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Beschreibung

Eine Stadtgeschichte in Lebensbildern Augsburger Frauen schreiben Geschichte – als Kaiserinnen und Künstlerinnen, als Geliebte und Musen, als Wohltäterinnen und Puppenspielerinnen. Sie schreiben aber auch Geschichte, wenn sie sich auf Spurensuche begeben, so wie es zehn junge Augsburgerinnen getan haben. Schülerinnen des A.B. von Stettenschen Instituts spürten den Lebensgeschichten teils berühmter, teils fast vergessener Töchter der Stadt nach und stießen dabei auf spannende Fragen: Wer war eigentlich die Frau, deren Name die Philippine-Welser-Straße trägt? Verdrehten die Bi und das Bäsle Mozart und Brecht tatsächlich den Kopf? Und warum gründete Rose Oehmichen eigentlich die Augsburger Puppenkiste? Aus den Forschungen der jungen Augsburgerinnen entstanden zehn Kurzbiografien, die Überraschendes über die weibliche Seite der Stadtgeschichte ans Tageslicht bringen.

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Seitenzahl: 260

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Dr. Andreas Zellhuber (Hg.)

Inhalt

Dr. Andreas Zellhuber

Einleitung

Johanna Schultze über

Philippine Welser

Julia Nagl über

Eleonore von Pfalz-Neuburg

Anna Rauberger über

AnnaMaria Mozart

Seraphina Kreße über

SophievonLa Roche

Sarah Baum über

Maria Anna Thekla Mozart

Franziska Gräßl über

Marie Louise GräfinLarisch-Wallersee

Hannah Wilhelm über

Sophie Dann

Sarah Baumjohann über

Rose Oehmichen

Sophia Schweiger über

Paula Banholzer

Constanze Hirscher über

Gertrud Fries-Arauner

Literaturverzeichnis

Danksagungder Redaktion

Impressum

Dr. Andreas Zellhuber

Einleitung

»Augsburgerinnen. Eine Stadtgeschichte in Lebensbildern« – So lautete der Titel eines schulischen Projekts, aus dem der vorliegende Sammelband hervorging. Die Idee dahinter war, die Augsburger Stadtgeschichte in weiblicher Hinsicht und aus weiblicher Perspektive durch kurzbiografische Darstellungen exem-plarisch zu erfassen. Der doppelte Wortsinn des Projektes findet sich auch im Titel dieser Publikation wieder und verdeutlicht dadurch die Programmatik, die dahintersteht: Frauengeschichtsschreibung aus der Feder junger Frauen.

Vom Stadtgründer Kaiser Augustus über den Heiligen Bischof Ulrich und Jakob Fugger den Reichen bis hin zu Bertold Brecht – die über zweitausendjährige Geschichte der Stadt Augsburg ist eng verknüpft mit historisch bedeutsamen Persönlichkeiten aus Antike, Mittelalter und Neuzeit. Diese Geschichte jedoch war keineswegs allein durch »starke« Männer bestimmt – und sie war erst recht keine Geschichte nur der Männer.1

Die Heilige Afra fand und findet noch heute als frühchristliche Märtyrerin weit über die Grenzen des Lechfeldes hinaus Verehrung, die Baderstochter Agnes Bernauer stürzte das spätmittelalterliche Herzogtum Bayern in eine Staatskrise, das Leben und Werk der Patrizierin Philippine Welser wurde seit Ende des 18. Jahrhunderts vielfach literarisch verarbeitet … Die Liste der geschichtlich bedeutsamen Augsburgerinnen, die auf die Geschicke ihrer Heimatstadt Einfluss nahmen oder durch eben diese Stadt eine entscheidende Prägung für ihr späteres Leben erfuhren, ist lang. Sie ließe sich beliebig fortsetzen und umspannt nahezu alle Epochen der Stadtgeschichte.

