Aufwachsen in Telfs - Marktgemeinde Telfs - E-Book

Aufwachsen in Telfs E-Book

Marktgemeinde Telfs

0,0

Beschreibung

Eine Reise in die Vergangenheit von Telfs – lebendig in persönlichen Erinnerungen!"Liebes Team der Bücherei & Spielothek, es ist eine super Idee, dem Lockdown ein Schnippchen zu schlagen und Erinnerungen in der Einsamkeit niederzuschreiben. Ich wünsche euch viele gute und lustige Briefe", meinte Monika Kluibenschädl in einem Brief.Im vorliegenden Buch sind nun sowohl ihre Kindheitserinnerungen als auch die anderer Telferinnen und Telfer versammelt. Die heute drittgrößte Gemeinde Tirols hat im Laufe der letzten Jahrzehnte einen großen Wandel erlebt, welcher auch hier in ganz privaten Erzählungen unterhaltsam dokumentiert wird. So laden wir ein zu einem abwechslungsreichen Streifzug durch das "Dorf" Telfs mit all seinen Menschen, Straßen und Plätzen von damals und heute.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 192

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Aufwachsen in Telfs

Aufwachsen in Telfs

VORWORT

Fast ist die Erinnerung an den ersten coronabedingten Lockdown auch schon wieder Geschichte. Trotzdem kann sich wohl noch jeder an diese Ausnahmesituation erinnern. Man fühlte sich gefangen in den eigenen vier Wänden und hatte teilweise aufgrund der Kurzarbeit mehr Freizeit als normalerweise üblich. Um den Leuten eine Ablenkung von den täglichen Pandemie-Meldungen zu bieten und gleichzeitig daraus etwas Positives entstehen zu lassen, startete die Bücherei Telfs einen Aufruf. Unter dem Titel „Aufwachsen in Telfs“ wurde darum gebeten, Telfer Kindheitserinnerungen schriftlich festzuhalten und für das nun vorliegende Buchprojekt zur Verfügung zu stellen. Viele ehemalige und aktuelle Telfer:innen kamen dieser Bitte nach und es ist eine bunte Sammlung von Geschichten aus verschiedenen Ortsteilen, Zeiten und Bevölkerungsgruppen entstanden.

Obwohl keine Kindheit nur schön ist – besonders nicht jene, die in Kriegszeiten fallen –, sind die Geschichten in diesem Buch großteils doch sehr positiv ausgefallen. Natürlich wird zum Beispiel auch von einem Bombenabwurf auf Telfs und der damit einhergehenden Angst, von manch beschwerlichem Schulweg oder sehr harten und herausfordernden Lebensumständen berichtet. Der Grundtenor ist aber ein sehr idyllischer.

Man muss sich hier deshalb zwei entscheidende Faktoren ins Gedächtnis rufen, einerseits die Entstehungssituation der Texte, andererseits die Funktionsweise unseres Gehirns. Während der angespannten Situation im Lockdown war es nur menschlich, dass man sich besonders an die schönen Momente der eigenen Kindheit erinnerte. Gleichzeitig ist dieses Filtern ein ganz normaler Vorgang in unserem Gehirn. Wenn wir eine Situation mit zeitlichem Abstand betrachten, sehen wir die positiven Ereignisse meist viel dominanter als die negativen. Das mag auch eine gewisse Schutzfunktion unseres Körpers sein. Es muss den Leser:innen also bewusst sein, dass die Erzählungen in diesem Buch nicht immer die ganze Realität und die historischen Tatsachen widerspiegeln, aber doch prägende Momente im Leben eines Menschen.

Auch die Tatsache, dass die ältere Generation rückblickend ihre eigene Kindheit meist als viel härter und die nachfolgende Generation als verwöhnt ansieht, wird wohl immer so sein. Wer weiß, vielleicht werden die jüngeren Schreiber:innen dies in einigen Jahren auch sagen.

