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Sarah Remsky

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Beschreibung

Pflanzen stärken unser Immunsystem, verbessern unser Raumklima, sorgen für Entspannung, unterstützen Heilungsprozesse und machen einfach glücklicher. Die Autorin Sarah Remsky besitzt weit über 100 Pflanzen, die sie hegt und pflegt. In ihrem Buch zeigt sie, wie wir den Wohntrend in den eigenen vier Wänden realisieren können und gibt Tipps rund um die richtige Pflege, Standort und heilsame Wirkungen.


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Inhalt

Cover

Über das Buch

Titel

Impressum

Zitat

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1: (K)ein Leben ohne Pflanzen

Kapitel 2: Wie werden wir gute Pflanzeneltern?

Kapitel 3: Ich will leben, ich will wachsen

Kapitel 4: Auf der Suche nach der Seelenpflanze

Kapitel 5: Zurück im Alltagsdschungel

Kapitel 6: Ein lebendiges Zuhause

Kapitel 7: Luft zum Durchatmen, Licht für die Seele

Kapitel 8: Pflanzen vermehren heißt Freude teilen

Kapitel 9: Ein Trend für unsere Zukunft

Nachwort

Danksagung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Über das Buch

Wie Zimmerpflanzen uns helfen, gesund zu bleiben

Pflanzen stärken unser Immunsystem, verbessern unser Raumklima, sorgen für Entspannung, unterstützen Heilungsprozesse und machen einfach glücklicher. Die Autorin Sarah Remsky besitzt weit über 100 Pflanzen, die sie hegt und pflegt. In ihrem Buch zeigt sie, wie wir den Wohntrend in den eigenen vier Wänden realisieren können und gibt Tipps rund um die richtige Pflege, Standort und heilsame Wirkungen.

SARAH REMSKY

AufBLÜHEN

WIE ZIMMERPFLANZEN UNS HELFEN,GESUND ZU BLEIBEN

Originalausgabe

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Angela Kuepper, München

Fotos Innenteil: Jennifer Paschky

Illustrationen: Mira Schmidt

Umschlaggestaltung: Sandra Taufer, München

Einbandmotive: © shutterstock: Marina_D | LightField Studios | Dewin ’ Indew | rattiya lamrod | rattiya lamrod; © Mira Schmidt

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-8654-7

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Wann auch immer ich sterben muss:Ich möchte, dass diejenigen,die mich am besten kannten,von mir sagen, dass ichimmer eine Distel pflückte undeine Blume pflanzte, wenn ich glaubte,sie würden dort wachsen können.

ABRAHAM LINCOLN

Meine Aglaonema Chocolate namens »Mr. Chamberlain«

VORWORT

Lange Zeit dachte ich, man müsse mit einem grünen Daumen geboren werden, damit Pflanzen gedeihen und sich wohlfühlen. Dabei war ich mir sicher, dass ich nicht zu den Menschen mit diesem speziellen Talent gehörte. Zumindest hat es sich eine ganze Weile versteckt: Wann immer ich mich früher an Pflanzen herantraute, dauerte es nicht lange, und sie gingen ein. Mal probierte ich es mit einem Zimmerröschen, dann mit einer Orchidee. Meistens jedoch kannte ich die Namen der Gewächse nicht, die ich aus dem Blumenladen an der U-Bahn-Station mit nach Hause nahm. Ich verzweifelte regelrecht daran, wenn es ihnen schlecht ging, und wusste einfach nicht, welche Bedürfnisse sie hatten und wie ich ihnen helfen konnte. Nicht selten wünschte ich mir, sie könnten mit mir sprechen und mir sagen, was sie brauchten. Heute weiß ich, dass Pflanzen das tatsächlich tun. Nur muss man ihre Sprache lernen. Und dazu gehört, wie bei allen Sprachen, zwar ein wenig Talent, aber vor allem das Lernen. Ich glaube deshalb eher, dass ein grüner Daumen bei jedem Menschen aus Wissbegierde und Leidenschaft für die Pflanzenwelt wachsen kann.

Ich bin so froh, trotz meiner vielen Misserfolge nie frustriert aufgegeben und mir stattdessen immer mal wieder ein Stückchen Grün in meine Einzimmerwohnung im Berliner Stadtteil Wedding geholt zu haben, bis es schließlich gut ging mit mir und den Pflanzen. Ansonsten wären mir wohl das schönste Hobby entgangen, meine größte Leidenschaft und der heilsamste Seelenbalsam. Heute besitze ich weit über einhundert Pflanzen, darunter viele gängige Klassiker wie Monsteras oder Bogenhanf, aber auch einige Seltenheiten und außergewöhnliche Exemplare. Alle von ihnen sind Schätze, die ich hege und pflege, weil sie mir immer wieder aufs Neue helfen, mich auf den Tag zu freuen.

Das ist für mich alles andere als selbstverständlich, denn ich leide seit nunmehr rund sechs Jahren an Depressionen. Ich hatte Teile von mir verkümmern lassen, weil ich nicht auf meine eigenen Bedürfnisse, sondern viel zu oft darauf gehört hatte, was andere von mir erwarteten. Obwohl ich inzwischen glaube, dass sich die Wurzel für meine Depressionen schon sehr viel früher in mir verankert hatte, brachen sie kurz nach dem Abitur zum ersten Mal aus. Bis heute hatte ich mehrere depressive Episoden, von denen die letzte meinen Lebensweg für zwei Monate in die Psychiatrie verlegte. Dort verbrachte ich eine wohl im wahrsten Sinne des Wortes wahnsinnige, aber intensive und effektive Zeit, die ich genauso wenig wie meine Liebe zu Pflanzen missen möchte. Die Therapie und auch meine aus dem tiefsten Herzen kommende Leidenschaft für Zimmerpflanzen haben mir geholfen, zu mir selbst zurückzufinden. Es ist sicherlich noch ein Stückchen Arbeit, bis ich voll und ganz im Einklang mit mir und meinem Leben sein werde, aber zumindest habe ich inzwischen das richtige Werkzeug dafür.

