Auf der Jagd - Elisabeth Auersperg-Breunner - E-Book

Auf der Jagd E-Book

Elisabeth Auersperg-Breunner

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Beschreibung

Die passionierte Jägerin Elisabeth Auersperg-Breunner stellt in diesem Prachtband die Jagd in ihren vielfältigen Facetten vor. Sie schöpft aus ihrer eigenen Jagdpraxis wie auch aus Gesprächen mit der Jägerschaft und mit Expert*innen und Personen, die altes, selten gewordenes Handwerk repräsentieren. Wir erfahren aus erster Hand, wie sich der Umgang des Menschen mit Wildtieren im Laufe der Geschichte verändert und welche Aufgaben die Jagd heute hat. Mit einem Streifzug durch die reichhaltige Jagdkultur – vom Jagdhornblasen über die Jägersprache bis hin zur Jagddarstellung in verschiedenen Kunstgattungen – wird das Bild der Jagd abgerundet. Darüber hinaus bietet das Buch köstliche Rezepte rund um die Zubereitung von Wild und raffinierten Drinks. Das ideale Geschenk für Neueinsteiger*innen und Jagdliebhaber*innen!

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ELISABETH AUERSPERG-BREUNNER

AUF DER JAGD

TRADITIONMODERNE JAGDKULTURKULINARIK

Herausgegeben und kuratiert von

ELISABETH AUERSPERG-BREUNNER

Aufgeschrieben von

ILSE KÖNIG

Mit Fotografien von

GIANMARIA GAVAWOLFGANG HUMMERBALINT NEMETHFRANZ NEUMAYR

Inhalt

1DIE JAGD

Eine lange Geschichte kurz erzählt

2LEBENSRÄUME IN DER KULTURLANDSCHAFT

Wechselbeziehungen und Reibeflächen

3ÜBER DAS JAGEN

Jagd ist mehr als Schießen

4KULTURGUT JAGD

Kulturelles Erbe, gelebte Tradition, Jagd in der Kunst

5VON DER NATUR AUF DEN TELLER

Wildküche: Halb so wild!

Vorwort

Kaum etwas hat mich so sehr verändert wie die Jagd. Aufgewachsen in einer Familie, in der Jagd eine Selbstverständlichkeit war, gab es für mich schon früh viele Berührungspunkte. Doch mit Studium und Familiengründung stellte ich zunächst andere Lebensaufgaben in den Vordergrund. Nach der Geburt meines fünften Kindes habe ich dann den Jagdschein gemacht: eine der besten Entscheidungen meines Lebens!

Dieses Buch zu schreiben war eine besondere Herausforderung für mich, hat mir aber außerordentlich viel Spaß und Freude bereitet. Meine Recherchen rund um das Thema Jagd waren äußerst spannend, lehrreich und nicht zuletzt sehr unterhaltend.

Dabei möchte ich Folgendes betonen: Es ist völlig unmöglich, in nur einem Band diesem vielschichtigen Thema gerecht zu werden, da Jagd heute mehr denn je stark polarisiert und die Bandbreite der Jäger sehr groß ist. Aber nicht nur bei den ausübenden Jägern, sondern auch bei der nicht jagenden Bevölkerung: von Jagdgegnern bis zu anerkannten Wildbiologen, die Jagd durchaus befürworten und in unserer Kulturlandschaft für unabdingbar und notwendig erachten. Leider gibt es in unserer Gesellschaft viel zu wenig Wissen über die Jagd und medial wird oft ein unvollständiges Bild vermittelt.

Als die Jagd während der Pandemie für systemrelevant erklärt wurde, waren viele überrascht. Kein Wunder, denn über all das, was Jagd tatsächlich ausmacht, von der alltäglichen Hege- und Pflegearbeit über das konkrete Jagderlebnis bis zu wildbiologischen Forschungsprojekten, rund um die professionelle Annäherung zwischen Jagd, Wildbiologie, Forst und Landwirtschaft, Fischerei und sonstigen Naturnutzern, beispielsweise dem Tourismus, wird kaum berichtet. Ebenso wenig über das kulturelle Erbe der Jagd, über die Menschen, die heute noch traditionelle Handwerke im jagdlichen Kontext ausüben, oder über die Bedeutung von Wildfleisch für eine gesundheitsbewusste und nachhaltige Ernährung.

Insofern ist der Zusammenhalt der Jägerschaft regional und national unabdingbar, um auch international der Jagd das entsprechende und notwendige Gehör zu ermöglichen.

Aus meiner Sicht ist die weidgerechte Jagd sowohl familienfreundlich als auch politisch korrekt. Jagd kann und darf viel Freude bereiten, wenn sie mit Verantwortung ausgeführt wird.

Jagd gehört mit all ihren wunderbaren Facetten, von denen ich einige versucht habe in diesem Buch zu beschreiben, zu den ältesten Kulturgütern der Menschheit und ich hoffe, diese möglichst anschaulich in diesem Band meinen Lesern näherzubringen.

Elisabeth Auersperg-Breunner

Was wäre der Mensch ohne die Jagd?

