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Gisela Weiß

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Beschreibung

"Die Türen zur Fülle des Lebens lassen sich immer nur zu dir selbst hin öffnen." Wer aufbricht, muss entscheiden, welche Dinge er mitnehmen und welche er zurücklassen möchte. Vieles wird gesichtet. Vergessene Ängste und alte Verletzungen kommen zu Tage. Manch unerwarteter Schatz wird geborgen. Mal luftig-beschwingt, mal düster-melancholisch erzählt die Autorin von unserer Suche nach der eigenen Wahrheit. Es sind die kleinen Geschichten des Lebens, die uns tief berühren, weil sie uns alle angehen.

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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Gisela Weiß

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Aufbruch

Gisela Weiß

Aufbruch

Gedichte und Kurzgeschichten

Autor: Weiß, Gisela

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

Zweite, verbesserte Ausgabe

978-3-7345-5828-3 (Paperback)

978-3-7345-5829-0 (Hardcover)

978-3-7345-5830-6 (e-Book)

Copyright © 2016 Gisela Weiß

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Sterbende Bäume

Mathilde

Sag's mir

An den Mond

Mein Bruder mein

Bitte, berühre mich

Endlich leben

Nichts

Sehnsucht

Das Schränklein

Oh Mutter, liebe Mutter

Die wunderbare Verwandlung

Pippi

Schlaf mein Kindlein

Der Geburtstag oder Der letzte Gast

Kopftanz

Hört ihr mein Weinen in der Nacht

Die Tür

Vielfalt

Ode an die Hüfte

Der Himmelsstürmer

Der Eisvogel

Die alte Witwe

Sie trägt

Ein Leichtes

Heute oder Des Menschen Wille ist sein Himmelreich

Herzinstrument

Was ich will

Danke

Das Leben

Ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.

Rainer Maria Rilke, Briefe 1903

Sterbende Bäume

Ein junger Wind zieht durch den Wald

und sieht Gewächs aus morschem Holz.

Verlassen, hässlich, stumm und kalt

stehen ihre alten Körper da

und die morschen Greisenhände

lassen sie gen Himmel streben,

so als suchten sie in diesem Schwarz

noch nach Licht und Leben.

Doch gnadenlos erstickt der Himmel sie

mit seinem dunklen Tuch.

Und andächtig verstummt der Wind,

er lauscht dem unsichtbaren Fluch,

der flüstert, dass Leben Leben weichen muss.

Und alleingelassen bleiben sie,

bleiben still und unbewegt

und ertragen ihre Leiden.

Mathilde

Vor nicht allzu langer Zeit lebte eine Spinne namens Mathilde. Mathilde hatte einen schönen schwarzen Körper mit herrlich behaarten Beinen, sechs an der Zahl. Sie war eine geübte Jägerin, wusste sich in ihrem Spinnennetz ruhig auf die Lauer zu legen und wenn ein Insekt sich in ihrem Netz verfing, so sprang sie blitzschnell hervor, spann ihr Opfer in Windeseile ein und stach dann zu. Als ihr Revier zu klein wurde, ging Mathilde auf Reisen. Sie kam in eine große Stadt und richtete sich in einem Keller eines großen Hauses wohnlich ein.

Das erste Mal in ihrem Leben traf sie auf Artgenossen: alle mit schönen dicken glänzenden Körpern und wunderschönen langen Beinen mit kräftigen tiefschwarzen Borsten. Aber ihre Artgenossen wirkten irgendwie bedrückt und niedergeschlagen. Zuerst traute Mathilde sich nicht, schließlich war sie ja neu in der Kolonie, aber dann fasste sie sich doch ein Herz:

»Warum seid ihr so traurig?«, fragte sie eine alte Spinne, die behäbig neben ihr in ihrem Netz hing.

»Ja, weißt du denn nicht, was die Menschen von uns denken?«, fragte die alte Spinne zurück.

