Auf den Wogen des Glücks - Marisa Frank - E-Book

Auf den Wogen des Glücks E-Book

Marisa Frank

3,0

Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. »Annette, wo steckst du schon wieder?« Marita Kiesel sah sich verzweifelt in der kleinen Garderobe um. Gerade hatte ihr Kind noch friedlich auf dem Fußboden gehockt und mit einigen Bauklötzen gespielt. Nun war die Tochter verschwunden. »Annette!« rief Marita nochmals. Diesmal schon bedeutend ärgerlicher. Sie mußte sich beeilen, in einer halben Stunde mußte sie auf der Bühne stehen. »Gu gug!« rief die Zweijährige und streckte ihren Kopf unter dem Schminktisch hervor. »Annette, was fällt dir ein? Komm sofort her!« »Netti da«, sagte die Kleine. Ihr Gesicht verzog sich, die Unterlippe schob sich nach vorne, und schon rannen die Tränen. »Nicht doch, Netti«, versuchte Marita nun zu trösten, dabei warf sie einen hastigen Blick auf die Uhr. »Du weißt doch, daß Mami sich beeilen muß. Du hast noch nicht einmal aufgegessen.« Annette schüttelte ihren Kopf.

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Sophienlust Bestseller – 18 –Auf den Wogen des Glücks

Netti geht es endlich gut!

Marisa Frank

»Annette, wo steckst du schon wieder?« Marita Kiesel sah sich verzweifelt in der kleinen Garderobe um. Gerade hatte ihr Kind noch friedlich auf dem Fußboden gehockt und mit einigen Bauklötzen gespielt. Nun war die Tochter verschwunden.

»Annette!« rief Marita nochmals. Diesmal schon bedeutend ärgerlicher. Sie mußte sich beeilen, in einer halben Stunde mußte sie auf der Bühne stehen.

»Gu gug!« rief die Zweijährige und streckte ihren Kopf unter dem Schminktisch hervor.

»Annette, was fällt dir ein? Komm sofort her!«

»Netti da«, sagte die Kleine. Ihr Gesicht verzog sich, die Unterlippe schob sich nach vorne, und schon rannen die Tränen.

»Nicht doch, Netti«, versuchte Marita nun zu trösten, dabei warf sie einen hastigen Blick auf die Uhr. »Du weißt doch, daß Mami sich beeilen muß. Du hast noch nicht einmal aufgegessen.«

Annette schüttelte ihren Kopf. »Netti da«, meinte sie, und schon wollte sie wieder unter den Schminktisch kriechen. Marita war schneller. Sie bekam ihre Tochter am Arm zu fassen und zog das Kind ganz hervor.

»Nichts da, jetzt wird gegessen!« Marita setzte sich an den Tisch, rückte den Teller mit Grießbrei zurecht und zog ihre Tochter auf ihren Schoß. »Wenn du nicht selber essen willst, dann muß ich dich eben füttern.«

Seufzend füllte Marita einen Löffel mit Brei und steckte ihn Annette ins Mündchen. Die Mutter fragte sich, wie sie es wieder einmal schaffen sollte. Sie mußte sich noch umziehen und schminken. Vorher aber mußte das Kind satt sein und auf die Couch gebettet werden. Alles wurde immer schwieriger, denn Annette hatte nun schon ihren eigenen Willen, und das bekam sie gleich darauf zu spüren.

»Nein!« verkündete Annette laut und deutlich, dann preßte sie ihre Lippen fest aufeinander. Vergebens versuchte Marita ihr den Löffel zwischen die Lippen zu schieben. Schließlich schlug das Kind nach dem Löffel, der Brei spritzte durch das Zimmer.

»Na warte!« sagte die Mutter drohend. Wütend stellte sie Annette auf den Boden. Das Mädchen wartete die Standpauke nicht ab, sondern flüchtete in die Ecke der Garderobe, dort begann sie aus vollem Hals zu brüllen.