Eine besondere Schwierigkeit beim Festhalten von Vergangenem ist die sich ständig verändernde Sprache. So gibt es einige Wörter, die im heutigen Sprachgebrauch als verletzend und ausgrenzend gelten, vor einigen Jahrzehnten aber ganz alltäglich waren. Manchmal wurden sie damals schon negativ verwendet, manchmal aber auch nicht. Die Entscheidung, wie man mit solchen Begriffen umgeht, ist nicht ganz einfach, denn man bewegt sich zwischen politischer und historischer Korrektheit. Beides gleichzeitig ist kaum möglich. Für das vorliegende Buch wurde nun entschieden, die umstrittenen Begriffe abzuändern, um die entsprechenden Personengruppen nicht zu verletzen.

So verschieden die einzelnen Geschichten auch sind, eint sie doch vieles. Egal ob vor achtzig Jahren oder heute, alle Kinder erkunden mit Neugierde ihre Umgebung, gestalten sich phantasievoll ihre Freizeit, haben teilweise Konflikte mit älteren Personen und sehen die Welt durch ihre Kinderaugen ganz anders als ein erwachsener Mensch.

Dieser kindliche Blick auf das sich wandelnde Telfs durch viele Jahrzehnte hindurch ist es, was die folgenden Texte herzerwärmend schön macht.

Lena Burgstaller, Historikerin

ERINNERUNGEN AN FAMILIE UND KINDHEIT

An ihre Mutter hat Irene keine Erinnerung, denn sie war gerade einmal ein halbes Jahr alt, als diese starb. Sie hinterließ fünf Kinder – vier Mädchen und einen Buben. So sah sich der Vater nach dem Tod seiner Frau gezwungen, wieder zu heiraten. Seine zweite Frau war eine alleinstehende Mutter zweier Kinder, die sie in die Ehe mitbrachte.

Irene erinnert sich, dass ihre Kindheit und die ihrer Geschwister schwierig und alles eher unglücklich war. Die Stiefmutter wurde dem damaligen Bild einer Stiefmutter voll gerecht und bevorzugte immer ihre eigenen Kinder. Das und auch die räumlichen Gegebenheiten waren der Grund, warum die älteren Geschwister so bald als möglich von zuhause auszogen. Irene als Jüngste musste bleiben. Sie erwähnte immer wieder, dass die Stiefmutter, wenn sie keine eigenen Töchter mitgebracht hätte, eigentlich eine ganz feine, herzliche Frau gewesen wäre.

Irene erzählte, dass ihr Vater zwei Kühe hatte, die sie in den Sommerferien hüten musste. Sie wanderte oft mit ihnen zur Georgensiedlung (damals war das alles noch Wald und Feld). Oft gingen auch Kinder aus der Nachbarschaft mit, allerdings nur, wenn Irene ihnen Geschichten oder Märchen erzählte. Wenn die Kinder ein Märchen schon kannten, sagten sie immer: „Das kennen wir schon, erzähl uns eine neue Geschichte“ – das konnte Irene sehr gut. Heute noch erinnert sich eines dieser Nachbarskinder daran und sagt, dass das für sie alle eine sehr schöne Zeit war.

Haus im Puelacherweg, in dem Irene aufwuchs. © Fotograf unbekannt, zur Verfügung gestellt von Irene Pallasser

Eines ihrer prägendsten Ereignisse war die Rückkehr ihres Bruders aus dem Krieg. Irenes Bruder Herbert musste im Krieg nach Russland einrücken und kam in russische Gefangenschaft.

An einem schönen sonnigen Sonntag im Sommer nach dem Krieg machten Irene und ihr Vater gemeinsam mit einigen Telfern eine Wallfahrt nach Kaltenbrunn. Sie gingen den Inn entlang bis Roppen und von da über Wald, Leins, Wenns und den Gachen Blick nach Kaltenbrunn. Dort wurde eine Messe besucht und anschließend gab es ein Kracherl und ein Paar Frankfurter mit Brot. Zur damaligen Zeit war das etwas ganz Besonderes. Danach ging es zu Fuß über die Landstraße bis nach Landeck und von dort mit dem Zug nach Telfs zurück.

