SteinZeit - Jutta Brenneisen - E-Book

SteinZeit E-Book

Jutta Brenneisen

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Beschreibung

Ein Umzug in eine neue Wohnung und eine neue Umgebung ist an sich schon eine aufregende Sache, besonders wenn man einer spontanen Eingebung folgt und eine sich bietende Gelegenheit sofort beim Schopf packt. Marion mag ihr neues Zuhause, wenn da nicht ein paar kleine Haken wären. Ihre Mitbewohnerinnen sind schon sehr speziell und das alte Mauerwerk hat anscheinend einige dunkle Seiten und flößt ihr ab und zu richtig Angst ein. Die Hausverwalterin, Frau Sorge, kann eine gewaltige Nervensäge sein, im Garten hinter dem Haus geschehen seltsame Dinge. Marion beschließt jedoch, sich all dem zu stellen. Aber dann passiert etwas Unfassbares. Sie freut sich auf den Besuch ihrer besten Freundin Greta in ihrem neuen Zuhause, doch diese kann an der angegebenen Adresse kein Haus finden...

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Seitenzahl: 562

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Die Autorin

Jutta Brenneisen, Jahrgang 1961, lebt und arbeitet in Bruchsal. Sie hat zwei erwachsene Töchter und hat für diese vor einigen Jahren bereits ein Kinderbuch mit dem Titel „Wer klaut schon einen Dinosaurier“ verfasst. Sie hat bereits in ihrer Jugend Gedichte und Kurzgeschichten verfasst, zur Zeit ist wieder ein Kinderbuch in Arbeit.

Vorwort

Für meine Mutter,

wo immer sie jetzt auch sein mag

Es begann alles damit, dass mir dieses Haus ins Auge sprang.

Mich ziehen alte Häuser magisch an, muss ich gestehen. Auch wenn die Witterung und lange Jahre an den Mauern und Ziegeln gefressen haben und der Putz blättert. Ich beschäftigte mich gedanklich mit den Schulterschmerzen eines Patienten und einer für ihn geeigneten Therapie, als das Mauerwerk in meine Augen stach und mich anstarrte. Ich starrte zurück - anders kann ich jenen Moment damals nicht beschreiben.

Vorher war mir das Haus nie aufgefallen. Ich hatte es zu keiner Zeit bewusst registriert, was vielleicht auch daran lag, dass ich selten in diese Gegend kam. Die meisten meiner Kunden kommen zu mir in die Praxis, ich gehe nur zu ihnen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Die Fassade leuchtete in einem warmen Ockerton, Efeu rankte bis unter das Dach und bedeckte kleine Holzfenster an der einen oder anderen Stelle. Der Putz war teilweise abgeplatzt und legte die nackte, graue Wand darunter frei. Auch die Holzrahmen der hübschen kleinen Fenster hatten mit den Jahren gelitten. Der Garten um das Anwesen machte einen verwilderten, beinahe mystischen Eindruck.

Das Haus und ich – ja, wir starrten einander an. Wie lange kann ich nicht sagen.

„Es ist, als ob sie eine Geschichte erzählen“, riss mich eine tiefe, warme Stimme aus meinem kleinen Ausflug in die Träumerei. „Sie wollen uns mitteilen, was sie schon alles erlebt haben, nicht wahr?“

Ich fuhr herum, nach dem Besitzer der Stimme suchend, und fand sie in einer Frau mittleren Alters, die auf eine Harke gelehnt hinter einer Kirschlorbeerhecke stand. Ich hatte sie vorher nicht wahrgenommen, weil mich dieses seltsame Haus in seinen fast unheimlichen Bann zog.

„Ich bin auf Wohnungssuche“, erklärte ich völlig zusammenhangslos und ohne mir selbst darüber im Klaren zu sein, weshalb ich überhaupt erklären wollte, warum ich hier stand.

„Ach“, sagte die Frau.

„Mein Vermieter hat Eigenbedarf“, fuhr ich fort, weil etwas in meinem Inneren mich dazu trieb. „Alte Häuser faszinieren mich, sie sind so lebendig.“

„Wir haben eine Wohnung frei“, sagte die Frau.

In diesem Haus ist eine Wohnung frei, schlüpften ihre Worte wie kleine, sich windende Würmer in meinen Kopf und fraßen sich im Gehirn fest, welches sofort ein Echo erzeugte. Wohnung frei, Wohnung frei.

„Ich weiß nicht“, wandte ich dennoch ein. „Darauf bin ich jetzt nicht vorbereitet, ich hatte einen Termin in der Gegend, und es ist nur Zufall, dass ich hier...“

„Sie können sie gerne ansehen“, lockte die Frau.

Ein mulmiges Gefühl ergriff mich, als sie das quietschende Gartentor öffnete und eine einladende Geste machte. Die Haare, von leuchtendem Kastanienrot in welches sich feine Silberfäden webten, das wettergegerbte Gesicht, von tausend kleinen Linien durchzogen – sie wirkte auf mich plötzlich wie die Hexe aus Grimms Märchen, die Hänsel und Gretel ins Knusperhäuschen lockt. Ich fühlte mich wie Gretel, und nirgends war ein Hänsel in Sicht, dessen Hand ich Schutz suchend hätte greifen können.

„Kommen Sie herein“, drängte die Frau sanft.

Ich wollte das nicht. Und wollte doch. Eintreten und weglaufen, alles gleichzeitig. Meine Neugier wuchs und wurde weit mächtiger als die Vorsicht und das Unbehagen. Wie eine Marionette, deren Fäden einer in den Händen hält, ließ ich mich durch das Tor in den wilden Garten ziehen.

„Nur weiter“, forderte mich die Frau auf.

Sie ging voraus und ich trottete ihr nach, beunruhigt und erregt zugleich wie ein Kind, das im Begriff ist, wissentlich etwas Unrechtes zu tun, und das kleine Teufelchen Unvernunft in sich doch nicht bändigen kann.

Die Frau drückte die Tür auf und gab den Blick auf einen Hausflur frei, der bei Gott schon bessere Zeiten gesehen haben musste. Es roch muffig nach Alter, Feuchtigkeit und Sorgen.

Hier ziehe ich auf keinen Fall ein, durchzuckte es mich sofort. Das ist eine Bruchbude. Ich muss nur sehen, dass ich die Alte schnellstmöglich wieder los werde.

Die Frau schaute forschend in mein Gesicht und konnte scheinbar meine Abneigung darin lesen.

„Es kostet nichts“, lockte sie.

„Was kostet nichts?“, fragte ich dumm.

„Sie können umsonst hier wohnen. Das tun die anderen übrigens auch.

Ich erwarte lediglich etwas Hilfe bei der Instandhaltung des Hauses und bei der Gartenarbeit. Allein wird mir alles zu viel.“

„So so“, murmelte ich und warf der Alten einen durchdringenden Seitenblick zu. Allem Anschein nach hatten die sogenannten guten Geister sie schon vor vielen Jahren verlassen, und die Einsamkeit in diesem großen Anwesen trug sicherlich auch nicht gerade zur Aufhellung ihrer Sinne bei. Hatte sie keine Verwandten, die sich um sie kümmern konnten? Ahnte überhaupt jemand, dass eine einsame Frau sich hier in einer wirren Gedankenwelt verlor?

„Sie müssten auch nicht jeden Tag helfen. Nur ab und zu. Schließlich sind sie ja zu sechst. Ich meine, falls Sie es in Erwägung ziehen, hier wohnen zu wollen“, warb das seltsame Weibchen immer weiter für die Vorzüge ihres skurrilen Eigenheims.

„Wer sind eigentlich die anderen?“ erkundigte ich mich vorsichtig, teils aus Neugierde und teils, um mein wachsendes Grausen durch belangloses Gerede zu überspielen.

„Na die anderen, die ebenfalls hier wohnen“, erwiderte die Alte in einem Tonfall, als hätte ich selbstverständlich von ihnen Kenntnis haben müssen. „Sie werden sie nach und nach kennenlernen. Lassen Sie sich Zeit mit der Kontaktaufnahme. Das ist wichtig.“

Wir stiegen eine altersschwache Treppe hinauf, deren Stufen unter unseren Schritten ächzten und stöhnten, und gelangten schließlich in ein paar Räumlichkeiten direkt unter dem Dach.

Das eine Zimmer war vollkommen leer, und nur ein Dachfenster zeigte uns den Himmel, der sich über die Stadt spannte wie an all den anderen vergangenen Tagen, als das Haus und ich noch nichts voneinander gewusst hatten. Der Raum nebenan war vollgestopft bis obenhin mit allen möglichen brauchbaren und unnützen Dingen, und ein kleines Bad und eine Kochnische bedurften dringend einer gründlichen Reinigung.

Das rotlockige Hexenweibchen fühlte die Aufruhr in meinem Inneren, und sie drängte sanft auf eine schnelle Entscheidung meinerseits, soviel wurde mir immer klarer.

„Denken Sie daran: Es kostet nichts.“

„Danke, ich überlege es mir“, beeilte ich mich zu sagen und drängte mich an Frau Wunderlich vorbei zurück ins Treppenhaus.

Ich nahm zwei Stufen auf einmal, stürmte durch die Haustür und stand schließlich auf der Straße. Ich fühlte Sonne auf meiner Haut und nahm den Duft von Blumen wahr. Welch angenehme Sinneslust im Vergleich zu dem modrigen Bau eben, der Unbehagen in mir ausgelöst hatte, obwohl ich alte Häuser so liebe.