»Nein«, antwortete Mathilde, »bitte, erzähle es mir.«

Die alte Spinne seufzte und erzählte Mathilde dann die Geschichte, die sie von ihrer Mutter und diese wiederum von deren Mutter usw. erzählt bekommen hatte:

»Als die Spinnen auf die Menschen trafen, da erschraken die Spinnen, weil die Menschen so ekelig und abstoßend aussahen. Nur zwei Beine hatten diese und die waren auch noch unbehaart. Der Körper war viel zu lang und es hingen da auch noch zwei unförmige Teile daran. Diese nannten die Menschen 'Arme'. Es war wie ein Schock für die Spinnen und sie fielen in eine tiefe Starre. Ob die Menschen das auch fühlten, das konnte niemand beantworten. Tatsache war, dass eine Mauer zwischen beiden entstand und dass die Spinnen diese Trennung als sehr schmerzhaft empfanden. Es trat eine große Leere im Spinnenvolk ein, sie fühlten sich trotz der Artgenossen einsam und alleine und die Trennung von den Menschen führte auch zur Trennung unter den Spinnen selbst. Jede beäugte misstrauisch die andere, ob sie nicht schuld daran sei, dass die Spinnen von den Menschen getrennt sind und so kam es zum Stillstand im Spinnenvolk selbst. Es fand kein Austausch mehr statt, man sprach nur das Nötigste miteinander, niemand lachte und scherzte. Es war eine traurige Welt«, sagte die alte Spinne.

»War?«, fragte Mathilde.

»Ja«, sagte die alte Spinne, »wir reden jetzt wieder miteinander, wir lachen und tanzen zusammen, wir helfen einander und sind füreinander da.«

»Aber warum seid ihr denn dann noch so traurig?«, fragte Mathilde erstaunt.

»Weißt du«, antwortete die alte Spinne, »wir sind so traurig, weil wir bis heute die Herzen der Menschen nicht gewinnen konnten. Das bereitet uns diesen Schmerz. Weil wir einmal so töricht waren, die Menschen hässlich zu finden, nur weil sie anders aussehen als wir und«, fügte sie langsam hinzu, »weil uns die Menschen dies bis zum heutigen Tage nicht verziehen haben.«

Sag's mir

Sag mir, wohin die Vögel zieh'n,

im Herbst, wenn die Winde weh'n.

Sag's mir.

Nach Süden?

Dort, wo ewig Blumen blüh'n?

Wo Schönheit niemals stirbt?

Wo Sterne niemals untergeh'n?

Und Wahrheit ewig wirkt?

Sag mir, wohin die Vögel zieh'n,

im Herbst, wenn die Blätter flieh'n.

Sag's mir.

Nach Süden?

Dort, wo wundervolle Bäume steh'n?

Wo Liebe ewig wirbt?

Wo Freundschaft niemals kann vergeh'n?

Und niemand jemals stirbt?

Sag mir, wohin die Vögel zieh'n,

im Herbst, wenn die Wolken geh'n.

Sag's mir.

Nach Süden?

Dort, wo bunte Wiesen blüh'n?

Wo Hoffnung ewig quillt?

Wo Freiheit, Gunst und Glaube blüh'n?

Und jeder Durst gestillt?

Wie gerne würd' ich mit euch zieh'n.

Und kann doch, ach, nicht mit euch flieh'n.

Bin leider nur als Mensch gebaut.

Mein Körper ziert kein Federkleid

und keine Flügel weit und breit.

Gefangen in des Menschen Haut,

voll Fülle schwer, verirrt im Schein,

kann ich nur staunend lauschend schau'n,

wie ihre Kraft erblüht im Sein

und sie sich selbst und Gott vertrau'n.

Voll Sehnsucht schau ich ihnen nach,

mir wird's ganz finster drinnen.

Zu meinem großen Ungemach

begrenzen mich die eignen Zinnen.

Der Himmel trägt sie hell und klar

ins ferne Paradies.

Ich hör noch weit die Flügelschar.

Mir bleibt nur mein Verlies.

Sag mir, wohin die Vögel zieh'n,

im Herbst, wenn Blumen all verblüh'n.

Sag's mir, damit die Ängste flieh'n.

An den Mond

Du Mond, du wunderbarer,

wie tröstlich spendest du mir Licht.

Wie gütig und wie mild und leise

zeigst du mir heut dein Angesicht.