Als sie in Telfs ausstiegen, erzählten ihnen einige Telfer ganz aufgeregt, dass heute einige Soldaten, die in Russland in Gefangenschaft waren, mit dem Zug angekommen seien. Irene hoffte, dass Bruder Herbert dabei wäre, konnte ihn aber nirgends entdecken.

Dann geschah das Wunder! Als sie zuhause ankamen, saß Herbert auf der Bank und meinte, „Greift mich nicht an, ich bin voller Läuse und Flöhe!“

Das war Irenes schönste Wallfahrt und Erinnerung an ihren Bruder, die sie nie vergessen wird. Diese Geschichte erzählt Irene auch heute immer noch mit sehr viel Emotion und Tränen in den Augen.

Irene Pallasser, geb. Schreier, Jahrgang 1927; aufgezeichnet vom Team in der Tagesbetreuung „Griaß enk“

DER WOHL LÄNGSTE SCHULWEG EINER TELFERIN

Montag, 12. Jänner 1942:

Nach dem Frühstück stapfe ich durch den frisch gefallenen Schnee von Brand nach Sagl und weiter ins Dorf, durch die „Alte Straße“ (Josef-Schöpf-Straße) und dann über die Innbrücke. Das Thermometer zeigt -29° C. Doch ich habe ja meine gestrickte (!!!) Unterhose an, die bei der Kälte eh nicht so fest juckt. Dann noch hinauf zum Kloster der Armen Schulschwestern.

Nach dem morgendlichen Fahnenhissen haben wir zu den üblichen Fächern Rechnen, Deutsch, Handarbeiten noch eine Stunde Italienisch. Nachmittags retour und nach den Arbeiten, die daheim noch zu erledigen sind, muss ich meine Hausaufgaben machen.

Kloster in Pfaffenhofen mit Blick auf Telfs. © MGT Archiv

Zum Wärmen meiner „Flitschenmatratze“ (Maisblätter) hole ich mir den aufgeheizten Stein aus dem Ofen und gehe um 8 Uhr schlafen.

In Telfs durften nur die Buben eine Hauptschule besuchen, und so ging ich vier Jahre von Brand nach Pfaffenhofen in die Schule und anschließend noch ein halbes Jahr in die Haushaltungsschule. Ich glaube, es war in der 3. Klasse Hauptschule, als mir ein Kriegsheimkehrer ein Fahrrad schenkte, wodurch mein Schulweg um einiges erleichtert war.

Ida Waldhart, Jahrgang 1931

EINMARSCH IN TELFS

LIGHTNING

Von Telfs aus konnte man gut beobachten, wie doppelrumpfige Bomber, sogenannte Lightnings, die Bahnstrecke in Reith bei Seefeld zu treffen versuchten. Ich beobachtete das makabre Spiel vom Garten des Tilly-Hauses in der Lumma aus. Die Luft vibrierte.

1945

Im Frühjahr 1945 gelang es der Innsbrucker Flak, ein amerikanisches Flugzeug abzuschießen. Die Piloten, zur Hälfte waren es Afroamerikaner, waren für die Innsbrucker „Kannibalen“!1

MARIA-THERESIEN-STRASSE

Die gefangenen Afroamerikaner wurden in Handschellen durch die Maria-Theresien-Straße geführt, um der Bevölkerung zu zeigen, was ihnen bevorstand, wenn das Großdeutsche Reich den Krieg verlöre.

INVASION

Die Amerikaner rückten auf drei Seiten nach Telfs vor, über Sagl, über die Innbrücke und über das Meaderloch, in Form von Bataillon oder Streueinheiten, vollbehangen mit Eierhandgranaten.

US-Soldaten in der Telfer Südtiroler Siedlung. © Sammlung Stefan Dietrich

LUMMA

An jenem denkwürdigen 6. Mai befand ich mich hinter dem Holzzaun des Tilly-Hauses im Garten, als sich ein Bataillon Soldaten im Gleichschritt näherte. In der letzten Reihe, links außen, marschierte ein Afroamerikaner, der gefürchtete Kannibale.2

MUNDHARMONIKA

Als dieser mich Buben sah, trat er aus der Marschordnung hervor und überreichte mir eine Mundharmonika. Ich wusste nicht, wie mir ist.

