Aufgehängt - Sonja Wölfle - E-Book

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Sonja Wölfle

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Beschreibung

"So so, jetzt liegt er da." Ein Riesenspektakel wird in Dimmelwang erwartet, denn prominenter Besuch hat sich angekündigt. Der berühmte Fernsehkoch Jan Rex gastiert für einen Kochkurs im hiesigen „Poseidon“. Doch leider entpuppt sich der allseits gefeierte Starkoch im Laufe des Abends als richtiges Ekelpaket. Da wundert es auch irgendwie niemanden, als er mit aufgeschlitzter Kehle aufgefunden wird. Die Frage nach dem Motiv treibt alle um. War es ein Mord aus Eifersucht, Habgier oder Neid? In ihrem dritten Fall halten die Ermittlungen Louisa so auf Trab, dass sie weder ihren Pflichten als Trauzeugin nachkommen noch sich großartig um den Wasserrohrbruch im Musikerheim kümmern kann. Spätestens als der Mörder ein zweites Mal zuschlägt, ist allen klar: Jetzt muss schnell gehandelt werden!

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Seitenzahl: 456

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Prolog

„Warum kann dieser Abend nicht einfach schon zu Ende sein?“, fragt sich Jan Rex, als er sich im Dunkeln an den Wänden den Gang entlang tastet. „Wenn nur Ylva schon da wäre. Wobei, die Blondine ist auch nicht übel, nein, die trifft genau meinen Geschmack.“

Er lächelt süffisant vor sich hin.

„Aber die süße kleine Ylva habe ich schon lange nicht mehr gesehen, ich bin gespannt, ob sie sich die Haare schneiden hat lassen, wie sie es bei unserem letzten Treffen angedeutet hat. Ich mag ja ihre langen schwarzen Haare, die so schön schimmern. Wobei mir die Blonden ja schon lieber sind. Aber für die Nacht tut es Ylva schon.“

Jan Rex hört die anderen durch die Tür reden. Er verdreht die Augen, obwohl es niemand hier in der Dunkelheit sehen kann.

„Diese Dorfbewohner machen mich wahnsinnig“, denkt er noch, als er endlich den Türgriff erfühlt. „Ronny hat sich aber auch echt mal wieder wie der letzte Idiot angestellt. Kein Wunder, dass ausgerechnet dem so was passiert ist. Aber am allerschlimmsten ist ja diese Esoterik-Tante. Dass die nicht ihre Wünschelrute ausgepackt und nach einer Wasserader gesucht hat, ist ja alles. Solche Idioten.“

Er drückt die Klinke herunter und tastet sich weiter. Da hört er ein Geräusch. War es das Schließen einer Tür?

„Unsinn“, schilt er sich selbst. „Meine Sinne spielen mir nur einen Streich. Da ist nichts.“

In dem Moment, als er die Hand zum Stromkasten ausstreckt, spürt er eine Bewegung hinter sich. Noch während er sich um- drehen will, zieht sich die scharfe Klinge über seine Kehle. Er sackt in sich zusammen.

Sein letzter Gedanke ist, dass er schnell Luft holen muss, sonst stirbt er.

Zum besseren Verständnis, warum der arme Kerl leider dran glauben muss, fangen wir lieber mal von vorne an.

Dimmelwang, Samstag, 21. März, Bockbierabend

Mario Deutler, Harald und ich liegen auf der Lauer. Wir haben einen heißen Tipp bekommen, dass heute Abend Drogen ihren Besitzer wechseln werden.

Seit Wochen beschatten wir den Dimmelwanger Pendlerparkplatz, jedoch ohne Erfolg. Doch jetzt kommt Sammy Blüml ins Spiel. Er hat sich bereit erklärt, den Lockvogel für uns zu spielen. Vor einer guten Stunde hat er mit seinem Fahrrad den Ort des Geschehens verlassen, nachdem er gut sichtbar den Umschlag mit Geld auf dem Übergabestein deponiert hat. Jetzt heißt es seitdem abwarten.

