir hier liegen. Wir könnten die Felle zwar gut gebrauchen, doch wären sie auf unserem Zug nur unnötiger Ballast.“

In kurzer Zeit war der Hirsch auseinandergenommen und den Lasteseln aufgebürdet worden. Der Geruch des frischen Blutes erregte die Tiere. Sie bewegten die Köpfe hin und her und konnten kaum stillstehen. Doch Therbal gelang es bald, sie zu beruhigen.

„Ich bin dafür, den Höhlengang weiter nach Norden zu gehen. Die Anwesenheit der Wölfe spricht dafür, dass es noch andere Ein- und Ausgänge geben muss. Lasst uns also weiterziehen“, sagte Arthan.

„Ich bin dagegen!“, ließ sich Gahlus vernehmen. „Wer weiß, welche Gefahren in diesen Gewölben auf uns lauern. Du hast uns mit der Verfolgung des Hirsches in diese Höhle unnötig in Gefahr gebracht. Ich will nicht, dass das wieder passiert.“

„Hätten wir den Hirsch laufen lassen und uns feige vor der Höhle herumdrücken sollen? Wir sind Krieger und keine Weiber, die sich hinter den Rücken ihrer Männer verstecken.“ Arthan war wütend über den Vorwurf.

Er hatte schon geahnt, dass Gahlus die erste Gelegenheit nutzen würde, um sein Ansehen zu untergraben.

„Willst du mich vielleicht mit einer Frau vergleichen? Das kann dein Blut kosten.“ Wütend griff Gahlus nach der Axt.