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Astronavigation - der Schrecken aller Hochseesegler. Nautische Jahrbücher, HO 249 Tafeln, komplizierte Formeln, Taschenrechner, grafische Konstruktionen und ein Sextant. Wer ist nur auf die Idee gekommen, dieses alles einem Fahrtensegler als Notfallausrüstung zu empfehlen? Einen Navigationsnotfall wird man vielleicht nie erleben, das über Bord gehen eines Menschen genausowenig und trotzdem, auf See sollte man auf alles einen rettenden Ausweg finden können. Das ist eine wichtige Grundregel guter Seemannschaft und der Verantwortung eines Schiffsführers. Inhalt des Buches ist eine neue Astronavigation in Praxis und Theorie. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass bis auf den Sextanten alles andere nicht mehr gebraucht wird, was bisher mit Astronavigation im Zusammenhang gestanden hat. Wirklich jeder, vom Kind bis zum 100-Jährigen, kann mit diesem neuen Verfahren seinen Standort auf hoher See finden, einfach und präzise. Das Buch beginnt mit einer Reise durch die Geschichte der Astronavigation, gefolgt von einem Kapitel, das die praktische Anwendung der neuen Astronavigation auf einer elektronischen Karte in einer App darlegt. Funktion und Gebrauch des Sextanten werden im Anschluss daran in einem extra Kapitel beschrieben. An diesen praktischen Teil schließt sich dann die Theorie an. Mit Klarheit in den Beschreibungen und zahlreichen Abbildungen wurde größter Wert auf gute Verständlichkeit gelegt. Themen sind vor allem die wissenschaftlich basierten alten Navigationsmethoden, die heute vergessen sind, weil sie von dem grafischen Höhendifferenzverfahren des Saint Hilaire verdrängt worden sind. Die Zeitgleichung als Grundlage für den Aufbau eines Sun-Almanac sind ein weiteres Element im theoretischen Teil des Buches.
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Seitenzahl: 234
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Impressum
Texte: © 2024 Copyright by Helmut Hoffrichter
Grafiken: © 2024 Copyright by Helmut Hoffrichter
ISBN: 978-3-818712-52-5
Verantwortlich für den Inhalt:
