Auf Kurs mit Gegenwind und Seemannsgarn - Heinz Handtrack - E-Book

Auf Kurs mit Gegenwind und Seemannsgarn E-Book

Heinz Handtrack

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Beschreibung

Eine Zeitreise, die 1955 beginnt und im Jahr 2025 noch lange nicht beendet ist. Es ist eine Zwischenbilanz mit Weisheiten, Anekdoten, Lyrik, Kurzgeschichten zum Nachdenken, Schmunzeln und Weitererzählen.

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Seitenzahl: 56

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Für Sabrina

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vom Kartoffelsalat zur großen Fahrt

Das erste Treffen

Das Meer

Der wichtigste Mann auf See

Ein stilles Gebet

Im großen Kreisverkehr

Leidenschaft und rote Grütze

Zimmer und Klinge

Auge in Auge

Ein Bildschirm-Traum

Reisen unter dem Stern

Im dunklen Machtzentrum

Hühnchensteuer und Garnelen

Neuanfang

Mobilität und Tupperparty

Zeilen und Zwiebeln

Rezept für eine Kurzgeschichte

Zutaten

Zubereitung

Auf dem Kurs ins Vergessen

Der Abschied

Das Vergessen

Vorwort

Das Alter ist ein Privileg, das uns die Chance schenkt, auf gelebte Jahre voller Erfahrungen und Erkenntnisse zurückzublicken – und gleichzeitig nach vorne zu schauen. Jahre, in denen Fehler gemacht, Erfolge und Glück gefeiert und Lektionen gelernt wurden.

Dieses Buch ist keine Autobiografie, die überlasse ich gern anderen Persönlichkeiten. Es ist eine Einladung, durch die Seiten mit Weisheiten, Anekdoten, poetischen Momenten und kurzen Geschichten zu wandern. Es sind die kleinen und großen Augenblicke, die uns zu dem formen, was wir sind. Augenblicke, die ich hier teilen möchte, damit sie zum Nachdenken, Lächeln oder vielleicht auch zum Weitererzählen anregen.

Die verstrichenen Jahre sind keine Last, sondern ein Fundus für Kraft und Inspirationen für das Morgen. Auch in späteren Lebensjahren bleibt Raum, Neues zu lernen, die Welt aus anderen Blickwinkeln zu betrachten und Beziehungen zu vertiefen. In einer Zeit, die oft nur auf Geschwindigkeit setzt, bietet das bewusste Rückbesinnen einen besonderen Wert.

In diesem Sinne: Willkommen auf dieser Reise.

Vom Kartoffelsalat zur großen Fahrt

"Eine Eingebung ist wie ein Funke – sie entfacht ein Feuer, wenn du bereit bist, es zu unterhalten."

Weihnachtsfeste hatte ich noch nicht viele erlebt. Die Geschenke waren immer das Wichtigste. Dieser Heiligabend verlief anders als sonst. Im Radio war die heute älteste Sendung der Welt, das Hamburger Hafenkonzert, zu hören. Meine drei älteren Schwestern warteten genauso ungeduldig wie ich auf die Bescherung. Vorher wurde aber traditionsbewusst gegessen, Kartoffelsalat mit Würstchen.

„Später will ich zur See fahren.“ Schlagartig verstummten alle Gespräche am Tisch und das Klappern der Messer und Gabeln auf den Tellern setzte aus. „Das kommt nicht in Frage,“ war die einzige Antwort meines Vaters. Das Abendessen wurde schnell beendet und die Tür zum Nebenzimmer mit dem erleuchteten Weihnachtsbaum und den Geschenken öffnete sich. Meine Ankündigung fand keinerlei weitere Beachtung mehr.

Für mich war es nicht nur eine plötzliche Eingebung. Aus dem Funken wurde eine immer stärker lodernde Flamme. Nach dem Abitur führte der Weg folgerichtig aus der Heidelandschaft in Niedersachsen nach Hamburg zum Ballindamm, dem Hauptsitz der Reederei Hapag-Lloyd. Das Bewerbungsgespräch war kurz und knapp. „Wie stellen sie sich die Seefahrt vor?“, mit dieser Frage eröffnete der Personalchef das Gespräch. „Ohne Romantik, 24 Stunden im Dienst, harte Arbeit und die Natur manchmal gegen sich“, war meine Antwort. Er klappte die dünne Personalakte zu. „War es das mit der Seefahrt?“, dachte ich. Mit einem breiten Lächeln stand er auf und gab mir die Hand. „Ich gratuliere ihnen zur Einstellung als nautischer Assistent. Den Vertrag und alle weiteren Informationen erhalten sie in Kürze. Gute Fahrt.“

„Hol durch“, das Kommando des Bootsführers kostete viel Kraft und Konzentration. Zehn lange Ruderblätter mussten gleichzeitig und im Takt durch das Elbwasser vor der Seemannsschule in Hamburg Finkenwerder gezogen werden. Das schwere Rettungsboot nahm langsam Fahrt auf in Richtung Fahrrinne in der Mitte der Elbe. „Halt Wasser“, dieses Kommando hatten wir befürchtet. Die Ruderblätter tauchten ins Wasser, um das Boot abzubremsen. Nichts für schwache Oberarme. Der Muskelkater plagte uns noch Tage später. Als Belohnung für die Plackerei gab es für alle Kadetten den Rettungsbootschein. Die erste Hürde in der seemännischen Grundausbildung war genommen.

