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Der Zufall führt einen Fuchs, einen Hasen und eine kleine Fee zusammen. Oder ist es Schicksal? Denn das heranwachsende Trio verbindet das gleiche Problem: Ihr unbändiger Drang etwas zu tun, das aber gleichzeitig den Wünschen und Erwartungen ihrer Eltern völlig zuwider läuft. Eine mutige Entscheidung könnte ihr Leben verändern und so macht sich jeder auf seinen Weg - ein Aufbruch mit Folgen. Und die alte, weise Eule mit ihren ganz eigenen Absichten, der der jugendliche Rebell noch im Gefieder sitzt, hat natürlich auch ihre Flügel im Spiel... Ein buntes Abenteuer mit Hühnern und anderen Vögeln, Hunden, Insekten und Menschen. Eine Geschichte über Freundschaft und Vertrauen mit einer gehörigen Portion Magie.
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Seitenzahl: 250
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Für meine Familie,
die immer für mich da ist.
Die Abenteuer beginnen
Die Abenteuer kommen voran
Die Abenteurer spielen Detektiv
Vielen Dank für die Illustrationen an
Die Autorin
In einem großen Wald, den viele dicht an dicht stehende Bäume an manchen Stellen dunkel und geheimnisvoll machten, der aber auch über sonnige Lichtungen und einen weichen, moosigen Boden verfügte, auf welchem sich zu jeder Jahreszeit kleine Blütenmeere unterschiedlichster Farbgebungen tummelten, lebten ein Fuchs, ein Hase und eine kleine Fee. Und sie wurden die allerbesten Freunde.
Halt, Moment, werden die Erwachsenen jetzt sagen, ich höre ihre zweifelnden Stimmen schon in meinen Ohren klingen. Füchse und Hasen sind niemals Freunde und Feen gibt es gar nicht. Füchse fressen nämlich Hasen, und deshalb fürchten die sich vor ihnen und gehen ihnen tunlichst aus dem Weg. Und wenn es tatsächlich Feen im Wald gäbe, hätte irgendeiner beim Wandern oder Radfahren schon mal eine von ihnen gesehen.
Lasst euch nicht beirren, bitte. Erwachsene haben ein Problem, nämlich das, dass sie alles in Schubladen packen und glauben, alles zu wissen und alles erklären zu können. Hasen und Füchse können sehr wohl Freunde sein, nämlich genau dann, wenn jeder den anderen so akzeptiert, wie er eben ist, und ihn erst einmal unvoreingenommen auf sich zukommen lässt. Und Feen, auch die ganz kleinen, zeigen sich niemals den Erwachsenen, sondern nur Kindern, weil die nämlich noch offen sind für alles und ganz viel Fantasie besitzen, und natürlich ganz viele Träume haben.
Also lasst euch nicht beeinflussen und hört euch meine Geschichte an.
Die kleine Fee lebte mit ihren Eltern in einem Häuschen ganz tief im Wald. Seine hölzernen Wände waren von dichtem Efeu überzogen, und über das Dach wucherte das Moos. Ein Marienkäfer und seine Frau mit ihren vielen kleinen Marienkäferkindern waren ebenso Untermieter von der Feenfamilie wie ein Weberknecht mit seinem Anhang und einige mehr, aber es würde zu lange dauern, sie alle aufzuzählen. Nur die dicke Spinne, die ihr großes Netz in der rechten Ecke des Daches hatte, lebte alleine und schien auch ganz zufrieden mit ihrem Dasein.
Im Inneren des Häuschens gab es drei Betten, drei Stühle, einen großen hölzernen Tisch, auf dem allerlei durcheinander lag, Wolle, Bücher, buntes Papier, Kräuter und Wildblumen, und in der Ecke stand eine riesengroße Truhe, in der die Mutter der kleinen Fee alles aufbewahrte, was sie für ihre Zauberkunst so benötigte.
Vor der Haustür standen die alten Bäume und winkten der kleinen Fee fröhlich zu, wenn sie morgens aufstand. Und abends kamen die Vögel, setzten sich auf das Fenstersims und sangen sie in den Schlaf.
Nicht weit weg, allerdings nicht in einem Haus aus Holz und Moos und Stein, sondern in einem Bau, in die Erde gegraben, wohnten der kleine Fuchs und der kleine Hase. Nicht direkt Tür an Tür, schon ein Stück voneinander entfernt, und ihre Eltern lebten ebenfalls dort. Fragt mich nicht, wie es in den Höhlen aussah, ich habe nie einen Fuchs- oder Hasenbau von innen gesehen, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass es da drin auch recht gemütlich ist.