Helmut Hoffrichter
Schall-und-Schwencke-Weg 20
19055 Schwerin
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Vorwort
1 Kleiner Exkurs in die Geschichte der Astronavigation
1.1 Das Problem der zwei Höhen
1.2 Cornelis Douwes
1.3 Chevalier de Borda
1.4 Die Chronometerlänge
1.5 Carl Friedrich Gauß
1.6 Die Industrielle Revolution
1.7 Grafische Navigation
1.7.1 Thomas Sumner
1.7.2 Marcq Saint Hilaire
1.7.3 Resümee
1.8.1 Die Tafelmethode
1.9 Künstliche Himmelskörper
1.10 Astronavigation heute
2 Die App Sun Navigation
2.1 Sun Navigation Basic
2.1.1 Settings
2.1.2 Observations
2.1.2.1 Circle of Position 1
2.1.2.2 Circle of Position 2
2.1.3 Bis dahin
2.2 Sun Navigation Pro
2.2.1 Zweitsystem für beliebige Eingaben
2.2.2 Nutzung der Mittagsbreite
2.2.3 Download hoch auflösender Karten
2.2.4 Dead Reckoning Modul
2.2.5 Sun Almanach
2.2.6 Beobachtung über mehrere Tage
2.2.7 Beobachtung der Sonne am Oberrand
2.2.8 Anzeige der DR Position
2.2.9 Großkreisrechnung: Distanz und Kurs zu einem Ziel
2.3 Zwischenzeit
2.4 Übrigens
3 Kleine Sextantenkunde
3.1 Aufbau eines Sextanten
3.2 Funktionsweise
3.3 Messvorgang
3.4 Wann kann gemessen werden?
3.5 Indexfehler
3.6 Beschickung
3.6.1 Refraktion
3.6.2 Kimmtiefe
3.7 Hinweise zum Kauf eines Sextanten
4 Analytische Positions-Bestimmung
4.1 Ein bisschen Mathe
4.1.1 Der Kosinus Seitensatz
4.2 Bildpunkt und Höhenkreis
4.3 Standort direkt aus zwei Höhenkreisen
4.3.1 Berechnung der Breite
4.3.2 Berechnung der Länge
4.3.3 Realisierung als Computerprogramm
4.4 Versegelung
4.4.1 Versegelung nach Douwes
4.4.2 Das Azimut
4.4.3 Versegelter Standort
4.5 Standort aus der Mittagsbreite
4.5.1 Höhenkreis zuerst
4.5.2 Mittagsbreite zuerst
4.6 Die Methode von Carl Friedrich Gauß
4.6.1 Gauß heute
4.7 Das Tagbogen-Verfahren
5 Koppelnavigation
5.1 Zwei Geschwindigkeiten
5.2 Addition der Schläge
5.3 Das Koppelboard
5.3.1 Keine Meeresströmung
5.3.2 Mit Meeresströmung
6 Großkreisrechnung
7 Die Zeitgleichung
7.1 Elliptizität der Erdbahn
7.2 Schiefe der Ekliptik
7.3 Berechnungsmodell
7.3.1 Bestimmung der Zeit als Variable
7.3.2 Berechnung der Zeitgleichung
7.4 Die Ephemeriden der Sonne
7.4.1 Greenwichwinkel Grt
7.4.2 Deklination 𝛿
7.4.3 Das Nautische Jahrbuch
7.4.4 Ephemeriden der Sonne mit Excel berechnet
8 Anhang
8.1 Gesamtbeschickung und Zusatzbeschickung
8.2 Versegelter Standort mit Excel
8.3 Die Gauß’sche Lösung des Zweihöhenproblems
Nachwort
Vorwort
Standard in der Hochseenavigation ist die Satellitennavigation, während die Astronavigation die Rolle einer Notfallnavigation hat. Das dabei praktizierte Verfahren basiert auf einer Arbeit des französischen Fregattenkapitäns Marcq Saint Hilaire. Ohne Frage war das damals eine geniale Leistung und hat die Navigation auf Schiffen und in Flugzeugen bis weit ins letzte Jahrhundert hinein geprägt.
Astronavigation als Notfall-Backup zu nutzen, ergibt Sinn. Ein verantwortlicher Seemann wird auf langen Reisen auch in der Navigation auf eine Rückfalloption nicht verzichten wollen. Die See ist kein sicherer Ort und ein Ausfall der elektronischen Navigation würde sein Schiff ins 19. Jahrhundert zurückschicken. Daneben gibt es auch viele Segler, die Spaß daran hätten, mal mit einem Sextanten zu navigieren, so wie die alten Seefahrer, ohne sich gleich den dafür üblichen Lernstress antun zu müssen. in diesem Fall kann nur eine App helfen.
Sucht man nach einer geeigneten Computer-App, so findet man zahlreiche Anwendungen, die aber alle auf der Grundlage der Standlinienkonstruktion von Saint Hilaire beruhen. Auch die Literatur und sämtliche Beiträge im Netz deklarieren dieses Verfahren als das Nonplusultra in der astronomischen Navigation.
Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass schon im 19. Jahrhundert viele Autoren beklagten, dass die alten exakten Methoden der Wissenschaftler, Mathematiker und Gelehrten vom Umsichgreifen der neuen grafischen Standlinienmethoden verdrängt werden. Andererseits hätten diese damals sowieso keine Chance gehabt, denn es gab keine Computer. Diese Verdrängung hat indes immer noch Bestand, der sich sogar durch die Tatsache von 150 Jahren weltweit erfolgreicher Navigation mit dem Hilaire Verfahren gefestigt hat.
Nur so ist zu verstehen, dass selbst Entwickler von Computer-Apps glauben, dass es keine bessere Lehre gibt. So entstehen dann Navigations-Apps nach Hilaire, mit denen die Arbeit eines Navigators aus der Zeit vor 100 Jahren kopiert wird. Das kann höchstens Fans der Hilaire Methode erfreuen, die selbst auf ihre Restriktionen nicht verzichten wollen. Doch schon lange vor Saint Hilaire existierten Lösungen für exakte rechnerische Positionsbestimmungen auf See. Apps auf dieser Basis besitzen keine Restriktionen. Damit diese zum Teil völlig vergessenen Arbeiten wieder etwas bekannt werden, habe ich mich dazu entschlossen, dieses Buch zu schreiben.
Schwerin, im Januar 2025
Helmut Hoffrichter
1 Kleiner Exkurs in die Geschichte der Astronavigation
Zur Bestimmung des Breitenkreises, auf dem sich ein Schiff gerade befindet, entwickelte der Mensch zahlreiche Werkzeuge, mit denen er diejenigen Himmelskörper beobachten konnte, die ihm Aufschluss darüber gaben. Die wichtigsten waren der Jakobsstab, Quadrant, Oktant und schließlich der Sextant. Seit langem schon war bekannt, dass die Höhe des Nordsterns auf der Nordhalbkugel mit der Standortbreite ziemlich gut übereinstimmt und seit dem Mittelalter existieren einigermaßen brauchbare Deklinationstabellen, die es ermöglichen, die Standortbreite auch aus der Kulmination der Sonne am Mittag zu bestimmen. Daraus entwickelte sich schon früh eine besondere Navigationsmethode, das sogenannte Breiteln.
Auch Columbus hat diese Methode benutzt, um zurück nach Europa zu kommen. Er segelte zunächst von der Karibik kommend immer nur nach Nordosten, bis er die gewünschte Breite von Kap St. Vincent in Portugal erreichte, und änderte dann seinen Kurs direkt nach Osten. Auf seiner Weiterreise versuchte er, auf möglichst gleicher Nordsternhöhe zu bleiben, auch wenn ihn manchmal Stürme abtrieben. Im Verlauf seiner Reise traf er auf die Azoren und erreichte schließlich sogar ziemlich genau Lissabon, was am Ende mehr ein Zufall war.