Tatsächlich erfreut sich die Erforschung der »weiblichen« Seite der Augsburger Geschichte seit einigen Jahrzehnten verdienter Aufmerksamkeit. Zwanzigjähriges Jubiläum feierte letztes Jahr der Frauengeschichtskreis Augsburg, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, zu »zeigen, wie Frauen in 2 000 Jahren Augsburgs Geschichte mitgeprägt haben« und »die Erinnerung an diese Frauen und an die Orte ihres Wirkens wach [zu] halten.«2 Zahlreiche Publikationen, unter denen besonders das Augsburger Frauenlexikon hervorzuheben ist, aber auch Stadtführungen, öffentliche Vorträge, das Engagement für die Benennung von Straßennamen, die Anbringung von Gedenktafeln oder die Herausgabe eines historischen Frauenstadtplanes begleiten die Aktivitäten der Gruppe.3

Jenseits von einzelbiografischen Versuchen, die schon länger zurückreichen, trägt die geschichtliche Genderforschung seit Mitte der 1990er-Jahre dazu bei, das Bild der Frauen in Augsburgs Geschichte durch gruppenspezifische Gesichtspunkte zu erweitern. Sammelbiografien beleuchteten die patrizischen Frauen des Hauses Fugger und ihre »sanfte Macht«, Untersuchungen über Frauen im Augsburger Zunfthandwerk brachten erstaunliche Ergebnisse früher geschäftlicher und damit gesellschaftlicher Emanzipierung zutage. Eine Studie zu der Rolle der Frauen im Augsburger Buchdruck des 17. und 18. Jahrhunderts deckte auch hier unvermutet starke weibliche Einflüsse auf die frühneuzeitliche Wissens- und Bildungsgesellschaft der Reichsstadt am Lech auf.4 Die jüngste Ausgabe des Schwabenspiegels. Jahrbuch für Literatur, Sprache und Spiel der Universität Augsburg machte schwäbische und Augsburger Schriftstellerinnen zum Thema.5

Durchgeführt wurde das Projekt »Augsburgerinnen. Eine Stadtgeschichte in Lebensbildern« am Gymnasium des A. B. von Stettenschen Institutes, das als »bürgerliche Töchterschule« und »weibliche Erziehungs- und Bildungs-Anstalt« seit nunmehr über zweihundert Jahren fester Bestandteil der Augsburger Bildungsgeschichte ist.6 In ihrem Testament hat die Stifterin Anna Barbara von Stetten, selbst kinderlos geblieben, verfügt, sie wolle »nichts weniger als eine Lücke ausfüllen, die gerade in den Erziehungs Anstalten Augsburgs auszufüllen, ein dringendes Bedürfniß ist [sic!].«7 Dass junge Augsburger Frauen, Stetten-Schülerinnen, nun über historisch bedeutsam gewordene Augsburgerinnen geforscht und geschrieben haben, die im Übrigen zum Teil selbst Stetten-Schülerinnen waren, kann in gewissem Sinne als Ausweis der Fruchtbarkeit dieser Bemühung gesehen werden.

Das Projekt wurde im Rahmen eines wissenschaftspropädeutischen Seminars realisiert, das in den Schuljahren 2011/12 und 2012 /13 am Stetten-Institut eingerichtet wurde und unter Leitung des Verfassers stand. Diese in Kurzform als »W-Seminare« bezeichneten Unterrichtseinheiten wurden im Rahmen des achtjährigen Gymnasiums eingeführt. Ziel der Seminare ist es, den Schülerinnen und Schülern Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens zu vermitteln, mit dem Ergebnis einer ersten eigenständigen fachwissenschaftlichen Arbeit.8 Entsprechend konnten sich die Oberstufen-Schülerinnen nach individueller Interessenlage jeweils eine weibliche Persönlichkeit auswählen, die durch ihr Leben und Wirken Einfluss auf ihre Heimatstadt hatte oder durch diese entscheidend geprägt wurde. Deren Biografie sollte in einem kurzen Aufsatz unter Entwicklung eigenständiger Fragestellungen und bei Berücksichtigung der entsprechenden Quellen und Darstellungen beschrieben werden.

Zur Vorbereitung ihrer Arbeiten setzten sich die Schülerinnen im Rahmen des Seminars zunächst auf theoretischer Ebene mit der »schwierigen Königsdisziplin« der Geschichtswissenschaft, der Biografie, auseinander und analysierten anschließend Aufbau und Argumentationsweise verschiedener Kurzbiografien.9 Unterrichtseinheiten über die Methoden der Geschichtswissenschaft, über Recherchestrategien und -techniken sowie über den kritischen Umgang mit Quellen und Darstellungen wurden ergänzt durch Besuche der Universitätsbibliothek Augsburg und des Stadtarchivs Augsburg. Ein Vortrag von Frau Edith Findel vom oben erwähnten Frauengeschichtskreis lieferte den Schülerinnen wertvolle Anregungen für die Auswahl eines geeigneten Themas.