Oder anders herum: Wäre der heutige Mensch ohne die Jagd überhaupt denkbar? Zweifelsohne ist die Jagd das Fundament für die Entwicklung von Homo sapiens. Das Fleisch der Beute versorgte unsere Vorfahren mit reichlich Protein. Das Jagen großer Beutetiere erforderte Koordination und Kommunikation. Und heute? Braucht es noch die Jagd in der modernen Gesellschaft? Die Kommunikation ist uns geblieben, aber durch Ackerbau und Viehzucht konnten wir das Leben als Jäger und Sammler hinter uns lassen, zumindest in Europa. Menschen, die in unseren Breiten heute noch in ihrer Freizeit jagen, tun dies vor allem aus Leidenschaft, weil es das wohl intensivste Naturerlebnis überhaupt ist und weil man sich sicher sein kann, ethisch hochwertiges Fleisch gewinnen zu können. Jagen ist keine Notwendigkeit mehr, um überleben zu können. Es ist ein Privileg, einen Teil der menschlichen Kultur zu pflegen und in einer immer digitaleren Welt zurück zu unseren analogen Wurzeln zu gelangen.

Unabhängig davon gibt es auch eine nüchterne Begründung für die Jagd, denn wir brauchen sie als Teil des Wildtiermanagements zur Erreichung landeskultureller Ziele. Schließlich müssen wir in der Kulturlandschaft Wildtiere regulieren. Manche Arten brauchen unseren Schutz, andere müssen wir reduzieren, um Wildschäden zu minimieren. Die Jagd, sofern sie nachhaltig erfolgt, kann wesentlich zum Erhalt der Wildtierpopulationen beitragen. Dies bestätigen die Weltnaturschutzorganisation IUCN und die Biodiversitätskonvention.

Die Jagd ist also ein breit gefächertes Phänomen, das jedoch in den vergangenen Jahrzehnten sehr selektiv in den Medien dargestellt wurde, oft von negativen Schlagzeilen geprägt. Dabei waren es meistens einzelne Menschen, die die Jagd in Misskredit gebracht hatten. Geht es um die Frage, was Jagd überhaupt ist und ob es die Jagd heute noch braucht, sollte man nicht allein über Jägerinnen und Jäger reden, sondern das Handwerk ganzheitlich beleuchten. Im vorliegenden Buch geht Elisabeth Auersperg-Breunner dieser Aufgabe nach und zeichnet ein frisches und umfassendes Bild der Jagd. Die informativen Texte, Interviews und Wildbretrezepte belegen, wie wichtig die Jagd auch heute noch für uns Menschen und unsere Kultur ist.

Klaus Hackländer

Professor für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU)

Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung

Präsident der Division Angewandte Wissenschaften im Internationalen Rat zu Erhaltung des Wildes und der Jagd (CIC)

KAPITEL 01

Die Jagd – eine lange Geschichte kurz erzählt

Der Anfang

Die Jagdgeschichte beginnt mit der Menschheitsgeschichte, oder, wie manche meinen, sogar umgekehrt. In dem Sinne, dass die Jagd bei der Menschwerdung eine bedeutende Rolle spielte, indem sie nicht bloß dem Nahrungserwerb diente, sondern auch für soziale, kulturelle und technische, vielleicht sogar religiöse Entwicklungen prägend gewesen ist.

Von der Notwendigkeit zu jagen, um in der Steinzeit zu überleben, bis zur heutigen Regulierung der Wildbestände, den Prinzipien der Hege und Weidgerechtigkeit sowie einer nachhaltigen, ökologisch ausgerichteten Jagd war es ein langer Weg. Jagdmethoden und Jagdwaffen änderten sich, vom Faustkeil bis zum zielgenauen Präzisionsgewehr, die Jagdleidenschaft in manchen Epochen hat ganze Landschaften verändert. Dem Wandel der Zeiten unterworfen waren auch die rechtlichen Voraussetzungen der Jagd, insbesondere aber die Position des Menschen gegenüber dem Wildtier: Nahrungsmittel, Fressfeind, Objekt der Jagdlust und des feudalen Prestigestrebens, Trophäenträger, Mitgeschöpf, das wohl gejagt werden darf, dem jedoch Schutz und eine respektvolle, ethisch vertretbare Behandlung zu zollen ist.

Seit der Altsteinzeit (2.600.000 – 9.600 v. Chr.) sicherte sich der Mensch seine Nahrung durch das Sammeln wilder Pflanzen und Früchte sowie durch die Jagd. Wildtiere waren der Hauptlieferant von Proteinen, wurden aber als Ganzes verwertet: Häute und Pelze für schützende und wärmende Kleidung, aus Knochen und Horn wurden Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge und Waffen und sonst noch einiges hergestellt.

Bei der Jagd waren die Tiere zunächst im Vorteil, denn sie waren von Natur aus mit „Waffen“ ausgestattet: Hauern, spitzem Gehörn, Krallen, Klauen und Fangzähnen. Und sie hatten Jagderfahrung im täglichen Überlebenskampf mit Raubtieren. So wurde der Jäger oft selbst zum Gejagten. Diese Unterlegenheit versuchte der Mensch mit der Erfindung von Jagdwaffen, Jagdtechniken und Jagdmethoden auszugleichen. Schnelllaufendes Wild trieb man in den Abgrund, für große und gefährliche Tiere baute man Fallgruben, trieb das Wild in eine Art Gatter, undurchdringliche Zäune, die man eigens dafür baute. So hatte man einen lebendigen Fleischvorrat – ein früher Vorläufer der Viehzucht.