Wie lernten sich die drei Freunde wohl in einem großen Wald kennen, und welche Abenteuer durften sie miteinander erleben, bevor ihre Eltern und Freunde verstanden, dass ein Hase nicht nur ein kleiner ängstlicher Hase sein muss, dass ein Fuchs nicht nur ein Hühnerdieb und ein Räuber ist und dass eine kleine Fee manchmal einfach nicht zaubern mag, sondern hundert andere lustige Dinge im Kopf hat?
Schließt eure Augen, stellt euch den bunten Wald vor und hört mir zu. Ihr sollt alles erfahren.
Fangen wir mit der kleinen Fee an. Die hatte nämlich ein großes Problem. Sie wollte einfach nicht Zaubern lernen, und das war für ihre Eltern ein ganz schönes Ärgernis.
„Was willst du denn dann machen?“, fragte die Mutter und raufte sich vor Verzweiflung die langen braunen Haare. „Du bist eine Fee, und da musst du zaubern können. In meiner Kiste da drüben liegen alle Bücher über Magie, die es überhaupt gibt, ich kann dich alles lehren, was du wissen musst, und es macht so viel Freude, wenn man ein bisschen zaubern kann. Warum nur hast du keine Lust dazu?“
„Ich will lieber in die Stadt zu den Menschen. Oder zumindest in ein Dorf. Ich will die Hühner kennenlernen, die bei ihnen leben und um die sie sich kümmern müssen. Der alte Fuchs läuft öfter hin, das weiß ich, und er würde bestimmt nicht so viele Ausflüge zu den Hühnern machen, wenn es da nicht lustig wäre“, erklärte die kleine Fee und ließ ihre Beine, die in einer grasgrünen Strumpfhose steckten, hin und her baumeln.
Ihre Mutter schüttelte seufzend den Kopf und fragte sich, warum um alles in der Welt ausgerechnet sie eine Tochter haben musste, die nur Unsinn im Kopf hatte, statt sich mit dem zu beschäftigen, was wirklich wichtig war. Nämlich mit dem Zaubern.
„Feen gehen nicht in Dörfer und Städte und nehmen Kontakt zu Erwachsenen auf. Die können dich übrigens überhaupt nicht sehen. Wir zeigen uns nur den Kindern, weil die an uns glauben. Und die Kinder freuen sich, wenn man ein bisschen Feenglitzer streuen kann.“
„Ich hab aber keine Lust zum Lernen“, maulte die kleine Fee, sprang auf und lief nach draußen, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich anstellen wollte.
Ihre Mutter schaute ihr kopfschüttelnd nach, warf dann einen langen Blick in Richtung Truhe und dachte an all die Zauberbücher, die nur darauf warteten, endlich wieder einmal hervorgekramt, abgestaubt und benutzt zu werden.
Ein ähnliches Problem gab es im Hasenbau, wo Vater Hase die Fellstim in hundert kleine Falten zog und seinen Sohn streng anschaute.
„All deine Brüder und Schwestern lieben Karotten und freuen sich, jeden Tag mit Mama und mir auf das Feld zu gehen. Wir pflanzen Karotten, wir gießen und wir ernten Karotten, und dann essen wir sie natürlich auf. Nur du machst jedes Mal ein Gesicht, wenn es los geht.“
Der kleine Hase stampfte mit seinem Hinterlauf auf.
„Ich will aber nicht auf das Feld. Das ist langweilig. Und ich will auch mal was anderes essen. Außerdem will ich Zaubern lernen. Das ist spannend!“
Nelly, 8 Jahre
Vater Hase schüttelte den Kopf und schenkte sich zur Stärkung erst mal einen Möhrensaft ein.
„Was soll denn der Unsinn? Du bist ein Hase und kein Zauberer! Wie kommst du nur auf solche Ideen!“
„Die alte Eule, die alles weiß und jeden kennt, hat es mir neulich erzählt“, gestand das kleine graue Fellknäuel, und seine Augen leuchteten. „Hasen treten sogar mit Magiern vor Publikum auf, kommen aus großen Hüten und lernen viele andere Sachen. Ich will ein Zauberhase werden. Mit Karotten hab ich nichts am Hut.“
Vater Hase hielt sich die langen Ohren zu und schüttelte so lange seinen Kopf, bis ihm fast schwindlig davon wurde.
Er musste ein dringendes Gespräch mit der alten Eule führen. Sie durfte seinem Sohn nicht solche verrückte Ideen in den Kopf setzen.
Der Sohn indessen huschte einfach durch den Gang aus dem Kaninchenbau nach draußen, ohne genau zu wissen, was er eigentlich anstellen wollte.