Professor Tilly zeichnete 2021 speziell für dieses Buchprojekt seine Begegnung mit den US-Soldaten. Zur Verfügung gestellt von Sieglinde Auer

Rein rechnerisch war im Jahre 1944 der Zweite Weltkrieg schon vorbei, zugunsten der Alliierten. Die Engländer versenkten das deutsche Paradeschlachtschiff „Tirpitz“. Die deutsche Propaganda lief weiter. Ich besuchte damals die 2. Klasse Hauptschule in Telfs, als ein Schulinspektor aus Innsbruck erschien, der die Aufgabe hatte, besonders talentierte Schüler ausfindig zu machen, für eine geistige Elite des Reiches. Die Ausbildungsstätte war in Andelsbuch in Vorarlberg. Meine Eltern, streng katholisch, ahnten Kirchenfeindliches und stimmten nicht zu.

KLV-REUTTE

Stattdessen steckte man mich in die Realschule Innsbruck, die dann als disloziert im Kinderland-Verschickungslager Reutte untergebracht war. Die letzten Monate vor Kriegsende wurde nicht mehr unterrichtet. In der Früh fuhren Lastautos vor und transportierten die Schüler nach Musau und Pflach zum „Ausheben von Panzergräben“. Es wurde aber nicht mehr als der Grasboden abgehoben.

VATER

Schlimmes ahnend erschien mein Vater Ende April 1945 in Reutte und holte mich ab. Wir fuhren mit dem Personenzug von Reutte nach Seefeld, stehend, denn die Wagons waren voller italienischer Heimkehrer. Von Seefeld über Bairbach ging es zu Fuß nach Telfs. Ich glaube, dass mich mein Vater die letzten Kilometer getragen hat, so müde war ich.

FLAK-FLIEGERABWEHRKANONEN

Pünktlich und verlässlich flogen täglich amerikanische Bomber nach Innsbruck, aus Italien kommend, und ließen ihre tödliche Fracht nieder.

Heinrich Tilly, Jahrgang 1931

__________

1 Dem Herausgeber ist bewusst, dass keine Verbindung zwischen Afroamerikanern und Kannibalismus besteht. Dies wurde aber während des Krieges in der Bevölkerung verbreitet und muss dementsprechend im historischen Kontext betrachtet werden.

2 Siehe vorherige Fußnote.

ERINNERUNGEN

Vieles war anders, vor 80 Jahren, als ich noch ein Kind war. Den Kindergarten nannte man Anstalt und dieser wurde von geistlichen Schwestern geführt, ebenso wie das Altersheim, welches auch als Armenhaus diente und Spital hieß.

In der Volksschule waren alle Kinder schon untereinander bekannt, es gab ja viel weniger Einwohner in Telfs als heute. Wir Mädchen trugen Schürzen und die meisten Buben Knickerbocker-Hosen.

Bis zu drei Schulstufen saßen in einem Klassenzimmer beisammen und Disziplin war eine Selbstverständlichkeit. Wenn wir im Handarbeitsunterricht Socken strickten, war die Wolle oft so knapp, dass das Ergebnis aus verschiedenen Farben bestand.

Früher nannte man den Kindergarten Bewahranstalt. © Hugo Jäckel, Phot. Innsbruck

Für die Soldaten haben wir während des Krieges Isländisch Moos gesammelt und im Dachboden der Schule getrocknet. Daraus konnte ein Tee gemacht werden, der das Immunsystem stärken sollte.

Beim Erstkommunionunterricht durfte man nicht fehlen, da gab es eine Mappe, in die fleißig bunte Bilder eingeklebt wurden. Bei der Nachmittagsbetreuung im Kinderhort konnte man die Hausübungen machen.

Zum Besuch der Hauptschule musste man zu Fuß in das Kloster nach Pfaffenhofen gehen!

