Aufstieg einer Heldin - Mark Staats - E-Book

Aufstieg einer Heldin E-Book

Mark Staats

0,0

Beschreibung

Der strahlende Held Rafahello Feeheroo hat eine Mission – die in einem pinken Turm gefangene Capuzine zu befreien. Diese ist jedoch des langen Wartens auf Helden müde und schreitet selbst zu Tat. Mit Unterstützung ihres gerade erwachten Erfindergens gelingt Capuzine die Flucht. Währenddessen hat ihr Held ganz andere Probleme – er muss in einem Wald mit einer fleischfressenden Pflanze um sein Leben kämpfen und überlebt nur dank der Hilfe eines Gottes in Ausbildung. Die Wege von Capuzine und Rafahello sollen sich erst in einer Stadt der Elben kreuzen – und dieses Treffen steht unter keinem guten Stern, denn auch die Elbenprinzessin hat ein Auge auf Rafahello geworfen und will ihn für sich allein. Capuzine bleibt nichts anderes übrig, als um ihren Helden zu kämpfen ... Ein humoriger Fantasy-Roman von Mark Staats

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 536

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Aufstieg einer Heldin

Ein Afaga-Roman

Mark Staats

© 2012 Verlag Torsten Low Rössle-Ring 22 86405 Meitingen/Erlingen

Besuchen Sie uns im Internet:www.verlag-torsten-low.de

Alle Rechte vorbehalten.

Cover und Illustrationen: Chris Schlicht

Lektorat und Korrektorat: M. Low, F. Low, T.Low

eBook-Produktion: Cumedio Publishing Services – www.cumedio.de

ISBN (Buch):978-3-940036-14-8

Aufstiegeiner Heldin

Ein Afaga-Roman

von

Mark Staats

Fantasy-Parodie

Inhalt

Prolog

Feuer & Schwert

Der pinke Turm

Im Elbenwald

Die Erfindung des Sprengstoffes

Helden sind Trottel

Auf der Flucht

Mensch, Zwerg und Drachen

Verrat, Vergnügen, Verurteilung

Befreiung

Freiheit und Einkäufe

Inferno

Von Köchen und Kavernen

Die Flucht

Mitgefangen, mitgehangen

Von Töchtern, Plüschsocken und Eichhörnchen

Heiler und Schläfchen

Vorbereitungen

Flugversuche

Der Anfang vom Ende

Das Ende

Neubeginn und Epilog

Danksagung

Autor

Lesetipps

Für alle Heldinnen und Helden,

Salami- und Bockwurstliebhaber

Prolog

25. Tag im Mond des Gottes Golaf 1569 nach Afaga

Der Junge ritt im strammen Galopp durch das Tor. Brachte das Pony vor den Stallungen zum Stehen und versuchte, abzuspringen. Er blieb im Steigbügel hängen und schlug klirrend auf dem Kopfsteinpflaster auf.

»Doofes Kettenhemd! Vielleicht sollte ich doch Barde werden«, fluchte er. Bedienstete stürzten herbei, um ihm zu helfen, doch er hob die Hand und sie blieben stehen. Der Junge rappelte sich hoch und klopfte dem Pony auf den Hals. »Maddin, das war ein tolles Abenteuer bei diesem Vampir. Ich hoffe, dass dein Fohlen Detlef mal genauso großartig wird wie du. Vielleicht ein wenig größer. Ich für meinen Teil weiß allerdings nicht, ob ich nicht doch lieber Laute spielen mag.«

Das Pony wieherte dem Jungen hinterher, als dieser zum Haupthaus ging. Auf dem Weg zu seinem Zimmer zog er sein Kettenhemd aus und ließ es achtlos auf den Boden gleiten. Anschließend stürmte er in sein Gemach, verschloss die Tür und verkroch sich unter der Decke seines Bettes. Der Junge starrte die Wand an und dachte nach.

Barde oder Kämpfer? Barde oder Kämpfer? Nach Stunden kippte er müde zur Seite, schlief ein und begann zu träumen.

Er stand auf einer Wiese im Osten seines Heimatlandes Afaga. Hier gab es nur saftige Ebenen und geschwungene Hügel. Es war das Reich der Menschen. Eine rosa Wolke machte neben ihm »Puff« und hustend schälte sich eine kleine dicke Gestalt daraus hervor. Die Gewandung farblich passend zur Wolke. »Ich hasse diese ›Ich bin Dir ihm Traum erschienen Nummer‹«, murmelte die Gestalt.

»Huch, wer bist du denn?«, fragte der Junge und schaute den kleinen Dicken verdutzt an.

»Sagen wir mal, ich bin ein Freund.« Die Gestalt war immer noch dabei, ihre Gewandung glatt zu streichen.

»Und was willst du in meinem Traum, Freund?«

Das letzte Wort kam sehr langezogen über die Lippen des Jungen. Er musterte die Gestalt aufmerksam und konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass er jemand vor sich stehen hatte, dessen Augen nicht ganz so hervorragend arbeiteten. Zumindest was das Farbsehen anbelangte.

»Willst du wirklich Barde werden?«, fragte die rosa Gestalt.

»Ja, warum nicht?«

»Komm mit, ich zeige dir was!« Die Gestalt reichte dem Jungen die Hand, der neugierig, aber auch zögerlich danach griff.

»Komm aber nicht auf den Gedanken mich zu entführen. Mein Papa ist ein wirklich wichtiger Mann. Er würde dich überall finden.«

»Ja, klar wird er das, daran habe ich keinen Zweifel«, antwortete der Dicke geheimnisvoll. »Schneller als du denkst ist seine Zeit abgelaufen und dann ist er sowieso bei uns«, fügte er murmelnd hinzu. Dann flatterte er mit der freien Hand wie ein Vogel.

Die beiden hoben ab.

»Ich kann fliegen«, meinte der Junge überrascht.

»Es ist dein Traum.«

Sie flogen nach Norden. Unter ihnen veränderte sich die Landschaft. Hohe Berge kamen in ihr Blickfeld, Gebirge soweit das Auge reichte. Der komplette Norden war eine einzige felsige Masse. Die beiden landeten in einer Stadt der Zwerge, die in den monumentalen Bergen wohnten. Der gemeine Afaganer sagte: »Ganz schön verschwenderisch die Götter, so hohe Berge zu bauen. Hätten das Material lieber in Steinbrüche packen sollen.«

Die Stadt war wunderschön. Überall strahlte der Marmor. Plötzlich sah der Junge einen Ritter, der gewisse Ähnlichkeiten mit ihm besaß, nur war dieser älter. Er kämpfte mit zehn Zwergen vor einem Rattenburger-Stand.

»Bin ich das?«, fragte der Junge

Die Gestalt nickte. »Hier kämpfst du gegen üble Burschen. Du gewinnst und wirst geachtet bei den Zwergen, weil du ihrem König das Leben gerettet hast.«

Der Junge drehte sich im Kreis, überall gab es Ratten zu kaufen.

»Scheint die Lieblingsspeise der Zwerge zu sein.«

»Ja, niemand ist perfekt. Ich geb dir einen Tipp: Verzichte drauf. Die machen nur Blähungen«, nickte der Dicke.

»Gibt es hier nur Zwerge?«

»Und Menschen.«

»Keine Elben?«

»Nein.«

»Mögen Elben keine Zwerge?«

»Das ist es nicht. Die Elben stoßen sich einfach immer die Köpfe, wenn sie hier sind. Darum kommen sie so selten.«

»Ich verstehe.«

Der Junge lauschte den Gegnern seines Alter Egos, doch konnte er kein Wort verstehen. Fragend schaute er zu seinem Begleiter. »Warum reden die Zwerge so komisch. Wenn Zwerge uns besuchen, reden die immer normal.«

»Das liegt an der Luft hier oben. Wenn Zwerge sich in Höhen über tausend Schritt aufhalten, zieht sich auf Grund ihrer Grö… ähm … Kleine ihr Lungenvolumen zusammen und dann sprechen sie ziemlich komisch.«

Der Junge verlor das Interesse an dem Kampf.

»Treffe ich auch Elben in ihrem riesigen Wald?«

»Einige in ihren Gestaden im Westen. Aber sein wir mal ehrlich, was willst du von Elben? Sie sind langlebig, in euren Augen arrogant und …«

»Und?«

»Verfressen. Ich frage mich, wie man soviel in sich hineinstopfen kann.« Der Dicke lachte amüsiert.

Das Bild verschwamm und plötzlich kam eine Lichtung mit einem Turm in Sicht.

»Was ist das?«, fragte der Junge neugierig. Er verschwendete keinen Gedanken mehr an die Elben.

»Och, nichts weiter«, sagte der Dicke und machte eine wischende Handbewegung. Wieder verschwamm das Bild.

Sie standen an einem Strand. Das Ortschild des nahen Dorfes zeigte den Namen ›Edgarstad‹. Dort sah er sich abermals als Erwachsenen. Er stand mit dem Hauptmann der Stadtwache dort. Neben ihnen lag ein weißes fischähnliches Ungeheuer. Mindestens acht Schritt lang. Jemand hatte Brus auf seine Schuppen geschrieben. Der Junge hörte sich sagen: »Das habt ihr gut gemacht, Hauptmann Martinus Bodisky. Ich weiß es zu schätzen, dass ihr diese Aufgabe für mich übernommen habt. Mein Dank gilt auch Euren zwei Freunden.«

»Gern geschehen, Herr …«

Das Bild wanderte weiter. Schlanke Schönheiten sonnten sich am Strand. Der Junge glotzte, seine Zunge hing ihm bis zur Brust.