Eine Bestimmung des Längengrades galt dagegen lange Zeit als unmöglich, obwohl bereits Wege dafür angedacht waren. Im 16. Jahrhundert vertraten Galilei und andere die Auffassung, dass der Längengrad mit einer exakt laufenden Uhr bestimmt werden könne. Doch der Versuch einer Längengrad-Bestimmung mit einer Pendeluhr an Bord dauerte nur bis zum ersten Sturm, der das Pendel völlig außer Takt brachte und nach dem die Uhr dann nicht mehr gestellt werden konnte.
Später ermittelte man die Zeit durch Messungen von Monddistanzen zu Fixsternen, die wiederum eine Bestimmung der Zeit in Greenwich ermöglichte. Spätestens damit erlangte die Mathematik einen wichtigen Stellenwert in der Praxis der Navigation.
1.1 Das Problem der zwei Höhen
Der Portugiese Pedro Nunes (1502–1578) beschrieb ein Prinzip, wonach die geografische Breite aus zwei unterschiedlichen Höhen der Sonne bestimmt werden konnte. Von dem dänischen Astronomen Tycho Brahe (1546–1601) ist bekannt, dass er die unbekannte Position eines Sterns aus der bekannten Position zweier anderer Sterne ableiten konnte. Diese Aufgabe unterscheidet sich genau genommen nicht von der Bestimmung der unbekannten Position eines Schiffes. Das Gradnetz der Erde ist eine Projektion des Gradnetzes an der Himmelskugel. Somit ist die Position des Zenits Z eines Schiffes auf dem Gradnetz der Himmelskugel identisch mit der Position des Schiffes auf dem Gradnetz der Erde.
Auf diese Weise ließe sich die Tätigkeit der Astronomen auf eine Positionsbestimmung auf dem Meer übertragen. Die Aufgabe bestände nur darin, den unbekannten Zenit einer Schiffsposition aus der Position zweier bekannter Himmelskörper oder der Position der Sonne zu zwei verschiedenen Zeiten abzuleiten. Diese Aufgabe ist als Problem der zwei Höhen oder einfach als Zweihöhenproblem bekannt geworden.
Ein einfacher Rechenweg ließ sich für diese Aufgabe allerdings nicht finden. Die Mathematik befand sich noch im Wachsen. Zwar gab es schon genügend Arbeitsergebnisse zur sphärischen Trigonometrie, doch diese waren noch völlig ungeordnet und damit nicht reif für eine allgemeine Verwendung. Einen Anschub zur Lösung des Zweihöhenproblems leistete ein Preisausschreiben, das die Pariser Akademie der Wissenschaften am 17. Mai 1727 veröffentlicht hatte. Ein Preis sollte demjenigen zuerkannt werden, der eine praktikable Lösung für das Zweihöhenproblem anbieten konnte. Unter den zahlreichen Teilnehmern, die einen Preis zu gewinnen hofften, fand sich auch Daniel Bernoulli, der heute vor allem als Begründer der Strömungslehre bekannt ist. Er wollte die geografische Breite aus drei aufeinanderfolgend gemessenen Höhen und den korrespondierenden Zwischenzeiten an ein- und demselben Himmelskörper bestimmen, ohne dessen Koordinaten zu kennen.
Die Suche nach einfachen Lösungen zog sich recht erfolglos bis fast in die Mitte des 19. Jahrhunderts hin. Unzählige Publikationen mit mehr oder weniger praktischem Nutzen wurden bekannt. Vielfach wurde versucht, die sphärische Trigonometrie zu umgehen, indem stattdessen in der Trigonometrie der Ebene oder sogar in der allgemeinen Arithmetik nach Ausweichlösungen gesucht wurde.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat Leonhard Euler (1707–1783) die Sätze der sphärischen Trigonometrie systematisiert und darüber hinaus leicht verständliche Anleitungen gegeben, wie diese anzuwenden sind. Weil zu dieser Zeit die Berechnung nur mithilfe von Logarithmen möglich war, hat Euler die Formeln sogar in zwei Varianten publiziert. In einer ersten Variante wurden sie in ihrer anschaulichsten und heute bekannten Form dargestellt. Die zweite Variante war eine sogenannte abgeleitete Gleichung, die nur noch aus Produkten und Quotienten bestand, und damit im Hinblick auf eine rechnerische Anwendung mit Logarithmen optimiert war. Mit dieser Arbeit hatte Euler die Grundlage für ein mathematisch strenges Verfahren zur Berechnung der Breite eines Standortes aus den gemessenen Höhen zweier Himmelskörper geschaffen.