Sie stand plötzlich im Rahmen der Haustür und lächelte mich an.

„Überlegen Sie nicht zu lange. Sie werden Ihren Einzug nicht bereuen.“

Du siehst nur weiße Mäuse, versuchte ich mich zu beruhigen, während ich mich rasanten Schrittes entfernte. Natürlich riecht es in dem Gebäude muffig, das ist nun mal das Alter, und seine Besitzerin benimmt sich wunderlich. Die Frau ist sicher einsam und dürstet nach Gesellschaft. Möglicherweise ist sie ja vermögend und nicht auf Mietzahlungen angewiesen, sie gibt ihre Räume her für ein wenig Hilfe im Haus und im Garten, die sie sicher mittlerweile auf Grund ihres Alters nötig hat, und für menschlichen Kontakt, der ihr gewiss fehlt. Daran ist nichts Verkehrtes.

Und wenn ihr Verstand schon lange winke winke gemacht hat, hielt der ewige Zweifler in mir dagegen. Wenn sie nun Menschen unter irgendwelchen Vorwänden in ihr Haus lockt und auf Nimmerwiedersehen verschwinden lässt? Niemand, schon gar nicht reiche Leute, verschenken Wohnungen oder Geld oder sonst etwas, wenn nicht gesellschaftliche Anerkennung oder eine Spendenbescheinigung oder sonst was Rentables dafür winkt.

Mein innerer Zweifler ist ein Meister seines Fachs und setzte noch einen obendrauf. Noch nie Arsen und Spitzenhäubchen gesehen? Zwei liebenswerte alte Damen entpuppen sich als eiskalte Mörderinnen, die ihren Opfern aus eigener Sicht auch noch einen Gefallen damit tun. Sei also auf der Hut.

Blödsinn, schimpfte ich mich laut aus. Vergiss das Ganze. Geh nach Hause, koch dir einen Tee und schau die Mietangebote durch.

Ich ging nach Hause. Ich kochte einen Tee. Ich schaute die Mietangebote durch - und stellte fest, dass alles, was mir gefiel, sehr teuer war.

Ich bin handwerklich völlig unbegabt, also suchte ich nach einer Wohnung, die praktisch bezugsfertig war ohne größere Maler- und Renovierungsarbeiten. Am besten mit eingebauter Küche. Und einem großen, hellen Bad mit einem schönen, breiten Fenster. Natürlich gibt es solche Wohnungen, und sie sind sehr teuer.

Ich fand günstige Angebote. Mit Renovierungsbedarf, mit Bädern ohne Tageslicht, ohne Balkon und mit kleinen Räumen. Ich hatte keine Lust, in einem Schuhkarton zu hausen.

Es kostet nichts. Die Worte fraßen sich tiefer in mein Gehirn.

Überlegen sie es sich. Sie werden es nicht bereuen. Es kostet nichts.

Keine Frage, auch dort unter dem Dach mussten Küche und Bad saniert werden. Aber wenn ich tatsächlich die Miete sparte, konnte ich mir einen Handwerker leisten. Außerdem besaß ich etwas Geld.

In mir rang die Vernunft mit der Neugier auf das Heftigste, wie Engelchen und Teufelchen in Karikaturen, und am dritten Tag setzte sich das Teufelchen durch und feixte. Ich ging zu dem Haus und beschloss, noch einmal mit seiner skurrilen Besitzerin zu reden. Außerdem wollte ich die anderen Mitbewohner kennenlernen. Fühlten sie sich wohl dort? Wie waren sie dorthin gelangt und plagten sie ähnliche Zweifel wie mich?

Ich stand vor dem Mauerwerk, ockerfarben seine Haut, versehen mit vielen kleinen Wunden, durch die der rohe graue Stein nach außen lugte. Es trug einen Kragen aus grünem Efeu, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, als grinse es mich an. Ich hatte noch niemals so ein Haus gesehen.

Du kannst dringend ein neues Make up gebrauchen, durchfuhr es mich. Kein Wunder, dass deine Hüterin freiwillige Helfer mit lockenden Angeboten einzufangen versucht.

Wer und wie mochten sie sein, die anderen, von denen sie gesprochen hatte? Waren sie wie ich zufällig hier vorbeigeschlendert und von der Alten in ihr Knusperhäuschen gelockt worden? Handelte es sich um sogenannte normale Durchschnittsmenschen, die sehr langweilig sein konnten, aber auch niemanden wirklich beunruhigten, oder fand sich hier eine Gruppe Sonderlinge zusammen, welche hinter diesen Mauern Dinge trieben, die die Fassade irgendwie nach außen spiegelte und mir jenes unbehagliche Grummeln in der Magengegend beschert hatten?

„Schön, dass Sie da sind“, sagte die Frau.

Sie stand, wie von Geisterhand platziert, plötzlich vor dem Gartentor und schaute mich freundlich, jedoch so durchdringend an, dass mir kalte Schauer über den Rücken jagten.

„Tja, da bin ich nun“, erwiderte ich lahm, um etwas zu entgegnen.

„Sie werden es nicht bereuen“, versicherte sie abermals.

Ich folgte ihr durch den Garten ins Haus und empfand den Geruch des Alters und der Sorge nicht mehr so unangenehm wie bei meinem ersten Eintritt in sein Inneres.

„Sind die anderen da?“, konnte ich mich nicht länger zurückhalten.

Die Frau lächelte mich mit einer beunruhigenden Sanftheit an, die mich einerseits anzog und sie mir sympathisch machte und die mich gleichfalls abstieß und mich ängstigte.

„Sie werden alle nacheinander kennenlernen!“, versicherte sie mir.

„Sind im Moment nicht alle hier?“, bohrte ich weiter.

„Es sind nie alle gleichzeitig hier. Aber Sie werden alle kennenlernen. Einen nach dem anderen“, lautete die Antwort.

Wo waren sie denn, die vermeintlichen Mitbewohner? Bei der Arbeit, im Urlaub oder handelte es sich am Ende um Wochenendheimkehrer, die nur von Montag bis Freitag hier ein Gastspiel gaben?

Lebten im Haus Studenten, die in den Semesterferien nach Hause fuhren?

Wir hatten die Stufen zum Dachgeschoss erklommen, und ich ließ meine Augen über die Wände und Dielen gleiten, die bald die Meinen sein sollten. Vor wenigen Tagen hatte mich an dieser Stelle eine schlagartige Panik ergriffen, die mich zur Flucht veranlasste. Nun stand ich wieder in den Räumen, von Neugier getrieben und von der Verlockung, umsonst hier wohnen zu können, und ich hoffte inständig, mein Leichtsinn würde nicht bald mein Schaden sein.

„Ich fühle mich unbehaglich.“, gestand ich ungewollt.

„Ich weiß.“, entgegnete die Frau sanft. „Das ging den anderen am Anfang auch so.“

Meine Erwiderung schluckte ich herunter, da just in diesem Moment vom Treppenabsatz unten eine leise, beinahe weinerliche Stimme zu uns nach oben drang.

„Frau Sorge, sind Sie da?“

„Ja, ich bin hier oben!“, bestätigte die Alte. „Ich unterhalte mich mit einer neuen Mitbewohnerin. Kommen Sie doch gleich einmal herauf zu uns.“

Ich vernahm zögerliche Schritte auf den Stufen, die unter den vorsichtigen Tritten jener Füße nicht so ächzten wie vorhin bei uns, vielleicht gerade wegen der Behutsamkeit der dazugehörigen Person - falls Treppenstufen überhaupt eine sanfte Behandlung empfinden können. Dann stand sie im Türrahmen.

Sie hatte Haare von einem ähnlichen Rotton wie die meinen, grüne Augen und war als durchtrainiert, aber nicht schlank zu bezeichnen. Ihr Händedruck glich der Festigkeit von geschmolzenem Eis in der Sommersonne und rundete das Bild einer zaghaften, unsicheren Person ab.

„Hallo“, war das Einzige, das mir einfiel.

„Hallo“, hauchte die Vorsichtige.

„Ich denke, ich lasse euch mal für eine Weile allein.“, entschied Frau Sorge, ohne unsere Meinung diesbezüglich abzuwarten, und schlüpfte aus dem Zimmer.

„Bin ich nicht heute mit Gartenarbeit dran?“, kam die erstaunte Frage über die Lippen meiner Mitbewohnerin.

Frau Sorge drehte sich noch einmal auf dem Absatz um und ließ die Blicke zwischen uns beiden hin und her wandern. „Nein“, entschied sie dann. „Die Gartenarbeit hat Zeit, die läuft uns schon nicht weg. Lernt euch erst mal ein wenig näher kennen.“

Für einen Augenblick entstand jene peinliche Stille zwischen der anderen Mitbewohnerin und mir, die bei Menschen üblich ist, die einander zwar nicht ablehnen, sich aber noch so fremd sind, dass sie nichts oder noch nichts mit sich anzufangen wissen.

„Und, wie heißen Sie?“, fragte ich endlich.

„Ich bin Nummer Eins“, erwiderte sie.

„Eigentlich wollte ich Ihren Namen wissen“, antwortete ich pikiert, da mich das Gefühl beschlich, sie wolle mich zum Besten halten.