Plötzlich klopfte es an der Tür und die Garderobiere trat ein. Sie war eine ältere Frau mit grauen Haaren. Annette hatte sie sehr gern.

»Was ist denn mit meiner Kleinen?« rief sie freundlich, dabei streckte sie ihre Hände nach dem Kind aus.

Annette lief sofort schluchzend auf sie zu. »Netti lieb, Mami böse«, verkündete sie und barg ihren Kopf in Frau Martens Schoß.

»Aber, aber«, sagte die Garderobiere. Liebevoll strich sie Annette über das dunkle Haar. »So schlimm wird es schon nicht sein.«

»Schlimm«, echote die Kleine.

»Nun ist es aber genug«, sagte Marita ärgerlich. »Annette folgt überhaupt nicht mehr. Sehen Sie sich das nur an, sie hat fast nichts gegessen.«

»Lassen Sie nur, Fräulein Kiesel, ich mache das schon.« Frau Marten nahm das Kind auf den Arm. »Jetzt kann Netti beweisen, ob sie lieb ist«, sagte sie.

»Netti lieb«, versicherte die Kleine sofort, schmiegte sich enger an die Garderobiere und lächelte. Annette war es gewohnt, von fremden Menschen gehätschelt zu werden. Bereits als Säugling hatte ihre Mutter sie überallhin mitgenommen.

»Ich muß mich umziehen«, sagte Marita gehetzt. »Viel Zeit bleibt mir nicht mehr.«

»Dann beeilen Sie sich«, entgegnete Frau Marten ungerührt. »Ich komme mit Netti schon zurecht.«

»Netti sollte schlafen, während ich auf der Bühne stehe.« Die Mutter schüttelte ihren Kopf. »Ich habe keine Zeit mehr, sie auf die Couch zu betten. Ich weiß wirklich nicht, wie es weitergehen soll.«

»Nun machen Sie sich mal keine Sorgen. Hier kümmere ich mich schon um das Kind. Nicht wahr, Netti, du magst es, wenn sich die Tante um dich kümmert?«

Annette strahlte, warf der Mutter ein Kußhändchen zu und versicherte: »Netti lieb, Tante lieb.«

»Genauso ist es.« Gertrud Marten küßte das Kind auf die Stirn. »Deshalb werden wir beide jetzt auch schön brav unseren Brei aufessen. Anschließend gibt es noch etwas Gutes. Die Tante hat Netti etwas mitgebracht.«

»Netti haben.«

»Später, zuerst wird aufgegessen.« Die Garderobiere nahm Maritas Platz ein und begann Annette zu füttern. »Ein Löffelchen für die Tante, eines für die Mami, eines für den Teddybären.«

Marita traute ihren Augen nicht. Brav öffnete ihre Tochter den Mund und schluckte auch. Sie hatte aber keine Zeit, sich lange darüber zu wundern, sie mußte auf die Bühne. Eine Woche noch dauerte ihr Gastspiel in Maibach, dann ging es weiter nach Köln. Jeden Abend stand sie auf der Bühne. Dringend hätte sie ein Kindermädchen für Annette gebraucht, aber bei dieser niedrigen Gage konnte sie sich dieses einfach nicht leisten. Ihren Traum, einmal eine große Schauspielerin zu werden, hatte sie aber noch nicht aufgegeben.

Viele Gedanken gingen der jungen Frau durch den Kopf, während sie sich für die Vorstellung zurechtmachte. Hin und wieder warf sie einen Seitenblick auf Annette. Gertrud Marten hatte begonnen, ihr eine Geschichte zu erzählen. Marita war überzeugt, daß ihre Tochter kein Wort davon verstand, trotzdem lauschte sie begierig.

Es wurde an die Tür geklopft. Ein Zeichen für Marita, daß sie sich bereithalten mußte.