In diesem Buch begleitet ihr mich durch einige der dunkelsten Tage meiner Depression, meine zwei Monate in einer psychiatrischen Klinik und den Neuanfang, den ich danach machte. Aber vor allem sollt ihr miterleben, wie meine Leidenschaft zu Pflanzen in dieser schweren Zeit ihren Anfang nahm, wie sie immer größer wurde und mich vielleicht nicht am, aber definitiv im Leben hielt. Meine grünen Lieblinge verwurzelten mich im Hier und Jetzt, auch wenn mein Kopf im kalten Dunst der Depressionsgedanken schwebte. Sie gaben mir Tag für Tag das Tröpfchen Lebensfreude, das dafür sorgte, dass mein Lebenswille nicht verdorrte. Sie begeisterten mich, so wie mich lange nichts mehr begeistert hatte, und halfen mir, wieder zu mir selbst zu finden.

Doch es sind nicht nur Phasen der Depression, in denen Pflanzen heilsam wirken. Wir holen uns ein Stück Leben ins Haus, etwas, dessen Bedürfnisse wir erspüren lernen, um das wir uns kümmern können und das uns mit Wachstum und Blüten beschenkt. Das wiederum bringt uns in Kontakt mit unseren eigenen Bedürfnissen, mit der Frage, welche Anteile unserer Persönlichkeit wir erblühen lassen und welche nie genug Licht bekommen haben und dadurch vielleicht ein Stück weit verkümmert sind. Pflanzen haben ganz unterschiedliche Charaktere, manche sind sensibel, andere robust und wahre Überlebenskünstler. Sie alle aber tragen die Kraft des Lebens in sich und strahlen diese auf ihre Umgebung aus. Pflanzen sind vor allem gesund für unsere Seele und unseren Körper, weil sie uns in vielerlei Hinsicht mit unserer eigenen Natur verbinden. Davon kann ich euch, so hoffe ich, in diesem Buch überzeugen.

Einleitung

PFLANZEN WIRKEN WUNDER

Wir Menschen sind natürliche Wesen, die Natur ist unsere ursprüngliche Heimat, und unser Leben hängt unmittelbar von ihr ab. Zwar haben wir uns in den vergangenen Jahrhunderten – und besonders in den letzten Jahrzehnten – immer weiter von ihr entfernt, aber unser Band mit der Natur ist unzertrennlich. Wenn unsere Seele leidet, dann ist das, so glaube ich, auch ein Ausdruck der Entfremdung zwischen uns und der Natur und damit von unserem natürlichen Selbst.

So ist es kein Wunder, dass viele Menschen mit Angststörungen und Depressionen Teil der Pflanzenliebhaber-Community sind. Meine Geschichte ist kein Einzelfall. Pflanzen haben die Kraft, uns aus unserem Kopf hinaus und zurück ins Hier und Jetzt zu holen, sie spenden Ruhe und Energie, Freude und Hoffnung. Als Zimmerpflanzen geben sie uns Menschen eine Aufgabe und Bestätigung, und noch viel mehr machen sie unser Zuhause zu einem Ort der Geborgenheit und des Lebens, an dem wir uns wohlfühlen können.

Die vielfältigen positiven Einflüsse sind sowohl mental als auch körperlich spürbar und sogar durch Studien belegt worden. Wie gesund Zimmerpflanzen für uns sind, möchte ich euch im Folgenden zeigen.

FÜR DIE MENTALE GESUNDHEIT

PFLANZENHELFENBEI PSY-CHISCHENERKRAN-KUNGEN,STRESS UNDSCHLECHTERLAUNE

Dass meine Pflanzen mir durch die Depression geholfen haben, ist wie gesagt kein Wunder. Pflanzen haben eine heilende Wirkung auf unsere Seele, sie geben uns Ruhe und Energie.

Im Rahmen verschiedener Forschungsstudien wurden Blutdruck, Puls und das Level des Stresshormons Kortisol von Probanden unter mentalem Stress oder während einer schwierigen Aufgabe gemessen. Es stellte sich heraus, dass diese Menschen ruhiger blieben, wenn sie von Pflanzen umgeben waren.

Manche Therapeuten nutzen Gartenarbeiten (und dazu zählt auch die Pflege unserer Zimmerpflanzen) bei der Behandlung von Patienten mit Depressionen, Angststörungen, Schizophrenie und anderen psychischen Krankheiten. Die Idee dahinter ist, dass die Pflege von Pflanzen Glücks- und Erfolgsgefühle in uns Menschen hervorrufen und damit Ängste, Depressionen und Traumata lindern kann.

Pflanzen sind sinnstiftend – sie geben uns eine Aufgabe und bringen Leidende wie mich, die oft sehr mit ihren Gedanken verschmolzen sind, zurück ins Leben.