„Aber das ist mein Name. Nummer Eins. Wir sprechen uns hier im Haus gegenseitig nur mit Nummern an. Frau Sorge lehrt uns immer, Namen seien völlig unwichtig, weil sie gar nichts über einen Menschen aussagen. Deshalb tragen wir Zahlen statt Namen. Ich denke, dich wird sie Nummer Sechs rufen, weil du als letzte hier einziehst.“

Oh Gott, durchfuhr es mich. Ein Haus voller Durchgeknallter, ich hab es doch gewusst. Warum bloß bin ich hierher zurückgekommen? Ich hatte doch gleich so ein komisches Gefühl.

„Daran gewöhnst du dich“, durchbrach Nummer Eins leichthin meine panischen Überlegungen.

„Am Anfang ist es natürlich seltsam, immer mit einer Zahl angeredet zu werden. Aber glaube mir, mit der Zeit empfindest du es als fast normal. Es ist schön, hier zu leben. Man fühlt sich zuhause.“

„So so“, sagte ich knapp, weil mich der Entschluss, schnellstmöglich diesem Irrenhaus zu entkommen, fast körperlich in Richtung Treppenhaus und hinaus ins Freie drängte. Ich wollte nur weg, irgendetwas stimmte hier ganz entschieden nicht.

Meine Schulter wurde sanft von ihrer Hand berührt.

„Ich weiß, was in dir vorgeht. Das alles hier muss dir total irre erscheinen. Auch mir ist es zuerst so ergangen. Doch du wirst es nicht bereuen, wenn du bleibst. Wir sind eins hier, verstehst du? Wir sind hier ganz einfach zuhause, ja ich glaube, das trifft es am besten.“

Ihre Berührung, die zugegebenermaßen sehr angenehm war, ließ mich in meinen Fluchtgedanken innehalten.

„Wie kamen Sie, ich meine wie kamst du hierher?“, wollte ich wissen.

„Ich bin einsam“, erklärte sie.

Meine Verständnislosigkeit schien sich in meinen Blicken widerzuspiegeln.

Also fuhr sie fort: „Ich kenne nicht viele Menschen, weil ich niemandem vertraue. Der Panzer, den ich um mich herum trage, schützt mich zwar vor Enttäuschungen, aber er isoliert mich mindestens ebenso sehr, und ich leide unter mir selbst. Frau Sorge holte mich in ihr Haus, und nun bin ich hier. Und ich bin froh darüber.“

„Hast du Frau Sorge über eine Anzeige gefunden?“, lauerte ich. Nummer Eins lächelte. „Aber nein, ich war auf Wohnungssuche und machte einen Spaziergang, um auf andere Gedanken zu kommen, als mich zufällig mein Weg hier an dem Gebäude vorbeiführte. Frau Sorge stand im Garten und bot mir ein kostenloses Zimmer an, wenn ich ihr hin und wieder ein wenig behilflich wäre. Am Anfang kam mir das auch alles äußerst merkwürdig vor. Aber glaube mir, ich habe noch keinen Tag bereut, den ich hier verbracht habe. Und dir wird es bald ebenso ergehen.“

Wer in drei Teufels Namen war bloß diese wunderliche Frau, die Menschen von der Straße aufsammelte, in ihr Haus zog und sie mit Nummern statt eines Namens versah? Ich war entweder in ein Haus von Psychopathen geraten, die Irrsinn nicht mehr von der Wirklichkeit unterscheiden konnten oder wollten, oder es handelte sich um Drogenabhängige, egal welcher Art, die ihren Alltagsablauf im Dunst verbrachten und willenlos mit sich machen ließen, was dieser skurrilen Frau Sorge gefiel. Warum nur kam niemand auf den Gedanken, sich zu wehren oder auch nur die Hintergründe zu erfragen, weshalb diese seltsamen Dinge wie die der Nummernverteilung passierten? Es musste doch eine Art Gehirnwäsche hinter den Mauern hier stattfinden, kein normaler Mensch würde derartige Merkwürdigkeiten mit sich anstellen lassen.

Nummer Eins nahm das Wort erneut auf.

„Mir ist es wirklich übel gegangen. Wenn du dich total isolierst und keinen mehr an dich heran lässt, wachst du eines Morgens auf und denkst, du bist auf einer Insel ohne weitere Spuren irgendwelcher Lebensformen. Niemand kann wirklich existieren ohne ein Wort, ohne eine Berührung seiner Mitmenschen. Frau Sorge muss gespürt haben, wie ich mich fühlte, und zu ihr habe ich dann relativ schnell Vertrauen gefasst. Seitdem ich in diesem Haus lebe, geht es mir etwas besser. Aber ich weiß natürlich, dass ich noch einen weiten Weg vor mir habe.“

Ihre Worte hingen in der Luft, und ich konnte zum Teil sogar nachvollziehen, was Nummer Eins da von sich gab. Ihr kleiner Seelenstriptease stöberte Tiefen in mir auf, die ich nur zu gerne ruhen ließ, indem ich mir selbst einredete, bei mir liefe beruflich wie privat alles rund , und ich hätte mein Leben durchaus im Griff. Aber auch ich fühlte mich an manchen Tagen ausgeschlossen von einer Welt, die lärmte und feierte und toste, obwohl ich gerade mit mir im Argen lag und mich selbstbemitleidend fragte, warum keiner gebührende Notiz von meinem Elend nahm.

So streckte ich ihr - einem unlogischen Impuls folgend - die Hand hin.

„Lass uns Freunde werden, Nummer Eins. Ich glaube, ich mag dich ein bisschen, zumindest kann ich dich verstehen. Ob ich das verrückte Haus und Frau Sorge mag, weiß ich noch nicht. Aber du bist ein Anfang.“

„Das ist gut“, sagte sie nur.

So bezog ich mein neues Heim zum Nulltarif unter dem Dach, fuhr mein Hab und Gut in einem gemieteten Kleinlaster von der alten zur neuen Adresse und versuchte nach und nach die Gedanken zu verdrängen, ob ich nicht doch eines Morgens betäubt in einem Keller aufwachen und Frau Sorge mit irrem Blick Messer schwingend über mir wahrnehmen würde.

Nummer Eins wurde eine Vertraute in diesem Haus für mich.

Wie ich freudig überrascht feststellen konnte, erwies sie sich als willige Hilfe bei der Reinigung der Zimmer sowie von Küche und Bad, und sie assistierte mir beim Streichen der Wände und beim Abschleifen der Holzfußböden. Ich habe ja bereits er wähnt, dass ich nicht gerade die geborene Heimwerkerin bin, und auch Nummer Eins hatte allem Anschein nach zum ersten Mal einen Malerpinsel in der Hand. So wurden die Wände fleckig, und die Böden wiesen kleine Farbflecken auf, aber als es fertig war, fühlte es sich irgendwie gut an, und außerdem sparte ich eine Menge Geld für die Handwerker.

„Finde ich toll, dass du mir hilfst“, sagte ich ehrlich.

Ich ging in die Küche, wühlte mich durch all die umher stehenden Utensilien und brachte tatsächlich ein kleines Frühstück bestehend aus starkem Kaffee und zwei Marmeladenbrötchen zustande und warf einen Blick ins Badezimmer, dessen Wände Nummer Eins mit froher Begeisterung bearbeitete, jetzt noch um so mehr, da ich ein paar nette Worte betreffend ihrer freiwilligen Unterstützung gefunden hatte.

Wir setzten uns zu einer Frühstückspause zusammen und Nummer Eins drehte die Tasse in den Händen, und ich spürte, dass ihr etwas auf dem Herzen lag.

„Immer, wenn ich mal was ausprobieren wollte und es nicht gleich gelang“, begann sie zögernd „hat irgendjemand gesagt, ich solle es besser lassen oder hat mir die Sache gleich aus der Hand genommen. Irgendwann traute ich mir nichts mehr zu.“

Sie starrte in den Kaffee, und ich hatte das Gefühl, sie spräche mehr zu sich selbst als zu mir.

„Und dann wurde geredet. Was ich alles nicht kann. Was ich alles nicht bin. Ich zog mich immer mehr zurück, bis ich eines Tages auf Frau Sorge traf. Sie erklärte mir, ich müsse Vertrauen in mich selbst lernen, wie ein kleines Kind laufen lernt. Du bist die Erste, die nicht gleich an mir herum gemeckert hat.“

„Zum einen kann ich es ja auch nicht besser“, gab ich zu. „zum anderen hast du dir vielleicht auch die falschen Freunde ausgesucht.“

„Vielleicht.“

Sie ließ ihren Blick über meine Möbel und meine Pflanzen, die Bücher und all die kleinen Dinge, die mir so am Herzen liegen, schweifen und stellte dann mit einem schiefen Lächeln fest:

„Machst du das mit Absicht so?“

„Was mache ich wie so?“, fragte ich verwirrt.

„Na deine Ordnung eben. Diese penible Sauberkeit, und dass alles seinen festen Platz hat. Man könnte annehmen, du berechnest den Abstand zwischen zwei Gegenständen, damit sie in exakter Entfernung voneinander liegen.“

Mit Kritik, auch wenn sie gut gemeint sein sollte, habe ich es nicht so, muss ich offen eingestehen. Also setzte ich ein beleidigtes Gesicht auf und schnappte zurück.

„Wie sieht es denn bei dir aus?“

Sie schien meine Beleidigte-Leberwurst-Miene nicht zu bemerken, oder aber sie ging bewusst darüber hinweg.

„Ganz anders. Wild, würde ich sagen. Wild, frei und ein wenig chaotisch.“

„Zeigst du mir deine Wohnung? Sofort? Du hast mich neugierig gemacht“, lauerte ich.