Der erste entscheidende Schritt in der Geschichte der Jagd war, als der Mensch sesshaft wurde und begann, Ackerbau und Viehzucht auf eigenem Grund und Boden zu betreiben. Nicht mehr Jagen und Sammeln sicherte seine Lebensgrundlage, sondern das eigene Vieh und Feldfrüchte, die er in seiner unmittelbaren Umgebung anbaute. Wildfleisch und alles Sonstige vom Wild nutzte er weiterhin, es war aber nicht mehr existenziell notwendig. So verlor die Jagd ihre ursprüngliche Bedeutung, bekam dafür aber eine neue, wichtige Funktion.

Wildtiere konkurrierten mit unseren Vorvorfahren zunehmend um die Nahrung: Pflanzenfresser plünderten die Nutzpflanzen auf den Feldern, Raubwild tat sich an den Viehherden gütlich. Die Jagd war notwendig, um die durch das Wild bedrohten Nahrungsquellen zu verteidigen. Damit veränderte sich die Position des Menschen gegenüber dem Wild grundsätzlich. Über die Jahrtausende führte dieser Kampf bis zur Ausrottung von Großwildarten wie Wisent oder Elch und Räubern wie Wolf und Bär. Das Aufkommen der Landwirtschaft, das bei uns vor etwa 8.000 Jahren stattfand, war auch für andere Entwicklungen einschneidend. Die zunehmende Kultivierung der Landschaft veränderte den Lebensraum der Wildtiere dramatisch. Manche Tiere wurden dadurch schon frühzeitig zurückgedrängt.

Der erste entscheidende Schritt in der Geschichte der Jagd war, als der Mensch sesshaft wurde und begann, Ackerbau und Viehzucht auf eigenem Grund und Boden zu betreiben.

Divide et impera – das Herrscherprinzip

Bis zu Beginn des frühen Mittelalters war die Jagd bei uns das Recht jedes freien Mannes. Wildtiere galten als herrenlose Sachen, die jeder bejagen durfte, auf fremdem Grund musste lediglich der Eigentümer um Erlaubnis gefragt werden.

Das änderte sich mit dem mittelalterlichen Herrscherprinzip, das sich im 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung herausbildete, einer Ständeordnung, die eine strikte Trennung zwischen Herrschenden und Untergebenen vorsah. Wer zu welcher Gruppe zählte, entschieden Herkunft und Abstammung. Daraus leiteten sich Privilegien ab, die auch die Ausübung der Jagd betrafen. So erhielt der Souverän das Jagdregal, das alleinige Recht zur Ausübung der Jagd, als eines der Insignien seiner Macht. Dieses Privileg konnte er im Lehen auch an den niederrangigen Adel, Kirchen und Klöster weitergeben, was vielfach geschah.

Der Adel dividierte sich in dieser Zeit auseinander: Hochadel, wie Kaiser, Könige und Fürsten an der Spitze, unterhalb der niedere Adel, auch Landadel genannt, wie Grafen und Barone. Analog dazu wurde für das jagdbare Wild ebenfalls eine Art „Standesordnung“ erfunden: Hochwild – wie Hirsch, Auerwild, Wildschwein, Gämse und Steinbock, Steinadler und Kranich – durften nur der Hochadel sowie kirchliche Würdenträger jagen, Niederwild – wie Hase, Fuchs, Marder, Reh und Enten – auch untere Adelsränge und der niedere Klerus. Beim Reh wechselte die Zuordnung immer wieder, bis es vor 250 Jahren zum Niederwild erklärt wurde, und ab diesem Zeitpunkt sogar von Bauern bejagt werden durfte.

Der Hochadel beanspruchte zunächst die wildreichsten Wälder für sich und sprach ein Jagdverbot für die sogenannten „Bannforste“ aus, in denen keiner außer Mitgliedern des Hochadels jagen durfte. Im Unterschied dazu stand der „Wald“, der niemandes Eigentum und auch der Landbevölkerung noch kurze Zeit zugänglich war. Der Begriff Forst kommt aus dieser Zeit, er leitet sich vom lateinischen „foris“ ab, was so viel wie „außerhalb“, nämlich außerhalb der herrschaftlichen Gebiete, bedeutet.

Das Jagdrecht für die Landbevölkerung und Bauern wurde nach und nach immer mehr eingeschränkt. Karl der Große, selbst ein leidenschaftlicher Jäger, erklärte Anfang des 9. Jahrhunderts schließlich auch die herrenlosen Wälder zum Besitz der Krone, in denen nur noch privilegierte Adelige jagen durften. Auch spätere Herrscher befassten sich persönlich mit der Jagd: Während des 13. Jahrhunderts, der Regentschaft Friedrich II., erlebte die Beizjagd mit Falken ihre Blüte. Von ihm stammt das bis heute in Teilen aktuelle Buch „Über die Kunst, mit Falken zu jagen“. Die Falknerei wird auch heute noch ausgeübt und zählt mittlerweile zum immateriellen UNESCO-Welterbe.