PFLANZENVERBESSERNUNSERELEBENS-QUALITÄTDURCHBINDUNGENUND ER-FOLGS-GEFÜHLE

Für eine Studie beobachteten Forscher Menschen, die in einer Einrichtung für betreutes Wohnen lebten, und fanden heraus, dass ihre wahrgenommene Lebensqualität anstieg, als sie lernten, Pflanzen ein- und umzutopfen und sie zu pflegen. Die Forscher machten die Erfolgsgefühle, die die Pflanzenpflege mit sich brachte, sowie die emotionale Bindung der Probanden zu ihren Pflanzen für diese Veränderung verantwortlich.

Natürlich haben Pflanzen nicht nur auf Menschen mit psychischen Krankheiten eine positive Wirkung, sondern auf uns alle. Das herrliche Gefühl, das eine gut wachsende Pflanze, ein neues Blatt oder eine Blüte auslösen können, ist unbeschreiblich. Wenn ich bei der täglichen Inspektion meiner grünen Lieblinge etwas Neues, Schönes entdecke, jubele ich jedes Mal laut. Pflanzen wertschätzen unsere Pflege und geben neues Wachstum als Geschenk zurück. Das Erfolgsgefühl, der Verantwortung für ein lebendes Wesen gewachsen zu sein, lässt meiner Erfahrung nach jeden Menschen auch in sich selbst wachsen; er gewinnt an Selbstvertrauen in seinem Innern, seinem Können und Handeln.

Wie ich sprachen auch einige Teilnehmer der Studie mit ihren grünen Lieblingen. Weil Pflanzen Lebewesen sind, können wir eine andere Bindung zu ihnen aufbauen als zu Dingen. Deshalb nenne ich sie auch gerne grüne Mitbewohner, gebe ihnen Namen, spreche täglich mit ihnen und bin traurig, wenn es einer Pflanze nicht gut geht. Gerade während der schlimmsten Phase meiner Depression fühlte ich mich dadurch weniger einsam – aber Depressionen hin oder her, Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft heutzutage ein Massengefühl. Wir leben ein viel isolierteres, bindungsärmeres Leben als noch vor ein paar Jahrzehnten. Im Kontakt mit der Natur, unserer eigentlichen Heimat, die wir mit der Pflanzenwelt teilen, spüren wir, dass wir in Wirklichkeit nicht einsam, sondern unabdingbar mit der Welt verbunden sind. Wir leben in einer immerwährenden Symbiose mit den Pflanzen – sie geben uns Atemluft, wir geben ihnen Kohlenstoffdioxid zur Fotosynthese. Es ist eine Bindung fürs Leben. Umso weniger verwunderlich ist es, dass wir aufblühen, wenn wir Pflanzen wieder Platz in unserem Leben gewähren.

PFLANZENMACHENUNS PRO-DUKTIVER(AUCH AUFDER ARBEIT)

Wir sind konzentrierter, kreativer, und unser Gedächtnis funktioniert besser, wenn wir von Pflanzen umgeben sind. Das spüre ich an mir selbst: Während ich diese Wörter schreibe, sitze ich an einem Schreibtisch vor einer Wand, an der mehrere Regale voller Pflanzen hängen. Auch auf dem Schreibtisch selbst stehen einige meiner Lieblinge. Mein in eine handfeste Depression gemündetes Burn-out hatte meine Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt – noch immer habe ich nicht so viel Energie und Konzentrationskraft wie zuvor. Aber wenn ich an meinem Dschungelschreibtisch sitze, merke ich, dass mein Kopf besser funktioniert als erwartet. Wann immer ich beim Schreiben ins Stocken gerate, sehe ich mich um und blicke in eine lebendige, inspirierende Pflanzenlandschaft, die mich nicht ablenkt, sondern mir Ruhe zum Denken und Raum für Kreativität gibt. In einem kargen Büro würde mir das Schreiben sehr viel schwerer fallen.

MEIN SCHREIBTISCH IN K…LN

Dass Pflanzen uns produktiver machen, ist aber nicht nur ein subjektives Gefühl, sondern tatsächlich durch Forschungen belegt. Eine Studie der britischen Universität Exeter stellte fest, dass die Produktivität der Angestellten um fünfzehn Prozent anstieg, nachdem Pflanzen in ein zuvor karges Büro eingezogen waren. In einer anderen Studie, die im Journal of Environmental Psychology veröffentlicht wurde, beobachteten die Forscher, dass Studenten, denen in einem Raum mit Pflanzen eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt wurde, eine längere Aufmerksamkeitsspanne hatten als solche, die in einem Raum ohne Pflanzen saßen. Die Forscher führten beides auf die beruhigende und wohltuende Wirkung unserer grünen Lieblinge zurück. Ein Umfeld voller Pflanzen wirkt sich positiv auf unsere Leistung und Kreativität aus.

FÜR DIE KÖRPERLICHE GESUNDHEIT

PFLANZENPRO-DUZIERENSAUER-STOFF

Mit dem Einatmen transportieren wir Sauerstoff in den Körper, mit dem Ausatmen geben wir Kohlenstoffdioxid ab. Der überlebenswichtige Zyklus der Pflanzen läuft nahezu andersherum ab: Sie nehmen unter Lichteinwirkung Kohlenstoffdioxid auf und geben Sauerstoff wieder ab. Deshalb sind Zimmerpflanzen die perfekten Partner – zumindest, wenn es um unsere Atemluft geht. Am meisten Sauerstoff produzieren Pflanzen, wenn sie viel Sonne und Wasser bekommen, denn dann können sie am effektivsten Fotosynthese betreiben, wie der physiologische Prozess genannt wird, bei dem Pflanzen unter Lichteinwirkung aus Wasser und Kohlenstoffdioxid Nahrung in Form von Glukose sowie Sauerstoff erzeugen.