»Das auch?«

»Ja klar, du bist ein Held. Du kannst alles haben.«

Nicht, dass die Schönheiten nackt waren, denn das war in Afaga nicht erlaubt. Aber ein Stofffetzen als Bikini von nur 0,1 Quadratschritt, welcher verzweifelt versuchte, die weibliche Brust von der Größe einer Melone zu bedecken, hatte fast die gleiche Wirkung auf ihn.

Wieder verschwamm das Bild und zeigte den Turm auf der Lichtung.

»Hey, das kenn ich schon. Was ist das?«

»Nichts Wichtiges, glaub mir.« Abermals die wischende Handbewegung. Plötzlich standen sie im stickigen Sumpf im Süden des Landes. Überall Morast. Düster und gefährlich. Wieder sah sich der Junge als Erwachsener. Er kämpfte mit Monstern, die jeglicher Beschreibung spotteten.

Noch einmal veränderte sich das Bild. Als Erwachsener ritt er durch eine Straße. Links und rechts standen Menschen, meist junge Frauen. Sie warfen ihm Blumen zu. Einige ihre Leibchen.

»Cool, das alles kann ich haben?«

»Ja, du wirst berühmt und geachtet und alle lieben dich«. Die Gestalt lächelte, verzog aber sofort das Gesicht. »Aber du kannst auch das bekommen ...«

Plötzlich sah sich der Junge mit einer Laute in einem Raum stehen. Ein Stofftuch mit einer Nummer prangte auf seiner Brust. Er versuchte etwas zu spielen. Und hörte Lachen. Er sah in die Gesichter einer Frau, eines Glatzkopfes und eines braungebrannten Kerls mit blonden Haaren. Dieser schien der Wortführer zu sein, während die Anderen still wie Mäuschen waren. Rafahello hörte wie die personifizierte Selbstbräunungscreme-Werbung sagte: »Ich glaub, die Laute verstimmt sich absichtlich. Die weigert sich, mit dir zu kooperieren.« Seine Stimme bewegte sich dabei an der Grenze zum Ultraschall und der Junge sah sein eigenes Ich mit zugehaltenen Ohren, nahe am Nervenzusammenbruch. In dem Traum bewegte sich die Fratze des braungebrannten Kerls plötzlich als diffuser übergroßer Nebel auf ihn zu und der Junge begann schrecklich zu schreien. »Neeiiiiin!«

Schweißgebadet wachte er auf. Nun wusste er, was er werden wollte.

Aus dem Nichts hörte er ein Geräusch, das nach »Puh« klang.

Feuer & Schwert

16. Tag im Mond des Gottes Ragnul 1595 nach Afaga.

Der Reiter ritt die staubige Straße entlang, die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht gezogen. Die wenigen Menschen, die noch unterwegs waren, wichen dem Pferd aus. Eine unheilvolle Aura umgab den Verhüllten. Vor einer schäbigen Taverne zügelte er sein Reittier und saß ab. »Mist!«, fluchte er bei dem schmatzenden Geräusch, welches die brauneschwarze Masse unter seinem Stiefel erzeugte. Er schaute sich um und sah auf den Betrunkenen, der neben der Eingangstür schnarchte. Der Verhüllte lachte höhnisch unter seiner Kapuze, griff dann ein Stück der Tunika, die den Schlafenden kleidete und wischte sich den Pferdedreck von der Sohle. »Ich komme gleich wieder«, sagte er zu seinem Reittier. Das Pferd stellte kurz die spitzen Ohren auf und soff dann aus einem Bottich.

Rauch verbarg die Sicht auf den kompletten Innenraum der Taverne. Doch selbst der Dunst schien die unheimliche Aura zu spüren und wich rasch zur Seite. Der Vermummte blieb kurz stehen und sah sich um. Er suchte nach anderen vermummten Gestalten und fand sie über mehrere Bratgänse gebeugt in der hintersten Ecke der Taverne. Er ging darauf zu und setzte sich. Gäste, die ihn beim Durchschreiten beobachtet hatten, wandten zitternd den Blick von ihm.

»Und?«, begann der Verhüllte, ohne die Gruppe zu begrüßen. »Wie stehts mit der Waffenlieferung?«

»Grump ...lles … grumpf …stellt«, sagte eine in einen blauen Mantel gekleidete Gestalt und schob sich ein weiteres Stück Gans in den Mund.

»Was?«

Der Angesproche schluckte hastig alles runter. »Ich sagte, alles bestellt.«

»Was hat dir deine Mutter beigebracht? Nicht mit vollem Mund reden.«

»Entschuldige, Opa.«

»Du sollst mich nicht Opa nennen.«

Die Anderen kicherten, doch eine ruckartige Bewegung mit dem verhüllten Kopf brachte sie zum Schweigen.

»Und was ist mit dem Attentäter? Ist er ausreichend konditioniert?«

Einer in einem grünen Mantel schaute von seiner Gans auf, eine halbe Keule lugte unter der Kaputze hervor. Hastig zog er sie nach vorne und legte sie auf den Teller. »Ja, Meister, er wird nicht wissen, was er tut. Wenn der Fürst seinen morgendlichen Spaziergang auf dem Waldboden unternimmt, wird er ihn für einen Menschen halten, der die Natur zerstören will. Eure Foltermethoden und Tränke haben ihn gefügig gemacht. Außerdem haben wir ihn so beeinflusst, dass er einen bestimmten Menschen im Fürsten sieht.«

Er zauberte eine Pergamentrollensammlung mit dem Titel »Hurra« hervor und deutete auf die Titelseite, auf dem ein Mann in Rüstung stand. »Ich glaube der Anblick der Zeitschrift hätte schon ausgereicht. Es wird also keine Schwierigkeiten geben.«

»Gut«, sagte der Verhüllte, »dann schlagen wir bald zu.« Er erbob sich und verließ die Taverne, so schnell wie er gekommen war. »Verfressenes Pack», dachte er und ritt Richtung Wald.

Viele Meilen über Afaga – in einem Bereich, wo weder Raum noch Zeit zählten, nur guter Wein – versammelten sich alte Männer mit Bart und schöne Frauen in einem Zimmer, das von Bodennebel geflutet war. Sie trugen weiße Togas oder weiße Miniröcke – je nach Geschlecht – und ihre Häupter zierten goldene Lorbeerkränze. Der Älteste unter ihnen, also zwei Milisekunden vor den anderen aus dem Nichts erschienen, erhob das Wort.

»Was hast du uns zu zeigen, Gott in Ausbildung?«

Eine kleine dickliche Gestalt trat hervor. Ihre Gewandung entsprach nicht gerade dem Dress-Code solch eines Unternehmens. Das rosa Tutu bildete den vollen Gegensatz zum restlichen Weiß des Pantheons.

»Heute will ich Euch eine Liebesgeschichte zeigen. Sie ist schon lange vorbestimmt.«

»Ich hoffe, es gibt ein wenig Action«, sagte eine Schönheit, die einen kleinen Bogen in der Hand hielt.

»Es gibt alles«, versprach der Gott in Ausbildung, »es ist eine klassische Geschichte.«

Die Götter nickten beruhigt und ließen sich auf den weißen Bänken nieder. Sie starrten auf den roten Vorhang, der sich langsam auseinanderzog. Das Geraschel von Popcorn und das Schlürfen von Wein ertönte.

Das Bild zeigte ein Stück Land im Meer.

Wolken zogen gelassen über Afaga, als ob nichts unter ihnen sie etwas angehen würde. In der kleinen Burg nahe der Stadt Remingier, im Osten, herrschte schon hektische Betriebsamkeit, obwohl die Sonne immer noch mit sich haderte emporzusteigen.

Millionen Jahre alte physikalische Gesetze trieben sie aber aus ihrem Himmelbett.

Es würde ein schöner Tag werden, soviel war für die Bewohner der Burg sicher. Kühe wurden gemolken, Schweine auf die Weide getrieben und gelegentlich hörte man den Schmied schmerzerfüllt schreien, wenn er versuchte die Hufe der frisch beschlagenen Pferde von seinen Füßen zu entfernen.

Sir Rafahello Feeheroo, größter Held des Landes und der Herr über diese Burg, schritt gerade fröhlich pfeifend durch ein kleines Seitentor. Auf seiner Schulter ruhte ein fünf Schritt langer und einen halben Schritt durchmessender Baumstamm. In einer Hand trug er eine wuchtige Säge. Da es schon lange keine Orks mehr zum Erschlagen gab, hatte er diese Beschäftigung gewählt, um seine Muskeln zu stählen. Ja, er hielt seinen Körper fit. Fit für den Kampf gegen die Kampflosigkeit, denn die Unholde und Feinde des Landes blieben zusehends aus. Die meisten starben schon auf der Überfahrt nach Afaga durch die Urgewalten des Meeres oder den gierigen Schlund eines Seeungeheuers. Oder sie wurden von den Raubfischen für Angler und Fischer gehalten. Niemand konnte diese Frage je beantworten. Denn die wenigen an den Strand gespülten Körper waren nie in einwandfreiem Zustand und Fragen konnten sie schon gar nicht mehr beantworten.

Keine einzige Fettfalte bildete sich auf seinem Körper, während er den Baumstamm an die Wand der Burgmauer lehnte. Dafür traten die Muskelberge umso deutlicher hervor. Dieser gestählte Körper hatte ihm nun auch die Ehre gebracht, in der Jugendzeitung »HURRA« als lebensgroßer Starschnitt zu erscheinen.