Die Bauern durften das Wild höchstens von ihren Feldern vertreiben, später wurde sogar das untersagt. Das bedeutete das Ende der freien Jagd. Die Landbewohner waren auf Kleinvogelfang, Fallenstellen und Schlingenlegen angewiesen. Und auf die Wilderei: „Die Wilderei steht in direktem Zusammenhang mit der Beschränkung des Rechts zur Ausübung der Jagd … Denn [sie] stellte immer wieder einen Weg zur Selbsthilfe dar, sei es, um die eigene Familie zu ernähren, das überhegte Wild zu dezimieren oder sich einen kleinen Nebenverdienst zu verschaffen.“ Ein eigens eingeführtes Jagdstrafrecht verurteilte unberechtigt erlegtes Wild als Wilddieberei, die strengstens, mitunter mit dem Tod, bestraft wurde.

Die feudalen Jagdherren machten weder vor Wild noch Wald noch vor den Äckern der Bauern halt. Der Wildbestand ging drastisch zurück, die Wälder wurden abgeholzt, die Äcker und Ernten der Bauern verwüstet.

An Entschädigung war nicht zu denken, ganz im Gegenteil: Man forderte von der Landbevölkerung den sogenannten „Zehent“ als Abgabe sowie unbezahlte Frondienste auf den Ländereien der Herrschaft: etwa als Treiber, bei der Betreuung der Jagdhunde in der Schonzeit oder der Pflege der Jagdausrüstung. Dazu kamen noch die sogenannten Wildfuhren, mit denen Tiere für die Jagd an- und, nachdem sie erlegt waren, wieder abtransportiert wurden.

Diese und andere Missstände, wirtschaftliche Not und das soziale Elend der Landbevölkerung gelten als Auslöser für die sozialen Aufstände, den „Bauernkrieg“ in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts. Die Bauern forderten unter anderem die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Abschaffung des Zehents, das Recht auf Jagd und Fischfang, die Rückgabe der Wälder an alle und die Reduzierung der Frondienste. Der Bauernkrieg endete mit der blutigen Niederlage der Aufständischen, rechtlich änderte sich nichts. Die Jagdfron wurde schließlich erst mit der Neuordnung des Jagdrechtes 1848 abgeschafft.

Privilegiertes Amüsement

Die Zeit von Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Revolution 1848 gilt als die Hochblüte der Jagd in der europäischen Geschichte – ein euphemistischer Begriff, der beschönigt, dass es aus heutiger Sicht eines ihrer dunkelsten Kapitel war. „Nie wurde so viel Geld in die Jagd investiert, nie war der Prunk größer als zur damaligen Zeit. Das primäre Tagesgeschäft des Adels war die Jagd, nichts war wichtiger als dieser Zeitvertreib. Das einfache Volk hungerte, während der Adel Jagdschlösser errichten ließ, die oft prächtiger als die eigentlichen Herrschaftssitze waren.“ Jagderlebnisse wurden bildlich und literarisch dokumentiert, die Wände mit Geweihen, Waffen und anderen Erinnerungsstücken behängt.

Die Jagd pervertierte zur Show, in der man Reichtum und Macht präsentieren konnte. Gejagt wurde was und wie viel man wollte. Um Jagdstreckenrekorde einzufahren, wurde jedes zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt, ohne Rücksicht auf Mensch und Tier. Tiere wurden nicht als Mitgeschöpf mit Gefühlen betrachtet, sondern als Sache, die man sich zu eigen macht und mit der man tun und lassen kann, was man will.

„Die bislang übliche Jagd mit Aufspüren, Verfolgen und Töten des Tieres genügte jetzt nicht mehr. Jagden wurden jetzt generalstabsmäßig organisiert und wie Kriege geplant: Hunderte von Tieren mussten aufgeboten und vorgeführt, immer neue Perspektiven und Variationen gezeigt und ausprobiert werden. Das Wild hatte variantenreich und effektvoll zu sterben.“

Es wurde wochenlang zusammengetrieben, eingepfercht und vor den Stand, sprich die schussbereiten Flinten der Jagdherren und ihrer Gäste geleitet. Bei der sogenannten Wasserjagd wurden die Tiere in künstlich angelegte Seen gedrängt und von eigens dafür gebauten Jagdschiffen aus bejagt. Eine extreme „Jagd“-Form war das Fuchsprellen, bei dem ein zuvor gefangengehaltener Fuchs dazu gezwungen wurde, auf einem Sprungtuch immer wieder in die Höhe zu springen, bis er vor Erschöpfung starb. Die Jagdgesellschaften vergnügten sich an dem Spektakel von den Altanen ihrer Schlosshöfe aus. Beim europäischen Adel besonders beliebt war auch die Parforcejagd: eine Hetzjagd zu Pferd, bei der eine dafür ausgebildete Hundemeute das Wild verfolgt, bis es ermüdet und leichte Beute wird. Eine Jagdform, die heute noch in einigen Ländern, darunter Frankreich, ausgeübt wird. Dafür braucht man möglichst offenes Gelände mit vielen Schneisen, die einen schnellen Ritt ermöglichen – also richtete man Wälder und Fluren entsprechend her.