Sie stand so schnell auf, als hätte sie nur auf meine Aufforderung gewartet, nahm mich an der Hand und führte mich die Treppe hinunter bis vor ihre Wohnungstür. Die Tür sprang auf und gab den Blick frei auf ein gemütliches Durcheinander von warmen Farbtönen , großen saftigen Pflanzen, alten Möbeln und Wolldecken und Kissen nach Oma-Stil. An den Wänden hingen Kohlezeichnungen, Tiermotive und Gesichter, die Freude, Angst, Wut und Liebe widerspiegelten.

Ich trat ein und blieb lange an einer Stelle stehen, um das Drumherum auf mich wirken zu lassen, dann drehte ich mich langsam im Kreis, nahm Formen und Farben auf, fühlte eine eigenartig erregende und zugleich beängstigende Energie um mich herum und schloss die Augen.

Da wusste ich, was sie meinte. Ich spürte es in mir und um mich herum.

Sie gab den Dingen Leben. Hier krakelte nicht jemand mit Kohlestiften auf einem Blatt Papier herum, weil er den Künstler in sich entdeckt oder Langeweile hatte: Hier empfand ein Mensch, wie es um die Kreatur stand, die er zu Papier brachte.

Die Pflanzen genossen es sichtlich, in ihrer Wohnung einen Platz zu haben. Sie steckten nicht lieblos in Übertöpfen, die hauptsächlich zur Farbe der Wände und des Teppichbodens passten, und wurden nicht geistesabwesend ab und zu gegossen; sie waren ein Teil dieses ganzen Drumherum, dieser liebevollen Zufluchtsstätte, die ein einsames Wesen sich geschaffen hatte.

Sie lebte nicht mit den Dingen. Sie gab den Dingen Leben.

Ich bemerkte zu meinem grenzenlosen Entsetzen, dass ich mich in diesem Durcheinander wohlfühlte. Hier hatte nichts einen festen, zugewiesenen Platz, und ich hätte wetten können, dass sie auch keinen geordneten Tagesablauf einhielt. Aber Ordnung schaffte Sicherheit, zumindest für mich, Regeln schafften Sicherheit, und wenn alles überschaubar und sicher war, so konnte auch in meinem Inneren kein Chaos entstehen. Diese Überzeugung hielt mich damals umfangen wie ein sicherer warmer Mantel, und ich hatte zu dem Zeitpunkt nicht einmal den Bruchteil einer Ahnung, wie schwer die Stürme des Lebens am Stoff des Mantels noch reißen und mich schließlich bloßstellen würden.

„Lass dich fallen“, vernahm ich die Stimme an meinem Ohr. „Tauche einfach mal ein in das, was Leben wirklich sein kann. Empfinde Farben, Formen, Düfte, und lass dich treiben wie ein Blatt im Wind.

Sei leicht und frei, ohne Grenzen.“

Ich hielt die Augen geschlossen und glitt in einer warmen Hülle schwerelos dahin. Um mich herum versank für wenige Momente meine ordentliche, kleine Welt. Aber diese dachte gar nicht daran, mich entkommen zu lassen, und so schreckte ich auf und warf noch einen zweiten Blick auf das liebevolle Chaos, welches nun nur noch unordentlich und schmuddelig auf mich wirkte.

„Ich werde jetzt gehen“, entschied ich daher.

Ihr trauriger Blick streifte mein Gesicht. Es tat mir wirklich leid, dass ich so abrupt vor ihr und ihrer kleinen Welt davonlaufen wollte, jedoch es musste sein, weil zum damaligen Zeitpunkt Weglaufen meine beste Disziplin und auch mein bester Selbstschutz war.

„Aber ich komme ja wieder“, setzte ich rasch hinzu.

So trat ich ins Treppenhaus und horchte dort in die Stille, nachdem sie ihre Tür geschlossen hatte. Ein beklemmendes Gefühl kletterte auf einmal meinen Rücken hoch und griff mit einer eisigen Hand nach meinem Brustkorb. Ich fühlte mich beobachtet, aber im Hausflur oder auf der Treppe befand sich niemand. Die Tür zum Kellerabgang, ein aus ein paar Brettern gezimmertes Rechteck, war nur angelehnt und schwang leicht hin und her. Ich tippte mit dem Finger dagegen, und sie glitt vor mir zurück und gab den Blick frei in ein dunkles Loch, welches den Keller darstellte. Da unten war mit Sicherheit keiner.

Auch ich verspürte wenig Lust, die Stufen hinunterzusteigen. In Kellergewölben wohnen dicke Spinnen, es ist feucht und kalt und staubig, und wahrscheinlich spukt es dort auch, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht. Ich wollte schon als Kind niemals einen Keller betreten. So ist es bis heute geblieben.

Ich drehte mich um und lief die Treppe hinauf zu meiner Wohnung, wollte allein sein und nachdenken über so vieles und so vieles vergessen.

Die Tür zu meinen Räumen stand seltsamerweise weit offen.

Ich prallte erschrocken zurück, als mich in meinem kleinen Flur ein unerwarteter Gast in Empfang nahm.

„Waren Sie unten bei der Einsamen?“

Sie fragte in einem Tonfall, der mir überhaupt nicht passte. Es lag eine Häme in ihren Worten, die mir ebenso gegen den Strich ging wie ihre arrogante Art, über meinen Verbleib Auskunft einzufordern.

„Was zum Teufel tun Sie überhaupt in meiner Wohnung?“, verlangte ich energisch eine Rechtfertigung für ihr unbefugtes Eintreten.

Sie grinste mich nur an. „Die Tür stand ja offen.“

„Ich meinerseits käme nie auf die Idee, mir irgendwo Zutritt zu verschaffen, nur weil nicht abgeschlossen ist. Das nennt man gute Kinderstube.“

„Es beantwortet aber nicht meine Frage“, gab sie statt einer Entschuldigung frech zurück.

Ich ging an ihr vorbei in mein Wohnzimmer. „Was ich hier tue und wen ich besuche, geht Sie nichts an. Und nun gehen Sie. Ich habe zu tun.“

Ich fühlte Zorn und Ablehnung in mir aufsteigen wie heiße Lava in einem Vulkantrichter, hielt den Ausbruch jedoch mit Mühe zurück und gab mich nach außen gelassener, als ich es im Inneren war.

„Es geht mich nichts an, da haben Sie durchaus recht. Ich bin nur von Natur aus schrecklich neugierig. Waren Sie denn nun bei der Einsamen?“

„Ist das verboten?“, gab ich zurück.

Sie schüttelte den Kopf, und der Ausdruck, mit dem sie mich ansah, ließ mich erschrecken. Ich habe in meinem Leben, schon alleine berufsbedingt, viele unterschiedliche Menschen kennengelernt. Es gibt die Ängstlichen, die Wichtigtuer, die falschen und die richtig Herzlichen und die Boshaften. Die Person vor mir war der Inbegriff alles Negativen. Sie lächelte mit hochgezogenen Mundwinkeln und versuchte mich damit wohl zu täuschen. Ihre Stimme war durchaus nicht unangenehm, aber lauernd, und nur die Augen, die niemals lügen können, zeigten mir in aller Offenheit, wie bösartig sie war.

„Mir ist im Moment nicht nach einer Unterhaltung mit Ihnen zumute“, wiederholte ich und drängte sie sanft Richtung Ausgang.

„Dann sollten wir sie ein anderes Mal fortführen“, schlug sie bestimmend vor.

Da war sie wieder, diese unangenehme Aufdringlichkeit, die mich bei dieser Person so abstieß. Sie drängte sich ungefragt in meine Wohnung, versuchte mich auf plumpe Art auszuhorchen und schien nicht einmal eine Entschuldigung für ihr unmögliches Betragen in Erwägung zu ziehen.

„Wir haben auf jeden Fall noch viele Gelegenheiten für ein Gespräch.“

Sie sah mich spöttisch lächelnd an und musterte mich einen Augenblick von oben bis unten. „Und unser Austausch wird bei weitem interessanter werden als das Geplänkel mit diesem Seelenpflänzchen da unten.“

Sie stieg betont langsam die Treppe hinab und drehte sich auf der letzten Stufe noch einmal um. „Bis bald, liebe neue Mitbewohnerin.“

„Wer sind Sie?“, rief ich von oben.

„Ich bin Nummer Fünf“, erklärte sie sanft und entschwand aus meinem Blickfeld.

In den nächsten Tagen passierte wenig Aufregendes, über was zu schreiben sich lohnen würde. Ich schaffte die perfekte kleine Ordnung in meinen Räumen, ließ mir dafür die gutmütigen Neckereien von Nummer Eins gefallen, die mit einem Lineal den Abstand zwischen zwei Porzellanfigürchen maß und triumphierend kundtat, sie habe mit ihrer Äußerung unlängst vollkommen recht gehabt.

Wenn die selbstgewählte Ordentlichkeit, was tatsächlich ab und zu vorkommt, selbst mir die Brust abzuschnüren drohte, machte ich bereitwillig Ausflüge in das liebevolle Chaosland von Nummer Eins, sog es in mich auf wie ein Schwamm, um kurz darauf verstört zu flüchten aus Angst, meine Mauer könnte anfangen zu bröckeln.