Seitdem überlegte er, ob er nicht im Nachbarland an der Wahl zum Herrn des Universums teilnehmen sollte. Er hatte sich schlau gemacht und Gemälde der Teilnehmer gesehen. Selbst der mehrmalige Gewinner A. Dunkelzerkleinerer, sah gegen ihn wie ein Hänfling aus.

Die jungen Edeldamen des Landes wie auch die einfachen Bauerntöchter meinten, dass Rafahello äußerst attraktiv sei und nutzten jede Gelegenheit in seiner Nähe zu sein. Meist mussten sie aber vor den Burgmauern warten. Doch sobald er sich auch nur irgendwie zeigte, fingen die jungen Frauen an zu kreischen, hielten Holzbretter hoch, in die sie in mühevoller Kleinarbeit solche Sätze wie »Rafi, ich will ein Kind von dir« oder »Eheliche mich« eingraviert hatten. Auf dem Weg zum Abort schmunzelte er, als er daran dachte, wie neulich erst ein paar der jungen Frauen in Ohnmacht gefallen waren, als er ihnen von der Burgmauer zugewunken hatte. Eine hielt sogar noch am Boden ein Holzschild mit der Aufschrift »Ich liebe Dich« in der Hand.

Rafahello war begeistert von dem Schild, denn es war aus einer seltenen Holzart und hatte lange im Kamin gebrannt. Er war ein Star, ohne jedoch Starallüren zu haben.

Sein Weg führte ihn die Wendeltreppe im Haupthaus hoch. Hier war sein Reich: Voraus der Abort, links sein Schlafzimmer, in dem er bis auf einmal, alleine schlief. Noch heute war ihm das peinlich. Es geschah nach einer kleinen Feier – siebenhundertfünfundsechzig geladene Gäste, fünf getrunkene Hektoliter Ale, achtunddreißig verspeiste Ochsen und vierundfünfzig verspeiste Schweine – zu Ehren der Götter. Rafahello erwachte im Bett mit vier Schönheiten im Arm und konnte sich an keinen der Namen erinnern. Nicht, dass er kein Namensgedächtnis hätte, doch dies hatte nach dem fünfzehnten Ale einen Kurzurlaub angetreten. Sein getreuer Burgvogt Angus Hutsohn sorgte anschließend dafür, dass dieser Fehltritt nie bekannt wurde. Sowas machte sich einfach nicht gut für den Ruf eines Stars.

Wie viel Gold den Besitzer gewechselt hatte, blieb immer ein Geheimnis, doch plötzlich eröffneten die Familien der vier Schönheiten Gasthaus- und Tavernenketten.

Seine Gedanken kehrten ins Jetzt zurück. Denn dringende Geschäfte warteten auf ihn.

»Ich hoffe, die zwei Kilo Pflaumen haben geholfen«, dachte er, während er die Tür vor sich öffnete. Der Abort war ein kleiner Raum innerhalb des Palas und mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet, die sich ein Held nur wünschen konnte. Eine automatische Spülanlage – das gemeine Volk musste sich da mit Eimern behelfen –, eine große Waschschüssel, Fliesen und Handtücher farblich aufeinander abgestimmt. Es gab sogar Papierrollen mit ganz vielen Einzelblättern, dreilagig, auf denen ein großer, fetter Bär eingeprägt war. Das gemeine Volk musste nehmen, was es zwischen die Finger bekam. Ein kleiner Tisch, auf dem Pergamentrollen und zeitschriftenähnliche Papiersammlungen lagen, rundete das Bild ab. Nur am Duft des Raumes, der auf Fliegen wirkte, wie Chanel No 5 auf betagte Damen, musste noch gearbeitet werden.

Rafahello machte es sich bequem. Da er von den letzten Tagen wusste, wie lange es dauern konnte, griff er zu einer siebzehn Jahre alten Zeitschrift. Sie trug den Titel »Feuer & Schwert«, hatte seinem verstorbenen Vater gehört und handelte von Drachen und Helden. Hier wurden die neuesten Waffen vorgestellt und Drachenarten besprochen. Allerdings ging es in erster Linie nicht um das Verhalten von Drachen, sondern um deren Schwachstellen und welche Waffe für die jeweilige Drachenart am besten geeignet war, sie in den Drachenhimmel zu befördern. Es gab sogar eine Rubrik »Biete gebrauchte Waffe« und vieles mehr. Die Artikel waren recht interessant und reichlich illustriert.

Mit hochrotem Kopf, die Pflaumen wirkten doch nicht wie die Bader versprachen, blätterte er bis zu den Rettungsgesuchen der Jungfrauen.

Wie die Herausgeber an die entsprechenden Informationen kamen, blieb im Dunkeln. Wahrscheinlich, dachte Rafahello, ritt einer der Mitarbeiter zu solch einem Gefängnis, sei es Turm oder Höhle, zeigte seinen Ausweis vor und bat um ein Interview. Und der Drache, oder wer auch immer diese Jungfrauen bewachte, dachte: »Warum nicht, je mehr Helden und Ritter auf eine Anzeige reagieren, desto mehr Spaß und Fressen.«

Aufmerksam las er jede Einzelne, vielleicht sorgte das für die nötige körperliche Entspannung. Denn mittlerweile schnaufte er schon, jedoch wollte sich sein kleines verdauungstechnisches Problem nicht lösen.

»Rette mich aus den Händen dieser verrückten Zwerge, die hier im Wald leben«, lautete eine der Anzeigen.

›Och nee‹, meldete sich Rafahellos Gehirn, ›die ist mit Sicherheit keine Jungfrau mehr.‹

Der Ritter schüttelte den Kopf und las weiter: »Wenn du das Losungswort kennst, lass ich mein Haar vom Turm herab.«

›Weißt du, was das für Kosten an Haarwaschmittel sind, die bei solch langen Haaren auf uns zukommen?‹, fragte sein Gehirn.

Der Ritter las die nächste Anzeige: »Hast du den passenden Schuh, dann heirate ich dich.«

›Die hat bestimmt riesige Quadratlatschen‹, merkte sein Gehirn an. Rafahello nickte. Nein, alles uninteressant oder finanziell tödlich.

Er blätterte auf die nächste Seite um, als ihm gleich die einzige Anzeige auf dieser Seite ins Auge stach. Jemand musste unheimlich viel Geld investiert haben, um eine ganzseitige Anzeige zu schalten. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Verdammt reich oder verdammt verzweifelt.

Das kleine Bild zeigte ein wunderschönes Mädchen mit langen blonden Haaren und blauen Augen. Er schätzte ihr damaliges Alter und kam zu der Erkenntnis, dass sie beide heute ungefähr gleich alt sein mussten. Dann las er den Text, vergaß dabei sogar sein Stöhnen. Pure Entspannung überwältigte seinen Körper.

»Verzweifelte Sie,

bewacht von zwei Drachen, wartet auf Rettung.

Ich suche den ganz normalen Helden,

keinen Traummann, der mich aus den Klauen

der Bestien befreit. Ich spreche zwei Sprachen,

langweile mich aber sonst zu Tode.

Bin belesen und kann mich eloquent ausdrücken.

Wenn du dich angesprochen fühlst,

findest du mich in einem pinken Turm, der auf

einer Lichtung im großen Wald steht.

Ich warte auf dich! C.«

Diese Anzeige war nun siebzehn Jahre alt, doch ein unglaublicher spiritueller Drang durchflutete den Helden. Vielleicht waren es auch die Hormone. Jedenfalls wusste Rafahello genau, was er zu tun hatte. Denn er fühlte geradezu mit jeder Faser seines durchtrainierten Körpers, dass es noch niemand geschafft hatte, dieses Mädchen zu befreien.

Er war Rafahello Feeheroo, Held von Afaga. Er würde sich dieser Sache annehmen. Vorausgesetzt, er kam wegen der Verstopfung, unter der er litt, innerhalb der nächsten Minuten vom Abort. Denn sonst würde er hier ersticken.

Es rumorte plötzlich füchterlich in seinem Bauch und drei Minuten später erhob er sich erleichtert vom Abort, wusch sich die Hände und riss dann die Seite mit der Anzeige aus der Zeitschrift, um sie in seiner Hose zu verwahren. Erleichtert, dass er für die nächsten Tage eine heldenhafte Aufgabe hatte und erleichtert, dass seine Verstopfung vorbei war, verließ er den Abort und ging frühstücken.

Nach dem leichten Frühstück, bestehend aus einem gebratenen Huhn, gebratenen Speck und zwei Eiern, betrat er die Hauptburg und blinzelte mit seinen klaren, grüngrauen Augen in die Sonne. Eine leichte, kühlende Brise strich durch sein kurzes braunes Haar und brach sich dann heulend an der Wand des Bergfrieds.

»Marschall, sattelt meinen Hengst«, rief er zu dem kleinen Mann hinüber, der mit dem Gärtner in ein Gespräch vertieft vor den Stallungen stand. Rafahello strich sich mit seinen gepflegten Händen über das glatte Kinn und begann zu lächeln. Kleine Falten bildeten sich um seine Augen und die zwei Grübchen am Ende der Mundwinkel sagten: »Hallo.«

Der kleine Mann schrak hoch, nickte dann und verschwand im Stall.

»Und ich nehme Rüstung und Waffen mit. Wir wollen mal sehen, ob der alte Klepper beladen noch so schnell rennen kann, wie früher. Nur leichte Bewaffnung und Rüstung. Den Bi-Händer, die zwei Einhänder, den Anderthalbhänder, den Speer und den Schild, den Helm, die Schuppenrüstung, das Kettenhemd, die Plattenhandschuhe und die Arm- und Beinschienen.«

»Wieher, Wieher, wieh«, drang es fröhlich als Antwort aus dem Stall.