So langsam wird es mir wirklich unbequem. Seit Stunden liege ich auf dem Bauch hinter einem dornigen Gebüsch und hoffe nur, dass unser Drogendealer sich nicht so genau umschaut, denn dann haben wir schlechte Karten. Zwar sind wir grün angezogen, aber da hier sonst nicht viel grün ist, könnten wir uns auch gleich nackig hinlegen.

Zumindest ist der viele Schnee in den letzten Wochen so weit getaut, dass sich die Erde nur noch feucht und nicht mehr klatschnass anfühlt wie noch vor einer Woche, als ich schon einmal hier gelegen bin. Da hatte ich das Vergnügen, mit Larissa meine Zeit hier totschlagen zu dürfen, was wirklich alles andere als eine Freude ist. Larissa, die ich versehentlich öfter Barbara nenne, weil sie mich so an Barbie erinnert, hatte wirklich an allem etwas auszusetzen. Ihr war es zu kalt, zu nass, zu zugig, und dann ist ihr auch noch ein Fingernagel abgebrochen, was natürlich ein absolutes Drama für sie ist. Das war letztendlich auch der Grund dafür, dass wir unsere Mission vorzeitig abgebrochen haben und erfolglos zurück auf die Wache gefahren sind.

Jetzt muss ich noch kurz etwas erklären, und zwar sind Larissa und mein Chef, Mario Deutler, seit Kurzem miteinander verlobt und planen ihre Hochzeit. Sie hat ausgerechnet mich zu ihrer Trauzeugin ernannt, weil sie glaubt, ich sei ihre allerbeste Lieblingsfreundin. Bin ich nicht. Nur, um das mal klarzustellen.

Da ich ja aber gar nicht so bin, habe ich eingewilligt und darf mir nun ständig irgendwelche Hochzeitszeitschriften und -bücher anschauen und ihr jeden Tag sagen, wie wunderschön sie doch als Braut aussehen wird. Ich vermute ja fast, dass sie nur heiratet, damit sie sich einen Tag lang mal als Prinzessin fühlen kann. Meinem Chef hingegen kann es gar nicht schnell genug gehen mit der Heiraterei. Ich glaube, er will sie unbedingt an sich binden, denn er ist bis über beide Ohren in sie verliebt. Jedenfalls liege ich hundertmal lieber mit Harald und Herrn Deutler auf der Lauer als mit Larissa, bei der sich alles nur noch um die Hochzeit dreht.

„Da kommt jemand“, flüstert Harald.

Unsere Köpfe wandern in Richtung Einfahrt vom Parkplatz. Doch es ist nur ein älterer Herr, der seinen Dackel aus dem Kofferraum hebt und mit ihm den Feldweg entlang geht, der von hier in Richtung Wald losgeht.

„Schon wieder falscher Alarm“, seufzt unser Chef und rollt sich zurück hinter unseren Busch.

Ich schiele auf die Uhr. Es ist schon nach achtzehn Uhr. Hoffentlich kommt der Typ bald, heute ist Bockbierabend und in einer knappen Stunde trifft man sich.

„Keine Menschenseele zu sehen“, bemerkt Harald.

„Sammy hat ja erst vor knapp eineinhalb Stunden den Umschlag hingelegt. Der Dealer will bestimmt auf Nummer Sicher gehen und kommt erst ein gutes Stück später“, meine ich.

„Vermutlich haben Sie Recht, Frau Städele“, stimmt mir mein Chef zu. „Oh, Moment.“

Er kruschtelt in seiner Jackentasche und befördert dann ein vibrierendes Handy zutage.

„Ja, Schatz?“, meldet er sich.

Alles klar, Larissa ist dran. Zum Glück kann ich nicht verstehen, was sie redet, ich höre nur ein bisschen ihre quietschige Stimme durchs Telefon.