»Ich bin soweit!« rief Marita. Sie machte einige Schritte auf die Tür zu, hielt dann doch inne und ging zu dem Tischchen zurück. »Mami muß nun auf die Bühne«, erklärte sie ihrer Tochter. »Annette wird schnell einschlafen, nicht wahr?«

»Nein«, sagte Annette und rutschte von Frau Martens Schoß. Entschlossen klammerte sie sich an den Rock der Mutter. »Netti mit.«

»Das geht nicht, Netti, das weißt du doch.« Ärgerlich verzog sich Maritas Gesicht. Seit Tagen gab es jeden Abend das gleiche Theater. »Frau Marten wird dir jetzt die Schuhe ausziehen und dich auf die Couch legen. Wehe, du bist nicht brav, bis ich zurück bin.«

Die Drohung wirkte nicht. »Netti mit«, maulte die Kleine erneut.

»Schau mal, Netti, was ich da habe!« Gertrud Marten hatte eine Tafel Schokolade hervorgeholt und hielt sie dem Kind entgegen.

»Mhm«, machte Netti und löste sich etwas von der Mutter.

»Das ist für Netti, wenn Netti lieb ist«, lockte Frau Marten.

»Netti lieb.« Die Kleine lief auf die Garderobiere zu. »Haben!«

»Sag deiner Mutter zuerst auf Wiedersehen«, forderte die Frau.

Annette drehte sich um und hob ihr rechtes Händchen. »Ade, ade«, rief sie.

Marita seufzte. »Sei brav«, bat sie nochmals und wandte sich dann an Frau Marten. »Es ist aber nett von Ihnen…«, begann sie.

»Ich mache es gern«, unterbrach sie die Frau. »Wenn Sie nichts dagegen haben, bringe ich Annette auch gleich in die Pension. Ich warte dann dort auf Sie.«

»Das wäre sehr nett«, sagte Marita. Mit Schaudern dachte sie daran, daß Annette vor zwei Abenden wie am Spieß gebrüllt hatte, während sie auf der Bühne stand. So etwas durfte nicht nochmals vorkommen. Automatisch erwiderte sie das Kußhändchen, das ihr ihre Tochter zuwarf, dann eilte sie aus dem Raum.

*

»Gehen wir noch etwas trinken?« Ein Kollege blieb neben Marita Kiesel stehen. »Ich finde, wir haben uns ein Glas verdient. Das Publikum war heute wirklich nicht besonders. Es hat sehr mit dem Beifall gespart.«

»Es war auch nicht ausverkauft«, entgegnete Marita. Sie fühlte sich müde. Noch auf dem Weg zur Garderobe begann sie sich das Haar zu lösen.

»Was ist nun?« fragte Max Rieger. »Kommst du noch mit?«

»Geht nicht, ich muß nach Annette sehen.«

»Richtig, an die Kleine habe ich überhaupt nicht gedacht.« Max zog die Augenbrauen in die Höhe und musterte die Kollegin. »Sag mal«, fragte er dann, »geht dir das Kind nicht schrecklich auf die Nerven?«

Marita zuckte die Achseln.

»Ich würde an deiner Stelle versuchen, es loszuwerden«, fuhr der Mann fort. »So kann es doch nicht weitergehen. Du kannst die Kleine doch keine Sekunde mehr aus den Augen lassen.«

»Sie wird eben älter.« Marita seufzte.

»Sie ist ein entzückendes Kind«, meinte Max, »aber du solltest dich entscheiden. Bald wirst du keine Rolle mehr annehmen können. Denke an deine Karriere. Ich dachte, die ist dir wichtig.«

Marita hatte nun genug. »Hör auf!« fuhr sie den Kollegen an. »Glaubst du, mir macht es Spaß, keinen Schritt mehr ohne Annette tun zu können?«

»Dann solltest du etwas unternehmen.« Max grinste sie an. »Wie ist es jetzt? Gehst du mit?«

»Kann nicht. Ich muß zusehen, daß ich in die Pension komme. Frau Marten hat Annette schon hingebracht.«

»Dann viel Vergnügen. Wir sehen uns morgen.« Lässig hob Max die Hand und schlenderte davon.