Rafahello schien zu überlegen, ob er etwas vergessen hatte, als sein Marschall verwirrt aus der Tür schaute, dann mit den Schultern zuckte und wieder im Stall verschwand, um das Pferd für den Ausritt fertig zu machen.

In der Zeit, in der der Ritter auf sein Pferd warten musste, setzte er sich auf die Treppe, die zur Eingangstür des Wohnhauses führte. Oft saß er hier und dachte über sein noch recht junges Leben nach.

Früher wollte er immer Barde werden. Dies änderte sich allerdings schlagartig. Von einem Tag auf den anderen war der Wunsch wie weggeblasen. Rafahello konnte sich bloß nicht mehr erinnern, was der Grund dafür war.

Der junge Mann konnte viele Dinge. Drachen töten, mit einem Hieb einer Hydra drei Köpfe abschlagen, eine Übermacht Feinde in Angst und Schrecken versetzen, nur singen konnte er nicht. Allerdings versuchte er es immer wieder, wenn er im Badezuber lag. Das war der Moment, wo alle, inklusive der jungen Frauen vor der Mauer, dringend etwas erledigen mussten und zwar mindestens vier Meilen von der Burg entfernt.

Die Burg, auf der Familie Feeheroo lebte, gehörte zu den kleineren dieser Bauwerke.

Sämtliches Mauerwerk erstrahlte, wie es sich für das Heim eines Helden gehörte, in dem weißesten Weiß, das je ein Mensch gesehen hatte. So weiß, dass die reflektierte Sonnenenergie ausreichte, auch bei zwanzig geschorenen Eichhörnchen1 Außentemperatur auf dem Vorplatz zum Wohnhaus eine angenehme Temperatur von fünfzehn Eichhörnchen zu erzeugen. Im Sommer schwitzten die Leute dann schon mal bei fünfundsechzig Eichhörnchen und das Wasser im Brunnen fing an, leichte Blasen zu werfen.

In dem Moment führte der Pferdemarschall den Rapphengst Detlef aus dem Stall. Der Ritter stemmte seinen muskulösen, durchtrainierten Körper geräuschlos in die Höhe und schritt auf das Pferd zu.

Mit einem Stockmaß von 1,7 Schritt und einem Gewicht von einer Tonne war dieses Kaltblut eine beeindruckende Erscheinung. Das Fell glänzte im Sonnenlicht, der lange Schweif verscheuchte ein paar Fliegen. Der große Ramskopf mit den langen Ohren saß auf einem relativ kurzen Hals. Die beschlagenen Hufe am Ende der langen, kräftigen Beine verursachten Funken auf dem steinernen Boden der Hauptburg, als das Tier zu tänzeln anfing. Die Nüstern blähten sich auf. Das Pferd wusste instinktiv, dass etwas in der Luft lag oder bald liegen würde. Just in diesem Moment entwich ein Schwall Gase geräuschvoll seinem Hinterteil.

Der Marshall sprang zurück und hielt sich die Nase zu. Er schnappte nach Luft und drückte Rafahello die Zügel in die Hand.

»Ich muss mich noch um andere Dinge kümmern, Herr«, sagte er und verschwand so schnell es ging in den Stall.

»Wieher Wieher«, wieherte das Pferd, »der Kohl von gestern Abend war nicht gut für mich.«2

»Ruhig mein Alter«, wisperte Rafahello dem Pferd ins Ohr, strich über das Fell des kompakten Rumpfes und versuchte dabei, so wenig wie möglich zu atmen.

»Ich bin ruhig«, meinte Detlef wiehernd, «ich habe nur Blähungen.«

Detlef sah mit der Ausrüstung ein wenig aus, als würde er unter Rückenproblemen leiden.

Der Vorteil: Niemand konnte nach hinten abrutschen, weil der Rücken eine leichte Kuhle bildete. Auch in Afaga galten die Gesetze der Schwerkraft, und dies bedeutete, dass die »leichte Bewaffnung« aufgrund ihrer Masse von der Erde angezogen wurde.

Nachdem Rafahello alles festgezurrt hatte, ergriff er die Zügel, setzte einen Stiefel in den Steigbügel und zog sich auf das Pferd. Das Sonnenlicht ließ ihn blinzeln und er schaute nach oben.

Eine weiße Taube flog vorbei und wünschte ihm mit einem besonderen Geschenk Glück. Leider konnte sie nicht sehr gut zielen und das Geschenk zerplatzte mit einem »Platsch« auf dem Kopfsteinpflaster der Hauptburg.

Kurz rieb sich Rafahello über seine schmale Nase, überlegte, ob das, was er tun wollte auch richtig war. Er kam zu der heldenhaften Erkenntnis, dass ein Held tun musste, was er eben tun musste.

»Ich bin in ein paar Tagen zurück«, rief er Angus Hutsohn zu, der gerade mit einem Becher Kaffee zurückkehrte und dabei in Gedanken nochmal bei der Nacht mit Rosi Back verweilte. Geistesabwesend nickte der Burgvogt. Feeheroo stieß seine Stiefel in die Flanken von Detlef.

Der Hengst verfiel aus dem Stand in einen leichten Trab, seine Nüstern weiteten sich und dann wieherte er kraftvoll. Freude lag in dem Geräusch, Freude über einen Ausritt mit seinem Herrn. Als sie die Burg verließen, kreischten die wartenden Edeldamen und liefen Rafahello noch ein Stück hinterher. Unbeirrt setzte der Ritter seinen Weg fort und als sie an den Feldern der Bauern vorbei waren, gab Rafahello Detlef ein Zeichen. Sofort grub dieser seine Hufe kraftvoll in den Boden und stieß sich ab. Eine Staubwolke hinter sich lassend, preschte er im Galopp über die Ebene. Rüstung und Schwerter klapperten trotz der festgezurrten Lederriemen am Sattel. Rafahello zuckte mit den Schultern und suchte in seiner kleinen Gürteltasche nach Ohrstopfen. Er fand keine.

Der Weg führte Ross und Reiter über saftiges, grünes Gras. Sanfte Hügel und vereinzelte große Bäume begleiteten den Weg der beiden. Eine prächtige Landschaft zum Ausreiten.

Stundenlang führte sie ihr Weg gen Westen, trieben sie Herden von Rindern auseinander, lachten bzw. wieherten dabei.

Noch immer zogen die Wolken gemächlich am Himmel entlang und machten sich ab und an einen Spaß daraus, die Sonne zu verdecken, als der junge Ritter beschloss, eine Rast zu machen. Nicht wegen sich selbst, sondern wegen Detlef.

Rafahello hatte das Gefühl, der alte Hengst pfiff nach dem anstrengenden Ritt aus allen Löchern. Ein bedrohliches Keuchen war aus dem Maul des Pferdes zu hören. Und ab und an auch aus seinem Hintern.

Die beiden entdeckten eine kleine Baumgruppe. Ein Bach plätscherte in der Nähe. Sie ritten darauf zu, Sir Rafahello sprang vom Pferd und ließ sich im Gras nieder. Das Tier tat es ihm gleich. Die fünfzehn Schritte bis zum Bach waren zuviel für den Hengst, der die Nacht unerkannt auf der Weide mit den Stuten verbracht hatte. Er schnaufte und keuchte wie eine alte Dampflok und Rafahello, der zwar nicht wusste, was eine Dampflok war, aber das Geräusch sehr gut kannte– sein Vater hatte kurz vor seinem Tode so geschnauft und gekeucht. Rafahello hatte von Anfang an gesagt, dass sein Vater zu alt für drei Frauen gleichzeitig war, aber er wollte ja nicht hören, und dann war er im Bett gestorben –, hoffte, dass das alte Pferd sich später wieder erhob.

Das hoffte Detlef auch. Doch die Nacht war es wert gewesen. Rafahello schaute kurz zu Detlef und ließ sich dann an einem knorrigen Baum nieder. Er faltete die Hände vor dem Bauch und schloss die Augen. Kurze Zeit später schlief der Mann ein, während Detlef, das Schlachtross, neben ihm schnaufte und versuchte, ein paar Grashalme mit seinen alten Zähnen aus dem Boden zu ziehen. Rafahello träumte von der jungen Frau und von den beiden Drachen. Doch es war kein schöner Traum. Mutig kämpfte er mit den Drachen und verlor.

Er erwachte und schrie.

Es war nur ein Traum gewesen, dennoch schaute sich der Ritter vorsichtig um und wischte den Schweiß von seiner Stirn. Gedankenfetzen kehrten langsam zurück. Gedanken daran, wo er sich befand und von was er geträumt hatte.

Sir Rafahello wusste, was er zu tun hatte. Erst die Kontaktanzeige, dann dieser Traum. Hier war ein Held gefragt. Denn nur Helden konnten Drachen besiegen. Oder als gegrilltes Würstchen enden. Die Chancen für normale Menschen, den Kampf mit einem Drachen zu überleben, standen zehn Milliarden zu eins. Die der Helden zehn Millionen zu eins.

Also die besten Voraussetzungen. Er stand auf und lockerte seine Muskeln, dann versuchte er, Detlef dazu zu bewegen, aufzustehen. Eine halbe Stunde später und als frischer Besitzer von mehreren blauen Flecken saß er auf dem alten Pferd.