Der Winter war oft sehr kalt und ich kann mich daran erinnern, dass man an der gefrorenen Türschnalle kleben blieb. Über die alte Innbrücke pfiff der Wind durch die Kleidung, lange Hosen gab es für Mädchen noch nicht, aber wir kannten es nicht anders.

Wenn Fliegeralarm war, rannten wir vom Klassenzimmer schnell zum Knablhaus, in den Keller.

Frieda Schreyer mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern im Jahr 1940. © Fotograf unbekannt, zur Verfügung gestellt von Frieda Schreyer

Nach dem Krieg mussten die Leute zum Einkaufen Lebensmittelmarken haben, dafür hat man im Geschäft das Nötigste bekommen. Mehl und Zucker wurden in großen Säcken gelagert und in kleine Papiersäcke abgewogen. Die Milch wurde mit der Milchkanne, meist von den Kindern, direkt von Bauern geholt. Am Heimweg habe ich die volle Kanne gerne mit kreisenden Armen rund um die Schultern geschwungen, durch die Zentrifugalkraft ging dabei wirklich kein Tropfen verloren. Auch mit vollen Einkaufstaschen funktionierte dieser Spaß.

Schuhe und Kleidung bekam man nur über einen Bezugsschein der Gemeinde, worauf man meist sehr lange warten musste. Geld war knapp und die Freude groß, wenn man von älteren Kindern Kleidung übernehmen durfte. Es gab ein Sonntagskleid, auf das man sehr gut aufpassen musste und bei dem der weiße Kragen immer wieder gewaschen und neu aufgenäht wurde.

Nach dem Sonntagsgottesdienst. © Fotograf unbekannt, zur Verfügung gestellt von Frieda Schreyer

Es war selbstverständlich, dass die Kinder von den Eltern kleinere Arbeiten wie Holz eintragen, Wasser holen und Geschirr spülen zugeteilt bekamen. Die Zeit dafür war knapp, denn meistens warteten schon die Freundinnen. Zum Spielen trafen wir uns im Freien und die Lieblingsspiele waren Verstecken, Fangen, Räuber und Gendarm, Goaßerletz, Kaiser, wie viel Schritte darf ich machen, Tempelhüpfen, Ich seh’ etwas, das du nicht siehst und viele mehr. Sogar das Einmaleins wurde aufgesagt und von Hundert auf Null rückwärts gezählt! Wir verkleideten uns gerne und spielten selbst erdachte Theaterstücke, langweilig war es nie! Da niemand allzu viel hatte, wurde geteilt und wenn jemand einen Apfel alleine aß, wurde halt um den Butzen gebettelt und dieser dann total abgenagt.

Eine Freundin besaß ein Paar Schlittschuhkufen, die sie mir leihen wollte. Da diese nicht auf meine Schuhe passten, wurden sie mit dem Riemen auf selbst gemachte Patschen geschnallt, was eine ziemlich wackelige Angelegenheit war. Damit fuhr man auf der vereisten Straße, Verkehr gab es da keinen.

Später, in der Jugendzeit, gingen wir sogar Schifahren! In der Wagnerei Heigl, in der Lumma, wurden in Handarbeit Rodeln und Schi aus Holz hergestellt. Nach jedem Gebrauch mussten diese mit Hilfe eines Keiles und Riemen wieder in Spannung gebracht werden. Die doppelt geschnürten Schi-Schuhe, ein Schuh-im-Schuh-Modell, gab es in der Schuhfabrik Neuner, in Pfaffenhofen.

Mit den Schiern auf dem Rücken ging man zu Fuß von Telfs über Mösern Seewald bis zum Gschwandtkopf, über das damals noch schmale Straßl, meist im Schneepflug-Stil, bis nach Telfs.

Damals war man sehr erfinderisch und wir Kinder freuten uns über Kleinigkeiten und wussten uns immer zu beschäftigen. Ja, auch ohne Fernsehen und Handy hatten wir viel Unterhaltung und ich finde, dass wir glücklich waren.