Nachfolgend soll der mathematische Hintergrund der Lösung des Zweihöhenproblems dargelegt werden. Wir benutzen dazu die Skizze im Bild 1.3. Darin finden wir die Zenitalpunkte bzw. Bildpunkte der Sonne, die mit X und X’ bezeichnet sind. Das sind die geografischen Punkte auf der Erde, an denen die Sonne gerade im Zenit steht – und zwar zu dem Zeitpunkt, in dem ihre jeweilige Höhe über dem Horizont von einem Standort Z aus mit einem Sextanten gemessen wird. Die geografischen Positionen dieser Bildpunkte in den Messzeiten müssen natürlich bekannt sein. Dafür gab es damals schon Tabellen, aus denen die Deklinationen 𝛿 für jede Stunde eines Jahres entnommen werden konnten. Die Beobachtungszeiten sollten ein paar Stunden Sonnenlaufzeit auseinanderliegen, und zudem war es günstig, die erste Beobachtung am Vormittag und die zweite am Nachmittag zu machen. Einen vierten Bezugspunkt in diesem Modell stellt der Pol P dar, der in unserem Fall der Nordpol ist.
Eine letzte exakte Beschreibung des auszuführenden Rechenweges zur Bestimmung der Breite 𝜑 ist als Ergebnis einer Zusammenarbeit des Niederländers Pieter Nieuwland mit Franz Xaver von Zach in Gotha im Jahr 1792 bekannt geworden. Dieser wird auf Seite 92 im Kapitel 4.3.1 ausgeführt. Es war der ernüchternde aber zugleich perfekte Höhepunkt einer 250 Jahre andauernden Suche nach einer Lösung des Zwei-Höhen-Problems. Perfekt deshalb, weil kein besserer geometrischer Weg denkbar war und ernüchternd, weil eine Lösung mithilfe von Logarithmentafeln zu aufwendig und deshalb zur Benutzung an Bord eines Schiffes nicht infrage kommen würde.
1.2 Cornelis Douwes
Die astronomische Aufgabe, die Breite eines Ortes zu finden, galt damals als eine der wichtigsten in der Geografie und Navigation. War von einem Schiffsort die Breite bekannt, so konnten aus gemessenen Distanzen zwischen Mond und bekannten Fixsternen die Zeit und damit die geografische Länge sowie daraus der Standort bestimmt werden. Die Monddistanzen-Methode war allerdings auch nicht ganz trivial und erforderte neben einigen Berechnungen zudem noch Unterlagen in Form von astronomischen Tabellen. Die exakte Breite war bis dato deshalb nur aus der Beobachtung des Nordsterns oder als Mittagsbreite zu bestimmen.
Der Holländer Cornelis Douwes (1712–1773) war Direktor der Seefahrtschule in Amsterdam. Seine Vision war es, das Zweihöhenproblem für die Seefahrer nutzbar zu machen. Zu diesem Zweck entwickelte er eine Methode, wie aus zwei außer dem Mittagskreis beobachteten Sonnenhöhen die Breite eines Ortes gefunden werden kann. Sein Ansatz bestand darin, die mühsame logarithmische Berechnung der Polardreiecke abzukürzen, indem er eine spezielle eigene Logarithmentafel schuf. Bei Benutzung dieser Douw’schen Tafel musste weniger gerechnet und weniger in Tabellen gesucht werden. Insgesamt waren neun Tabellenzugriffe für eine Breitenberechnung erforderlich. Dies verringerte den Rechenaufwand gegenüber der strengen Rechenmethode mit mehr als 20 notwendigen Tabellenzugriffen, wobei nach jedem Tabellenzugriff auch immer eine Interpolation nötig war, auf etwa ein Drittel. Seine Methode war nicht ganz exakt und enthielt Vereinfachungen. Eine davon war die Notwendigkeit, einen Standort vorher schätzen zu müssen.
Douwes erhielt für seine Tafelmethode von der britischen Längengradkommission einen ansehnlichen Preis. Danach hat sich sein Verfahren sowohl unter den niederländischen als auch englischen Seeleuten etablieren können und war bis ins 19. Jahrhundert hinein eine verbreitete Navigationsmethode.
1.3 Chevalier de Borda
Eine außerordentlich interessante Idee zur Breitenbestimmung hatte der Franzose Jean Borda auf seiner Reise 1771/72, die ihn mit dem Forschungsschiff Flora an der westafrikanischen Küste entlangführte. Genaue Ergebnisse konnte man damit allerdings nur über sogenannte rigorose Berechnungen erhalten.
Sein Verfahren ist besonders dann geeignet, wenn die Mittagsbreite wegen einer Bedeckung des Himmels nicht bestimmt werden kann. Neben den Höhenmessungen musste auch die Zwischenzeit t, die Zeit zwischen den Beobachtungen, festgehalten werden, die jedoch mit einer einfachen Schiffsuhr gemessen werden konnte.
Vor dem Beginn einer Berechnung musste die eigene Breite 𝜑 noch geschätzt werden. Aus dieser geschätzten Breite, den Komplementen s und s’ aus den jeweils beobachteten Höhen und den Deklinationen 𝛿 und 𝛿’ während der Beobachtungszeiten wurden dann die Stundenwinkel 𝜏1 und 𝜏2 der beiden Polardreiecke XPZ und X’PZ berechnet.