Um einen Menschen mit Sauerstoff zu versorgen, müssten die Blätter unserer Zimmerpflanzen aneinandergelegt eine Fläche von mindestens vierhundert Quadratmetern belegen. Ein kleiner Baum hat eine Blattfläche, die etwa dem entspricht – mein Indoor Jungle mit über hundert, teilweise recht großen Pflanzen wird dem wahrscheinlich gerecht. Aber auch weniger Pflanzen erhöhen den Sauerstoffgehalt in der Raumluft – und das ist gut für unseren Körper, wir werden langsamer müde und bekommen seltener Kopfschmerzen.

Im Schlaf regeneriert sich der Körper und verarbeitet die Anstrengungen und Geschehnisse des Tages: Wir sammeln neue Energie, speichern Gedanken und Gelerntes ab, löschen Unwichtiges aus unseren Köpfen, entspannen die Muskeln, und unser Immunsystem erholt sich. Ein schlafendes Gehirn braucht genauso viel Sauerstoff wie ein waches, deshalb hat die Luftqualität im Schlafzimmer einen großen Einfluss darauf, ob wir im Schlaf unser volles Regenerationspotenzial nutzen können. Je mehr Kohlenstoffdioxid die Raumluft enthält, umso mehr atmen wir von dem Stoff, der eigentlich ein Abfallprodukt unseres Stoffwechsels ist, wieder ein. Das wirkt sich negativ auf die Leistung unseres Körpers aus. Weil die meisten Pflanzen den Prozess der Fotosynthese nachts umkehren, also Sauerstoff aufnehmen und Kohlenstoffdioxid abgeben, warnen einige davor, welche im Schlafzimmer zu haben. Sie argumentieren, dass unsere grünen Lieblinge in der Nacht die Luft zum Schlafen verschlechtern würden. Das ist allerdings viel Lärm um nichts: Pflanzen nehmen im Vergleich zum Menschen so wenig Sauerstoff auf und geben so wenig Kohlenstoffdioxid ab, dass es wirklich sehr, sehr viele Exemplare auf kleinem Raum bräuchte, um die Luft merklich zu verschlechtern. Oder anders betrachtet: Über den Tag hinweg produzieren Pflanzen mehr Sauerstoff, als sie nachts benötigen, und nehmen mehr Kohlenstoffdioxid auf, als sie produzieren, und verbessern so die Luftqualität im Raum spürbar. Ich persönlich schwöre auf Pflanzen in meinem Schlafzimmer (besonders auf luftreinigende, dazu später mehr) und habe gemerkt, dass ich seltener mit Kopfschmerzen oder einem trockenen Hals aufwache, seitdem meine grünen Lieblinge um mein Bett herum stehen.

PFLANZENFILTERNSCHAD-STOFFE AUSDER LUFT

Einige Pflanzen können nicht nur den Sauerstoffgehalt in der Luft erhöhen, sondern auch potenziell gefährliche Stoffe aus unserer Raumluft filtern. Eine Studie der NASA hat das herausgefunden. Demnach können luftreinigende Zimmerpflanzen innerhalb eines Tages bis zu siebenundachtzig Prozent der Schadstoffe aus der Innenraumluft entfernen.

Zu diesen Schadstoffen zählen auch sogenannte flüchtige organische Verbindungen, abgekürzt VOCs (Volatile Organic Compounds) genannt. Diese chemischen Verbindungen auf der Grundlage von Kohlenstoff haben die Besonderheit, dass sie bei Raumtemperatur gasförmig und damit in unserer Atemluft enthalten sind. Neben den VOCs in der Atmosphäre finden sich flüchtige organische Verbindungen auch in der Innenraumluft. Sie werden beispielsweise durch bestimmte Kunststoffe, Lacke, Möbel und Teppiche, Reinigungsmittel sowie durch Rauchen freigesetzt. Meistens sind die Konzentrationen einzelner VOCs in Innenräumen relativ gering, und gesundheitliche Beeinträchtigungen sind dann nicht zu befürchten. Bei einer höheren Belastung mit flüchtigen organischen Verbindungen in der Atemluft können wir jedoch dauerhaft erkranken. Am häufigsten davon betroffen sind Kinder, ältere und sensible Menschen. Symptome wie Kopfschmerzen, Allergien, Müdigkeit, Leistungsminderung, Schlafstörungen und Reizungen der Atemwege, die bei einer erhöhten VOC-Belastung auftreten können, werden unter dem Begriff »Sick-Building-Syndrom«, also »Krankes-Haus-Syndrom«, zusammengefasst. Das Krankheitsbild ist durch die WHO definiert.

Die Forscher der NASA empfehlen für unser Zuhause eine eingetopfte Pflanze pro hundert Quadratfuß, was etwa 9,3 Quadratmetern entspricht. Wie viele flüchtige organische Verbindungen eine Pflanze aufnehmen kann, ist allerdings von Art zu Art unterschiedlich und auch abhängig vom verwendeten Substrat. Blumenerde ist dafür besser geeignet als Hydrokultur.

Zu viele Gedanken müsst ihr euch aber um die jeweilige Luftreinigungskapazität nicht machen! Wer mindestens eine luftreinigende Pflanze pro empfohlener Fläche hat, der ist gut aufgestellt.