Frieda Schreyer, geb. Pöll, Jahrgang 1932

DIE INNBRUGGLER

Die Innbruggler: Soafnsieder, Meingele, Jendl, Tschigl, Malinger, Senn, Schöpferwirt, Schnoater, Sesselfabrik, Neuner

Geboren wurde ich 1936 als Sohn von Mimi und Max Wackerle. Mein Vater war zu dieser Zeit Maurerpolier bei der Fa. Schindler. Da Herr Schindler meinen Vater sehr schätzte und auch mochte, war ich damals eines der wenigen Kinder, das in der Schindler-Villa zu Besuch war. Ich bekam auch von deren Kindern einiges an Spielzeug und Büchern weitergeschenkt. Das waren immer tolle Geschenke, so durfte ich mich z. B. über ein Schaukelpferd mit echtem Schwanz und echter Mähne, einen ausgestopften Esel oder ein großes Aufzieh-Auto freuen.

Ein ganz besonderes Schaukelpferd besaß Rudi Wackerle vulgo Schnoater. © Fotograf unbekannt, zur Verfügung gestellt von Rudi Wackerle

Stolz präsentieren die Kinder ihre Spielsachen. © Fotograf unbekannt, zur Verfügung gestellt von Rudi Wackerle

1939, zu Kriegsbeginn, musste mein Vater einrücken und im Sept. 39 wurde mein Bruder Günther geboren. Der Überfall auf Polen dauerte nicht lange und mein Vater war bald wieder zuhause. Im Frühjahr 1940 ging es dann für ihn für ca. 1–1 ½ Jahre nach Norwegen und danach kam er auch noch nach Frankreich, wo er Bunker bauen musste.

Alle Männer waren im Krieg, mein Urgroßvater Schnaitter Heinrich war der einzige Mann im Haus. Er war Betonsteinerzeuger, produzierte Dachplatten, Betonrohre, Ziegel, Brunnentröge u.v.m.

Bei uns gab es Zement auch sack- und sogar kiloweise. Mein Urgroßvater hatte auch eine kleine Landwirtschaft: 2 Kühe, 1 Schwein, 20–25 Hennen, einen Kartoffel- und einen Türkenacker. Im Hof war für uns Kinder jede Menge Sand zum Spielen, oft waren wegen der Sandhaufen 5–8 Kinder im Hof.

Klettern konnten wir und Äpfel- und Birnbäume gab es im Garten auch.

Am meisten vom Krieg in Erinnerung blieben mir die zwei Bombenangriffe auf Telfs. Die waren gegen Ende des Krieges. Der erste passierte, als ich einmal von der Schule nach Hause ging. Da wurde es ernst. Ich war gerade auf dem Heimweg von der Schule, wir hatten am Nachmittag immer frei. Ich ging das Klostergassl hinunter, als ich Sirenen und die Flieger hörte. Ich sah, wie Bomben fielen. In Richtung Bahnhofstraße war alles nur mehr eine Staubwolke. Mich schnappte jemand und zerrte mich beim Dr. Härting in den Keller. Die ersten Worte waren: „Bei enk außen isch alles hin!“ Die Angst, die ich dabei empfunden habe, kann ich heute gar nicht mehr in Worte fassen. Es war schrecklich. Als Entwarnung kam und der Staub weg war, konnte ich nach Hause gehen. Das Haus stand noch, meine Freude war riesengroß. Das Dach hatte große Löcher, riesige Steine lagen auf dem Dachboden, 50 Fensterscheiben waren durch den Luftdruck kaputt. 12 Bomben waren es insgesamt. Ziel war es immer, die Innbrücke zu zerstören. Das schafften sie aber nicht. Einmal verfehlte eine Bombe die Brücke nur knapp.

Die Bahnhofstraße war zu damaliger Zeit die Bundesstraße 1. Die Innbrücke war für 2 LKWs nebeneinander zu schmal, die Gehsteige links und rechts auf der Brücke aus Holz. Ganz Schlaue wichen auf die Gehsteige aus und brachen dann ein. Stau war dann wieder vorprogrammiert. Ein nächstes Hindernis waren die Bahnschranken der Eisenbahn. Der Schrankenwärter machte die Schranken oft viel zu früh zu, weil er Angst hatte, ein Auto einzusperren, und wieder gab es Stau.