Maritas Zähne bohrten sich in die Unterlippe. Da stand sie wieder einmal allein. Die Kollegen gingen aus, konnten sich die Nacht um die Ohren schlagen, aber sie mußte sich um Annette kümmern. Hoffentlich war die Kleine wenigstens brav gewesen. Wütend betrat die Mutter ihre Garderobe, aber es war niemand da, an dem sie ihren Ärger auslassen konnte. Mißmutig stieg sie wenig später in ihren Kleinwagen. Während sie startete, dachte sie daran, daß es höchste Zeit war, sich einen neuen fahrbaren Untersatz anzuschaffen, mit diesem konnte sie wirklich keinen Staat mehr machen.

»Pst«, machte Gertrud Marten, als Marita das Zimmer in der Pension betrat. Die Garderobiere erhob sich und ging der Schauspielerin entgegen. »Sie schläft. Ist sie nicht süß? Wie ein kleines Engelchen.«

Marita warf nur einen flüchtigen Blick auf ihre Tochter. Das dunkle Haar umrahmte ihr Gesichtchen. Die langen Wimpern bedeckten die Augen. Sie schlief friedlich. »Höchste Zeit, daß sie Ruhe gibt«, sagte sie.

»Ein Kind in diesem Alter ist nun mal lebhaft. Sie können stolz auf Ihre Tochter sein.«

»Stolz?« wiederholte Marita, und ihre Lippen wölbten sich verächtlich. »Wo könnte ich ohne sie schon sein. Ich wollte etwas erreichen, deswegen habe ich auch den Vater von Annette nicht geheiratet.«

»Nicht so laut.« Frau Marten legte ihren Zeigefinger auf die Lippen. »Sie ist erst vor kurzem eingeschlafen.«

»Ich weiß. Sie will nicht mehr schlafen, sie will nur noch Süßigkeiten essen. Was soll ich bloß mit ihr tun?«

Gertrud Marten lächelte. »Sie ist ein kleines, eigenwilliges Persönchen. Und gescheit ist sie. Ich habe ihr ein Märchen erzählt.«

»Dazu ist sie noch viel zu klein«, meinte Marita ungeduldig.

»Aber sie hat aufmerksam zugehört.«

»Das kann ich mir vorstellen. Es muß sich immer jemand um sie kümmern, nur dann ist sie zufrieden.«

Frau Marten wurde hellhörig. »Was haben Sie denn? Annette war wirklich brav. Sie hat kein einziges Mal geweint.«

»Weil Sie sich um sie gekümmert haben.« Die Mutter fuhr sich über die Stirn und lächelte matt. »Sie waren mir eine große Hilfe.«

»Ich habe es gern getan.« Die Garderobiere trat wieder an das Bett heran. Liebevoll strich sie Annette eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Das Kind lächelte im Schlaf. »Wie süß sie ist. Ich würde mich gern ständig um sie kümmern.«

»Das wäre herrlich.« Marita ließ sich auf einen Stuhl fallen, sah Frau Marten an und gestand: »Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich muß in einer Woche nach Köln. Dort wird die Garderobiere sicher nicht so nett sein.«

Obwohl Gertrud Marten dies gewußt hatte, erschrak sie. »Sie nehmen Annette mit?«

»Soll ich sie etwa hierlassen? Sie können sich doch auch nicht ständig um sie kümmern. Wie leicht war alles, als Annette noch kleiner war. Sie war so ein liebes Baby. Sie schlief fast die ganze Zeit.«

»Sie ist jetzt auch noch lieb«, widersprach die ältere Frau.