Glaubt ihr etwa, bei den Füchsen ginge es entspannter zu? Weit gefehlt! Auch im Fuchsbau hing der Haus- oder soll ich besser sagen der Bausegen schief, weil der kleine Fuchs beleidigt in der Ecke saß und schmollte.
Seine Eltern betrachteten ihren Sohn kopfschüttelnd, und auch sie fragten sich seufzend, warum ausgerechnet ihr Sprössling so aus der Art schlug.
„Zum allerletzten Mal“, grollte Vater Fuchs und schnappte sich einen braunen Leinensack vom Haken an der Wand. „Wir gehen jetzt in das Dorf mit den Hühnern, und ich lehre dich alles, was du über sie wissen musst und was man mit ihnen macht. Du bist ein Fuchs, du musst das wissen.“
„Nein“, widersprach das kleine rote Knäuel und rührte sich keinen Millimeter aus seiner Schmollecke heraus.
„Hühner interessieren mich nicht. Ich will einen Acker bepflanzen. Mit vielen, vielen Karotten und ihnen beim Wachsen zusehen. Schon ihre Farbe ist so wunderschön, fast so rot wie unser Fell. Ich will ein Karottenbauer werden.“
Vater Fuchs stöhnte und setzte sich an den Tisch, wo er seinen pelzigen Kopf in seine pelzigen Pfoten stützte und seiner Frau einen langen, verzweifelten Blick zuwarf.
„Hast du ihm diesen Unsinn eingeredet? Woher hat er bloß soviel dummes Zeug? Er ist ein Fuchs und muss zu den Hühnern und damit basta.“
„Ich will aber keine Hühner, ich will Karotten anbauen!“, fauchte der kleine Fuchs, so laut er eben in seinem Alter schon fauchen konnte, und huschte an seinen verdutzten Eltern vorbei aus dem Bau in den großen Wald, ohne genau zu wissen, was er eigentlich anstellen wollte.
Die kleine Fee war indessen ein bisschen auf dem moosigen Boden zwischen den kleinen Blumen und den verschiedenen Gräsern herumgelaufen und setzte sich schließlich auf eine Lichtung. Sie stützte den Kopf in ihre Hände und tat einen ganz tiefen Feenseufzer.
Was war denn so schlimm daran, dass sie im Moment keine Lust hatte, Zaubern zu lernen?
Sie nahm sich ganz fest vor, einen Weg in das nächste Dorf zu finden und sich einmal gründlich bei den Hühnern umzusehen, die so spannend sein mussten, dass der alte Fuchs ständig hinlief, um sie aus der Nähe zu betrachten.
Also erhob sie sich, klopfte Gras und Erde von ihrem Feenkleidchen und beschloss, erst einmal die alte Eule nach dem Weg zu fragen, denn die war weise und wusste einfach alles. Der kleine Hase indessen hockte mürrisch auf einem Stein am Wegrand und grollte vor sich hin.
War es denn so schlimm, dass er im Moment keine Karotten anbauen, gießen und essen wollte? Das hatte doch noch Zeit, wenn er ein ganz alter, langweiliger Hase geworden war, dem nichts Besseres mehr einfiel, als sich mit irgendwelchem Gemüse zu beschäftigen. Also erhob er sich, strich sich über sein graues Hasenfell und beschloss, erst einmal die alte Eule zu fragen, wo und bei wem man denn Zaubern lernen könne, denn sie war weise und wusste einfach alles.
Der kleine Fuchs hatte den Weg zu einem fröhlich plätschernden Bach gefunden, setzte sich ans Ufer und ließ die Fuchsbeine ins Wasser baumeln.
Was war denn so schlimm daran, dass er nicht mit zu den Hühnern ins Dorf wollte? Da gab es nichts, was ihn interessierte. Er hatte mal gehört, sie würden den ganzen Tag im Boden scharren, in der Sonne sitzen und vor sich hinglucken. Das war langweilig. Er wollte ein richtiges Feld umgraben, kleine Pflanzen setzen und sie jeden Tag gießen, damit sie schön wachsen konnten und die tolle rote Farbe bekamen, die seinem Pelz so ähnlich war. Also zog er die Füße aus dem Wasser, schüttelte sich einmal kräftig und beschloss, erst einmal die alte Eule zu fragen, woher er ein Feld bekommen konnte, um Karotten anzubauen, denn sie war weise und wusste einfach alles.