Einige Zeit später rieb sich Rafahello immer noch die Stellen am Bein, wo Detlef ihn gebissen und getreten hatte.

»Blödes Vieh!«, dachte der junge Mann, »Warte nur, bis der Seifenmacher kommt.«

Er merkte es erst nicht, zu sehr war er noch mit den blauen Flecken beschäftigt, doch dann nahm er die Veränderungen war. Die Graslandschaft des Westens wich langsam zurück und an ihrer Stelle wuchsen Moose und Bäume. Rafahello hat die Grenze zum Elbenland überschritten. Hier am Rande waren die Bäume noch Bäume und keine Giganten wie im nahen Dschungel. Es gab noch Siedlungen, deren Häuser auf dem Boden standen. Doch je näher Rafahello dem großen Wald kam, desto mehr bestanden die Siedlungen aus Gasthäusern und Tavernen. Die Elben liebten gute Küche und das bescherte so manchem Wirt Reichtum. So eine Siedlung steuerte der junge Ritter nun an. Es war Zeit, einen Ruheplatz für die Nacht zu finden.

Das Dorf, in das er nun hineinritt, bestand aus wenigen Lehmhütten und einem Steinhaus. Er steuerte das Steinhaus an, denn daran hing ein Schild, welches darauf hindeutete, dass es sich um ein Gasthaus handelte. Rafahello stieg vor der Eingangstür ab und band Detlef an einen Pfahl. Dann betrat er das Haus durch die alte knarrende Tür und torkelte vor dem Geruch zurück. Ein Gemisch aus Schweiß, Tabak und Schweinefleisch stieg ihm unangenehm in die Nase. Einen Brechreiz unterdrückend schaute er sich im Raum um. Der Raum schaute zurück. Alle Augenpaare richteten sich auf den Neuankömmling, für kurze Zeit verstummten die Gespräche. Es lag keine direkte Feindseligkeit in der Luft, eher so was wie: »Heute Nacht hauen wir dir die Rübe ein, Bürschchen und klauen dein Geld«. Doch diese Schwingung reichte, dass sich Rafahellos Nackenhaare aufrichteten. Er zog sein Schwert etwas aus der Scheide und ließ es gleich wieder verschwinden. Der junge Ritter hoffte, dass die Anwesenden die Warnung verstanden hatten. Mussten sie wohl, denn sie starrten gleich darauf Rafahello nicht mehr an, sondern steckten die Köpfe zusammen.

Das Gasthaus hatte schon bessere Tage gesehen, viel bessere. Bei den wild geflickten Stühlen fragte sich der Held, wie sie überhaupt noch das Gewicht eines Menschen aushalten konnten. Die Wände waren vergilbt und hätten einen neuen Anstrich vertragen können. Vielleicht war es auch gewollt, dass die Farbe der Wände das Licht der verstaubten Kerzen, die in rostigen Haltern steckten, schluckte. So konnten einige der Anwesenden im Zwielicht nicht erkannt werden. Der Boden war bedeckt mit einer Patina aus Staub, Fett und Asche. Schädel toter Tiere hingen an den Wänden. Sie machten den Eindruck, als blickten sie anklagend in Richtung Theke. Die dazugehörigen Felle waren achtlos auf Bänke drapiert und hatten so viele Löcher, dass sich der Held fragte, wie viele tausende Generationen Motten sich von ihnen ernährt hatten. Alles in allem war dieses Gasthaus nicht gerade ein Anwärter für einen Platz im Buch »Die 500 besten Tavernen und Gasthäuser in Afaga«. Auch der Held strich dieses Gasthaus von der Liste seiner besuchbaren Tavernen. Heute Nacht würde es reichen müssen. Als Held durfte er nicht pingelig sein, sich nicht fragen, ob die vorherrschende Mischung der verschiedenen Düfte vielleicht tödlich war. Rafahello ging langsam, doch mit einer Würde, die Macht ausstrahlte, zur halbverrotteten Theke. Dabei rutschte er fast auf dem organischen Bodenbelag aus. Das Stimmengewirr setzte wieder ein.

»Wirt, einen Beerensaft«, wandte er sich an einen fetten Mann mit schmierigem Haar. Der typisch stereotype Wirt einer Spelunke von diesem Charakter. Noch nicht einmal die fettige Schürze fehlte.

Mürrisch dreinblickend schob der Wirt Rafahello ein Glas hin, wobei die dicken Finger ölige Flecken auf dem Trinkgefäß hinterließen. Vorsichtig nahm der Held das Glas in die Hand, darauf bedacht, dass es nicht durch die Finger rutschte und schnüffelte argwöhnisch, wie ein Wolf an einer Falle, an dem Inhalt. Rafahello konnte den Geruch keiner Beerensorte zuordnen, aber er war ja auch kein Kräuterkundiger, der die letzten Unkräuter mit Vornamen kannte. Er machte die Augen zu, betete, dass gleich sein Magen noch existieren würde und schüttete das Getränk in sich hinein. Angewidert verzog er das Gesicht und wurde lachend von dem fetten Mann beobachtet.

»Mehr?«, fragte der Wirt mit einer tiefen Stimme und hielt die Flasche schon in der Hand. Das Etikett war so löchrig, als ob es mit Salzsäure Bekanntschaft gemacht hatte. Die Schrift war überhaupt nicht mehr zu erkennen.

Rafahello, der nicht unfreundlich wirken wollte, nickte zweifelnd.

»Keine Sorge, das trinken alle hier«, meinte der Wirt. »Ich hab ihn selbst gemacht.«

»Aha«, sagte der Held keineswegs überzeugt und schaute sich um. Zumindest sahen alle noch recht lebendig aus, obwohl man das bei einigen ernsthaft bezweifeln konnte. Rafahello fragte sich, ob der Sichelmann hier Dauergast war und schon mit »du« angeredet wurde. Wahrscheinlich kam er jede Nacht und wurde erst einmal mit Tee und Kuchen begrüßt.

Sofort stand ein neues Glas vor dem Helden. Diesmal nahm er es noch vorsichtiger in die Hand und suchte nach einem Weg, diplomatisch aus der Sache herauszukommen.

»Sagt, Herr Wirt, habt Ihr ein Zimmer für mich?«, fragte er und drehte das Glas in der Hand. Deutliche Zeichen von Glaskorrosion waren zu erkennen, je länger der angebliche Saft in dem Gefäß verblieb. Der Held fragte sich, was er eben getrunken hatte und betete zu seinen Göttern, dass er nicht begann, sich aufzulösen. Vorsichtshalber stellte er das Glas zurück auf die Theke.

»Ein Zimmer? Sieht es hier so aus, als ob ich Zimmer anbieten würde? Seit die Elben nicht mehr kommen, gibt es kaum noch Einnahmen und deshalb zerfällt hier alles«, antwortete der Angesprochene lachend und die anderen Gäste fielen ins Lachen ein. »Nein. Aber Ihr könnt drüben im Stall schlafen«, fuhr der Wirt fort, mit einer Stimme die schon etwas Trauriges hatte.

Er zeigte durch die schmutzigen Fenster auf ein Gebäude, welches den Eindruck machte, dass es zusammenfiel, wenn nur eine Maus gegen die Wände trat.

Rafahello schluckte, nahm das Angebot aber dankend an. Er musste schlafen und besonders Detlef brauchte Ruhe.

»Sagt, Herr Wirt, warum kommen keine Elben mehr?«, fragte Rafahello.

»Ach, sie haben günstig eine Sonderausgabe ›Backen und Kochen von A-Z in vierundzwanzig Bänden‹ auf dem Markt ergattert, munkelt man. So wurde es mir erzählt, vom Bruder der Schwägerin meines besten Freundes.«

»Ich verstehe«, sagte der Held und schaute durch das schmutzige Fenster. Die Sonne war fast untergegangen und Rafahello musste plötzlich gähnen.

»Danke, Herr Wirt«, sagte er und wendete sich von der Theke ab. Im gleichen Augenblick zerplatzte das Glas, der Beerensaft verteilte sich über die Theke und begann, sich ins Holz zu fressen. Rafahello hob die linke Augenbraue und schaute den Wirt an.

»Und Ihr seid sicher, dass das Zeug nicht von einem Tier stammt?«, fragte Feeheroo und deutete auf das Loch in der Theke.

»Nichts für Weichlinge, unser Beerensaft«, meinte der fette Wirt verhalten lächelnd.

Rafahello verließ nickend die Taverne. Er band Detlef los und führte ihn in den Stall. Dort sattelte der Ritter das Tier ab und rieb es dann mit Stroh trocken.

Hinter dem Stall, den Rafahello vorsichtig verließ, um keinen Windzug zu erzeugen, der das Gebäude zusammenstürzen ließ, fand er einen kleinen Brunnen. Eine brennende Öllampe spendete ausreichend Licht. Der Held schöpfte Wasser in einem Eimer, roch daran und schüttete den Eimer dann wieder aus. Nach dem zehnten Eimer war die Wasserqualität3 so gut, dass er und Detlef nicht sofort sterben würden, wenn sie die trübe Flüssigkeit tranken. Über Spätfolgen dachte er erst gar nicht nach.

Nach seiner Rückkehr in den Stall nahm er sich einen Schluck Wasser und stellte den Rest vor Detlef. Das alte Schlachtross hatte im Laufe seines Lebens schon soviel Leid und Elend gesehen, dass dieses Wasser auch nichts mehr ausmachte. Beherzt versenkte das Tier seine Nase in dem Eimer und begann, geräuschvoll zu saufen.