PFLANZENLASSENUNS SELTE-NER KRANKWERDEN

Wer viele Pflanzen im Raum hat, wird früher oder später merken, dass sich das Grundlevel an Luftfeuchtigkeit (auch ohne Luftbefeuchter) erhöht hat. Das liegt vor allem daran, dass auch Pflanzen schwitzen – nur nennt man es nicht so. Als Transpiration bei Pflanzen bezeichnet man die Verdunstung von Wasser über Öffnungen in der Blattunterseite. Das Ausmaß der Wasserabgabe variiert bei den unterschiedlichen Pflanzenarten und ist beispielsweise von der Luftfeuchtigkeit, Lichtintensität, Temperatur oder Pflanzendichte abhängig.

Eine höhere Luftfeuchtigkeit – ob durch das Transpirieren der Pflanzen oder durch den Luftbefeuchter, den ihr euch für eure tropischen Zimmerpflanzen anschaffen solltet – wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Gerade im Winter kann die eh schon recht trockene Luft im Innenbereich wegen der laufenden Heizungen schnell noch mehr austrocknen. In solch einem Raumklima kommen trockene Haut, ein kratzender Hals, trockener Husten und Erkältungen im Allgemeinen häufiger vor als in Räumen mit Pflanzen, die die Luftfeuchtigkeit höher halten. Auch die Überlebenschancen und Übertragung von Grippeviren werden dadurch gemindert.

Die optimale Raumluftfeuchte zu Hause liegt zwischen vierzig und sechzig Prozent – innerhalb dieser Spanne gibt es kaum Schimmelgefahr, ihr könnt sehr gut atmen, und die meisten Pflanzen fühlen sich wohl.

PFLANZENBESCHLEU-NIGEN DIEPHYSISCHEHEILUNG

Forscher der Kansas State University in den USA haben herausgefunden, dass kürzlich operierte Menschen schneller gesund werden, wenn sie Pflanzen in ihrem Krankenhauszimmer oder zumindest einen Blick ins Grüne haben. Patienten mit Pflanzenkontakt hatten eine höhere Schmerztoleranz und brauchten eine niedrigere Dosis an Schmerzmedikamenten, ihr Blutdruck und Puls waren niedriger, und sie litten unter weniger Angst und Müdigkeit als Patienten ohne Pflanzen in ihrem Zimmer. Die Forscher führten das auf unsere naturgemäße Bindung zu Pflanzen zurück. Ursprünglich lebten wir mit und in der Natur, sie ist unser natürlicher Lebensraum. In der Umgebung von Pflanzen fühlen wir uns, so schlossen die Forscher, beschützt und sicher – und daher gelingt uns die Heilung besser.

Daneben gibt es zahlreiche Pflanzen, die unmittelbarere Heilkräfte für unseren Körper haben: Der frische Pflanzensaft der Aloe Vera hat heilende Eigenschaften bei Verbrennungen und Sonnenbrand, bestimmte Kräuter helfen bei Magenproblemen, Kopfschmerzen und vielem mehr. Jede Pflanze wirkt ihr eigenes Wunder.

EINE LIEBEVOLLE WARNUNG:Zu viel des Guten ist nicht gut

Dass Pflanzen gut für unsere mentale und körperliche Gesundheit sind, ist den meisten von uns klar und mittlerweile wissenschaftlich belegt. Ein Leben ohne sie kann und will ich mir nicht mehr vorstellen. Trotzdem weiß ich inzwischen: Auch bei meinen grünen Lieblingen gilt, dass zu viel des Guten nicht gut ist. Wenn die Pflege eurer Pflanzen euch über den Kopf wächst, weil euer Leben euch keine Zeit lässt und ihr euch vor lauter Freude zu viele Pflänzchen in euer Zuhause geholt habt, minimiert eure Sammlung! Ich weiß mit meinen nunmehr über hundert grünen Lieblingen nur zu gut, wie viel Zeit ihre Pflege (Gießen hier, Umtopfen dort, Schädlingsbekämpfung noch dazu) in Anspruch nehmen kann. Deshalb achtet darauf, dass eure Leidenschaft für Pflanzen nicht so viel Raum in eurem Leben einnimmt, dass sie euch letztendlich mehr Kraft entzieht, als sie euch gibt. Denn das sollte nicht sein. Für Neulinge gilt: Weitet eure Pflanzensammlung nicht zu schnell zu sehr aus, sondern lernt erst einmal, für wenige Pflanzen angemessen zu sorgen, und etabliert eine eigene Routine. Alten Pflanzenhasen möchte ich sagen: In der Pflanzen-Community tendieren wir oft zum Exzess. Als Jäger und Sammler möchten wir am liebsten alle schönen, besonderen Pflänzchen unser Eigen nennen – aber es gibt so viele! Wenn ihr an den Punkt kommt, an dem eure grünen Lieblinge euch und eure Freizeit eher erdrücken als bereichern, verschenkt oder verkauft diejenigen, die euch weniger am Herzen liegen. Euch selbst zuliebe.

Pflanzeneltern zu sein ist so bereichernd wie gesund für das Leben. Überforderung dagegen ist niemals gesund, deshalb genießt diese Leidenschaft wie alles andere mit Maß.

Wenn man Depression von außen betrachtet, ist sie schwer zu verstehen. Von innen aus gesehen ist sie schwer zu erklären.