Frau Sorge machte sich relativ rar. Sie huschte nur ab und zu durch den Flur und lugte einmal um die Ecke in meine eingerichteten Räume, mit einem sehr zufriedenen Grinsen im Gesicht, das mir ungefähr soviel sagen wollte wie „Habe ich nicht gesagt, Sie werden sich hier wohlfühlen?“

Was mich nach einiger Zeit beschäftigte, war, dass sie niemals um Hilfe im Garten bat, so wie es am Anfang abgesprochen worden war.

Sicher, die ersten Tage im Haus war ich viele Stunden mit Malen, Einrichten und Putzen beschäftigt gewesen. Da erschien es mir nur logisch, dass sie mich in dieser Zeit in Ruhe ließ und gewiss die anderen Mitbewohner an ihre Pflichten diesbezüglich erinnerte. Doch nun war das meiste geschafft, und ich wartete unverrichteter Dinge auf eine Aufforderung von Frau Sorge.

Eines Morgens verspürte ich ein dringendes Bedürfnis, mir den wilden Garten selbst einmal näher anzusehen. Ich schlich über die Treppe zur schweren Holztür, die im Erdgeschoss nach draußen führte, und lachte innerlich über mich selbst, da ich mich benahm, als würde ich etwas Verbotenes tun. Was war dabei? Ich wollte den Garten sehen. Punkt.

Aus. Ich war nun ebenfalls eine Mitbewohnerin mit der soliden Nummer Sechs, an die ich mich, man höre und staune, inzwischen zwar widerstrebend, aber immerhin doch gewöhnt hatte und sah es als mein Recht an, den Garten in Augenschein zu nehmen.

Im Freien traf ich keinen Menschen an, weder Frau Sorge noch eine der anderen Mitbewohnerinnen, die angeblich sowieso nie alle zur selben Zeit im Hause anwesend waren.

Bisher hatte ich immer nur den Gartenanteil vor dem Haus durchschritten und begutachtet, nach hinten war ich noch nicht vorgedrungen. Dort erwarteten mich nun ein wildes Buschwerk und gewaltige alte Bäume, die ihre grünen Köpfe im Takt des leichten Windes hin und her schwenkten. Der Rasen war im Gegensatz zu den Sträuchern fast akribisch kurz geschnitten, was irgendwie nicht ins Bild passte, und ich fragte mich unwillkürlich, was Frau Sorge und ihre Helferlein hier im Haus dazu veranlasste, dem Grundstück solch unterschiedliche Stempel aufzudrücken. Des Weiteren erspähte ich einige Tontöpfe mit Rosen bepflanzt, die willkürlich in die Ecken verteilt worden waren. In einem winzigen Gartenteich schillerten Goldfische.

Dieser Anblick sollte einer angespannten Psyche wohl Ruhe und Entspannung vermitteln und zum Rasten auf der grünen Rasenfläche und unter den mächtigen Baumriesen einladen. Trotzdem wollte eine innere Unruhe in mir nicht weichen. Verunsicherte mich die Tatsache, dass eine unnatürliche Stille über diesem eigentlich sehr harmonischen Plätzchen lag? Ich lauschte und wusste auf einmal, was mich so befremdete. Nirgends war ein Mensch zu hören oder zu sehen, in den Baumkronen sang kein einziger Vogel sein Lied, nirgends war das Bellen eines Hundes oder das Geplapper eines Kindes zu vernehmen.

Ich fühlte mich mit einem Male wie auf einem unbewohnten Planeten.

Absolute Stille, abgesehen vom leisen Wiegen der alten Bäume, hielt mich umfangen.

Da fiel mein Blick auf einige graue Quadrate im hinteren Teil des Gartens. Ich ging darauf zu und spürte die Anspannung in mir noch steigen. Es war, als beobachtete mich jemand, aber außer mir war keiner hier draußen.

Es waren Grabsteine.

Kleine, viereckige Grabsteine, die sich Schutz suchend an die Mauer drückten, die die Grenze zum Nachbargrundstück darstellte. Ich erschauerte für einen kurzen Moment. Ob Frau Sorge etwa doch...

Dann verwarf ich den Gedanken, der mir die Brust abzuschnüren drohte, und versuchte mich mit der Schlussfolgerung zu beruhigen, dass Frau Sorge, sollte sie wirklich eine mordende Irre sein, sicherlich nicht so dämlich wäre, ihre Opfer im Garten zu verscharren. Es sei denn, dies hier stellte eine Art Trophäensammlung dar. Bei Irren wusste man ja nie.

Die bedrohliche Stille wollte nicht weichen, und ich musste meine ganze Energie zusammennehmen, um mich ruckartig umzudrehen und die Rückwand des Hauses anzustarren. Welches Geheimnis mochte es nur bergen? Musste ich nun auf der Hut vor irgendetwas oder irgendwem sein, oder gab es für all das hier eine logische Erklärung?

Wieso Nummern statt Vornamen verwenden? Wieso zahlten wir keine Miete? Was hatte es mit dieser unheimlichen Stille auf sich? Meine verfluchten Gedanken drehten sich immerzu im Kreise, und ich wollte ins Haus rennen, die Tür zuschlagen und mich irgendwo vergraben, wo mich keiner finden konnte und wo alles um mich herum einfach nur wieder normal werden sollte.

Hinter mir knackten ganz leise die Zweige eines Buschwerks. Frau Sorge lächelte mir mit ihrem unschuldigen Lächeln ins Gesicht.

„Na, na, warum denn so schreckhaft?“

Ich fühlte kalte Wut in mir aufsteigen, zum einen, weil ich mich irgendwie ertappt fühlte, als ob ich mit dem Betreten des Gartens etwas Unrechtes getan hätte, und zum anderen, weil sie immer so unerwartet und völlig lautlos auftauchte und mich erschauern ließ. Ich hielt es jedoch für besser, mir meinen Zorn nicht anmerken zu lassen.

Also sagte ich nur: „Ich dachte, ich wäre alleine hier draußen.“

„Es ist doch schön, dass Sie Interesse am Garten zeigen“, bemerkte Frau Sorge. „Er soll eine Oase der Entspannung für uns alle sein. Dafür müssen wir ihn allerdings auch liebevoll pflegen, das erwartet er von uns.“

Sie hielt inne. „Aber was ist denn? Sie zittern ja.“

Es hatte keinen Sinn, länger Spielchen zu spielen. Ich musste einfach die Flucht nach vorne antreten. „Ich habe die Grabsteine entdeckt!“, bekannte ich.

Fast kam es mir vor, als husche ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht. „Ach so.“

„Wer liegt dort?“, brach es aus mir heraus, und im nächsten Moment hätte ich mich für meinen Leichtsinn ohrfeigen können.

Frau Sorge verlor jedoch weder die Fassung, noch näherte sie sich mir in irgendeiner bedrohlichen Form.

„Nicht wer“, verbesserte sie mich, „etwas ist dort begraben.“

Während immer noch die verschiedensten Mutmaßungen in meinem Kopf durcheinander purzelten, schob mich Frau Sorge in Richtung der Steine.

„Keine Angst“, versuchte sie mich zu ermuntern. „Es schälen sich keine Untoten aus der Erde, um Sie umgehend zu verschlingen.“

Ich quälte mir ein schiefes Lächeln ab. Dann fiel mein Blick auf den vordersten Stein.

Vertrauen.

Nur dieses eine Wort. Keinen Namen, kein Geburts- oder Sterbedatum.

Anscheinend waren tatsächlich keine menschlichen Wesen in der Erde verscharrt. Während ich noch überlegte, was die Inschrift mir an neuen Erkenntnissen bringen sollte, stellte sich Frau Sorge an meine Seite.

„Dies ist der Grabstein, um den sich Nummer Eins zu kümmern hat.

Sie verlor vor langer Zeit das Vertrauen in ihre Mitmenschen und duldet nur noch sehr selten die Nähe anderer. Das macht sie jedoch einsam. Wenn sie den Stein des Vertrauens pflegt und sich damit auseinandersetzt, kann sie möglicherweise eines Tages ins Leben zurückkehren.“

„Und welcher Stein gehört Nummer Fünf“, entfuhr es mir ungewollt.

Frau Sorge warf mir einen langen Seitenblick zu. „Weshalb interessiert Sie das?“

„Nur so eine Frage“, tat ich harmlos. „ Da hier ja mehrere von diesen Dingern nebeneinander liegen, dachte ich mir eben, sie wird auch einen haben.“

„Das ist richtig“, bestätigte Frau Sorge meine Annahme. „Aber wieso kommen Sie jetzt ausgerechnet auf Nummer Fünf?“

„Ich bin ihr begegnet“, erklärte ich.

Die Alte ließ den Blick lange auf mir ruhen, und ich hatte das Gefühl, als könne sie meine Seele ausleuchten.

„Und wie war Ihre Begegnung?“, hakte sie endlich nach.

„Nicht sehr positiv“, bekannte ich ehrlich.

Und dann brach es aus mir heraus, wie besagte Nummer Fünf in meine Wohnung eingedrungen war und für dieses Verhalten weder eine Entschuldigung für nötig erachtete, noch mir eine genauere Erklärung für ihren unmöglichen Auftritt gegeben hatte. Ich teilte Frau Sorge in diesem Zusammenhang gleich mit, dass ich an einem Kontakt oder auch nur an einem Gespräch mit jener unmöglichen Person keinesfalls interessiert wäre, und dass ich sie meiner Wohnung verwiesen und ihr meine Meinung auch persönlich kundgetan hatte.