In einer Ecke fand der Ritter noch etwas Hafer. Somit hatte zumindest das Pferd ein Abendmahl. Hungrig legte er sich ins Stroh und starrte zur Decke des Stalles, die wie ein Leerdammer Käse aussah. Es war dunkel am Himmel, die ersten Sterne begannen zu funkeln. Rafahello dachte an die Frau im Turm, war entschlossen sie zu befreien und wie es sich für einen Helden gehörte, bis an ihr Lebensende glücklich mit ihr zusammen zu leben.

Ab und an knirschte es bedrohlich, wenn sich ein Vogel auf dem Dach niederließ. Doch Rafahello achtete nicht darauf. Seine Gedanken galten der jungen Frau aus der Anzeige. Ein letztes Mal flackerte ihr Bild in seinem Geiste auf, dann schlief er ein. Detlef schnarchte schon lange Zeit neben ihm.

[1] Ist die offizielle Temperatureinheit in Afaga – nachzulesen im entsprechen Kapitel ... jetzt aber nicht gleich vorblättern… Finger weg von!

[2] Zur besseren Verständlichkeit wird ab hier der Dialog übersetzt. Genauso, wie das viele Jahrhunderte später in einigen Filmen passiert, wo zwei Völker aufeinandertreffen.

[3] Afagisches Grundwasser hatte die Eigenschaft, eine mehrschichtige ölige Oberfläche zu bilden, wenn es abstand. Die ersten motorisierten Fahrzeuge, siebzehnhundert Jahre später, basierten auf einem Wasserstoff-Öl-Hybrid-Motor der Gebrüder Schleimig.

Der pinke Turm

Am nächsten Morgen, viele, viele Meilen von Rafahello entfernt, zogen Siegesfeld und Joy, zwei Drachen, ihre Kreise um einen pinken Turm auf einer Lichtung, so groß wie zwei Fußballfelder und beobachteten die Umgebung nach etwaigen Befreiern der Person, die im Turm eingesperrt war. Die beiden waren eher kleine Vertreter ihrer Rasse, mit einer Flügelspannweite von fünfzehn Schritt und einer Rumpflänge von zehn Schritt bei Siegesfeld, zwei Schritt weniger bei Joy. Damit waren sie noch nicht einmal halb so groß wie die Burschen, die sonst für Unruhe in Afaga sorgten. Doch keineswegs ungefährlicher.

Sie selbst würden allerdings sagen, dass sie zwei ganz liebe waren. Der Rücken war stachelbewährt und der schmale Kopf lief in einer kurzen Schnauze aus. Zähne, die jeder Kuh mit einem Biss die Rippen brechen konnten, glitzerten elfenbeinfarben in der Sonne. Die Drachen besaßen vier Gliedmaßen. Zwei kräftige Hinterläufe, die in vier messerscharfen Krallen ausliefen. Erst letzte Woche hatten sie die Schärfe wieder unter Beweis gestellt, als ein wackerer Held versucht hatte, die Frau zu befreien. Der Mann war gut gewesen. Er schaffte es sogar, mit aufgeschlitztem Bauch und herausquellenden Gedärmen noch zehn Schritte zu gehen, bevor er in seiner eigenen Blutlache sein Leben aushauchte.

Die Vorderläufe waren kürzer als die Hinterläufe und eher schlank. Wer aber nun glaubte, sie wären schwach, irrte. Wie vor drei Wochen. Der Held sah seinen Fehler erst ein, als sein Kopf nicht mehr auf dem Körper saß.

Dicke Schuppen zierten die Drachenkörper und boten einen unglaublichen Schutz vor diversen Waffen.

Seit Jahren schon bewachten sie den Turm, sorgten dafür, dass keine Flucht möglich war und töteten jeden möglichen Befreier. Und die Liste war lang. In ihrer Jugend hatten die beiden von Freiheit geträumt. Sie wollten über das Land fliegen und auf den großen Showbühnen des Landes auftreten. Leider machte ihnen eine Fremde einen Strich durch ihre Träume und belegte sie mit einem Bann. Joy, der blaue Drache, zog am Turm vorbei und erhaschte einen kurzen Blick auf die junge, blonde Frau, die noch schlief. Er stieß einen kleinen Flammenstrahl aus und briet einen Schwarm Stare. Sein Frühstück.

Schritte hallten durch den Turm. Keine fröhlichen Schritte, sondern schwerfällige. Schritte, die 539 Stufen von der Küche bis zum obersten Stockwerk zu bewältigen hatten und das dreimal am Tag, seit über sechsunddreißig Jahren. Schritte, deren Klang die Hoffung verloren hatte, dass dies alles einmal aufhören würde oder einer dieser neumodischen Aufzüge eingebaut würde.

Unter die Schritte mischte sich das fröhliche Kling eines Nagels, der es endlich geschafft hatte, der Ledersohle der Stiefel wenigstens halbwegs zu entkommen. Ab und an war ein Fluchen zu hören, wenn der Besitzer der Schritte an einer maroden Stufe hängen blieb und ins Straucheln kam.

Die Schritte wurden lauter und kamen immer näher. Dann verhallten sie und blieben stumm.

Es klopfte an der pink lackierten Tür. Ein Moment der Stille folgte, dann schwang sie leise knarrend auf. Ein Zwerg mit einer weißen Schürze und einem weißen Hut trat in den Raum. Ansonsten war alles zwergentypisch an ihm. Das Gesicht bestand aus mehr Bart als Gesicht. Die Statur war klein und gedrungen.

Unter der Schürze trug er ein dickes Lederwams und ein Kettenhemd. Zwischen Haaren und weißem Hut trug der Zwerg eine Kettenhaube. Er kam sich so blöd vor mit der Schürze und dem Hut. Aber da er hier als Koch arbeitete, erschien es ihn nur logisch die kochtypische Kleidung zu tragen. Auf seinem Rücken, ebenfalls für alle Zwerge typisch, hingen eine leichte Streitaxt und eine Spitzhacke.

Ja, Zwerge waren in gewissen Maßen vorausschauend, immer bereit, nach etwas zu graben, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Bei einigen Vertretern dieser Spezies, ging es sogar soweit, dass sie sofort anfingen zu graben, wenn etwas Glitzerndes auf der Straße lag. So entstanden bemerkenswerte Tunnelsysteme, die sehr viel später als die ersten U-Bahn-Systeme Afagas benutzt wurden.

Zwerge galten auch als die Elstern der aufrecht gehenden Rassen.

Der Raum, in dem der Zwerg stand, war achteckig. Die Wände aus kalten harten Stein. Das Bett aus schwerem Eichenholz – pink – stand gegenüber dem Fenster. In der Mitte des Raumes baumelte von der Decke ein ausschweifender Kronleuchter mit 9678 Kerzen, wobei aber immer nur zehn davon brannten. Frühere Gefangene, als der Turm noch nicht pink war, hatten sich immer über Sonnenbrand beschwert, wenn alle Kerzen brannten. Mückenschwärme verendeten nachts qualvoll, nachdem sie erst zwanzig Meilen auf das grelle Licht zuflogen, um dann vom Fenster aufgehalten zu werden.

Ansonsten war der Raum spartanisch eingerichtet. Also spartanisch nach der Gedankenwelt einer Frau. Vier Regale für Kleidung, fünf für Schuhe. Eine kleine Frisierkommode mit einer Länge von anderthalb Schritt, also gerade groß genug, die unterschiedlichsten Cremes, Puder und Bürsten zu beherbergen. Ein Spiegel hing darüber. Ein Schreibtisch mit vielen Schriftrollen und einem kleinen Fässchen mit Schreibfeder rundete das Gesamtbild ab. Die Farbauswahl verursachte dann eher Kopfschmerzen.

Der Raum vermittelte den Eindruck, als ob der Innenausstatter bei der Farbwahl an das letzte Feuerwerk zur Neujahrswende gedacht hatte. Hatte er aber nicht, nur das viele Pink ging ihm irgendwann auf die Nerven. Während er eines Abend in der Mitte des Raumes saß und genüsslich an einer Pfeife zog, die mit dem besten roten Afaganer bestopft war, holte er alle Farbreste zusammen die er fand und ließ seiner Phantasie freien Lauf. Am nächsten Tag wurde er in ein spezielles Haus der Heilung eingeliefert, noch immer den Pinsel in den Händen und irre lachend. Da kein Geld mehr für einen neuen Innenausstatter zur Verfügung stand, beließ man es bei dem Anstrich in der Hoffnung, dass der zukünftigen »Bewohnerin« nicht das Gehirn wegbrannte.

Der Zwerg hielt ein Tablett in der Hand. Behutsam stellte er es auf einen kleinen, runden, pinken Tisch mit türkisen Punkten gegenüber dem Bett ab. Brötchen, Käse, Marmelade, kein Obst – Obst war der jungen Frau zuwider und da der Zwerg nicht über das Wissen eines Heilers verfügte, konnte ihr niemand sagen, dass die Zigarette am Morgen, die sie zum Kaffee rauchte, nicht den Vitaminmangel ausglich – und eine Kanne Kaffee standen auf dem Tablett. Das Frühstück.

Der Zwerg sah sich um und schüttelte den Kopf. Überall lagen Kleidungsstücke herum. Nicht ordentlich zusammengelegt, sondern achtlos liegen gelassen. Leise nahm er die Wäschestücke auf, faltete sie zusammen und verstaute sie in einem der Regale. Nach einer Stunde war er damit fertig.