Mit der Revolution 1848 fanden die meisten dieser Jagdformen recht rasch ein Ende. Die sogenannten „eingestellten“ Prunkjagden, bei denen das Wild zusammengetrieben bzw. antransportiert und in abgegrenzten Bereichen bis zum Jagdtag „eingestellt“, sprich gefangen gehalten, wurde, fanden jedoch bis zum Ende des Ersten Weltkrieges statt.

Übergänge

Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Jagd grundlegend. Die Revolution 1848 brachte auch eine Revolution des Jagdrechts mit sich. Die Jagd als „Symbol adeligen Standes und Zeichen herrschaftlicher Erhöhung“ war mehr oder weniger überholt. Sie passte nicht mehr in die Zeit der beginnenden Industriellen Revolution mit ihren tiefgreifenden Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Revolutionäre strebten nach demokratischen Reformen, nach dem Aufbrechen feudaler Strukturen wie auch der Erweiterung persönlicher Rechte. So stand, um bei der Jagd zu bleiben, zum Beispiel das bisherige Jagdrecht einer freien Verfügbarkeit von Grund und Boden entgegen. Auch bürgerliche Grundbesitzer sollten das Recht erhalten, wie Adel und Klerus auf ihren eigenen Grundstücken zu jagen. Eine der ersten Forderungen 1848 war daher, das Jagdregal abzuschaffen und das damit verbundene Jagdverbot für die einfache Bevölkerung aufzuheben.

Im Unterschied zu vielen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Forderungen, die scheiterten, führte die Revolution 1848 in Deutschland und Österreich zu einer Neuordnung des Jagdrechts. So wurde schon in der 1849 beschlossenen deutschen Reichsverfassung, der sogenannten Paulskirchenverfassung, unter anderem festgeschrieben, „dass das Jagdrecht an das Grundeigentum gebunden wird und dass alle Jagddienste ohne Entschädigung aufgehoben werden“. Ein wichtiger Schritt von der rein herrschaftlichen hin zur allgemeinen Jagd.

In Österreich erließ Franz Joseph I., kurz nachdem er den Thorn bestiegen hatte, ein Jagdpatent, das „Österreichische Reichsjagdgesetz“. Ähnlich wie in Deutschland wurde die unerlaubte Jagd auf fremdem Grund und Boden verboten, als Zugeständnis jedoch Eigenjagd, Gemeinschaftsund Genossenschaftsjagd erlaubt. Für Jagdreviere wurden Mindestgrößen festgelegt: Mindestens 200 Joch mussten sie umfassen, das sind 115 Hektar, eine Regelung, die bis heute mit Ausnahme zweier österreichischer Bundesländer gültig ist.

Das war notwendig geworden, um den Wildbestand zu schützen. Denn infolge des neuen Jagdrechts, das die Zahl der Jagdberechtigten deutlich erweiterte, wurden manche Wildarten nahezu ausgerottet. Das soll einen Jagdautor dazu veranlasst haben, zu schreiben, man sollte einige Rehe ausstopfen und in die Museen stellen, damit spätere Generationen sehen können, welche Tiere es früher in Deutschland gegeben hat. Es schien daher sinnvoll, die Ausübung des Jagdrechtes erst ab einer bestimmten Flächengröße zu erlauben. Schonzeiten wurden festgelegt, und die Jagd mit Schlingen wurde geregelt. Mit diesem Gesetz waren erstmals verbindliche Regeln zum Schutz der Artenvielfalt und zum Grundsatz der Weidgerechtigkeit festgelegt.

Das 20. Jahrhundert

Nach dem Ende der Monarchie 1918 wurden in Österreich alle Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden außer Kraft gesetzt. Primär ging es dabei um die ehemaligen Jagd- und Fischereirechte des Kaisers und des Kaiserhauses, bürgerliche und bäuerliche Jäger wurden jagdlich dem Adel gleichgestellt. Das war auch die Geburtsstunde der Jagdkarte, die für die Jagdberechtigung zu lösen war.

Um die Jahrhundertwende ging die Jagdgesetzgebung in Österreich in die Autonomie der Länder über und wurde in den jeweiligen Landesjagdgesetzen festgelegt. Das ist auch heute noch so. In Deutschland gab es bereits ab 1875 Forderungen nach einem einheitlichen Jagdgesetz und Bestrebungen, die zahlreich entstehenden Verbände und Jagdvereine zu einem gemeinsamen Ganzen zusammenzuführen. 1928 wurde schließlich der deutsche Reichsjagdbund gegründet. Er war wesentlich beteiligt an der Ausarbeitung der Grundlagen für die 1934 als Preußisches Jagdgesetz und kurz darauf als Reichsjagdgesetz im gesamten deutschen Reich, so auch in Österreich, eingeführte gesetzliche Regelung. Diese enthielt im Wesentlichen Folgendes: „Die Pflicht zur Hege, die Vereinheitlichung unzweckmäßig festgelegter Schon- und Jagdzeiten, die Bildung fachkundiger Jagdbehörden, das Verbot tierquälerischer Jagd- und Fangmethoden, die Einführung einer Abschussplanung für das Schalenwild und die Jägerprüfung als Voraussetzung eines einheitlichen Jagdscheines.“