Der Fuchs kletterte einen kleinen Hang hinauf, trat auf einen staubigen Waldweg und reckte sein Gesicht hoch zu den Baumkronen, durch die das Sonnenlicht wie Feenglitzer fiel und kleine, goldene Kreise auf den weichen Boden malte. Er überlegte einmal kurz, in welche Richtung er laufen sollte, entschied sich dann für rechts und trabte los, bis er zu einer Kreuzung kam, wo er sich auf einen Holzstapel fallen ließ und seine weiteren Schritte überdenken wollte.
Indessen war der kleine Hase auch schon eine Weile im Wald unterwegs, er war durch das Unterholz gehoppelt und hatte sich über die boshaften Brennnesseln geärgert, die in sein weiches graues Fell pickten, aber er ließ sich durch nichts aufhalten, weil er unbedingt zu der Eule wollte, damit sie ihm sagen konnte, wer einem Hasen wohl Zauberkunststücke beibringen würde.
Endlich kam er an eine Kreuzung mit einem großen Holzstapel, erblickte den Fuchs und blieb einen Moment verdattert stehen.
Die kleine Fee hatte ihre Lichtung ebenfalls verlassen, stand auf dem weichen Waldboden und überlegte einen Augenblick, ob sie nach rechts oder nach links weitermarschieren sollte. Sie entschied sich für links, lief eine gute Weile auf diesem Weg immer geradeaus, kam an eine Kreuzung und sah zu ihrem grenzenlosen Erstaunen dort auf einem Holzstapel einen Fuchs sitzen und neben dem Stapel im Gras einen Hasen hocken, und beide schauten angestrengt drein und hatten ihre Fellnasen in viele kleine Falten gezogen, als müssten sie über etwas ungeheuer Wichtiges nachdenken.
„Was macht ihr denn hier?“, wollte die kleine Fee wissen und trat näher.
„Nachdenken“, erklärte der kleine Hase.
„Es ist wichtig“, ergänzte der kleine Fuchs.
„Und worüber denkt ihr nach?“
„Wir wollen zur alten Eule. Ich muss unbedingt herausfinden, wie man Zaubern lernen kann. Ich möchte ein ganz großer Zauberer werden“, sagte der kleine Hase und warf sich in seine pelzige Hasenbrust, während seine Augen nur so funkelten.
„Und ich will die Eule fragen, woher ich wohl ein schönes großes Feld bekommen kann.“ Der Fuchs reckte sein Fuchsnäschen in den Himmel und fügte dann erklärend hinzu, er könne sich nichts Schöneres vorstellen, als einen Acker zu bestellen und schöne rote Karotten zu ernten.
Die kleine Fee fing an zu lachen, bis ihr fast der Bauch wehtat, dann hockte sie sich ebenfalls auf den Holzstapel und warf ihre langen seidigen Haare hin und her.
„Das ist ja lustig“, ließ sie sich vernehmen. „Ich habe gerade einen Riesenärger mit meiner Mutter, weil sie mir unbedingt das Zaubern beibringen will und ich keine Lust dazu habe. Feen müssen so etwas können, predigt sie mir andauernd. Ich will aber nicht. Ich möchte lieber in das Dorf zu den Hühnern.“
„Was du nicht sagst.“ Jetzt war der kleine Fuchs ganz baff.
„Wie kann man nicht Zaubern lernen wollen!“, rief der kleine Hase verständnislos und schüttelte den Kopf mit den langen Ohren hin und her. „Zaubern ist das Größte!“
„Vielleicht mag meine Mutter dir ja alles über Magie beibringen“, überlegte die kleine Fee und zog die Stirn in Falten, als müsse sie selbst angestrengt über ihre spontane Idee nachdenken. „Wir können sie einfach fragen, ich hab jedenfalls keine Lust dazu.“
Da sprang der kleine Hase auf seine Füße und hoppelte vor lauter Freude um den Holzstapel herum. Der Fuchs erhob sich ebenfalls.
„Und ich werde dich zu meinem Vater bringen“, erklärte er großmütig und klopfte sich ein paar Holzsplitter aus seinem rotbraunen Fell. „Der will mich dauernd zu den Hühnern schleppen, aber ohne mich. Ich will nur mein Karottenfeld, aber er versteht es nicht. Wenn er dich mitnehmen kann, ist er vielleicht zufrieden und ich kann tun, was mir gefällt.“
„Das wäre ja großartig“, strahlte die kleine Fee wie die helle Sonne.
Der Hase warf dem Fuchs einen Blick zu und zwinkerte. „Komm mit zu meiner Familie“, ließ er sich mit ernster Miene vernehmen. „Die haben da nichts anderes als Karotten im Kopf. Bestimmt sind sie froh, wenn sich noch jemand dafür interessiert und ich hab endlich meine Ruhe.“
Neele, 9 Jahre
„Mann“, holte der kleine Fuchs die Worte ganz tief aus seinem Herzen. „Das ist ja wunderbar. Ich könnte dich auffressen vor lauter Glück.“
Tat er dann aber doch nicht.