Diese wurden addiert und ihre Summe durch die Winkelgeschwindigkeit der Sonne von 15°/h dividiert. Das Ergebnis davon war die berechnete! Laufzeit der Sonne zwischen den Beobachtungen. Diese würde mit der gemessenen Zwischenzeit t übereinstimmen, wenn die Breite richtig geschätzt worden wäre.
Auf dem Bild ist leicht nachvollziehbar, dass sich der Abstand zwischen den Bildpunkten der Sonnen X und X’ spreizt, wenn bei gleichbleibenden Längen von s und s’ eine kleinere Breite zur Anwendung kommt bzw. geschätzt wird. Als Folge würde dann eine Laufzeit der Sonne berechnet werden, die größer ist als die gemessene wahre Zwischenzeit t.
Nun könnte das Ganze mit einer jeweils anderen Breite wiederholt werden, bis es passt. Der Astronom Jerome Lalande hatte dann allerdings die Idee, die wahrscheinlich richtige Breite aus zwei Breitenschätzungen über einen Dreisatz zu finden. Das Verfahren erwies sich als bemerkenswert genau, wenn es gelang, die Breiten vorher einigermaßen exakt zu schätzen. War dies nicht der Fall, dann ergaben sich größere Abweichungen, die zur Wiederholung der ganzen Rechnungen drängten. Die Standortlänge bekam man aus der Zeit, die damals allerdings nur über Monddistanzen zu bekannten Fixsternen ermittelt werden konnte. Auch dieses Verfahren erforderte mitunter einen riesigen Rechenaufwand, und so kam es bei den Seefahrern ebenfalls nicht an.
Das Verfahren interessierte mich und so entwarf ich ein Programm dafür, das sogar ohne Breitenschätzung auskam.
Auf der Nordhalbkugel werden zunächst alle ganzgradigen Breiten von der maximal möglichen Breite von smin + 𝛿 abwärts zählend geprüft, bis ein gültiger Bereich zwischen zwei Breitengraden gefunden ist. Das ist dann der Fall, wenn von zwei aufeinanderfolgenden Breiten die eine Breite aus den Stundenwinkeln eine Zeit liefert, die kleiner als die gemessene Zwischenzeit t ist, und aus dem folgenden Breitengrad Stundenwinkel folgen, die eine Sonnenlaufzeit größer als die gemessene Zwischenzeit t ergeben. Danach schaltet das Programm von Grad auf Bogenminuten um und durchsucht den Bereich zwischen den gefundenen Breiten in Meilenschritten, bis wieder zwei Breiten – dieses Mal in Minutengenauigkeit – gefunden werden, zwischen denen der Standort liegen muss.
Das Programm habe ich auf See getestet und festgestellt, dass damit tatsächlich die Standortbreite rechengenau auf eine Seemeile gefunden werden kann. Die dabei ablaufenden Berechnungen sind zwar simpel, aber umfangreich, was meinem Smartphone jedoch nichts ausmachte. Das Ergebnis stand augenblicklich nach der letzten Höheneingabe im Display. Überraschend neu war für mich die Erfahrung, dass Standorte auf See auch gänzlich ohne Standlinien präzise gefunden werden können.
1.4 Die Chronometerlänge
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren schon einige Verfahren zur Bestimmung der Breite bekannt. Am genauesten war immer noch die Bestimmung der Mittagsbreite. Die dazu nötige Prozedur wurde auf allen Seeschiffen täglich durchgeführt. Die aktuelle Breite musste anschließend durch Koppeln gefunden werden. Darunter wird das Hinzufügen der Breitenkomponente verstanden, die seit der letzten Standort-Feststellung mittels Log und Kompass errechnet werden konnte.
Ohne die Möglichkeit einer Längenbestimmung war es üblich, dass die Schiffe wochenlang an einer bekannten Küste entlang Breiten absegelten, bis die gewünschte Breite erreicht war. Erst dann konnten sie den Breitenkreis entlang eine Überfahrt zu einem bekannten Hafen auf der anderen Seite eines Ozeans wagen. Während der Überfahrt musste ständig die Breite festgestellt und der Kurs gegebenenfalls korrigiert werden.
Die Suche nach einer Methode, den Längengrad feststellen zu können, hat insgesamt 400 Jahre gedauert. Für einen Weg zu seiner Bestimmung setzte der spanische König im Jahre 1600 ein Preisgeld aus, doch er blieb damit erfolglos. Mehr als hundert Jahre später, im Jahre 1714, folgte das englische Parlament diesem Beispiel und setzte bis zu 20 000 Pfund Preisgeld für eine praktikable Lösung des Längenproblems aus. Anlass war der Untergang von vier Schiffen, die sieben Jahre zuvor auf den Klippen der Skilly-Inseln zerbrachen, wobei etwa 1500 Seeleute den Tod fanden.