Danach weckte er die Frau und sprang im gleichen Augenblick einen halben Schritt zurück, um nicht in Reichweite ihrer Hand zu sein. Oft hatte er erlebt, dass die junge Dame hoch schreckte und wild um sich schlug.

Doch an diesem Morgen war es anders. Müde und zäh schob sie die Decke zurück und gähnte herzhaft. Sie blinzelte ins Sonnenlicht, das durch das Fenster flutete und schaute sich um, als ob sie nicht wusste, wo sie sich aufhielt. Träge begann das Gehirn zu arbeiten und sagte ihr, wo sie sich aufhielt.

Stumm setzte sie sich auf und schlüpfte in pinke Puschen mit weißen Bommeln. Schnell war ein pinker Bademantel übergeworfen.

Kaffeeduft ließ ihre Nasenflügel leicht beben. Wie eine Wünschelrute lief sie auf den Tisch zu, setzte sich und begann zu frühstücken. Dies erforderte ein wenig Talent, denn ihre langen goldenen Haare hatten die Angewohnheit, immer dann in der Marmelade zu baden, wenn die weißen Zähne in das Marmeladenbrötchen einschlugen. Jahre hatte es gedauert, eine Technik zu entwickeln, die Haare zu überlisten.

»Was liegt heute an, Waldo?«, fragte sie den Zwerg gelangweilt, trank ihren fünften Kaffee und rauchte ihre zweite Zigarette, nachdem sie sich noch schnell zwischendurch die Zähne geputzt und eine Gurkenmaske aufgelegt hatte. Der Zwerg reichte ihr ein Bündel Schriftrollen.

»Einen Bericht der letzten Vollversammlung der Drachen, eine Stellungnahme zur versehentlichen Einäscherung eines Dorfes mit dreihundert Einwohnern im Norden des Landes – der Drache hatte sich verflogen und konnte nicht mehr so gut sehen. Das eigentliche Ziel war eine zehnköpfige Rinderherde im Westen des Landes, die als Opfergabe vom König bereitgestellt wurde –, ein Kommunique mit dem Titel ›Jungfrauen für alle Drachen‹ und die neuesten Windvorhersagen für nächste Woche«, erklärte er.

Die junge Frau schaute auf und wenn Blicke töten könnten, wäre Joy, der gerade am Fenster vorbeizog, vom Himmel gefallen.

»In all den Jahren, die ich hier bin, haben es diese oh doch so weisen Kreaturen nicht geschafft, richtiges gutes Afaganisch zu Papier zu bringen.«

»Was verlangst du? Es sind Drachen«, meinte der Zwerg verächtlich und schaute die Frau schief an: »Ich glaube, sie sind sich viel zu fein, um die afaganische Sprache zu lernen. Warum auch, sollen sie erst eine Podiumsdiskussion mit der Jungfrau führen, die sie gleich fressen werden? Nein, da reicht es doch, dass die Jungfrau das Ergebnis merkt, wenn sie den heißen Atem der Drachen spürt. Und Kühe können eh nicht sprechen.«

»Wozu dann die ganze Vereinfachung der Sprache? Wozu, wenn die Wesen die kein Afaganisch können, aber dennoch hier leben, nicht die Sprache lernen? Weißt du, bis vor einiger Zeit war alles gut, und dann meinen ein paar Blödmänner, hier ist ein Buchstabe zu viel, die Kommaregelung ist doof, wird Pferd nun mit F oder Pf geschrieben? Und jeder, der bis dahin gutes richtiges Afaganisch sprach und schrieb, muss nun ständig eins dieser neumodischen dicken Wörterbücher mit sich rumschleppen. Weißt du, wie viel so ein Ding wiegt? Also wozu?«, fragte sie. Ihre Stimme klang ironisch, sie rechnete mit einer Antwort. Stattdessen hielt ihr Waldo die ganzen Schriftrollen hin. Einen Moment wartete die Frau in der Hoffung, dass Waldo vielleicht doch antwortete. Aber mit jeder Sekunde die verstrich, wurde die Hoffnung schwächer, bis sie nur noch träge dahinsiechte, dann endgültig starb und unter drei Schritt zwergischem Schweigen begraben wurde.

»Los, gib her!«, maulte sie enttäuscht, riss dem Zwerg die Schriftrollen aus der Hand und sie warf sie auf den Schreibtisch. Einen Moment hielt sie inne. Eine Gurkenscheibe landete lautlos auf den Schriften. Eine Mischung aus Zorn und Trauer – Trauer über ihre missliche Lage, Zorn, weil nun ein Gesichtsteil nicht mehr genug Feuchtigkeit wegen des Verlustes der Gurkenscheibe ab bekam – bestritten einen innerlichen Kampf. Und nach mehreren heimtückischen Attacken hatte die Trauer gewonnen.

Ihre Züge wurden weicher, und Tränen füllten ihre wunderschönen blauen Augen. Die Maske begann abzubröckeln.

»Waldo, kann nicht endlich mal jemand vorbeikommen, der stark und mutig genug ist, mich aus dieser dummen Lage zu befreien? Der mir die Welt zeigt und die Liebe, von der ich in so vielen Büchern gelesen habe?«

Der Zwerg schwieg, ergriff jedoch tröstend die Hand der jungen Frau. Den Kopf drehte er weg, denn er grinste freudig, da es noch keiner geschafft hatte, die Frau zu befreien. Das bedeutete Gold. Dass seine Schritte nicht mehr fröhlich waren, störte ihn nicht. Das war sein Körper, nicht sein Geist. Und sein Geist war mit dem jetzigen Zustand sehr zufrieden.

Die Frau wäre überrascht gewesen, wie nahe Rettung war und sie hätte bestimmt ihr schönstes Kleid angezogen. Allerdings hätte man dann dem Retter sagen müssen, dass die Auswahl des passenden Kleidungsstückes noch ein paar Stunden oder Tage in Anspruch nehmen würde und es vielleicht gut wäre, ein Lager, eventuell winterfest, aufzuschlagen. Waldo dagegen hätte die Tür zugenagelt.

Im Elbenwald

Ja, die Rettung nahte. Zumindest hatte sie es vor, aber Detlef lag immer noch im Stroh und träumte von saftigen Weiden und jungen, willigen Stuten. In weichgezeichneten Bildern galoppierten er und die Stuten über die weiten Ebenen von Afaga. Dann und wann bestieg er eins der weiblichen Pferde. Es war wie im Paradies. Er wieherte im Schlaf.

»Los, Alter. Aufstehen!«, sagte Rafahello und stupste den Hengst an. Der schaute kurz hoch und senkte seinen Kopf dann wieder ins Stroh hinab.

»Hey«, meinte der Ritter nun energischer und zog am Halfter, »der Tag ist jung und wir haben noch einen weiten Weg.« Noch niemand hatte sich mit der Gedankenwelt der Pferde beschäftigt, aber die könnte ungefähr so aussehen: »Lass mich schlafen, blöder Kerl. Ich bin schon alt und außerdem hab ich eh die Hauptarbeit zu machen. Vor Feinden wegrennen, dich aus dem Fluss ziehen, wenn du reingestürzt bist, dich und die Gerettete tragen. Ja es ist nicht leicht das Pferd eines Helden zu sein. Na gut, dieses eine Mal helfe ich dir noch.«

Rafahello zog und zerrte am Halfter. Die Nähte seines Hemdes knirschten bedrohlich, als sich seine Muskel anspannten. »Jetzt hör mal, ich brauch dich. Ich habe eine Aufgabe zu erledigen, die für Afaga von immenser Wichtigkeit ist«, erklärte Rafahello dem Pferd.

»Ja, ja! Das sagst du immer. Das letzte Mal habe ich dich dann aus Treibsand ziehen müssen und die Aufgabe, die du hattest, hätten die Dorfbewohner auch alleine erledigen können«, wieherte das Schlachtross zur Antwort. Dennoch war er ein treues Heldenpferd. Langsam und noch etwas unsicher erhob sich das Schlachtross. Rafahello trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, da der Stand von Detlef sehr unsicher aussah. Nach einigen bangen Minuten war sich der Ritter gewiss, dass ihn Detlef auch heute tragen würde. Wie lange, war genauso unklar, wie die Entstehungsgeschichte des Universums. Er sattelte das Pferd, stieg auf und ritt aus dem Stall.

Rafahello schaute noch einmal zu den Hütten und trieb den Hengst an. Die letzten Gebiete, wo noch Gras sichtbar war, hatte Rafahello schon bald hinter sich gelassen. Düster lag der Wald vor ihm. Noch standen die Bäume nicht dicht an dicht, doch aus Erzählungen wusste der Held, dass sich das ändern würde. Feeheroo zügelte Detlef und brachte ihn zum Stehen.

»Na dann«, sagte er zu dem Pferd und zu sich selbst. Eigenmotivation war die Kraft, die einen am meisten antrieb. Dies und der Gedanke an die junge Frau, hätten Rafahello normalerweise in eine Expresskutsche verwandelt, doch die Bäume hinderten ihn daran. Jedes Kind wusste, dass afaganische Bäume beweglich waren. An vielen Kutschunfällen waren Bäume schuld gewesen, denn laut Kutscher sprangen sie im ungünstigsten Moment genau vor die Kutsche. Ja, wahrscheinlich machten sie sich einfach einen Spaß daraus, Kutschen zu erschrecken.