Mit Ende des Zweiten Weltkriegs setzte der Alliierte Rat der Besatzungsmächte alle deutschen NS-Gesetze, somit auch das Reichsjagdgesetz, außer Kraft. Er verbotet – mit Ausnahme für Besatzungssoldaten – die Jagd und zogen alle Schusswaffen ein. Doch bereits 1946 durften „befugte Jagdausübende und Berufsjäger“ die Jagd wieder aufnehmen, allerdings zunächst nur mit Schrotgewehren, alle anderen Schusswaffen waren Privatpersonen in Österreich wie in Deutschland erst wieder ab Mitte der 1950er Jahre erlaubt. In der Bundesrepublik wurde 1952 ein neues Jagdgesetz – das Bundesjagdgesetz – beschlossen, das die Jagd im gesamten damaligen Staatsgebiet einheitlich regelte. Es wurde im Lauf der Jahrzehnte mehrfach überarbeitet – grundlegend vor allem 1976 – und gilt in der aktuellen Fassung auch heute noch. In Österreich strebte die provisorische Staatsregierung der Nachkriegszeit die Gründung eines österreichischen Jagdverbandes als ersten Schritt in Richtung eines einheitlichen Jagdgesetzes an. Erfolglos, denn der Alliierte Rat stimmte diesem Ansinnen nicht zu. Wie schon vor 1938 blieb die Gesetzgebung in der ausschließlichen Zuständigkeit der Bundesländer. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ein neues Jagdverständnis

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich das Bild der Jagd sichtbar gewandelt. Via Jagd Macht und Ansehen zu gewinnen, steht heute nicht mehr an oberster Stelle. Auch nicht der Wettbewerb um die meisten und größten Trophäen, sondern weidgerechtes Jagen, ein sensibler Umgang mit dem gemeinsamen Lebensraum von Wild und Mensch und der Erhalt eines artenreichen und gesunden Wildtierbestandes. Heute geht es nicht mehr wie früher um das Recht, jagen zu dürfen, sondern um die Pflicht, es zu müssen, um ökologische wie auch ökonomische Interessen – etwa der Land- und Forstwirtschaft und des Tourismus – mit den Bedürfnissen der Wildtiere so weit wie möglich in Einklang bringen zu können.

„Die moderne Jagd ist viel mehr als das Schießen und Töten von Tieren. Jäger erhalten und erhöhen die Biodiversität in unserer Kulturlandschaft. Sie helfen, Konflikte mit Land- und Forstwirtschaft zu vermeiden, und sie betreiben ein zeitgemäßes Naturraummanagement“, so Klaus Hackländer, Universitätsprofessor für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien.

Bereits im Verlauf des 20. Jahrhunderts rückte das Vermeiden von Tierleid in den Mittelpunkt eines neuen Jagdverständnisses. „Weidgerechtigkeit“, mit ihrer ausgeprägt ethischen Komponente in der Mensch-Tier-Beziehung, bestimmt damit heute auch das jagdliche Verhalten von Jägerinnen und Jägern. Angeschoben wurde dieser Leitgedanke der heutigen Jagdgesetzgebung in Österreich und Deutschland wohl auch durch nationale und internationale Gesetze, die ebenfalls den Naturraum betreffen, etwa im Naturschutz- und Tierschutzrecht.

Wie in fast allen gesellschaftlichen Bereichen haben heute auch in die Jagd technische Neuerungen und eine neue Form der Datenerfassung – die Digitalisierung – Einzug gehalten. Hochentwickelte Jagdwaffen, verbesserte Munition und digitale Zielfernrohre erlauben den präzisen Schuss und ersparen damit dem Tier unnötiges Leid. Der Einsatz von Drohnen bietet die Möglichkeit, Grünland und Äcker nach Rehkitzen abzusuchen und vor Verletzungen oder dem sogenannten Mähtod zu bewahren. Das Smartphone hat die früheren „Verständigungsbrüche“ – Zeichen, mit denen man sich bei größeren Jagden untereinander informierte – längst überflüssig gemacht.

Auf „All-inclusive-Apps“ können Wetter, Wildkameras, Revierkarten und Jagdzeiten, die digitale Jagdkarte inkl. Versicherung etc. abgerufen werden. Lern-Apps unterstützen bei der Jungjägerausbildung. Mit digitaler Unterstützung können auch Reviere vermessen und Wildschäden dokumentiert sowie Reviereinrichtungen dargestellt werden etc. Manches ist da allerdings derzeit erst im Stadium der Entwicklung. Die digitale Verknüpfung der Jägerschaft mit dem Wild ermöglicht darüber hinaus eine effektive Nachsuche und die GPS-unterstützte Bergung.

Dank der digitalen Strichcode-Vermarktung ist es möglich, den Weg eines Stückes Wild vom Zeitpunkt des Erlegens bis zur Verarbeitung und dem Zeitpunkt, zu dem das Wildbret in den Verkauf kommt, lückenlos nachzuzeichnen. Das ist in Hinblick auf die heute sehr strengen Anforderungen an Wildhygiene besonders wichtig.