Erst zehn Jahre später beschäftigte sich John Harrison mit dieser Aufgabe. Er war eigentlich Tischler, hatte aber bereits eine Uhr mit Holzzahnrädern gebaut. Ihn ließ die Vision nicht mehr los, eine exakt gehende Schiffsuhr zu bauen. Damals gab es schon Verfahren, wie die Zeit aus der Bedeckung der Jupitermonde oder aus dem Abstand des Erdmondes von bekannten Fixsternen hergeleitet werden konnte, doch ersteres war viel zu selten und konnte deshalb nur in Observatorien an Land für Zeitkorrekturen benutzt werden. Monddistanzmessungen waren hingegen an Bord schon gängiger geworden, aber doch recht aufwendig.
Mit einem ersten Uhrexemplar von Harrison, das später den Namen H1 bekam, gelang eine Testfahrt, bei der die Genauigkeit der Methode bestätigt werden konnte. Das Preisgeld wurde jedoch nicht gezahlt, weil die Testreise nicht ganz den Anforderungen entsprach. Es konnte auch alles nur Zufall gewesen sein, meinten einige Kritiker. Außerdem gab es Widerstände und Bedenkenträger. So wurde die Zuverlässigkeit eines technischen Instrumentes grundlegend angezweifelt.
Ein ständiger Widersacher war insbesondere der Hofastronom des englischen Königshauses, Nevil Maskelyne. Er setzte auf die Monddistanzmethode, weil diese unabhängig von technischen Instrumenten ist. Zudem sah er in der Entwicklung der Längenuhr eine Konkurrenz zu seinen eigenen Ideen, mit denen er die Monddistanzmethode vervollkommnen wollte.
Erst als James Cook 1775 von seiner zweiten Weltreise zurückkehrte und die gute Qualität eines heute mit K1 bezeichneten Modells eines Harrison Chronometers bestätigte, galt auch in Astronomen-Kreisen das Längenproblem als gelöst. Harrison wurde ein Preisgeld von 10 000 £ zugesprochen. Die K1 war ein exakter Nachbau der H4. Eine Weiterentwicklung, heute mit H5 bezeichnet, wurde von König Georg III persönlich getestet. Der Test verlief erfolgreich und Harrison erhielt weitere 8 750 £.
Nach dem Erfolg der H5, die damals etwa 500 £ kostete, bauten Uhrmacher die Modelle nach und die Preise sanken. Die ersten in Serie produzierten Marine Chronometer waren ab etwa 1790 verfügbar. Die Tatsache, dass die Beagle auf ihrer Forschungsreise mit dem berühmten Charles Darwin gleich 22 Stück an Bord hatte, zeigt, welche Bedeutung sie plötzlich bekamen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts konnte der Bedarf an Chronometern einigermaßen gedeckt werden – in England bereits früher.
Die Bestimmung der Chronometerlänge ist ein einfacher Vorgang, den wir uns nun an dem im Bild 1.6 aufgezeigten Modell klarmachen wollen. Nachdem die Breite 𝜑 z. B. als Mittagsbreite oder Koppelbreite festgestellt worden ist, wird die Höhe der Sonne über der Kimm mit einem Sextanten gemessen. Nach Berichtigung des abgelesenen Höhenwinkels erhält man die beobachtete Höhe h. Das Komplement dieser Höhe, die Ergänzung zu 90° ist der Zenitabstand s, der im Bild als die grüne Dreieckseite zwischen Z und X eingezeichnet ist. Ganz entscheidend bei Höhenmessungen ist die Feststellung der sekundengenauen Zeit, in der das Gestirn im Teleskop des Sextanten auf die Kimm gesetzt wurde.
Als Nächstes muss die Deklination 𝛿 aus einem nautischen Almanach herausgesucht werden. Dazu braucht man ebenfalls die Beobachtungszeit, jedoch nur minutengenau, weil sich die Deklination nur sehr langsam ändert.
Damit sind alle Seiten des nautischen Dreiecks bzw. Poldreiecks im Bild 1.6 bekannt. Wir haben also:
Wenn von einem sphärischen Dreieck die Längen aller Seiten bekannt sind, dann kann jeder der drei möglichen Winkel berechnet werden. In unserem Fall wird der Polwinkel 𝜏 berechnet.
Die Länge 𝜆 besteht, wie im Bild zu sehen ist, aus der Summe von 𝜏 und einem zweiten mit GHA bezeichneten Winkel. GHA ist die Abkürzung für Greenwich Hour Angle. Im deutschen Sprachgebrauch ist dafür die Bezeichnung Grt üblich. Dieser bis 360° gehende Stundenwinkel ist die Differenz zwischen dem durch die Sternwarte von Greenwich laufenden Nullmeridian und dem Meridian, auf dem der Bildpunkt der Sonne in einer anzugebenden Zeit, üblicherweise der Beobachtungszeit, steht. Diese Zeit muss sekundengenau angegeben werden, denn die Winkelgeschwindigkeit der Sonne ist mit 15°/h sehr hoch. Am Äquator kann sie bis 463 m/s betragen.