„Aber sicher Schatz, bestell das ruhig. Was? Nein, nein, das brauchst du nicht. Such einfach aus, was dir gefällt, ich bin sicher, mir gefällt es auch. Aber sicher. Schatz, du machst das schon. Ja, ich dich auch, bis dann, mein Schatz… Nein, leg du auf… Nein, du.“

Mir war das jetzt wirklich peinlich, obwohl ich ja nur Teilzuhörerin bin. Aber der Deutler strahlt übers ganze Gesicht und gluckst vor sich hin.

„Ja, Chef, was ist denn los?“, fragt der Harald ganz plump. Er ist halt auch nur ein Mann und kann das nicht besser.

„Ach, Larissa hat gefragt, in welcher Farbe ich die Tischdekoration haben möchte. Ich vertraue ihr voll und ganz, dass sie das richtig schön aussuchen wird. Sie hat was von einer Eisskulptur erzählt, aber ich glaube, da wollte sie mich nur auf den Arm nehmen.“

Er kichert. Leider glaube ich so gar nicht, dass das nur ein Scherz gewesen sein soll. Zur Ablenkung werfe ich einen Blick in Richtung Übergabestein und traue meinen Augen nicht. Da huscht gerade ein Kerl mit unserem Geldumschlag in der Hand weg!

„Da ist er!“, zische ich den beiden Herren zu.

„Was? Wer ist da? Der Schwan aus Eis?“ Harald schlägt sich auf die Oberschenkel und lacht recht dreckig.

„Nein, unser Drogendealer. Los!“

Noch bevor ich realisiere, was ich da überhaupt tue, bin ich aufgesprungen und will hinter dem Mann herlaufen. Meine Hose verhakt sich allerdings so doof in dem Stachelbusch, dass ich stolpere und mich gerade noch so mit den Händen abfangen kann, bevor ich kopfüber in den Busch stolpere.

„Halt, stehen bleiben! Polizei!“, brülle ich dem Kerl hinterher, der längst die Beine in die Hand genommen und die Flucht ergriffen hat.

Harald und Herr Deutler nehmen die Verfolgung auf. Ich setze ihnen kurz darauf mit zerrissener Hose und blutigen Händen nach. Eines muss man dem Drogenkurier lassen, er ist mal richtig schnell. Er rennt wie ein Irrer den Feldweg entlang. Aber wir sind ihm dicht auf den Fersen.

„Bleiben Sie stehen, Sie haben keine Chance!“, ruft mein Chef und zückt wie zum Beweis seine Dienstwaffe.

Der Dealer wirft immer wieder einen hektischen Blick zurück, wird deswegen aber keinen Deut langsamer.

„Halt, Polizei!“, schreit jetzt auch Harald.

In der Ferne sehe ich den älteren Herren mit seinem Hund mitten auf dem Feldweg stehen. Wir sprinten geradewegs auf ihn zu. Da ist der Dealer bei ihm angekommen, just in dem Moment, als sich der Herr bückt. Rüpelhaft schubst der Verfolgte ihn zur Seite und fängt daraufhin zu schlingern an. Wir sehen das und legen noch einmal einen Zahn zu. Das ist unsere Chance!

Harald hechtet nach vorn und lässt sich filmreif mit ausgestreckten Armen fallen. Er erwischt ihn an einem Fuß und bringt ihn somit zum Straucheln. Herr Deutler hat aufgeholt und schafft es, den Dealer aufzufangen.

Atemlos biegt er ihm die Arme hinter den Rücken und keucht: „Sie sind vorläufig festgenommen.“

Der Dealer windet sich und hackt mit den Füßen nach unserem Chef.

„Hey, Freundchen, immer schön den Ball flach halten“, ermahnt ihn da Harald, während ich auf den älteren Herren zugehe, der völlig verdattert zusieht, was sich hier so abspielt.