Die Struktur der Jägerschaft hat sich augenfällig verändert und widerspiegelt die Durchmischung unserer heutigen Gesellschaft. Menschen mit verschiedenen Berufen „vom Topmanager bis zum Lagerarbeiter“, alter Adel, Traditionalisten und junge, kritische Menschen, Menschen vom Land und Menschen mit urbanem Hintergrund gehen jagen. Sie alle eint das allgemein gewachsene Interesse an der freien Natur, an der Möglichkeit, sich manchmal aus dem Alltag zurückziehen zu können, und ein neues Gesundheitsbewusstsein, dem der direkte Zugang zum – am besten selbsterlegten – Naturprodukt Wildbret entgegenkommt. Auffallend ist auch der „female shift“ in der Jagd, ein gesellschaftlicher Trend, der besagt, dass immer mehr Frauen auch dort zu finden sind, wo früher Männer unter sich waren. Neuere Erhebungen zeigen, dass der Frauenanteil bei der Jagdausbildung und auch bei der Jagdausübung stetig steigt. Bei Letzterer stehen wir dennoch erst bei rund 10 Prozent.

ZU BESUCH BEI

Gernot Burst

Tierpräparator

Seit rund vier Jahrzehnten stellt Gernot Burst Tierpräparate her. Auch nach so vielen Jahren ist er noch immer mit Leib und Seele bei der Arbeit und er ist ein wahrer Meister seines Fachs: Für einen preiswürdig präparierten Keiler aus unserem Revier in Schmida errang er bei der Europameisterschaft der Präparatoren 2018 gleich zwei erste Plätze: bester der Kategorie „Professionals“ bei den Großsäugetieren und bester österreichischer Teilnehmer.

Der Volksmund würde sagen: Herr Burst stopft Tiere aus. Ein ziemlicher Fauxpas, wie er uns mit leicht hochgezogenen Augenbrauen erklärt, denn: „Wir stopfen nicht aus, wir präparieren.“

Ausgestopft wird schon lange nicht mehr. Seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts zieht man einem „naturgetreu und lebensecht“ geformten künstlichen Tierkörper die konservierte Originalhaut des Tieres über – je nachdem Fell, Federkleid oder Schuppenpanzer. In der Fachsprache wird das als „Dermoplastik“ bezeichnet. „Für jede Spezies, für jede Größe werden heute unzählige Körpermodelle gefertigt“, erzählt Gernot Burst. Auch er verwendet sie für seine Arbeit. „Wenn ich Glück habe, lege ich die Haut drüber, nähe zu, mache die Feinarbeit und es passt.“ Doch meistens müsse er nachmodellieren, damit die Größe, die typische Körperhaltung und einzelne Muskelstränge möglichst nahe an das Original herankommen. Diese Detailarbeit macht für ihn das Präparierhandwerk erst so richtig interessant: „Mir taugt das, das Verändern der Form.“ Da ist dann auch seine Kreativität gefragt. „Also, stopfen tun wir schon auch noch, aber nur kleinteilig“, schmunzelt er. „Damit ich eine schöne, volle Lippe zusammenbringe, kommt beispielsweise Töpferton hinein.“

Früher wurden die Tierbälge prall mit Heu, Stroh oder Holzwolle gefüllt. Dann trockneten und schrumpelten sie vor sich hin. Motten, Käfer und andere Insekten taten das Ihre, dass Stopfpräparate oft einen beklagenswerten Anblick boten. Dank der modernen Präparationsverfahren hält das Ergebnis dem Vergleich mit dem Original stand, übertrifft es manchmal in Details sogar. In den letzten zwei Jahrhunderten haben sich Präparationstechniken und Konservierungsmethoden stetig weiterentwickelt. So kommen für Innenkörper heute Kunststoffe (PU-Schaum und Epoxidharze) zum Einsatz. Das früher gern für die Konservierung verwendete hochgiftige Arsen und andere Giftstoffe wurden hierzulande aus dem Verkehr gezogen und durch unbedenklichere Stoffe ersetzt. Nicht nur zur Freude von Präparator Burst: Alles, was gut gewirkt habe, sei mittlerweile verboten, das erschwere seine Arbeit, sagt er. Ob er nicht auch an seine Gesundheit denke? „Präparatoren, die 30 Jahre damit gearbeitet haben, sind dann auch konserviert, sind auch alt geworden …“, antwortet er augenzwinkernd.

Genau genommen ist Gernot Burst ein sogenannter Taxidermist, das heißt, dass er ausschließlich Wirbeltiere präpariert: von Wildschwein und Rehbock bis zu jenem Wisent, das im Jagdschloss Schmida seine eindrucksvolle Größe zur Schau stellt. Auch Exoten kommen in seine Werkstatt, aber keine Fische und Reptilien, für die es einer speziellen Technik bedarf. Das kleinste Tier, das er je präpariert hat, ist ein Kolibri. Recht erstaunlich, wenn man seine muskelbepackten Arme sieht, die er als ehemaliger Bodybuilder in seiner Freizeit weiterhin in Form hält. Als Präparator braucht er beides: ein gehöriges Quantum Kraft, wenn er etwa einen kapitalen Hirsch zur Präparation vorbereitet. Und geschickte Hände mit viel Fingerspitzengefühl, wenn etwa besagter Kolibri vor ihm liegt, oder für die Feinarbeit beim letzten Schliff eines Präparates. „Ziel ist, dass man auf Fotografien nicht sofort merkt, ob es sich um ein lebendes oder präpariertes Tier handelt.“ Dafür bedarf es einer soliden Ausbildung, umfangreichen Wissens und langjähriger Erfahrung plus handwerklichen Geschicks, Kreativität und großer Liebe zum Beruf.