„Ihr habt maximal sieben Minuten Zeit, um das Feuer zu löschen. Ansonsten wird es euch im Schutzanzug zu heiß.“ Einige Gesichter wurden plötzlich bleich bei dieser lapidaren Ankündigung des Ausbilders. Den Einsatz im Schutzanzug und mit schwerem Atemgerät kannte ich von meiner Rettungsarbeit beim Roten Kreuz und der Freiwilligen Feuerwehr. Zwischen Übung und einem realen Feuer besteht allerdings ein heißer Unterschied. Das wurde mir beim Löscheinsatz in einem nachgebauten Schiffsladeraum schnell klar. Als Lohn der Angst wurde uns nach dieser Prüfung der Feuerschutzschein ausgehändigt. Wir feierten den Abschluss unserer Sicherheitsausbildung mit einem denkwürdigen Abschied in der Seemannsschule. Endlich sollte es auf die erste große Reise gehen.

Vorher mussten aber noch die maßgefertigten Uniformen abgeholt werden. Dunkelblaue Hose und Jacke, Khaki lang, Khaki kurz, Hemden, die schwere Filzjacke, auch „Klütje“ genannt, die auf Taille geschnittenen Gala-Jacken in weiß und blau sowie die passenden Hosen und die ersten Rangabzeichen auf den Schultern. Das gesamte Uniformpäckchen blieb aber für den Dienst auf der Kommandobrücke und im Hafen, für Landgänge und offizielle Anlässe vorbehalten. Die Arbeitskleidung während der weiteren seemännischen Grundausbildung war dann doch sehr gewöhnlich, Jeans, T-Shirt, kurze Hosen und bei Decksarbeit unter tropischer Sonne unbedingt eine Mütze oder Kappe.

Das erste Treffen

Wir kennen uns noch nicht,

wir sehen uns zum ersten Mal,

wir werden eng verbunden sein,

wir müssen einander vertrauen.

Du hast sicher deine Eigenarten,

du kannst bockig und zickig sein,

du wiegst mich in den Schlaf,

du lässt mich oft nicht ruhen.

Du bist schön, obwohl nicht schlank,

du hast eine kalte Haut aus Stahl,

du bist ein kraftvolles Ungetüm,

du willst hinaus auf See und in die Welt.

Wir werden einander lieben und hassen,

wir müssen lernen miteinander umzugehen,

wir haben einen Bund auf Widerruf und Zeit,

wir bleiben vielleicht für ewig verbunden.

Nach und nach trafen die zehn Nautischen Kadetten auf der Bavaria im Kaiser-Wilhelm-Hafen in Hamburg ein. Zwei jeweils dreimonatige Reisen im Liniendienst nach Indonesien lagen vor uns. Der Ausbildungsoffizier Schneider und der Ausbildungsbootsmann Zulauf wollten uns in diesem halben Jahr die seemännischen und nautischen Grundlagen vermitteln.

„Können die das schon?“. Mit der Frage wollte der Kapitän seine Skepsis zum Ausdruck bringen. „Wir bleiben neben ihnen am Ruder stehen“, unser Ausbildungsoffizier nahm mit Blick seinem Blick den Ausbildungsbootsmann ins Visier. Die Zusicherung schien den Kapitän aber nicht zu beruhigen.

Der Suez-Kanal war im Juni 1975 nach dem 6-Tage-Krieg zwischen Israel und Ägypten gerade wiedereröffnet worden. Als einer der ersten Konvois fuhren wir in Port Said in die schmale Rinne in der Wüste ein. Der ägyptische Kanallotse übernahm das Kommando. „Zwei Grad Backbord“, lautete die erste Kursanweisung. Sofort fiel der kritische Blick des Kapitäns auf den Rudergänger. „Langsam Ruder legen“, flüsterte mir unser Bootsmann zu. Höchste Konzentration war gefordert. Nach jeder Stunde wurde das Ruder übergeben.

„Jungs, das habt ihr gut gemacht im Suez-Kanal“. Mehr Lob konnte man von einem Kapitän nicht erwarten. Wir leerten das obligatorische Bierfass der Hamburger Brauerei Bavaria, das vor jeder Ausreise an Bord geliefert wurde.