Dass der Nullmeridian durch die Sternwarte von Greenwich gehen soll, wurde 1884 auf der internationalen Meridiankonferenz in Chicago beschlossen. Zuvor gab es mehrere Vorschläge, u. a. auch von Frankreich, den Nullmeridian durch Paris laufen zu lassen. Weil zu jener Zeit die größere Menge an bereits vorhandener nautischer Literatur und auch astronomischen Tafeln den Nullmeridian durch Greenwich berücksichtigten, fiel die Entscheidung auf diesen Ort.
Doch nun wieder zu Sache. Mit der bekannten Zeit der Höhenmessung und der konstanten Winkelgeschwindigkeit der Sonne von 15°/h könnte jetzt der GHA berechnet werden, wenn die Zeit bekannt wäre, in der die Sonne den Nullmeridian passiert. Doch hier gibt es ein Problem.
Ein Chronometer geht absolut gleichmäßig. Wenn es 365-mal im Jahr seine 24 Stunden abdreht, dann geschieht es allerdings nur an vier Tagen, dass die Sonne genau um 12:00:00 GMT (Greenwich Mean Time - Zone), auf dem Nullmeridian kulminiert. An allen anderen Tagen kulminiert sie bereits vor 12:00 Uhr oder danach. Die Sonnenzeit und die Chronometerzeit laufen nämlich nicht synchron. Dies ahnte man bereits im Mittelalter und es hat sich später auch herausgestellt, dass die ersten genauen Pendeluhren nicht im Gleichgang mit den Sonnenuhren waren, die überall an den Kirch- oder Rathauswänden angebracht waren. Sie gingen scheinbar einmal vor und dann wieder nach.
Wenn mit der Sonne navigiert werden soll, dann muss auch die Sonnenzeit verfügbar sein. Um aus der Chronometerzeit die Sonnenzeit zu erhalten, brauchte man eine Korrektur- oder Ausgleichszeit. Der Name dafür lautet Zeitgleichung. Dies ist also keine Gleichung im mathematischen Sinne, sondern ein Wert aus einer Tabelle, der für ein bestimmtes Datum den Zeitausgleich schafft. Es sind tatsächlich bis zu 16 Minuten, die ein Chronometer innerhalb eines Jahres gegenüber der Sonnenzeit vor- oder nachgehen kann.
Nachdem Johannes Keppler die Bahn der Erde um die Sonne genau berechnet hatte, konnte auch die Zeitgleichung ermittelt werden. Diese Arbeit hat der erste Hofastronom des englischen Königshauses, John Flamsteed (1646–1719), durchgeführt.
Demnach ist die von gleichmäßig gehenden sogenannten Räderuhren angegebene Zeit nur eine mittlere Zeit. Die wahre Sonnenzeit, die ein Navigieren mit der Sonne erst ermöglicht, ist die Summe von Chronometerzeit, die der GMT oder der Universalzeit UTC entspricht und der Zeitgleichung.
An Bord der Schiffe musste deshalb neben einem genau gehenden Chronometer auch stets eine Jahrestabelle mit der Zeitgleichung vorhanden sein.
Um jetzt auf die Bestimmung des GHA zu kommen, stelle man sich vor, dass auf einem Schiff im Atlantik die Sonne um 14:00:00 GMT beobachtet wurde. Gemäß der Zeitgleichung soll die Sonne den Nullmeridian bereits um 11:52 GMT passiert haben und ist deshalb um 12:00 GMT schon 2° westlich von Greenwich. Damit ist dann klar, dass auch das Schiff um 14:00 GMT nicht auf 30° W, sondern auf 32° westlicher Länge steht.
So muss zur Bestimmung des Längengrades zunächst die Differenz zwischen Beobachtungszeit und 12:00:00 GMT berechnet werden. Dann wird die Zeitgleichung dazu addiert und die erhaltene Summe mit der Winkelgeschwindigkeit der Sonne von 15°/h multipliziert.
Ab Mitte des 19. Jhd. wird der GHA in Nautischen Jahrbüchern tabelliert, wodurch sich die Arbeit mit den Zeitgleichungstabellen erübrigt hat.
Bild 1.6 zeigt den Fall, dass die Sonne im Osten beobachtet wird, also am Schiffsvormittag. Dadurch errechnet sich die Standortlänge als Summe von GHA und 𝜏. Sobald die Sonne den eigenen Standortmeridian überholt hat, X also westlich von Z steht, muss die Standortlänge als Differenz von GHA und 𝜏 berechnet werden.