„Dafür ist es auch noch viel zu früh“, war alles, was Frau Sorge zu dem Thema zu sagen hatte. „Die Zeit muss einfach reifen. Sie sind noch viel zu kurz bei uns im Hause. Ich werde mit Nummer Fünf darüber sprechen.“

Das kleine, böse Teufelchen in mir wollte aber keine Ruhe geben.

„Was steht denn nun auf dem Grabstein von Nummer Fünf? Ist es ein Geheimnis?“

Die Alte blieb stehen. „Lassen Sie es gut sein“, entgegnete sie nur.

„Die Zeit wird kommen und dann gehen wir zusammen zum Stein von Nummer Fünf. Sie werden verstehen. Nur heute nicht, nicht zum jetzigen Zeitpunkt.“

„Warum durfte sie überhaupt hier einziehen“, verlangte ich zu wissen, statt, wie Frau Sorge es offenbar wünschte, das Thema endlich ad acta zu legen. „Sie ist gehässig, von Grund auf böse, macht sich über Nummer Eins lustig und strotzt vor Arroganz und Selbstüberschätzung.

Nichts, aber auch gar nichts an ihr ist liebenswert. Das kann einer Frau wie Ihnen doch nicht einfach entgangen sein.“

Meine Begleiterin seufzte leicht. „In Ihrer ordentlichen, kleinen Welt gibt es wohl nur kleine, ordentliche Dinge und saubere, anständige Menschen. Jedoch ohne Hass keine Liebe, ohne Zorn existiert keine Sanftmut und ohne Tod nicht das Leben. Zu allen negativen Dingen gibt es ein positives Gegenstück und umgekehrt, sonst bliebe unsere Welt nicht im Gleichgewicht. Deshalb ist Nummer Fünf hier. Sie bat um Einlass und ich habe ihn gewährt. Sie hat das gleiche Recht in unserem Hause zu leben wie Sie.“

Ich verstand von ihren Erklärungen nur Bahnhof, um es in einer etwas laxen Sprache auszudrücken. Aber es sind die treffendsten Worte, meine Stimmung zu beschreiben.

Die undurchsichtige Hausbesitzerin drückte die Tür nach innen auf und machte Anstalten, ins Gebäude zurückzukehren. Das Gespräch schien für sie an dieser Stelle offenbar beendet, entweder weil ich ihr auf die Nerven fiel, oder weil sie den Zeitpunkt nicht für geschickt erachtete, selbiges noch weiterzuführen.

Dann schien sie sich anders zu besinnen und drehte sich auf dem Absatz noch einmal um.

„Ich merke Ihnen deutlich an, liebe Nummer Sechs, wie Sie innerlich gegen all dies hier ankämpfen, in erster Linie wohl deshalb, weil Ihnen so viel skurril vorkommt. Auch meine Versicherung, den anderen im Hause ist es am Anfang ebenso ergangen, bringt Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich nicht viel. Niemand, wirklich gar niemand, möchte Ihnen etwas antun, ich bin keine Hexe, und das hier ist kein Knusperhäuschen. Lassen Sie einfach nur die Zeit wirken. Eines Tages werden Sie mich verstehen. Dann werden Sie froh sein, mich getroffen zu haben, und ich versichere Ihnen, Sie werden Teil dieser Gemeinschaft hier.“

Nach einer weiteren Weile unschlüssigen Herumstehens entschied ich auf einmal zusammenhangslos, dass ich einen Spaziergang zu machen gedachte. Frau Sorge stimmte erstaunlich schnell und freudig zu.

„Das ist sehr gut. Treffen Sie sich mit Freunden, gehen Sie mal raus.

Sie haben die vergangenen Wochen sehr viel Zeit nur hier verbracht.

Reden Sie mit Menschen, das kann so befreiend sein.“

Ihrer direkten Aufforderung, das Haus doch für eine geraume Weile zu verlassen, kam ich nur zu gerne nach. All die Eindrücke, mit denen ich in den letzten Wochen überflutet worden war, seit ich die kostenlose Dachwohnung mit Himmelblick mein Zuhause nannte, hatten ein totales Gefühlswirrwarr in mir hinterlassen, und ich spürte überdeutlich, wie sehr ich frische Luft für meine Gehirnzellen benötigte, um wieder in normalen Bahnen denken zu können.

So beschloss ich, meiner besten Freundin einen Besuch abzustatten.

Sie freute sich sehr, mich zu sehen, auch wenn ich in einen ihrer arbeitsreichsten Nachmittage platzte. Greta ist Lehrerin, und wenn sich ein Schuljahr dem Ende nähert und die letzten Arbeiten geschrieben und Prüfungen abgehalten werden müssen, gerät sie gerne etwas in Hektik.

„Na, wie gefällt es dir in deinem neuen Zuhause?“, wollte sie wissen.

„Ich hatte vor, dich zu besuchen, aber du siehst ja den Schreibtisch da vor dir. In den Ferien holen wir alles nach.“

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, ging sie zur nächsten Frage über: „Kaffee?“

„Gerne“, sagte ich dankbar. „Deswegen bin ich hier.“

Sie zog die Stirn ungläubig nach oben. „Wegen einer Tasse Kaffee?

Hast du keinen eigenen mehr?“

Ich schüttelte langsam den Kopf.

„Unsinn. Ich muss mit dir über die Wohnung reden.“

Greta setzte Wasser auf und brühte den Kaffee auf ganz altmodische Art und Weise mit Porzellankanne und Filter, und für diese Tätigkeit könnte ich sie küssen. Nirgendwo schmeckt mir der Kaffee so wie bei ihr. Und da ist außerdem noch die Nähe zu einem Menschen, dem man bedingungslos vertrauen kann und der einem das wunderbare Gefühl von aufgefangen werden gibt, wenn etwas gerade so richtig quer läuft.

„Also, was ist mit der Wohnung?“, forschte sie.

Ich suchte nach treffenden Worten, um ihr meine Besorgnisse in Bezug auf das Haus und seine Mitbewohnerinnen nahebringen zu können.

„Na ja, die Wohnung ist schon sehr schön und hell und gemütlich, jetzt, nachdem ich mit Nummer Eins alles gestrichen und eingeräumt habe.“

„Du und Nummer wer?“, hakte Greta irritiert nach.

„Ich und Nummer Eins“, wiederholte ich. „Das ist eine der vielen seltsamen Sachen dort. Die Mieter haben keinen Namen, sondern Nummern. Man sieht auch nie mehrere auf einmal. Und Frau Sorge, hierbei handelt es sich um die Eigentümerin des Hauses, vermietet die Wohnungen kostenlos. Anstatt einer Miete erwartet sie lediglich ab und zu ein wenig Hilfe bei der Gartenarbeit.“

Greta hatte während meiner Beschreibung die Stirn in immer tiefere Falten gezogen und sagte jetzt lauter als gewöhnlich: „Das gefällt mir ganz und gar nicht. In was bist du da bloß hinein geraten?“

„Das weiß ich eben nicht. Im Grunde bedroht mich dort niemand, und die Wohnung ist wirklich urig. Trotzdem ist alles seltsam.“

„Das will ich aber auch meinen“, bestätigte Greta.

Wir schlürften den Kaffee und sie gab folgende Äußerung von sich, auf die ich selbstverständlich wartete: Dass sie mich so schnell wie möglich besuchen käme, um sich persönlich von dem neuen Umfeld überzeugen zu können.

Wir redeten noch eine Weile über wichtige und belanglose Dinge, ehe ich mich später aufrappelte, um sie ihren Korrekturen zu überlassen.

Greta fasste meine Schultern und sah mir eindringlich ins Gesicht.

„Ich komme bald vorbei, Marion, verlasse dich drauf. Und pass auf dich auf so lange. Du kannst Tag und Nacht bei mir klingeln, das weißt du. Wenn es zu skurril wird, mach einfach die Biege. Rechtzeitig, hörst du.“

„Mach ich“, versprach ich und verabschiedete mich.

Ich brauchte noch etwas Zeit für mich und verspürte nicht die geringste Lust, auf direktem Wege ins Knusperhäuschen zurückzukehren. Also wählte ich einen Umweg über die Innenstadt, um mir frischen Tee zu kaufen und meinen Gedanken, die im Kreis tanzten, nachzuhängen.

War es Zufall gewesen, dass ausgerechnet jener Patient kein Auto besaß und so nicht oder nur auf sehr umständlichem Wege zu mir in die Praxis kommen konnte? Ich bin selbstständig und freue mich natürlich über Neukunden, also hatte ich meine klappbare Liege ins Auto gepackt und die Anwendung bei ihm zuhause im Wohnzimmer durchgeführt.

Wäre ich sonst jemals in diese Gegend gekommen?

Vermutlich nicht. Dort lebten weder Freunde noch Verwandte von mir, und es gab auch keine speziellen Läden mit ausgefallenen Waren, die einen in das Wohngebiet gezogen hätten. Bestand die Möglichkeit, dass mich das Haus tatsächlich zu sich gelockt hatte? Man konnte doch in Büchern oder Zeitschriften von übernatürlichen Dingen lesen, und das Fernsehen stand mit Informationen in nichts nach. Sollte ich mit einem Umfeld konfrontiert werden, welches mir zum Teil Angst einjagte und mich andererseits neugierig machte, damit ich Erfahrungen sammeln konnte, die mich in irgendeine Richtung weiterbringen würden?

War es einfach nur einer jener Tage gewesen, an denen man im übertragenen Sinn in die Scheiße tappt? Wie war es denn verlaufen, mein Leben, bevor Frau Sorge ein Bestandteil davon wurde und einen großen Teil meiner Gedankenwelt beherrschte?