So rund, so voll, so klar und rein,

mein Herz, es will mir springen.

Wie schön am Firmament dein Sein,

die Nacht, sie muss gelingen!

Wie herrlich und wie leuchtend leicht

blickst gütig du hernieder.

Erhellst mir hier auf deine Weis'

ganz still die Menschenglieder.

Erhellst den Weg mir, lässt nicht zu,

dass ich mich fürcht' auf Erden.

Bist Licht mir hier, schaust sanft mir zu,

ich mag ganz stille werden.

So herrlich klar und weit und leise

stehst du am Himmel schlicht ganz da.

Ganz still und ruhig ich dich preise

und schau auf dich, wie wunderbar.

Manch einer sagt, genau genommen,

hast du dein Licht doch nur bekommen,

sei deine eigne Gabe nicht,

sei Abglanz nur, geborgen schlicht

vom größ'rem hell'rem leuchtend Licht,

das gleißend glühend brennt am Tage,

so grell, so stark, so hell und dicht,

dass ich mein Aug' nicht richten wage

zu schauen in ihr Antlitz heiß,

zu stark ist sie, zu hoch der Preis.

Wie wunderlich ist diese Sonne,

ihr Licht, obgleich die größte Wonne,

der Lebensquell für alle Wesen,

der Born, an dem wir stets genesen,

doch Licht, das uns den Blick versperrt,

ihr Licht sie nie direkt gewährt.

Niemand ihr je ins Aug' geschaut,

verbirgt sie sich wie eine Braut.

Obgleich im Raum ist sie nicht da,

so tödlich schön, wie sonderbar.

Nur du, du lieber guter Mond,

schenkst gütig lächelnd mir dein Licht,

erlaubst mir sanft und mild und leise

zu schauen in dein Angesicht.

Dein Antlitz ist mir nie versperrt,

was mir die Sonne stets verwehrt,

ihr Licht mir indirekt nur leuchtet.

So huld'ge ich dein goldnes Schwert,

das du mir freundlich lächelnd schenkst

und mich mit Güte nur bedenkst.

In Dankbarkeit schau ich dir zu,

in dir ich finde meine Ruh.

Die Sonne hell am Tage scheint,

ihr Feuerrund mich aber blendet.

Dein Nachtlicht mich mit mir vereint

und Klarheit es mir gütig spendet.

Verstrickt in Eitelkeit und Dummheit,

umgarnt von Hass und Neid und Gier,

lässt du nicht zu, dass meine Torheit

vergessen lässt die Schönheit hier.

Kein Richterspruch, kein Spott, kein Hohn,

schaust nicht herab vom hohen Thron,

erhebst mich hoch, ohne Belehrung,

bist sanft und leis' und voll Verehrung

verbeug ich mich vor deiner Güte

und bitte dich, so Gott behüte,

gewähr mir stets dein glänzend Licht,

dass mir auf Erden nichts gebricht.

Doch nun ganz still und voller Demut

gedenk ich deiner sanften Großmut.

Ganz still wird's mir im Herzen mein,

möcht' einfach nur ganz bei dir sein.

Mein Bruder mein

Ich hatte einen Bruder,

er war mein Bruder mein.

Er ist schon früh gestorben,

er konnt' hier nicht mehr sein.

Er schritt ins neue Leben,

die Not hier war zu groß.

Brach ab das irdisch Streben,

ging heim in Gottes Schoß.

Er war ein schöner Jüngling,

gewachsen wohl und stark,

und doch litt er am Leben

so unsagbar, so arg.

Mit allem war er reich gesegnet,

das Herz war weich, der Geist war klar.

Er hatte Arme, Hände, Beine

und Kopf und Fuß und Haut und Haar.

An nichts hat's ihm gefehlet

zum Leben hier und jetzt,

und hat sich doch so unendlich gequälet,

am End' sich fürchterlich verletzt.

Er glaubte, er hätte einen Makel,

der sei so riesengroß,

dass er beenden müsse das Debakel,

die Welt befrei'n von seinem Los.

Zu Anfang er noch gar nichts merkte,

die Welt in Ordnung für ihn war.