»Mich hindert sie an allem. Ich kann nichts mehr unternehmen«, gestand die Schauspielerin bitter. »Seit Wochen habe ich keinen Schritt ohne die Kleine getan, außer ich habe auf der Bühne gestanden.«

»So dürfen Sie das nicht sehen«, entgegnete Gertrud Marten, sie setzte sich der Schauspielerin gegenüber. »Ein Kind macht doch auch viel Freude.«

»Davon merke ich nichts.« Marita blickte kalt auf das Kind. »Ich habe nur Probleme.«

»Wie können Sie nur so etwas sagen?« empörte Frau Marten sich.

»Weil es wahr ist. Ich wollte etwas erreichen. Ich hätte Chancen gehabt, schließlich sehe ich nicht schlecht aus, aber Annette hängt mir wie ein Klotz am Bein.« Erregt beugte die Mutter sich nach vorne. »Bald werde ich nicht mehr auftreten können. Was soll ich dann tun?«

»Sie könnten sich mehr um Annette kümmern. Sicher gibt es einen Beruf…«

Marita ließ die Garderobiere nicht aussprechen. »Ich will keinen anderen Beruf. Ich bin zur Schauspielerin geboren. Ich werde allen noch beweisen, was in mir steckt.« Sie sprang auf. Unruhig begann sie im Zimmer auf und ab zu gehen.

»Das Kind«, mahnte Gertrud Marten.

»Immer das Kind. Ich will nicht länger Rücksicht nehmen.« Marita blieb vor der Besucherin stehen. »Es muß eine Lösung geben. Ich kann mich einfach nicht länger um Annette kümmern.«

Die Miene von Gertrud Marten erhellte sich. »Ich wüßte etwas. Haben Sie noch nie an ein Kinderheim gedacht?«

»Schon«, mußte Marita zugeben. »Zuerst dachte ich daran, Annette gleich nach ihrer Geburt zur Adoption freizugeben.«

»Da war sicher der Vater von Annette dagegen«, meinte Frau Marten befriedigt.

»Irrtum!« Marita lächelte bitter. »Dieser weiß von seinem Vaterglück nichts.« Sie bemerkte den erstaunten Blick der Sechzigjährigen. »Sie haben richtig gehört«, fuhr sie fort und warf dabei ihren Kopf herausfordernd zurück. »Ich habe ihm nichts gesagt. Ich habe mich von ihm getrennt, als ich merkte, daß ich schwanger war.«

»Aber warum?« fragte Gertrud Marten kopfschüttelnd.

»Er hätte sich über das Kind gefreut, hätte mich heiraten wollen. Ja, glauben Sie, ich sehe mein Ziel darin, Mutter und Hausfrau zu sein? Ich werde es noch schaffen. Ich werde noch Erfolg haben. Ich muß nur die richtigen Leute kennenlernen.« Ein fanatisches Leuchten war in Maritas Augen getreten, das aber schlagartig wieder erlosch. »Mit Annette zusammen ist das unmöglich. Ich kann überhaupt nicht mehr ausgehen.«

Gertrud Marten nickte. »Das Kind wäre in dem Kinderheim besser aufgehoben.«

»Hören Sie mit dem Kinderheim auf. Ich weiß, daß ich keine gute Mutter bin, aber ich war einmal in einem Heim. Die Kinder dort sind alle unglücklich.«

»Nicht in Sophienlust. Dieses Heim sollten Sie sich einmal ansehen.« Eifrig begann die Garderobiere zu erzählen. Nach einiger Zeit unterbrach Marita sie.

»So ein Heim ist für mich viel zu teuer. Das kann ich mir einfach nicht leisten.«

»Sagen Sie das nicht. Frau von Schoenecker, sie verwaltet Sophienlust bis zur Großjährigkeit ihres Sohnes, hat schon Kinder von völlig mittellosen Eltern aufgenommen.«

Das war interessant. Marita setzte sich wieder. Interessiert hörte sie nun der Frau zu.