Kapitel 1:(K)EIN LEBENOHNE PFLANZEN

AM LEBEN GEWACHSEN

Die erste Panikattacke meines Lebens geschah an einem dieser Tage, an denen ich über Stunden hinweg krampfhaft versucht hatte, etwas für meine Masterarbeit zu tun. Ich hatte Onlinepublikationen durchsucht, mein Thema ein Dutzend Mal verflucht und vor dem immer noch fast leeren Word-Dokument gesessen, ohne einen Absatz zu schreiben. Der Titel meiner Masterarbeit prangte wie ein Mahnmal über der ersten Seite des Dokuments, darunter reihten sich ein paar aus meinem Exposé kopierte Sätze. Es war Ende August, also rund anderthalb Monate nach der Anmeldung meiner Arbeit, die ich bis Mitte November abgeben sollte. Schon im Juli war mir mulmig gewesen bei dem Gedanken, die Masterarbeit jetzt wirklich anzugehen und mein ungeliebtes Studium der Internationalen Beziehungen endlich abzuschließen. Zu dem Zeitpunkt war ich im sechsten Semester, zwei Semester über der Regelstudienzeit, was hauptsächlich mangelndem Kursglück und exzessivem Arbeiten geschuldet war. Nach dem verschulten Studium des Journalismus und der Soziologie in London, das ich geliebt hatte, war ich für den Master nach Berlin gegangen und hatte mich im deutschen Universitätsleben eher durchgewurschtelt als zurechtgefunden. Um an meine Bestleistungen zu kommen, brauchte ich Druck und klare Anforderungen – die fand ich in Deutschlands romantisch idealisiertem Studium nicht. Die Freiheit bei der Kurswahl, Professoren, die einen einfach mal machen ließen, bei denen jede Abgabefrist nur ein Richtwert war und die einen in jedem Seminar endlos über einzelne Sätze in Texten diskutieren ließen – und zu alldem noch eine Administration, die für jeden Pieps ein Formular hatte, aber gleichzeitig oftmals die eigenen Studienprogrammregelungen nicht kannte –, waren für mich ein purer Kampf. Ich weiß, dass viele Kommilitonen genau wegen dieser lockeren Struktur und idealistischen Grundgedanken das Studium lieben, aber ich wünschte mir stattdessen oft das klar vorstrukturierte Studium in England zurück. Hochleistung unter Druck und Faulheit in Freiheit waren immer mein Ding gewesen.

Trotzdem hatte ich nach sechs Semestern endlich alle Voraussetzungen für die Anmeldung zur Masterarbeit, und um mein ungeliebtes Studium nicht noch länger mit mir herumschleppen zu müssen, hatte ich mich mithilfe meiner Therapeutin im Juli entschieden, dem Trott ein Ende und mir eine Deadline zu setzen. Die Fragestellung, die nun das Word-Dokument zierte, entsprang weit mehr dem Kopf meines Professors als meinem. Ich empfand sie genauso dröge wie die internationalen Beziehungen selbst, die ich mir aber nun mal als Studienfeld ausgesucht hatte. Nach dem praktisch orientierten Journalistik- und Soziologiestudium hatte ich mich in den letzten Jahren mit politikwissenschaftlichen Theorien befasst, die mich größtenteils wenig interessierten.

Die Blockade, die es mir jetzt unmöglich machte, irgendetwas Sinnvolles zustande zu bringen, war neu für mich. Bildung war mir bis dahin immer leichtgefallen; ein Abi mit der Durchschnittsnote 1,2 und der Bachelor aus England mit einer 1,4 hatten mich in die Gesellschaft von hochkompetitiven Kommilitonen gebracht. Wie sie brillierte ich normalerweise immer dann, wenn es um Noten und Wissen ging. Diese Masterarbeit jedoch schien mir einfach nicht machbar zu sein. Ich konnte mich seit Wochen kaum konzentrieren, meine Aufmerksamkeitsspanne überstieg selten zwanzig Minuten. Aber auch in diesen kurzen Zeitabschnitten hatte ich keine Ahnung, wie ich jemals zwanzigtausend Wörter über theoretischen Nonsens schreiben sollte. Die Fragestellung der Arbeit – »Warum sind einige Regierungen in der EU mehr gewillt, gemeinsame Vereinbarungen zu treffen, als andere?« –, die mir vor der Anmeldung zwar langweilig, aber doch logisch erschienen war, las sich für mich inzwischen wie ein sehr schwieriges Kreuzworträtsel.

Ich zweifelte in diesen Tagen oft an meiner Intelligenz und redete mir mitunter ein, dass alles, was ich bisher erreicht hatte, nicht an mir gelegen haben konnte. Ich musste meine Mitmenschen lange über meine eigentliche Dummheit hinweggetäuscht haben, die sich jetzt, wo es drauf ankam, nicht mehr verbergen ließ – sagte ich mir.

Nach einer nervenzehrenden Stunde, in der ich wieder nichts geschafft, dafür aber Tausende Zweifel an meiner Herangehensweise, dem Thema, meiner Intelligenz und meinem Leben aufgeworfen hatte, gab ich auf. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ich Tausende Wörter geschrieben. Gedacht hatte ich sie allemal. Ich begab mich vom Schreibtisch ins Bett, ein Weg, den ich in diesen Tagen so oft zurücklegte. Nur drei Meter waren es von hier nach dort, nur ein Schlafsofa mit Couchtisch stand dazwischen, aber selbst das kostete mich unfassbare Anstrengung. Im Bett angekommen, schrieb ich eine Nachricht an einen Zockerfreund namens William.