In der Früh vor dem 2. Angriff um ca. 6 Uhr/halb 7 ging bei uns die Haustüre auf und ein amerikanischer Soldat kam herein. Er blutete stark am Oberarm. Er hatte einen Durchschuss. Meine Mama verarztete die Wunde kunstgerecht. Am Abend kam er zum Dank dafür mit einem Körbchen voll amerikanischer eiserner Ration mit Tee, Kaffee und Schokolade und eine Einquartierung bekamen wir auch keine.

Die Skizze verzeichnet die Bombeneinschläge der beiden erfolglosen Luftangriffe auf die Telfer Innbrücke im April 1945. © Telfer Luftschutzchronik

Am Vormittag hieß es dann: „Die Amerikaner kommen, die Brücke wird gesprengt!“ Sie haben dann bei uns in der Hofeinfahrt einen Tisch aufgestellt und ganz Telfs musste dort die Waffen abliefern. Die wurden dann alle vernichtet. Den ganzen Tag wurde geladen. Es kamen immer wieder Leute, die die Sprengung verhindern wollten. Gegen 16/17 Uhr Nachmittag kam dann auch der Telfer Bürgermeister mit einer Abordnung und sie verhandelten die längste Zeit mit den Brückensprengern. Sie erhielten aber keine 100%ige Zusage, dass die Brücke doch nicht gesprengt wird. Wir haben uns für diese Nacht in den Keller zurückgezogen. Frau Grübler, die bei uns wohnte, riskierte einen Blick nach draußen, sie bewegte leicht die Schaluren – Wumms, schlug eine Kugel ein. Meiner Mama auf dem Dachboden erging es genau gleich, als sie einen Blick aus dem Dachfenster wagte. Jedenfalls schafften sie es nicht, die Brücke zu sprengen, sie stand noch.

Die Amerikaner bauten hinter der Pischl-Villa einen Baseballplatz und neben der Bahnhofstraße, zwischen uns und Dr. Kopp-Unterberger, einen American-Football-Platz und auch einen Fußballplatz inklusive Tribüne. Der Platz kam dann auch dem Telfer Klub zugute. Ich erinnere mich, dass wir in der Bahnhofstraße nur einen einzigen Fußball zum Spielen hatten.

Mit den Amis hatten wir uns bald ausgesöhnt, aber dann kamen ca. ein 1/2 Jahr später die Franzosen, Marokkaner und andere Soldaten aus deren Kolonien. Sie hatten ihr Büro in der Hohen Munde. Die hatten alle noch weniger als wir und konnten daher alles gebrauchen, was nach „deutschem“ (Militär-)Besitz aussah, es wurde alles beschlagnahmt. Aber auch diese Zeit ging vorbei und es herrschte Frieden und das bis heute!

Rudi Wackerle, vulgo Schnoater, Jahrgang 1936

WIR WAREN DIE „KIRCHGASSLER“

Im Sommer 1948 hatten wir eine Idee: „Wir wollen Theater spielen.“ Der Stadel in der Kirchstraße 12 war für uns ideal, er gehörte meinem Vater. Eine alte Kutsche als Sitzplatz für die Zuschauer und einen großen Bretterstoß als Bühne konnten wir gut verwenden. Als Vorhänge hatten wir Leintücher, die auf Wäscheleinen gespannt wurden. Das erste Stück war „3 Männer im Schnee“, den Inhalt weiß ich nicht mehr. Spieler waren: meine Geschwister: Waltraud, Adolf, Dieter und Brunhild und die Nachbarskinder: Sagler Liesi (Neuner), Paul, Fink Annemarie und Blasi Margit. Wir machten eine Sonntagnachmittag-Aufführung, die gut besucht war.

Leider wurde der Stadel als Milchsammelstelle und Molkerei gebraucht und wir mussten uns einen anderen Aufführungsort suchen.