*

»Ich höre ein Auto.« Angelika, eines der Langenbach-Geschwister, blieb stehen. »Wer kann das sein?«

»Irgend jemand, der zu Tante Isi will«, sagte Fabian Schöller gleichgültig. Er war elf Jahre alt, noch immer ein schmächtiger Junge, aber er hatte sich sehr gut in Sophienlust eingelebt und wollte an keinem anderen Platz mehr sein. Komplexbeladen und seelisch krank war er nach Sophienlust gekommen, nachdem er seine Eltern bei einem Zugunglück verloren hatte.

»Ich möchte wissen, wer es ist«, beharrte Angelika. Vicky, ihre zwei Jahre jüngere Schwester, kam ihr zu Hilfe. »Gehen wir doch nachsehen«, schlug sie vor.

»Wir wollen doch auf den Spielplatz«, maulte Fabian.

»Das können wir später immer noch.

Angelika ergriff die Hand der Kinderschwester. »Schwester Regine, komm, der Wagen muß vor dem Tor gehalten haben. Vielleicht will jemand eine Auskunft.« Sie versuchte die achtundzwanzigjährige, hübsche Frau mitzuziehen.

Schwester Regine lachte. »Ich habe gar nicht gewußt, daß du so neugierig bist.«

»Ich bin auch neugierig«, erklärte ein fünfjähriges Mädchen. Es war das jüngste Dauerkind von Sophienlust und somit das Nesthäkchen. »Wer ist noch neugierig? Wer kommt mit nachsehen?«

»Ich!« rief die ganze Kinderschar geschlossen. Selbst Angelina Dommin, die mit ihren dreizehn Jahren schon fast eine junge Dame war, stürmte mit.

Marita Kiesel hatte ihren Kleinwagen vor dem großen schmiedeeisernen Tor abgestellt. Erstaunt war die Frau ausgestiegen und sah nun durch das Gitter. Sie mußte sich verfahren haben. Dieser schöne, herrschaftliche Besitz konnte kein Kinderheim sein.

»Mami, Mami!« Annette wähnte sich vergessen. Sie stimmte ein lautes Geschrei an.

»Du kannst wohl keinen Augenblick still sein?« schimpfte die Schauspielerin, aber sie ging zum Auto zurück und hob Annette heraus.

»Netti auch mit«, verkündete das Kind nun. Die Tränen gingen wieder in ein strahlendes Lachen über.

»Ich kann dich ja nicht gut zurücklassen«, meinte die Mutter. Mit Annette auf dem Arm ging sie wieder zum Tor zurück. Eine hohe, dichte Hecke friedete den Besitz ein.

»Wir müssen falsch sein, mein Schatz«, sagte Marita. Kaum hatte sie ausgesprochen, sah sie einige Kinder in den Park stürmen und die Auffahrt entlanglaufen.

»Sie will doch zu uns!« rief Heidi etwas atemlos, als sie das Tor erreicht hatte. »Willst du uns das Mädchen bringen?«

»Netti lieb«, meinte Annette. Ohne Scheu streckte sie die Hände nach den Kindern aus, dabei zappelte sie heftig in den Armen ihrer Mutter.

»Du bist ganz, ganz lieb«, meinte Heidi überschwenglich. Ungeduldig zerrte sie an dem Tor, aber sie bekam es nicht auf. »So helft doch.« Mit erhitztem Gesichtchen wandte sie sich nach den anderen um.

Schwester Regine war inzwischen auch herangekommen. Sie grüßte freundlich. »Die Rasselbande hat ein Auto gehört, da war sie nicht mehr zu halten.«

»Sind das die Kinder des Kinderheims?« fragte Marita erstaunt. So viel Fröhlichkeit hatte sie nicht erwartet.

»Ja.« Schwester Regine öffnete die Tür und stellte sich vor. »Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte sie dann.