1.5 Carl Friedrich Gauß
Gauß war der wohl größte Mathematiker aller Zeiten. Im Zusammenhang mit einer seiner Lieblingsbeschäftigungen, der Landesvermessung und Kartografie, hat er sich auch mit der Bestimmung von Breiten- und Längengraden beschäftigt. Darüber hat er eine bemerkenswerte Arbeit verfasst, die nach ihrer Publikation im Jahre 1812 nie wieder in der nautischen Literatur Erwähnung gefunden hat. Bemerkenswert ist, dass der populäre Mathematiker und Buchautor Heinrich Dörrie (1873–1955) in seinem Fachbuch über die Trigonometrie unter der Überschrift „Gauß und das Zweihöhenproblem“ ein Verfahren als Gauß-Methode vorstellte, das gar nicht von Gauß stammt. Mehrere Autoren haben diesen Irrtum dann weiterverbreitet und die wahre Gauß-Methode umgedeutet. Worin besteht die Gauß-Methode also wirklich? Der wesentlichste Teil seiner Originalveröffentlichung ist deshalb im Anhang dieses Buches wiedergegeben.
Auch wenn Gauß kein Seemann gewesen ist, waren neben der Mathematik, der Astronomie und Kartografie nur zwei Gebiete unter vielen, in denen er außergewöhnliche Leistungen vollbrachte. Am bekanntesten ist wohl die von ihm gefundene Glockenkurve der statistischen Normalverteilung. Weitere bedeutende Arbeiten sind der nach ihm betitelte Gauß’sche Algorithmus zur Lösung algebraischer Gleichungssysteme oder die Methode der kleinsten Fehlerquadrate, mit der er z. B. die Bahn des Zwergplaneten Ceres berechnen konnte, sodass man ihn wiederfand, nachdem er eines Tages scheinbar hinter der Sonne verschwunden schien.
Als Kartograf musste Gauß auch Längen- und Breitengrade bestimmen können, um diese auf den Karten eintragen zu können. Dies war also nicht nur eine Aufgabe der Seefahrer. Das Problem der zwei Höhen und die Berechnung der Breite über die zwei Polardreiecke, wie sie im Bild 1.3 dargestellt sind, waren ihm wohlbekannt. Zur Lösung dieser Aufgabe sind mit Formeln aus der sphärischen Trigonometrie Stück für Stück einzelne Elemente des Grafikmodells auszurechnen, bis schließlich die Strecke b ermittelt werden kann, deren Ergänzung zu 90° die gesuchte Breite liefert.
Diese Aufgabe müsste aber auch anders lösbar sein. So kann die im Bild 1.3 gezeigte Grafik auch abstrakt gesehen werden, indem die beiden Dreiecke nicht gezeichnet, sondern jeweils durch eine mathematische Gleichung ausgedrückt werden. Die Gleichungen hängen dann über ihre gemeinsame Seite b und einen Stundenwinkel zusammen. Das ist dann ein Gleichungssystem mit den zwei Unbekannten b und dem zwischen X und dem Standort Z bestehenden Stundenwinkel. Diese Idee hatte zuerst ein Mathematiker Namens Kraft. Seine Lösung war allerdings sehr verwickelt und Gauß meinte dazu, dass stattdessen eine Lösung mithilfe der sphärischen Trigonometrie über die Dreiecke weit einfacher wäre.
Das Gleichungssystem besteht ausnahmslos aus den transzendenten Funktionen des Sinus und des Kosinus und es existiert kein Algorithmus bzw. allgemeiner Weg, diese Aufgabe überhaupt lösen zu können. Gauß fühlte sich jedoch herausgefordert und fand trotzdem einen Weg. Nachdem er in einem Rechenbeispiel die bekannten Positionen zweier Fixsterne verwendet hatte, erhielt er als Ergebnis den kompletten Standort, bestehend aus Längen- und Breitengrad.
Ein Problem seiner Methode besteht darin, dass der Rechenweg nicht vermittelbar ist. Die von ihm benutzte mathematische Analyse war ein Sonderweg, der als Ergebnis eines wissenschaftlichen Streits mit Herrn Kraft entstanden war. Das war also hochkarätige Mathematik, mit der kein Seemann hätte arbeiten können. Selbst wenn das gemacht worden wäre, der Aufwand gegenüber einer trigonometrischen Berechnung über die Dreiecke wäre nicht entscheidend kleiner.
Heute, fast 200 Jahre später, verfügen wir über Computer, und denen ist es egal, ob die Formeln von Menschen verstanden werden oder nicht. Sie müssen nur richtig sein. Verpackt in einem Computerprogramm, ist die Gauß Methode ein ideales Navigationsmodul. Genau so ist auch der Weg, der in der Satellitennavigation beschritten wurde.
Die wahre Gauß Methode wurde in der Seefahrt nie verwendet und ist heute vergessen. Gauß war seiner Zeit eben viel zu weit voraus.
1.6 Die Industrielle Revolution
Sie begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und nahm im 19. Jahrhundert an Fahrt auf. Technik, Produktivität und Wissenschaften beschleunigten sich. Seemacht und Seehandel wuchsen in einem bisher nie gekannten Maße. Segelschiffe mussten den neuen Dampfschiffen weichen. Für die Industrienationen lagen die Kolonien weit weg und eine ständig wachsende Bevö