Die Fee, der Fuchs und der Hase kamen zu der Überzeugung, dass sie die alte Eule gar nicht aus ihrem Schlaf reißen mussten und sie womöglich noch verärgert sein würde über die Störung.
Eulen lieben nämlich die Dämmerung und werden da erst richtig munter, wenn die anderen Tiere in ihre Höhlen kriechen und sich auf die Nacht vorbereiten. Am Tage ruhen sie aus, und niemand lässt sich gern aus einem schönen Schläfchen reißen.
„Es kann so einfach sein“, strahlte die kleine Fee zufrieden. „Der Hase kommt mit zu mir und lernt bei meiner Mutter Zaubern.“
„Du gehst mit meinem Vater zu den Hühnern“, warf der Fuchs froh in die Runde. „Wir machen uns am besten gleich auf den Weg.“
„Und ich bringe dich zum Hasenbau, damit dir meine Familie zeigen kann, wie man so ein blödes Karottenfeld anbaut“, ergänzte der Hase und stupste den Fuchs kameradschaftlich ins Fell.
Hört sich alles ganz einfach an, oder?
So einfach war es aber leider nicht.
Nachdem sie eine Weile so einträglich nebeneinander über den Erdboden geschlendert waren und sich immer aufs Neue beteuerten, wie wunderbar ihre Idee doch war und dass jetzt endlich alle Eltern zufrieden sein konnten, kamen sie zunächst bei dem kleinen Häuschen an, in dem die kleine Fee mit ihrer Mutter und ihrem Vater lebte.
Die beiden saßen auf einer Bank vor der hölzernen Eingangstür und machten sehr betrübte Gesichter, denn sie vermissten die kleine Fee schon eine ganze Weile und sorgten sich sehr um sie.
Als sie plötzlich strahlend vor ihnen stand, waren sie zunächst auch sehr froh.
Die kleine Fee hauchte jedem einen flüchtigen Kuss auf die Wange und fing sofort an zu plappern.
„Du brauchst dir keine Gedanken mehr wegen der Zauberei zu machen, Mutter. Mich interessiert sie einfach nicht, aber ich habe einen Freund mitgebracht, einen Hasen, der möchte unbedingt ein großer Zauberhase werden. Er kann sofort anfangen, wenn du magst, er ist ganz wild auf all die Bücher und die Sprüche und so.“
Die Feenmutter wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, und weil ihr vor lauter Erstaunen nichts Gescheites einfiel, was sie sagen konnte, stand sie nur stumm da und schaute von der kleinen Fee zum Fuchs und zum Hasen und wieder zurück.
„Ich werde fleißig lernen“, versprach der kleine Hase, und seine Augen strahlten wie Sterne. Die Fee ging schließlich vor dem Fellknäuel auf die Knie und tätschelte behutsam seinen Kopf.
„Das geht aber nicht, verstehst du? Nur Feen dürfen zaubern, Hasen leben in einem Bau in der Erde und beschäftigen sich mit Karotten. So ist das schon immer gewesen, und was schon immer so gewesen ist, kann so schlecht nicht sein, sonst hätte es nicht so lange angedauert. Es tut mir leid. Nun lauf nach Hause, deine Eltern machen sich bestimmt auch schon Sorgen.“
Da fing der kleine Hase ein lautes Protestgeheul an, das im ganzen Wald zu hören war und die anderen Tiere von ihren Tätigkeiten aufschreckte. Er stampfte ordentlich mit seinem Fuß auf, machte endlich kehrt und hoppelte so schnell er konnte durch das Unterholz davon.
Die kleine Fee war sehr enttäuscht und sehr böse auf ihre Mutter, weil sie dem kleinen Hasen seinen sehnlichsten Wunsch nicht erfüllen wollte, und anstatt nun endlich zuhause zu bleiben, lief sie dem Hasen schnurstracks hinterher, und der kleine Fuchs folgte ihr.
Die Mutter und der Vater riefen und riefen, aber die kleine Fee war so wütend, dass sie sich noch nicht einmal mehr nach ihnen umdrehte.
Nach einer ganzen Weile und völlig außer Atem machten die drei Freunde auf einer Lichtung Halt und schauten einander fragend an.