„Entschuldigen Sie bitte“, sagt er mit brüchiger Stimme, während er mir die Hand auf den Arm legt. „Aber ich wollte doch nur Waldis Haufen aufsammeln.“

„Keine Angst, Sie haben alles richtig gemacht.“

Seine wasserblauen Augen schauen mich durchdringend an.

„Aber Frollein, wie soll ich denn den Haufen noch aufsammeln? Ich will wirklich keinen Ärger mit der Polizei, ich sammle sonst immer Waldis Häufchen ein.“

Ich folge seinem Blick nach unten. Jetzt kapiere ich auch, warum der Dealer so plötzlich gestrauchelt ist: Er ist in Waldis Haufen getreten! Ich klopfe dem Herrn wohlwollend auf die Schulter und sage: „Das nehme ich auf meine Kappe. Und bitte kommen Sie doch bei Gelegenheit auf der Wache vorbei, dann bekommt Ihr Waldi ein Wienerle als Belohnung dafür, dass er uns bei einer Täterergreifung behilflich war.“

„Ich verstehe Sie nicht ganz. Bitte? Ich habe ganz normale Tüten aus diesen Hundestationen. Die sind nicht aus Pappe. Ist das besser für die Umwelt? Wo kann ich die denn kaufen? Und nein, der Waldi hat kein Wienerle gefressen, der bekommt immer Trockenfutter.“

Jetzt kann ich mich nicht mehr zusammenreißen und fange laut zu lachen an.

„Aber nein! Das meinte ich doch gar nicht“, bringe ich raus, bemüht, sehr laut und deutlich zu sprechen. „Der Waldi ist ein super Hund! Der bekommt von uns ein Wienerle! Auf der Wache! Kommen Sie einfach mal vorbei. Und Ihre Plastiktüten sind einwandfrei!“

„Wie? Na dann ist´s ja gut.“

Ich nehme noch schnell seine Personalien auf, dann wende ich mich den drei Männern zu. Der Dealer macht immer wieder Versuche sich loszureißen, aber die beiden tun alles, um genau das zu verhindern.

„Na los, jetzt rücken Sie endlich raus. Wir wissen genau, dass Sie den Jugendlichen hier Drogen verkaufen.“

„Ich sage gar nichts!“

„Gut, dann eben nicht. Wir nehmen Sie jetzt erst einmal mit auf die Wache, dann werden wir ja sehen, was wir rauskriegen können.“

Ich sehe mir den Drogendealer genauer an. Er ist noch recht jung, vielleicht Ende zwanzig. Eigentlich schaut er recht sympathisch aus, mal abgesehen von seinem verbissenen Gesichtsausdruck.

„Wie lange geht das denn schon?“, frage ich, während wir zurück in Richtung Pendlerparkplatz gehen.

„Ich sage nichts.“

Ich zucke mit den Schultern.

„Dann eben nicht.“

Da fällt mir unser Bockbierabend ein.

„Ach Mensch, ich sollte ja schon längst im Poseidon sein!“

„Aber Frau Städele, wir haben soeben den lang gesuchten Drogendealer dingfest gemacht!“

„Ich weiß, Herr Deutler, aber ich muss unbedingt zum Bockbierabend. Der Xaver ist krank, und ich bin die einzige, die Tenorhorn spielt.“

„Herr Deutler“, mischt sich Harald ein, „ich bin doch auch noch da. Lassen Sie die Frau Städele ruhig gehen, das schaffen wir schon. Das ist ja sozusagen ein Notfall.“

Er zwinkert dem Deutler zu, der mit sich zu hadern scheint.

„Also gut, aber das ist eine Ausnahme.“

„Herr Deutler, eigentlich hätte ich seit ein paar Stunden frei“, erinnere ich ihn.

„Ach so, ja dann ist ja sowieso klar, dass Sie gehen können. Herr Grünecker ist ja auch auf der Wache, oder?“

„Klar, der hat heute ganz normal Dienst.“

„Dann viel Spaß beim Musizieren.“