Der Held gab dem Pferd die Sporen und tauchte ins Dämmerlicht des Waldes ein. Je mehr er nach Westen ritt, desto dichter standen die Bäume und desto größer wurden sie. Die Reise ging nur langsam voran. Dem jungen Mann blieb nichts anderes übrig, als vom Pferd abzusteigen und es zu führen. Moos bedeckte den Boden und vermittelte das Gefühl,über Polster zu laufen, welche bei jedem Schritt ein schmatzenden Ton von sich gab. Von überall kamen Geräusche. Vögel sangen, Schlangen zischten und einige Laute waren so fremdartig, dass man lieber nicht wissen wollte, welcher Kehle sie entstammten.

Unter dem Blätterdach war es heiß und schwül. Langsam begannen sich die Muskeln des Ritters unter seinem nassen Hemd abzuzeichnen. Frauen wären scharenweise in Ohnmacht gefallen, hätten sie das gesehen, aber der Elb hinter dem nächsten Baum hatte keinen Blick für diesen perfekten Körper. Das Feuer der Verwirrtheit brannte in seinen Augen. Die langen braunen Haare hatte er zu einem Zopf gebunden, an seinen Ohren hingen zwei riesige Kreolen. Rafahello passierte den Baum und hörte nur im Unterbewusstsein das surrende Geräusch einer Klinge. An diesem Punkt schaltete sein bewusstes Denken aus, und ein kleiner Teil des Gehirns übernahm die Steuerung. Anatomisch konnte dieser Teil nie bei toten Helden selektiert werden, aber er schien da zu sein. Es war das Heldensein.

In einer einzigen fließenden Bewegung sprang Rafahello nach vorne, löste Einhänder und Schild vom Sattel und gab Detlef einen Klaps aufs Hinterteil, so dass dieser davon sprang und zwanzig Schritt weiter friedlich zu grasen begann.

Rafahello rollte sich nach vorne ab, kam wieder auf die Beine und dreht sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam.

Mit zusammengekniffenen Augen starrte der Held wachsam ins Dämmerlicht und nahm Kampfposition ein. Den Schild in der Rechten, das Schwert in der linken Hand. Das Moos unter ihm quietschte feucht.

Dann trat der Feind geschmeidig wie eine Katze hinter dem Baum hervor, das Elbenkatana, eine Klinge von anderthalb Schritt Länge, zum Schlag erhoben. Der Elb schwebte fast über das Moos, aber Rafahello war der Held, deshalb ließ er sich nicht davon beirren oder gar einschüchtern. Er schaute sich den Gegner genau an, erkannte den desolaten Gemütszustand.

»Sag mal Elb, wäre es nicht besser, du begibst dich zu einem Heiler«, fragte Rafahello, jede Bewegung des Elben abschätzend.

»Ich brauch keinen Heiler«, antwortete der Elb, und Sabber lief ihm aus dem Mund.

»Und warum nicht?«, hakte der Held nach. Reden war manchmal die bessere Alternative.

»Ich weiß, was du denkst, Mensch«, schrie der Elb wirr. »Du denkst, was alle denken. Doch ihr irrt euch. Nicht ich bin es, der verrückt ist, sondern die anderen.«

»Ja, das sagen sie alle«, murmelte Rafahello.

»Was hast du gesagt?«

»Ich sagte, wie kommst du darauf«, sprach Rafahello lauter und verdrehte die Augen.

»Ist das nicht offensichtlich?«, meinte der Elb wie ein Schulmeister, »Schau sie dir an. Wo leben sie denn in Einklang mit der Natur? Sie bauen Apparate und Waffen.«

»Waffen sind doch gut«, kommentierte Rafahello lächelnd.

»Sag mal, bist du blöd? Waffen sind der Natur zuwider«, konterte der Elb. Rafahello schüttelte heftig den Kopf und fragte sich still, warum das Spitzohr ein Schwert in der Hand hielt. »Wir Elben müssen mit der Natur leben. Uns ihr zuwenden, in ihr Mutter und Vater sehen. Die Familie, die uns beschützt. Ehefrau und Geliebte zugleich.«

Er begann belustigt zu lächeln, rammte sein Schwert in den weichen Boden und lehnte sich locker auf dessen Knauf. Es war schon eine Minute vergangen und er hatte es noch nicht benutzt. Kein typischer Heldentag.

»Und wie wollt ihr das dann mit den Nachkommen machen?« fragte der Held lächelnd. »Ich meine, wenn die Natur Ehefrau und Geliebte zugleich ist, meinst du nicht, dann ist die Scheidungsrate ein bisschen hoch?«, neckte er das Spitzohr.

»Oh, Mensch«, antwortete der Elb, »ich meinte das im übertragenen Sinn.«

»Ach so! Entschuldige, ich bin nur ein Mensch«, sagte Rafahello freundlich.

»Genau, und du wirst mein erstes Opfer auf dem Weg zurück zur Natur, weil ihr euch in euer Dummheit immer mehr von der Natur abwendet«, erklärte der Elb. Seine Stimme donnerte wie ein brodelnder Vulkan, der darauf wartete auszubrechen, während das letzte Hektopascal Druck fehlte, um die Lava nach oben zu treiben. Dieser fehlende Druck kam in einem »Na dann« aus Rafahellos Mund.

Plötzlich rannte das Spitzohr auf den jungen Mann zu. Als er ihn erreicht hatte, ließ er das Schwert niedersausen. Doch Rafahello drehte sich unter dem Schlag weg und rammte dem Gegner den Knauf seines Schwertes mit aller Macht in die Seite. Rippen brachen. Der Ritter wollte den Elben nicht töten, sondern nur zur Aufgabe bewegen. Doch leider war dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Es war genauso unmöglich, wie in einen Ein-Liter-Krug noch einen zweiten Liter zu füllen. Hinter dem Elben angekommen, drehte er sich und stieß ihm seinen Schild in den Rücken. Dabei kam Rafahello auf dem glitschigen Moos ins Rutschen und konnte nur mit Mühe und Not einen Sturz verhindern. Der Elb, durch den Stoß des Schildes einen weiteren Schub bekommend, begann zu straucheln, fing sich aber gleich wieder. Er drehte sich um die eigene Achse, nutzte aber seinen Vorteil nicht, sondern wartete, bis der Held wieder einen sicheren Stand hatte. Rafahello fragte sich, warum der Elb dies getan hatte. Taktisch war es genauso unklug, wie vor einer Liebesnacht mit einer wunderschönen Frau Bohnen und Zwiebeln zu essen. Als Rafahello wieder Verteidigungshaltung angenommen hatte, griff der Elb ein weiteres Mal an. Diesmal schlug er mit ausgestreckten Armen von unten nach oben zu. Und bot dem Ritter so die ungeschützte rechte Seite an. Ein leichter Streich in selbige, und der Elb begann zu bluten.

»Dafür wirst du sterben«, meinte der Verletzte auf die Wunde blickend.

»Ich dachte, ich sollte dafür sterben, dass ich ein Mensch bin und nicht, weil ich dich verletzt habe«, gab Rafahello zurück.

»Ähm, ja richtig!«, bestätigte der Elb.

»Also du solltest dir schon im Klaren sein, weswegen du jemanden tötest«, meinte Rafahello schnaufend. »Pass mal auf, ich kann mit jeder Waffe umgehen, die es gibt, habe Unholde und Monster reihenweise getötet, da wird ein verrückter Elb wie du kaum eine Chance haben.«

Jeder andere Gegner hätte jetzt das Weite gesucht, aber der Elb war nicht mehr Herr seiner Sinne. »Ich bin nicht verrückt!«, schrie er so laut, dass der Wald verstummte.

»Is scho recht«, meinte Rafahello in die Stille hinein. Wieder griff der Verrückte an. Metall traf Metall. Blitzschnell zog der Ritter sein Schwert zurück, verlagerte sein Gewicht auf sein linkes Bein und stieß zu. Die Spitze des Schwertes bohrte sich in den Magen des Elben. Blut quoll hervor, ein Stück des Magens folgte. Zum ersten Mal schrie der Elb vor Schmerz. Dennoch griff er an – jetzt allerdings nicht mehr ganz so sicher. Rafahello merkte, dass die Kraft aus dem Elben wich. Einem Schlag in Kopfhöhe wich der Held aus, indem er sich duckte und im knien nach den Beinen des Gegners trat. Die Wirkung war besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Der Fuß traf das Knie, die Kniescheibe brach und ein Stück ragte aus dem Fleisch. Aber noch immer hatte der Elb nicht genug. Er humpelte mit versteinerter Miene auf Rafahello, der immer wieder den Kopf schüttelte, zu und schlug senkrecht von oben nach unten auf den Helden ein. Dieser machte sich nicht die Mühe, den Schlag zu parieren, sondern tänzelte zur Seite und stieß zu. Die Klinge traf den Hals, drang ein, durchquerte die Halsschlagader, sagte der Wirbelsäule »Hallo« und trat auf der anderen Seite wieder aus. Blut spritzte in hohem Bogen aus der Wunde. Der Elb riss die Augen auf.

»Jetzt bin ich eins mit der Natur«, röchelte er und starb.

Rafahello hob seinen Kopf und lauschte. Das Gesicht rot vom Saft des Lebens, färbte nun auch das cremefarbene Hemd. Der Held ließ seine Waffe sinken und damit auch den Elben. Dann zog er das Schwert aus der Wunde des Gegners. Immer wieder schüttelte er wegen der Sinnlosigkeit den Kopf. Der Ritter kam sich vor, als ob er in einen Topf roter Farbe gefallen wäre.

Da Rafahello ein Ehrenmann war, beschloss er, den Elben ehrenvoll zu verbrennen und sammelte deshalb alles Holz ein, was er fand.