Wie schlimm als er entdeckte,

dass er anders als die andern war.

Nun hört, ihr lieben Leute,

was nun sein Makel war,

was ihn so arg gereute:

Es wuchs ihm grünes Haar.

Als er geboren wurde,

da wuchs es ihm noch blond.

Doch als er älter wurde,

da hat es sich besonnt.

Im zarten Jünglingsalter,

da färbte es sich grün.

Es war, als wollt' der Spalter

mit Schande ihn besprüh'n.

In ihm war eine Ahnung,

dass dies nichts Gutes sei.

Er reimte sich's zusammen

aus all dem Allerlei,

das er zu Hause hörte,

was gut sei und was schlecht.

Er liebt doch seine Eltern,

will's machen ihnen recht.

Viel wurd' zu Haus erzählet

vom Leben und vom Tod,

dass der Mensch auf Erden sich nur quälet,

wenn er lebt ohne Gottes Gnad' und Brot.

Viel wurd' von der Liebe Gottes,

dem lieben Gott erzählt.

Doch war der ein schrecklich Richter,

der für sich nur die Seinigen wählt.

Gott habe den Menschen aus Liebe

mit freiem Willen bedacht,

doch wird die Gnadentüre

nach des Menschen Tode zugemacht.

Wenn der Mensch sich nicht Gott erwählet,

solange er wandelt im irdischen Kleid,

ist das ew’ge Leben auf immer verfehlet,

ist vorbei die gnadenreiche Zeit.

Der Mensch kann zwar leben nach eigenen Sinnen,

doch muss er die Folgen tragen,

er kann dem Teufel nicht entrinnen,

wenn er lebt nach eigenem Wagen.

Es wurd' nicht ausgesprochen,

doch eines war ihm klar:

Nur der, der was verbrochen,

der hatte grünes Haar.

Wie schlimm als er bemerkte,

was da mit ihm geschah.

Und niemand, der ihn stärkte,

der seine Sorgen sah.

Bang stellt' sich ihm die Frage,

was Gott denn von ihm hält.

Doch niemand, der ihm sagte,

was für Gott nun wirklich zählt.

Wie drängt es das Kind zu fragen,

zu verstehen das Gottes Wort.

Doch bekommt es nur zu sagen:

Der Verstand sei nicht der richt'ge Ort.

So bleibt's mit den Fragen alleine,

die quälend im Kopfe ihm schwirr'n.

Es bleibt viel Ungereimtes,

es sollt' ihn am Ende verwirr'n.

Der Jüngling noch mehr sich quälte,

was der Gott denn von ihm hält.

Die Angst ihn fürchterlich beseelte,

dass er Gottes Gesetze verfehlt.

Er wollte es nicht haben,

er schnitt sich's einfach ab.

Und brach auf diese Weise

nur selbst den ersten Stab.

Doch die Natur war stärker,

es wuchs ihm einfach nach.

Er wusste nicht mehr weiter,

was da in ihm aufbrach.

Er versteckt' es unter Mützen,

es sollte niemand seh'n.

Er dachte, er könnte sich so schützen,

könnt's machen ungescheh'n.

Doch wurd' es immer kühner,

je älter er wurde, Jahr für Jahr,

das Haar, es wuchs ihm immer grüner,

am End' wusst' er nicht mehr, wie's zu verstecken war.

Und dann geschah das Schlimmste,

er fand Gefallen dran,

allein für sich im Stillen,

sah er's im Spiegel an.

Es war so schön geformet,

so dicht, so weich, so grün.

Dann plagt ihn das Gewissen,

sein Begehren ihm doch zu kühn.

In ihm war eine Stimme,

die flüsterte ihm ein,

dass er's nicht lieben dürfe,

sonst lässt ihn Gott allein.

Doch was, wenn der eigne Körper

eine eigne Sprache spricht?

Und die Angst im Leib so groß wird,

dass ein Gott da sitzt zu Gericht?

Wie groß ist da die innere Not,

wenn die eigne Natur nicht nach Gottes Gebot.

Und im Dunst der eignen Gedanken,

wie mag die Welt da schwanken.