„Und jetzt?“, ergriff die kleine Fee schließlich das Wort. „Was machen wir jetzt? Mit meiner Mutter ist ja nicht zu reden. Nie hätte ich sie für so stur gehalten.“
„Versuchen wir es doch bei meinen Eltern. Vielleicht haben wir da mehr Glück“, schlug der kleine Fuchs vor und hoffte inständig, es möge sich auch so verhalten.
Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen, und wenig später fanden sie sich vor einem Bau wieder, dessen Eingang von Blätterhaufen und Tannenzweigen gut versteckt in einer Böschung lag.
Der kleine Fuchs huschte hinein und kam kurz darauf mit seinem Vater wieder heraus.
„Darf ich dir die kleine Fee vorstellen“, sprudelte er sofort los und in seinem Eifer fiel ihm überhaupt nicht auf, wie sich auf der Stirn von Vater Fuchs zwei steile Falten bildeten, die bestimmt nichts Gutes verhießen.
„Sie will unbedingt mit dir zu den Hühnern gehen. Da freust du dich doch sicher. Mich interessiert es nun mal nicht, aber sie ist ganz verrückt auf einen Besuch dort. Da könnt ihr zusammen hin marschieren und ich kümmere mich in der Zeit um das, was mir gefällt.“
Vater Fuchs schaute von seinem Sohn zu dessen Freunden und wieder zurück und wusste nicht, ob ihn die drei nur zum Besten halten wollten oder es tatsächlich ernst meinten.
Als er aber in die funkelnden Augen der kleinen Fee schaute, schüttelte er seufzend den Kopf und hätte am liebsten so laut aufgeheult, dass es durch den ganzen Wald gedrungen wäre.
„Was hast du nur für Unsinn im Kopf“, schalt er stattdessen und zog seinen Sohn an den rotbraunen Ohren.
„Ich möchte wirklich schrecklich gern mit zu den Hühnern“, ließ sich die kleine Fee eifrig vernehmen und hoffte, Vater Fuchs würde milder gestimmt werden, wenn sie ihr schönstes Lächeln zeigte.
Der aber hockte sich vor der kleinen Fee hin und schob seine Pfote unter ihr Kinn, damit sie ihm direkt in die Augen sehen musste.
„Was habt ihr euch da nur ausgedacht. Kleine Feen haben nichts im Dorf und bei den Hühnern verloren, sie lernen Zaubern und beschützen mit ihrer Magie die Tiere und Pflanzen im Wald. Das war schon immer so, und was schon immer so war, kann so verkehrt nicht sein. Jetzt geh nach Hause zu deiner Hütte und mein feiner Herr Sohn wird sich morgen einen Leinensack schnappen und alles lernen, was ein Fuchs so lernen muss und damit Schluss. Ihr Kinder habt wirklich unmögliche Vorstellungen.“
Da fing die Fee ein lautes Protestgeheul an, raffte ihr schönes rosafarbenes Kleidchen mit den vielen silbernen Sternen zusammen und rannte durch das Unterholz davon, so schnell sie konnte.
Der kleine Fuchs war mächtig enttäuscht von seinem uneinsichtigen Vater, überlegte nicht lange und hechtete ihr hinterher, und auch der kleine Hase hoppelte davon, so schnell er konnte.
„Ich weiß nicht, ob es bei meinen Eltern besser läuft“, keuchte das kleine graue Fellbündel, als sie endlich wieder anhielten, um nach Luft zu schnappen. „Aber einen Versuch ist es allemal wert.“
Und so trabten sie nebeneinander zum Hasenbau, ein bisschen traurig, weil die Feenmutter und der alte Fuchs so uneinsichtig gewesen waren und drückten alle Daumen und Pfoten, damit es diesmal besser laufen sollte.
Lief es aber nicht. Ganz und gar nicht.
Zuerst einmal fiel die Häsin beim Anblick des Fuchses in Ohnmacht. Vater Hase legte sie vorsichtig im Gras ab und schaute seinen Sprössling so streng an, wie er ihn noch nie streng angeschaut hatte.
„Bist du verrückt geworden“, donnerte er, und seine Stimme hallte ordentlich wider im Wald, obwohl er eigentlich nur ein kleiner Hasenvater war.
„Du bringst einen Fuchs mit zum Hasenbau? Bist zu eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Warum bleibst du nicht einfach zuhause und kümmerst dich mit Mutter und mir um die Karotten, so wie es deine Geschwister auch tun. Du bist eine Schande für deine Art!“
Und dabei versuchte er seinen Sohn so böse anzufunkeln, wie es ein Hase eben nur kann.