Beim Sagler im Hof stand ein kleines Haus, das wir als Bühne gut fanden und Familie Sagler (Neuner) hat uns erlaubt, im Sommer dort Theater zu spielen. Inzwischen kamen auch die Sprugger Martha (Zobl) und Waltraud (Zorzi) dazu. Meine Geschwister Waltraud und Adolf waren schon „zu alt“. Auch durfte die Fink’n Dorli (Wagner) mitspielen, da ihre Mama Schuhgröße 37 hatte und sie die Stöckelschuhe mitbrachte. Kleider hatten wir von den Eltern (Sagler Liesi brachte das Hochzeitskleid ihrer Mama). Wir hatten auch ein Plakat, denn bei Sagler hing jede Woche ein neues Kinoprogramm, das wir für unsere Aufführung verwendeten. (Es wurde natürlich mit dem richtigen Titel angefertigt und beim „Riefn Haus“ aufgehängt, damit die Kirchengeher informiert waren.)

Wir probten und spielten den ganzen Sommer und hatten großen Erfolg. Aus unserem „Theaterverein“ gingen auch bekannte Talente hervor: Sprugger Martha (Zobl), Waltraud (Zorzi) und die Sagler Liesi, die langjährige Souffleuse im Telfer Theater war. Wir hatten eine schöne Kindheit in der Kirchgasse und ich denke oft daran zurück.

Luise Wackerle, geb. Schatz, Jahrgang 1937

MEINE ERINNERUNGEN AN „AUFWACHSEN IN TELFS“

Ich möchte mich vorstellen. Mein Name ist Gisela Hellrigl. Ich bin 1942 geboren und ging im Herbst 1948 in die 1. Klasse Volksschule in Telfs. Wohnhaft war ich in Telfs im E-Werk von Jenny und Schindler Zentrale Straßberg 351 (Hex).

Mein Vater war bei Schindler als Maschinist angestellt. Meine Lehrerin in der 1. Klasse war Fräulein Anna Waldhart. Anfangs bis Winter holte mich mein Vater oder die Mutter von der Schule ab. Im Winter konnte ich bei meiner Gotl essen und schlafen.

Das 2. Jahr in der Schule war meine Lehrerin Fräulein Gisela Klaus. Von dieser Zeit im 2. Jahr will ich etwas erzählen. Der Weg von der Hex bis zur Schule war ca. 1 ½ Stunden. In den Herbstmonaten lief ich in einer Stunde zur Volksschule Telfs. Dann kam der erste Schnee, es war so vor Nikolaus. Ich wurde von meiner Mutter schon früher aufgeweckt. Am Dienstag und Freitag war um 17:15 Uhr Schulmesse. Dekan Raggl machte auch bei mir keine Ausnahme. Ich musste jedes Mal sagen, ob ich in der Messe war. Natürlich nahm ich das Kirchengehen sehr ernst. Und das war der Tag, wo Mutter mich um 5 Uhr Früh aufweckte. Zum Frühstück aßen wir Brennsuppe, die ich sehr mochte. Es hatte nachts sehr viel geschneit. Vater wollte mich zu Hause bleiben lassen. Aber ich wollte zur Schulmesse. Dann nahm Vater die Schi und ich konnte hinten drauf stehen. So fuhr Vater mit mir bis Lehen. Von dort lief ich dann zur Kirche zur Schulmesse. Meine Lehrerin Fräulein Klaus hatte das erfahren und fragte mich: „Hast du nasse Füße?“ „Ja“, sagte ich und sie war so nett und trocknete meine Strümpfe auf der Heizung. Eine Zeitlang war ich barfuß in den Patschelen.

Gisela Hellrigl (vorne rechts) mit Familienmitgliedern und Bekannten in der Hex. © Fotograf unbekannt, zur Verfügung gestellt von Gisela Hellrigl

Das war meine Erinnerung an das Aufwachsen in Telfs. Noch heute, wenn es länger schneit und viel Schnee hat, denke ich an diesen Tag in der Früh, als Vater mich mit den Schiern zur Schulmesse fuhr.

Gisela Hellrigl, Jahrgang 1942