»Ich habe wieder nichts hingekriegt, liege jetzt im Bett. Ich fühle mich, als würde ich dreihundert Kilogramm wiegen. Mein Kopf wiegt davon alleine schon hundert. Ich kann mich nur langsam bewegen und sprechen. Es ist wie eine eigenartige Grippe.«

Wer nie an einer Depression gelitten hat, kann kaum nachvollziehen, was sie ausmacht. Depressionen sind zwar heutzutage in aller Munde und gelten inzwischen als Volkskrankheit, was sowohl an einer besseren Aufklärung als auch an einer teilweisen Banalisierung der Krankheit als eine Art Trend liegt. Trotzdem wissen viele Menschen immer noch nicht, dass Depressionen keinesfalls bedeuten, traurig zu sein. Dieses Unwissen kann ich ihnen nicht verübeln – die Krankheit ist für Menschen, die nie unter ihr gelitten haben, schwer greifbar und selbst für Betroffene nicht einfach zu beschreiben. Nein, Depressionen sind keine Dauertraurigkeit, keine Laune von Leuten, die nicht mit ihrem Leben klarkommen, sondern eine Erkrankung. Die Beschreibung als »innere Leere« habe ich häufig gehört, aber auch sie trifft es nicht ganz. Manchmal sind Depressionen auch eine »innere Überfüllung«, nämlich von Gedanken. Oftmals bedeuten sie auch »Lebensmüdigkeit« – die Überzeugung, nichts mehr zu wollen, nicht mehr zu können, keinen Sinn mehr in irgendetwas zu sehen.

»Das klingt gar nicht gut, Sarah«, schrieb William zurück. »Willst du eine Runde zocken?«

Er war in diesen Tagen der Mensch, der am besten wusste, wie es mir ging. Meiner Familie und meinem Freund gegenüber brachte ich es oft nicht übers Herz, so ehrlich zu sein. Ich wahrte lieber den perfekteren Schein jener Sarah, die ich so lange gewesen war.

In Online-Games trifft man zahlreiche Menschen mit Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen an. Entgegen etlicher Vorurteile glaube ich aber, dass es in vielen Fällen nicht die Spiele sind, die isolieren und krank machen, sondern dass Leidende oftmals in der Onlinewelt Zuflucht suchen und dort Gleichgesinnte finden. Sie ist ein Tummelbecken für Menschen, die in der wirklichen Welt nicht klarkommen – eine Vermeidungsstrategie, keine Hilfe, aber auch nicht der Ursprung der psychischen Probleme. Diese Welt war damals mein Zufluchtsort. Wenn ich zockte, konnte ich am besten verdrängen, welcher Druck und welche Ängste sonst auf mir lasteten. Es war nicht entspannend, im Gegenteil – das Spiel war eine Reiz- und Informationsüberflutung auf mehreren Ebenen und forderte viel Aufmerksamkeit und Energie ein, die ich in der realen Welt für nichts aufbringen konnte. Gerade deswegen war es die perfekte Verdrängungsmethode: Ich musste mich so konzentrieren, dass ich an nichts anderes denken konnte.

MEINE ANTHURIUM METALLICUM NAMENS »MIRACLE«

Mit Mühe erhob ich mich also wieder aus dem seit Wochen ungemachten Bett, ging in den Küchenbereich meiner kleinen Wohnung und mixte mir einen Aperol Spritz. Mein Magen rebellierte seit einer Weile, ich hatte oft Sodbrennen, und mir war andauernd übel, besonders bei gewürztem oder fettigem Essen, weswegen ich an den meisten Tagen auf Schonkost à la Kartoffeln und gekochtes Gemüse umstieg. Den Alkohol am Abend ließ ich mir trotzdem nicht nehmen. »Der Arschloch-Magen kann mich mal«, lautete meine Devise. Also schmiss ich auf dem Weg zurück zu meinem Schreibtisch, der zwischen zwei hohen Altbaufenstern stand, eine Omeprazol-Tablette ein, die mir mein Berliner Hausarzt verschrieben hatte, und schluckte sie mit Aperol hinunter. Die Tabletten sollten die Produktion der Magensäure verringern und so meine Magenschleimhaut schonen. Ich nahm sie nun seit etwa zwei Wochen – seitdem hatte sich die Übelkeit etwas gebessert.

Als ich gegen Mitternacht ins Bett wankte, merkte ich, dass der Alkohol es diesmal nicht schaffte, meine Gedanken gänzlich zu betäuben. Noch zweieinhalb Monate bis zur Abgabe der Masterarbeit. Das immer näher rückende Datum, der 15. November, an den ich Tag für Tag dachte, fühlte sich an wie eine drohende Apokalypse. Es war der Tag, an dem ich mich endlich frei nennen könnte, aber bis dahin lag noch so viel Arbeit vor mir – in der Redaktion und am heimischen Schreibtisch. In meinem Handy-Taschenrechner teilte ich zwanzigtausend Wörter durch fünfundsiebzig Tage: zweihundertsechsundsechzig und zwei Drittel. Schon wieder ein paar mehr pro Tag, seitdem ich die Rechnung das letzte Mal aufgestellt hatte – natürlicherweise. Noch war es machbar. Meine Bachelorarbeit hatte ich immerhin auch innerhalb von zwei Wochen zu Papier gebracht, Recherchearbeit und Datenauswertung ausgenommen. Meine damalige beste Freundin Kim und ich hatten uns vierzehn Tage lang in unserer Londoner Wohnung verschanzt und nebeneinandersitzend unsere Abschlussarbeiten geschrieben. Nach einigen Tagen hatte sich meine Gehirnmasse wie Matsch angefühlt, aber zu zweit geht man leichter durch solch eine intensive Arbeitsphase. Allerdings hatte ich in jener Zeit keinen Studentenjob und mehr Unterstützung seitens der Uni. Außerdem war das Thema, nämlich wie die Debatte um das schottische Unabhängigkeitsreferendum 2012 in den britischen Medien dargestellt wurde, wirklich interessant gewesen. Jetzt saß ich allein in meiner zwar geliebten, aber einsamen Altbauwohnung mit dreißig bis vierzig Stunden Arbeit pro Woche und einem Thema, das sich mir nicht erschloss.