Meister Burst hat seinen Beruf noch von der Pike auf gelernt. Er habe, so erzählt er, keinen Allerweltsberuf erlernen wollen. Schon sehr früh sei ihm klar gewesen, dass es etwas Besonderes, etwas Seltenes sein solle. Und etwas, bei dem er sein Interesse für die Jagd und eine große Portion Kreativität verbinden könnte. Also Tierpräparator. Drei Lehrjahre absolvierte er, anschließend Praxisjahre, schließlich die Meisterprüfung. Ohne die durfte man das Handwerk damals nicht selbständig ausüben. Heute schon: Tierpräparator zählt zum sogenannten freien Gewerbe, das alle, die sich dazu befähigt fühlen, ergreifen können. Den Unterschied merke man, meint er missbilligend. „Das möchte man sich nicht unbedingt alles an die Wand hängen, was da produziert wird.“

Im Jahr 2001 wagte er den Schritt in die Selbständigkeit. Zusammen mit seiner Frau betreibt er eine Werkstatt in der kleinen Marktgemeinde Göllersdorf nordöstlich von Wien. Nur noch rund 100 Präparationsbetriebe gibt es in ganz Österreich, meist Kleinstbetriebe wie seinen. Es würden immer weniger, denn es fehle an Nachwuchs, mangels Interesses und mangels Ausbildungsmöglichkeiten. Die größte Ausbildungsstätte in Österreich ist das Naturhistorische Museum und selbst das hat höchstens eine Handvoll Lehrlinge pro Jahr.

In der Werkstatt von Gernot und Bettina Burst bekommen wir einen kleinen, aber aussagekräftigen Querschnitt ihrer vielfältigen Arbeit zu sehen. Hinter dem Eingang lagern zahlreiche behornte Tierschädel, bereits ausgekocht und gebleicht, bereit zur weiteren Verarbeitung. Das Auskochen und Bleichen von Trophäen ist Frau Bursts Metier. Im Arbeitsraum von Gernot Burst begegnen wir als Erstes einem Elch in voller Statur, bestückt mit mächtigen Schaufeln. Von der Wand herab blicken uns zig Augenpaare an. So lebensecht, dass man das Gefühl bekommt, ihr Blick folge einem. Einige Präparate sind schon fertig, bei anderen muss die Haut noch trocknen. Sie wird währenddessen mit vielen langen, dünnen Nadeln festgesteckt, damit sie, wie Herr Burst sagt „sich nicht dorthin bewegt, wo ich es nicht haben will.“ Ein Vogel hat noch kein vorzeigbares Podest, ein anderer braucht noch ein paar letzte, verschönernde Handgriffe. Auch einem Rehbock fehlt nur noch der Feinschliff. Es ist ein sogenanntes Vorschlagpräparat, bei dem nicht der ganze Körper, sondern nur Kopf und Schulterpartie präpariert werden.

Vom erlegten Tier bis zum fertigen Präparat ist eine Vielzahl an Arbeitsgängen zu erledigen. Am liebsten ist Herrn Burst, wenn das Tier möglichst frisch zu ihm gebracht wird – oder so professionell vorbereitet wie von unseren Jägern in Schmida. Denn bereits beim ersten Schnitt kann etwas schiefgehen, das später selbst den erfahrensten Präparator an seine Grenzen bringt. „Wenn zum Beispiel für ein Kopf-Schulter-Präparat ein zu kurzes Stück vom Tier heruntergenommen wurde, muss ich mir etwas einfallen lassen.“ Unter Umständen müsse er eine Ersatzhaut nehmen, „dann ist halt die Haut vom Hansi und das Geweih vom Fritzi“. So etwas mache er ungern und nur mit Einverständnis des Kunden.

Ist das Tier in seiner Werkstatt gelandet, wird es „abgebalgt“, also die Haut samt Fell oder Federn abgezogen, dann von Fleischresten und Fett befreit und gereinigt. Der Schädelknochen wird ausgelöst, Innenohr, Nase und Lippen werden „gespalten“, was so viel heißt wie aufgeschnitten, „damit genug Salz dazukommt“. Denn bevor der Balg in die Gerberei geschickt wird, muss er vorkonserviert werden. Dazu wird er dick mit Salz bestreut und ein paar Tage liegen gelassen, „damit er den Transport überlebt“. Das Fass mit den gesalzenen Häuten geht an eine Gerberei in Deutschland. In Österreich gebe es keine „Rauwarenzurichter“ mehr, die Häute so gerben, wie man sie für die Präparation braucht, berichtet Burst. Die Häute werden mehrere Wochen lang in eine Gerbflüssigkeit gelegt und anschließend haltbar gegen Schädlinge gemacht.

Präparation heißt, ein Original dauerhaft haltbar zu machen. Schon die alten Ägypter verstanden es, tierische und menschliche Leichname zu konservieren. Tierpräparation, die nicht bloß der Konservierung, sondern auch der Gestaltung dient, reicht ins 13. Jahrhundert zurück.