Nun, mein Dasein war so, wie das von tausenden anderen Menschen auch. Mal langweilig, mal nervtötend, mal ganz okay. Es gibt eben Tage, da kotzt dich alles an, und am nächsten Morgen sieht alles schon nicht mehr so schlimm aus. Gut, man kann vielleicht erwähnen, dass ich viel alleine war und außer dem Kontakt mit Greta kaum andere pflegte. Es gab keinen Mann in meinem Leben, ab und an war das Geld knapp, und an Feiertagen fiel mir die Decke auf den Kopf, und die Depression hockte frech grinsend neben mir auf dem Sofa und versuchte mir einzureden, ich hätte es genauso verdient, weil ich nämlich ein unmöglicher Zeitgenosse wäre. Erkennt sich irgendwer in diesen Schilderungen wieder? Mit Sicherheit. Ich bin mir dennoch gewiss, dass nicht zig Frauen in Vorgärten stehen und an Vorbeieilende gratis Wohnungen verteilen.

Was sollte es? Mich hatte es nun mal getroffen, ich hatte mich für den Umzug ins Knusperhäuschen entschieden und musste sehen, wie ich klar kam. Vielleicht sollte ich nicht pausenlos darüber nachdenken, sondern den Dingen einfach ihren Lauf lassen.

Ich betrat einen kleinen Laden und suchte die Regale nach grünem und weißem Tee ab, entschied mich schließlich für zwei Päckchen und machte mich auf den Heimweg. Es kam mir in den Sinn, Nummer Eins zum Tee zu mir einzuladen und den noch sehr jungen, behutsamen Kontakt zu vertiefen. Doch zu meiner Verwunderung und gleichermaßen Enttäuschung, ehrlich zugegeben, konnte ich sie weder an diesem Abend noch an den nächsten Tagen im Haus antreffen. Ihre Tür blieb verschlossen, so sehr ich auch dagegen pochte. Sie fand nicht den Weg über die knarrenden Stufen hinauf zu meiner Wohnung.

Ich nahm mir vor, Frau Sorge nach dem Verbleib von Nummer Eins zu fragen. Vielleicht wusste sie ja etwas.

Zuvor kam mir jedoch noch eine andere, sehr seltsame Sache dazwischen.

Ich befand mich in meiner Praxis und hatte gerade eine Behandlung abgeschlossen, als das Telefon in einem fast zornigen Ton zu schrillen begann. Die Stimme am anderen Ende der Leitung überschlug sich fast.

„Willst du mich verarschen?“, bellte Greta.

Ich verstand nur Bahnhof. Also fragte ich harmlos: „Wieso kommst du auf so etwas?“

„Wieso?“, brüllte meine beste Freundin, und ihre Stimme nahm einen ungewohnt hohen, fast schrillen Ton auf Grund ihres Ereiferns an. „Ich wollte dich heute Morgen überraschen und mir dein neues Zuhause mal näher ansehen.“

„Du weißt, dass ich eine Praxis habe und dort auch zu arbeiten pflege“, gab ich nun leicht verärgert zurück, da ich ihren Tonfall, nur weil sie ohne Voranmeldung bei mir vor verschlossener Türe gestanden hatte, unmöglich fand. „Ich hatte heute Morgen Termine.“

„Schön für dich, wenn das Geschäft läuft“, entgegnete Greta spitz.

„Trotzdem musst du mich nicht zum Besten halten. Wir sind doch erwachsene Frauen und sollten uns vielleicht auch so benehmen.“

„Was ist denn eigentlich los?“, fuhr ich gereizt dazwischen.

„Was los ist? Ich war bei deiner neuen Adresse. Da wohnt nur keiner, das ist los.“

„Du redest nur Müll. Hast du was getrunken?“ Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum um alles in der Welt warf mir meine Freundin derartigen Unsinn an den Kopf?

„Du hast mich ganz richtig verstanden, und ich bin nicht auf Droge. Da kann auch gar keiner wohnen. In dem verwilderten Garten steht lediglich ein alter Schuppen, der wegen Baufälligkeit demnächst abgerissen wird. Ich habe mir sogar die Mühe gemacht und mehrere Anwohner dort nach deinem sogenannten Haus gefragt. Es hat nur leider nie ein solches in der Gegend gestanden.“

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Vielleicht träumte ich nur. Ich zwickte mich, wie vorgegeben, in den Arm und stellte aufgrund des Schmerzes fest, dass ich durchaus wach war.

„Bist du sicher, dass du dir die richtige Adresse aufgeschrieben hast?“,

war das Einzige, was mir dazu einfiel.

„Noch bin ich nicht vergreist, meine Liebe. Noch kann ich Straßennamen und Hausnummern lesen. Ich war genau bei der von dir angegebenen Adresse.“

„Verstehe ich nicht“, sagte ich tonlos.

„Wie dem auch sei“, kam es vom anderen Ende der Leitung, in einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Ärger, „im Moment fühle ich mich irgendwie zum Besten gehalten von dir. Wir sollten darüber reden. Warte nicht zu lange mit einer Erklärung.“

Dann legte sie auf.

Ich empfing den nächsten Kunden und hatte erhebliche Mühe, mich auf die Behandlung zu konzentrieren. So quälte ich mich durch einen langen Arbeitstag, schloss endlich meine Praxistüre zu und hechtete meinem Zuhause, das es nach Gretas Worten angeblich gar nicht gab, entgegen. Natürlich befand sich das alte Mauerwerk genau an der Stelle, an der ich es heute Morgen verlassen hatte. Wer hielt denn nun wen zum Besten?

Ein vorbei hastender Mann, den Hut gegen den unangenehmen, feinen Nieselregen tief ins Gesicht gezogen, sollte zu meiner eigenen Beruhigung, und um vor Greta bestehen zu können, die tatsächliche Existenz des Hauses bestätigen.

„Bitte warten Sie kurz.“ Ich hielt ihn einen kleinen Moment am Ärmel fest.

„Was gibt es denn?“, knurrte er. „Ich habe es eilig.“

„Sehen Sie das Gebäude da?“, fragte ich vorsichtig und deutete auf das mir nun schon vertraute ockerfarbene Mauerwerk.

Der Mann sah mich verständnislos an. Dann erwiderte er zu meiner unendlichen Erleichterung: „Natürlich sehe ich es. Ich bin ja nicht blind. Und deswegen halten Sie mich bei diesem Sauwetter auf?“

Ich murmelte eine Entschuldigung und hätte ihn trotz seiner Brummigkeit küssen können. Natürlich stand da mein Haus, andere konnten es ja auch sehen. Was war nur in Greta gefahren? Sie musste sich ganz einfach in der Adresse geirrt haben.

„Ist das Gebäude da für Sie ein Haus oder ein Schuppen“, rief ich dem sich entfernenden Mann hinterher.

Er drehte sich noch einmal zu mir um und tippte sich leicht mit den Fingern an den Hut.

„Mann, Sie haben sie wirklich nicht alle beisammen.“

Dann knurrte er noch: „Auf jeden Fall ist es nicht der Buckingham Palast.“, und eilte weiter.

Er entschwand im Regen und in der Dämmerung, und ich fühlte auf einmal die Nässe durch meine Jacke kriechen und fröstelte. Es war Zeit hineinzugehen. Hineinzugehen in ein sonderbares Haus, das meine Heimat geworden war, auch wenn viel Seltsames mich schreckte.

Meine Hände streiften die dicken, saftigen Blätter des Buschwerks, welches den Weg zur Haustüre links und rechts säumte. Ich fühlte, wie meine anfängliche Abneigung gegenüber meinem neuen Heim, dessen seltsamer Eigentürmerin und den Mitbewohnerinnen, von denen ich die meisten allerdings noch gar nicht kannte, einer leise schwelenden Neugier wich. Anstatt ständig fruchtlose Überlegungen anzustellen, was sich hinter all den sonderlichen Vorkommnissen hinter den verwitterten Mauern verbergen könnte, beschloss ich, den Dingen einfach mal ein bisschen näher auf den Grund zu gehen.

Es musste doch möglich sein, mehr über die anderen Frauen zu erfahren, wo sie früher gelebt hatten, was sie ausgerechnet in diese Gegend führte und wo sie sich aufhielten, wenn sie nicht in ihren Wohnungen zugegen waren.

Ich drückte die Tür auf und traf auf Frau Sorge, die gerade die mir inzwischen vertraute, stets knarrende Holztreppe herunterkam.

„Na“, grüßte sie mich und forschte augenblicklich nach: „War es schön, neulich mit Ihrer Freundin? Sie wollten sie doch besuchen gehen.“

„Na ja, wie man es nimmt. Es war eigentlich ein ganz netter Nachmittag. Aber nun ist Greta sauer auf mich.“

„Ach“, sagte Frau Sorge nur.

„Ich habe sie zu mir eingeladen, aber sie kam an einem Tag hierher, als ich nicht zuhause war, sondern in meiner Praxis arbeitete. Nun behauptet sie, an der von mir angegebenen Adresse steht nur ein alter Schuppen in einem verwilderten Garten, und unser Haus gäbe es angeblich gar nicht. Ich möchte nur wissen, was in sie gefahren ist. Ich verstehe sie einfach nicht“, erklärte ich und sah wohl sehr ratlos und unverstanden aus.

Frau Sorge zog mich kurz an sich, als wolle sie mich trösten.