Bevor ich es wirklich wahrnahm, liefen mir Tränen über das Gesicht, und ich schluchzte. Aber es war mehr als ein bloßer Tränenausbruch. Mit meinen erdrückenden Gedanken hatte ich mich in etwas hineingesteigert, das alle Muskeln in meinem Körper sich zusammenziehen ließ und mich zum Zittern brachte. Ich kauerte in der Position eines Babys im Mutterleib in meinem Bett und fühlte mich wie im Wahn. Ich werde es niemals schaffen, die Masterarbeit zu schreiben. Ich bin einfach nicht schlau genug und viel zu faul. Mein Kopf hatte eine Gedankenspirale begonnen, aus der ich nicht mehr herauskam. Beim Abgabetermin werde ich mit leeren Händen dastehen – meine Professoren, meine Eltern, meine Freunde, alle werden enttäuscht von mir sein. Wie lange ich meinen Studentenjob wohl noch behalten kann? So unbelastbar, wie ich im Moment bin, sicherlich nicht lang. Und danach wird mich niemand mehr einstellen. Normales Atmen fiel mir zusehends schwerer, so angespannt, wie mein Körper war, also begann ich immer stärker zu hyperventilieren. Mir war kotzübel, was nicht am Aperol, sondern vielmehr an meinem krampfenden Magen lag. Mein Leben geht gerade den Bach herunter. Dieser ganze Karriereweg, den ich bis hierher gegangen bin, ist nichts wert und völlig sinnlos gewesen. Im Endeffekt werde ich nämlich sowieso scheitern, das sieht man jetzt doch. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich …

Ich sah mein Handy aufblinken. Eine Nachricht von William.

»Was machst du noch? Schon im Bett?«

Mit zitternden Händen und der wenigen Kraft, die mir noch geblieben war, tippte ich: »Ich liege gerade im Bett und kann einfach nicht mehr.« Es dauerte nur ein paar Sekunden, da rief William an.

»Sarah, was ist los? Was heißt das – du kannst nicht mehr?« Er wusste natürlich genau, was das hieß, aber niemand nimmt so einen Satz einfach hin, ohne nachzuhaken. Ich brachte kaum ein Wort zustande; stattdessen schluchzte und hyperventilierte ich William über das Handy an. Es brauchte einige Zeit und viel gutes Zureden seinerseits, bis mein Körper sich endlich beruhigte und die Anspannung von mir abfiel. Es ging dabei weniger darum, was er sagte, obwohl er natürlich alles versuchte, um meine Überforderung mit Uni und Arbeit (und diesem komplexen Ding namens »Leben«) zu rationalisieren, damit ich besser damit umgehen konnte. Vielmehr war ich dankbar dafür, dass er für mich da war – dass er von sich aus angerufen hatte, denn ich selbst hätte die Kraft nicht aufgebracht, zumal ich niemandem mit meiner Heulerei zur Last fallen wollte.

Ich empfand mich oft als Belastung für andere. Es war eine Grundannahme, die vor allem in meinen depressiven Phasen bis in die kleinsten Lebensbereiche drang und mich lähmte. Ich bin eine schwere finanzielle Belastung für meine Eltern, weil sie mich im Studium so sehr unterstützen, war eine meiner Grundannahmen. Jemanden anzurufen, wenn es mir schlecht geht, ist einfach nur egoistisch. Ich sollte nicht die Zeit von anderen verschwenden und mir selbst helfen, war eine andere. In vielen Momenten fühlte ich mich so unwillkommen auf dieser Welt, als ein solcher Störfaktor, der nur das Gleichgewicht aller Menschen durcheinanderbrachte, dass ich am liebsten verschwinden wollte. Ohne mich würde es eh allen viel besser gehen, huschte mir in diesen dunklen Tagen ständig durch den Kopf. Und die Worte erschienen mir immer wahrer.

GEFANGEN INDER ABWÄRTSSPIRALE

Der Kummer, der nicht spricht,nagt leise am Herzen,bis es bricht.

WILLIAM SHAKESPEARE,MACBETH

Am nächsten Tag ging ich nicht zur Arbeit, sondern meldete mich krank. Die Nachwirkungen der Panikattacke saßen mir in den Gliedern: Ich hatte Muskelkater über den Bauch bis in den Nacken hinein und fühlte mich nach der Anstrengung des letzten Abends noch träger, als ich es durch die Depressionen ohnehin schon tat.

Migräne war der Grund, den ich einige Male genannt hatte, um eine eintägige Krankheit rechtfertigen zu können. In Wahrheit war ich zu depressiv, um mich zu duschen, mich anzuziehen oder gar die Wohnung zu verlassen – und in Kombination waren diese Anforderungen schier unmöglich. Aber welcher Arbeitgeber würde das als Krankheitsgrund akzeptieren? Außerdem war es mir überaus peinlich zuzugeben, in welch elendem Zustand ich war. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Es fühlte sich immer ein wenig so an, als würde ich blaumachen, wenn ich wegen meiner Depression nicht zur Arbeit ging. Immerhin war ich ja nicht »richtig krank«, sagte ich mir – ich hatte kein Fieber oder etwas anderes, Greifbares. Aber ich war auch nicht arbeitsfähig.