Das Gift seine Seele tränkte,

kein Entrinnen aus dieser Not.

Es brachte ihn um den Verstande,

es führte ihn in den Tod.

Für den Bruder gab's kein Entrinnen,

hatt' sein Gott doch kein Gefallen dran.

Wie einsam sein verzweifelt Ringen,

bis er endlich sich das Leben nahm.

Mein Bruder hat's geglaubet,

so wie er's verstanden hat.

Er ist dabei gestrauchelt,

konnt' nicht schütteln den Wahnsinn ab.

Er hat es nicht gesehen,

er war noch nicht so weit.

Den Gott, den er verstanden,

den gibt's nicht, hier nicht und weit und breit.

Ihr Menschen, ihr werdet es ahnen,

es war nicht das grüne Haar,

das den Bruder trieb in solch schrecklichen Bahnen,

sein Brandmal ein anderes war.

Mein Bruder liebte Männer

mit lockig blondem Haar.

Er reiste bis zum Brenner,

wo's freier zu atmen war.

So glaubte er's zumindest,

ein Trugschluss, den er bald schon sah.

Die Ketten, in die er geschlagen,

die waren auch dort noch da.

Wenn Männer zu Männer sich legen,

so ward's in der Kindheit erzählt,

ist die Menschheit auf ganz schlimmen Wegen.

So hat er sich elendig gequält.

Die Enge hat ihn umgeben,

die Enge war auch in ihm.

So nahm es sich das Leben,

hat sich selbst und Gott nicht verzieh'n.

Es blieben nur zornige Worte,

voller Hass und voll Wut auf die Welt.

Und vor sein liebendes Herze

hat sich Angst und Zorn nur gestellt.

Doch sein Gott, der war der falsche,

ein Trugbild, das er sich erfand.

Aus all den ungefragten Fragen

war Gott zur Schimäre verkannt.

Geblendet vom eigenen Denken,

sein Gott ein Hingespinst nur.

Die Frucht der eigenen Täuschung,

das warf ihn aus der Spur.

Die Seel' hat's ihm zerrissen,

er starb vor seinem Tod.

Er rang mit seinem Gotte,

niemand von uns sah seine Not.

Wir sahen unsren Bruder ertrinken,

wir sahen's und sahen's doch nicht.

Er wusst' nicht um Hilfe zu winken,

es hätt' nichts genutzt, in uns war kein Licht.

Denn auch für uns der Gott nur ein Richter,

der viel Arbeit und Müh' mit uns hat,

der nur gnädig, solang wir atmen,

danach senkt sich kalt sein Henkersblatt.

Doch göttlich Kraft nur Liebe,

geduldig, gütig, klar,

umfasst die ganze Menschheit,

alles was ist, was wird, je war.

Sie umströmt den ganzen Kosmos,

nimmt keinen, niemand aus.

Alles ist ihr willkommen,

die Liebe weist niemand hinaus.

Der Gott, der ist nur Liebe,

der kennt die Liebe nur.

Niemals verteilt er Hiebe,

er ist ja Liebe pur.

Die Liebe kann nur lieben,

die Liebe richtet nicht.

Die Liebe tut nicht sieben,

nicht jetzt und nicht beim Jüngsten Gericht.

Die Hölle ist hier auf Erden,

wenn Menschen verblendet sind.

Wir können ruhig sterben,

wir sind doch der Liebe Kind.

Wir werden nicht eingeteilet,

ew'ge Verdammnis niemandem droht.

Die Liebe nur allen entgegeneilet,

sie verschenkt sich schon hier als unser tägliches Brot.

Befreit vom irdischen Kleide

schreiten wir ein in den kosmischen Schoß,

sind befreit vom menschlichem Leide,

sind angenommen und schauen die Liebe bloß.

Doch höret, das Leben auf Erden

ist kostbar, ist wichtig und gut.

Es braucht nicht aufs Jenseits verschoben zu werden,

der Liebe ist's egal, wo sie die Liebe tut.

Ob im Himmel oder auf Erden,

die Liebe strömt überall.

Sie will nur erwählet werden,

will umrunden den ganzen Erdenball.

Sie will wachsen, gedeihen unbändig,