„Aber darum geht es doch gerade“, ließ sich der kleine Hase nicht gleich einschüchtem. „Dieser Fuchs ist ein Freund. Er möchte ein Karottenfeld bebauen und braucht dafür eure Hilfe. Ihr könnt ihm doch alles beibringen, was er wissen muss.“
„Ich werde mich geschickt anstellen“, versprach der kleine Fuchs und nickte zur Bekräftigung seiner Worte eifrig mit dem Kopf. „Und mir ist auch keine Arbeit zu viel .Ich mache alles, Hauptsache, ich kann Karotten anbauen und ernten.“
Vater Hase schaute von seinem Sohn zu seinen Freunden und wieder zurück und überlegte für einen Moment, ob er vielleicht eingeschlafen war und ihn nur ein dummer Traum narrte.
Er zwickte sich ins Fell, wachte nicht auf und wusste in dem Moment, dieser Unsinn hier war echt.
Inzwischen war Mutter Hase aufgewacht und rieb sich die Augen. Der Fuchs war immer noch da.
Was um alles in der Welt hatte sich ihr Sprössling nur dabei gedacht?
„Hör mal“, ließ sich Vater Hase vernehmen, hockte sich vor dem kleinen Fuchs auf den Boden und schaute ihn eine ganze Weile an, während er überlegte, was ein Fuchs wohl mit Karotten anfangen wollte. „Du bist ein Fuchs, und Füchse gehen zu den Hühnern. Das war schon immer so, und was schon immer so gewesen ist, kann so verkehrt nicht sein. Sonst hätte es nicht so lange gedauert. Geh heim zu deinem Vater, der wird dir schon alles beibringen, was ein Fuchs wissen muss. Ich hingegen werde meinem Herrn Sohn nochmal in aller Ruhe erklären, dass es seine Aufgabe ist, mit uns zusammen ein Karottenfeld zu bestellen, und dass man keine Füchse mit zum Hasenbau bringt.“
Da heulte der kleine Fuchs auf und stampfte vor lauter Wut mit den Beinen, bevor er mit schnellen Sprüngen zwischen den Bäumen verschwand. Die kleine Fee zuckte die Schultern und musste feststellen, dass die Eltern ihrer Freunde nicht einsichtiger waren als ihre Mutter und lief dem Fuchs hinterher, um ihn zu trösten. Der kleine Hase aber warf seinem Vater einen ganz bösen Blick zu und hoppelte den Freunden hinterher, ohne sich noch einmal nach den Eltern oder seinem Bau umzudrehen.
So sprangen sie wieder eine ganze Weile durch das Unterholz, über eine schöne, sonnige Lichtung und rutschten endlich eine steile Böschung hinunter, um sich vor dem Holzstapel wiederzufinden, auf dem sie gesessen hatten, als ihre kleine Welt noch in Ordnung gewesen war.
„Hier waren wir vorhin“, brachte es der Fuchs auf den Punkt und kletterte den Stapel hinauf bis ganz nach oben, weil er in Ruhe nachdenken wollte, nachdem er sich den ersten Frust aus dem Leib gerannt hatte.
Der Hase ließ sich ins Gras fallen, zog sein Näschen kraus und überlegte ebenfalls, was nun zu tun sei. Er wollte nun einmal Zaubern lernen, und wenn die Mutter der kleinen Fee nicht daran dachte ihm zu helfen, blieb nur noch der Gang zur Eule. Die alte Eule, die alles wusste und so vieles verstand, würde ihm bestimmt einen guten Rat geben.
Auch der Fuchs kam zu der Erkenntnis, dass er die Eule aufsuchen musste, um ihre Hilfe in Bezug auf diese Sache mit den Karotten in Anspruch zu nehmen.
Die kleine Fee lehnte am Stamm einer riesigen Tanne, die ihre grünen Arme weit oben der Sonne entgegenstreckte und sie dabei wie im Takt hin und her wiegte.
„Wir denken wahrscheinlich alle dasselbe. Mutter Eule wird uns nicht im Stich lassen. Wir gehen zu ihr und werden hören, was sie uns zu sagen hat“, ließ sie sich vernehmen, während sie Tannennadeln und Erdklumpen aus ihrem schönen rosafarbenen Kleidchen mit den vielen Sternen klopfte. Und so machten sich alle auf den Weg zu einer gewaltigen uralten Fichte, um ihre Wünsche vorzubringen.
Die Fichte war da. Die drei Freunde standen um sie herum und riefen und riefen, aber die Eule zeigte sich nicht.
„Was ist denn das für ein Lärm“, vernahmen sie endlich ein erbostes Gezwitscher und entdeckten einen Specht, der hingebungsvoll in den Stamm der Fichte hämmerte.