„Das ist das erste Mal, dass Sie „unser Haus“ gesagt haben. Sie fangen an, sich hier wohlzufühlen und dazuzugehören. Und die Geschichte mir Ihrer Freundin wird sich sicherlich klären. Vielleicht war nur der gewählte Zeitpunkt nicht ganz der Richtige. Das war auch meine Schuld. Ich hätte es Ihnen erklären müssen.“

„Sie fanden es doch selbst eine gute Idee, nach draußen zu gehen, als wir neulich im Garten bei den Steinen waren. Warum ändern Sie nun ihren Standpunkt?“, wollte ich irritiert wissen.

„Auch ich mache Fehler. Das war einer“, sagte Frau Sorge schlicht.

„Sie wird sich wieder mit Ihnen vertragen, dessen bin ich mir ganz sicher“, fuhr sie fort. „Der Zeitpunkt für einen Besuch war vielleicht etwas überstürzt, und ich selbst hätte Sie nicht ermuntern sollen, mit Freunden über das Haus zu reden. Sie sollten erst einmal Kontakt zu den Mitbewohnerinnen suchen, neue wunderbare Eigenschaften aneinander entdecken und eventuell auch das eine oder andere voneinander lernen. Sprechen Sie mit den Frauen hier über Ihre Ängste oder Ihre Wut, wenn jene Dinge tun, die Sie nicht begreifen können.

Ihre Freundin gehört nach draußen, Sie gehören augenblicklich erst einmal nach drinnen.“

Wieder diese orakelnden Vorschläge, denen ich nicht folgen konnte.

„Sie hat das Haus nicht gefunden. Obwohl angeblich Straßenname und die Nummer gestimmt haben.“

„Was sind schon Namen“, antwortete Frau Sorge leichthin. „Wie ich immer behaupte, sie sagen überhaupt nichts aus. Rufen Sie die Dame an und erklären Sie ihr freundlich, dass Sie sie zu einem späteren Termin hierher zu uns bitten werden. Am besten holen Sie sie dann persönlich ab, damit sie sich nicht wieder verläuft. Wenn die Zeit reif ist, ist der Weg frei.“

Ich wandte mich ab und schlurfte die Treppe nach oben. Frau Sorge sprach in Rätseln wie meistens, ich war hundemüde und konnte mich anscheinend nicht mitteilen, nicht vermitteln, welcher Aufruhr in mir herrschte. Ich drehte mich im Kreis und wollte nur noch ins Bett.

Die Alte hielt mich kurz am Ärmel fest.

„Manchmal brauchen manche Dinge etwas länger, um zu reifen. Ihre Aufgabe ist es nun, sich zu entwickeln in unserer kleinen Gemeinschaft. Wenn Sie später die Freundin bei der Hand nehmen und hierher führen, dann werden ihre Augen keinen Schuppen mehr sehen sondern ein Haus. Ein Haus, welches aus Liebe erbaut ist.“

Ich ging benommen zu Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Tag rief ich Greta an. Sie war etwas verhalten am Telefon, aber nicht mehr so wütend wie gestern, und ich atmete auf.

Ich versicherte ihr zigmal, dass ich das Ganze auch nicht verstünde und sie auf keinen Fall absichtlich in die Irre geführt hätte.

Endlich unterbrach sie meinen Redeschwall.

„Schon gut, wir starten einen neuen Versuch. Ich kann es nur die nächsten vierzehn Tage überhaupt nicht einrichten, weil die Prüfungen auf Hochtouren laufen.“

Eine Pause entstand. Dann klang ihre Stimme sehr leise und sehr ernst zu mir durchs Telefon: „Wenn irgendetwas Merkwürdiges passiert, melde dich bitte. Du weißt, dass du Tag und Nacht anrufen kannst.“

Ich atmete erleichtert auf, da ja Frau Sorge der Ansicht war, Greta solle sich mit ihrem erneuten Besuch etwas gedulden, und ich nicht recht wusste, wie ich das vor meiner Freundin begründen sollte. Dass sie selber um Aufschub ob ihres straffen Terminplans bat, kam mir wie gerufen.

„Ich danke dir.“, gab ich zurück und legte auf.

Mein Gott, bei den ganzen Merkwürdigkeiten, die in den nächsten Tagen und Wochen passierten, hätte ich Greta Tag und Nacht anrufen müssen. Ich wollte sie jedoch nicht beunruhigen. Außerdem wurde die Neugier in mir immer stärker, ich wollte all den Absonderlichkeiten hier im Haus endlich auf den Grund gehen. Es war meine einzige Chance. Ich war nicht fortgelaufen, im Gegenteil, ich war nach gründlichem Abwägen hierher zurückgekehrt und hatte mich für meine kleine Dachwohnung entschieden. Also Blick nach vorne, den Kontakt zu den anderen Mitbewohnerinnen suchen und sie näher kennen lernen, wenn auch nicht immer verstehen lernen. Und irgendwann würde ich mir Frau Sorge greifen und sie nicht mehr mit irgendwelchen Orakelsprüchen davonkommen lassen. Aber eins nach dem anderen.

Ich begann mein Vorhaben, einen Mokka schlürfend, auf dem Sofa.

Es war Sonntag, also musste ich nicht in meine Praxis, sondern konnte sofort mit den Nachforschungen beginnen. Der starke Kaffee stachelte mich an, und voll kühner Entschlossenheit, etwas über die Frauen zu erfahren, nahm ich mir vor, gleich bei der widerwärtigen Nummer Fünf anzufangen. Natürlich machte sie die Tür nicht auf, so lange ich auch dagegen hämmerte.

Dafür vernahm ich plötzlich in der Wohnung gegenüber wüstes Geschrei, und etwas polterte mit lautem Knall an die Wand. Ich fuhr zusammen und starrte einen Moment lang auf den Türrahmen, hinter welchem sich der Radau abspielte. Endlich gab ich mir einen Ruck und klopfte.

„Was gibt es?“, bellte jemand hinter der Wand.

„Haben Sie ein Problem da drin?“, fragte ich unbeholfen, weil mir nichts Gescheites einfiel.

„Und was geht Sie das an?“, kam keifend die Antwort.

„Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen. Ich lebe noch nicht lange hier und würde gerne meine Mitbewohnerinnen kennenlernen. Manchmal hilft es schon, wenn man sich zu einer Tasse Kaffee zusammensetzt und redet. Warum sind Sie denn so wütend?“

Die Tür öffnete sich nur einen kleinen Spalt, und es traf mich ein funkelnder Blick aus einem dunklen Augenpaar.

„Sind Sie von der Heilsarmee? Was kümmern Sie sich eigentlich um meinen Kram? Scheren Sie sich um Ihre eigenen Sachen.“

„Ich wollte zu Nummer Fünf. Wir trafen uns neulich in meiner Wohnung.“

Mein Blick deutete nach oben. „Ich habe die Dachwohnung bezogen.“

„Dann klingeln Sie gefälligst gegenüber und bringen Sie ihre salbungsvollen Worte bei ihr an. Ich bin nämlich Nummer Zwei.“

„Ich bin Nummer Sechs“, gab ich meine Ziffer preis.

Sie schien einen Moment zu überlegen, ob sie das Gespräch mit mir suchen sollte, aber dann gewann ihr Unmut erneut die Oberhand.

„Schön für Sie, Nummer Sechs. Und nun lassen Sie mich in Ruhe. Ich habe zu tun.“

Ja, dachte ich, klar. Du musst wahrscheinlich einen Scherbenhaufen zusammenfegen, so wie das eben gerummst hat. Und vielleicht umgefallene Dinge wieder aufstellen. Viel Spaß dabei.

Und laut hörte ich mich sagen, ob sie nicht wohl etwas über den Verbleib von Nummer Fünf wüsste.

Mein Gegenüber zog entnervt die Stirn in Falten.

„Hören Sie, ich bin hier im Haus nicht das Kindermädchen. Hab die Dame noch nicht zu Gesicht bekommen.“

Da ich keine Anstalten machte, so leicht klein beizugeben, wurde ihr Ton etwas gemäßigter. Sie trat vor ihre Tür und deutete mit dem Kopf Richtung Kellerabgang.

„Ab und zu höre ich da unten jemanden herum rumoren. Es scheint einer Person Spaß zu machen, sich in dem dunklen Loch zu verkriechen oder sonst wer weiß was da unten zu tun. Mag sein, dass sie das ist. Könnte natürlich auch die abgedrehte Nummer Eins sein.“

„Sie kennen Nummer Eins?“, fragte ich perplex.

„Jeder kennt doch das verrückte Huhn. Spricht mit Pflanzen und würde am liebsten alles und jeden in rosarote Farbe tauchen. Soll auch ganz gut malen. Aber die ist nicht ganz echt. Gehen Sie ihr besser aus dem Weg, ich traue ihr nicht recht. Und nun muss ich endgültig wieder rein und weitermachen. Schönen Tag noch.“

Ehe ich noch etwas erwidern konnte, hatte sie ihre Tür mit einem harten Ruck geschlossen, und ich stand wie bestellt und nicht abgeholt unschlüssig eine Weile auf demselben Fleck und versuchte, meine wirren Gedanken zu ordnen.

Nummer Eins hatte mir gegenüber doch einmal kurz erwähnt, dass sie niemanden hier im Haus kenne, geschweige denn einer anderen Person als Frau Sorge über den Weg gelaufen wäre. Seltsamerweise schien aber jede einen Kommentar zu Nummer Eins abgeben zu können.