„Wir wollen zur Eule. Wir brauchen ihre Hilfe“, erklärte die Fee und setzte ihr schönstes Lächeln auf.
„Die ist nicht da“, kam die knappe Auskunft des Spechts.
„Wo ist sie denn? Sie ist doch um diese Zeit eigentlich immer zu Hause“, bohrte die kleine Fee weiter, denn das Anliegen der Freunde war ungeheuer wichtig.
Der Specht hörte einen Augenblick auf mit dem Geklopfe und kletterte am Stamm ein kleines Stück weiter nach unten. Er warf den drei Freunden einen strengen Blick zu, denn sie hatten ihn bei einer wichtigen Aufgabe gestört.
„Die ist auf Wohnungssuche“, erklärte er und schüttelte verständnislos seinen Vogelkopf. „Angeblich ist es ihr hier zu laut. Als ob das Hämmern laut wäre! Ich sage ja auch nichts, wenn sie den halben Tag in ihrem Astloch sitzt und schnarcht.“
„Aber sie kommt doch wieder?“, erkundigte sich der kleine Hase hoffnungsvoll.
„Ich denke schon. So schnell findet sie keinen anderen Baum, sie ist nämlich sehr wählerisch. Kommt einfach morgen wieder, da habt ihr bestimmt mehr Glück.“
Und weil der Specht der Meinung war, dass er schon viel zu lange von den drei Freunden aufgehalten worden war, kletterte er am Baum nach oben und fing sofort wieder an, hingebungsvoll zu hämmern.
Der Tag war indessen vorangeschritten, die ersten langen Schatten fielen auf den Boden, und es wurde kühl.
Trotz ihrer kühnen Vorhaben wussten die kleine Fee, der kleine Fuchs und der kleine Hase genau, dass sie ihre Eltern nicht verärgern durften, indem sie einfach viel zu spät nach Hause kamen. Sonst bekämen sie am Ende noch Stubenarrest, und das passte so gar nicht in ihren Plan.
Also trotteten sie unverrichteter Dinge den heimadichen Höhlen und dem Häuschen im Wald entgegen, in dem die Fee bestimmt schon von ihren Eltern erwartet wurde.
„Wir treffen uns morgen in aller Frühe“, schlug die kleine Fee vor. „Bevor meine Mutter das Zauberbuch rausholt und ich keine Möglichkeit mehr habe, von zuhause wegzukommen.“
„Und bevor mein Vater mich zu den Hühnern schleifen will“, ergänzte der Fuchs. „Und bevor sie wieder alle zu diesen blöden Karotten laufen“, bemerkte der Hase.
So kamen sie daheim bei ihren Eltern an, versprachen allesamt, sich den Unsinn künftig aus dem Kopf zu schlagen und entschuldigten sich, weil sie einfach so davongerannt waren, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Und dann schliefen sie ein und träumten von einer Zaubervorstellung in der großen Stadt mit ganz vielen Zuschauern und von einem weiten Feld mit schönen roten Karotten und von einem Dorf mit unzähligen Hühnern, die gackerten und gluckten und so interessant sein mussten, dass der alte Fuchs jeden Tag zu ihnen lief.
Am nächsten Morgen kitzelten ein paar vorwitzige Sonnenstrahlen die Nase der kleinen Fee und sie richtete sich, während sie sich Reste vom Traumsand von der vergangenen Nacht aus den Augen rieb, halb in ihrem Bett auf. Dann fiel ihr schlagartig ein, dass sie sich zeitig mit ihren Freunden treffen wollte.Sie schlüpfte in ihre Strumpfhose und in ihr Kleidchen und fuhr mit einer weichen Bürste durch ihre Locken.
Draußen vor der Hütte stand ihre Mutter und band Kräuter und Wildblumen zu kleinen Sträußen und legte sie in einen großen geflochtenen Korb.
„Du bist heute aber früh auf“, stellte sie lachend fest und brachte den Korb in die Hütte.
„Da können wir nachher gleich das erste Kapitel in meinem dicken Buch aufschlagen. Du wirst sehen, Magie wird dir gefallen, wenn du erst angefangen hast, dich mit ihr zu beschäftigen.“
Die kleine Fee überlegte fieberhaft, wie sie die Mutter überzeugen sollte, dass sie unbedingt in den Wald zu ihren Freunden musste.
„Ich möchte erst ein bisschen spazieren gehen“, erklärte sie dann und setzte ihr treuherzigstes Lächeln auf. „Lass mich eine Weile herumlaufen und den Blumen und Tieren, Guten Morgen' sagen, dann holen wir das Buch und lernen.“