Nachdem die Schülerinnen sich in die Biografien der ausgewählten Frauen eingearbeitet und erste Recherchen durchgeführt hatten, wurden in einer zweiten Phase die einzelnen Forschungskonzepte in Form eines Essays und eines Vortrages im Seminar vorgestellt und diskutiert. Die Schülerinnen organisierten außerdem ausgedehnte Stadtrundgänge, die an ausgewählte Erinnerungsorte führten, zu Schulen, Ateliers, Gedenktafeln oder Grabstätten, die jeweils an die historischen Persönlichkeiten erinnerten, über welche die Seminarteilnehmerinnen schrieben.

Schließlich ging es in einer dritten Phase an die Abfassung der eigentlichen Biografien, die im Herbst 2012 abgeschlossen und dem Verfasser zur Begutachtung vorgelegt wurden. Für die vorliegende Veröffentlichung konnten und sollten die Arbeiten trotz einer inhaltlichen Durchsicht und redaktionellen Glättung durch den Verfasser und durch die Redaktion ihren Charakter als Schüleraufsatz mit jeweils ganz eigenem, individuellem und spezifischem Zugriff auf das Thema der Betrachtung beibehalten.

Manche der von den Schülerinnen ausgewählten Frauen sind durchaus auch einem weiteren Personenkreis bekannt, andere wohl nur den intimen Kennern der Augsburger Geschichte. Einige der beschriebenen Persönlichkeiten taten sich durch ein besonderes soziales oder unternehmerisches Engagement hervor, andere wussten auf wissenschaftlichem oder künstlerischem Feld zu glänzen, wieder andere wurden durch den Gang der Ereignisse oder durch persönliche Bekanntschaft mehr oder weniger zufällig Teil der »großen« Geschichte. Ihre jeweilige – und ganz unterschiedliche – Bedeutung für die Augsburger Stadthistorie ergibt sich dabei aus den verschiedenen zeitlichen Umständen.

In Anlehnung an das Seminarkonzept ist es daher die Zielsetzung dieses Buches, durch die Kurzbiografien Facetten der Augsburger Stadtgeschichte sichtbar werden zu lassen, mithin einzelne Fenster in die reiche, vielfältige Vergangenheit der Stadt aufzustoßen und das Bewusstsein für den weiblichen Einfluss auf die Historie der Fuggerstadt zu schärfen. Dass der Schwerpunkt dabei auf der Frühen Neuzeit liegt, mag in dem Umstand begründet sein, dass diese Epoche bis heute als das »goldene Zeitalter« der Fuggerstadt gilt, doch beschäftigen sich einzelne Biografien auch mit der unmittelbaren Vergangenheit.

Den Anfang macht Johanna Schultze mit einer Arbeit über die Patrizierin Philippine Welser, die in Augsburg vor allem wegen ihrer Bücher über die Koch- und Heilkunst bekannt ist und deren Mildtätigkeit als Gattin Erzherzog Ferdinands II. ihr in Österreich den Beinamen »Mutter Tirols« einbrachte. Johanna Schultze hat nach ihrem Abitur 2013 einen Sprachkurs in Buenos Aires, Argentinien, belegt und dort auf ehrenamtlicher Basis in einem Kindergarten gearbeitet.

Julia Nagl widmete ihre Arbeit Eleonore von Pfalz-Neuburg, der Gattin Kaiser Leopold I., deren Krönung im Augsburger Dom 1689 im Rahmen eines Kurfürstentages noch einmal den europäischen Rang der schwäbischen Metropole dokumentierte. Julia Nagl arbeitet in London, Großbritannien, als Au-Pair-Mädchen und möchte im Herbst 2014 mit einem Studium beginnen.

Zwei weitere Kurzbiografien beschäftigen sich mit Frauen der Familie Mozart. Anna Rauberger hat eine Studie über Anna Maria Mozart verfasst, der ersten Frau Johann Georg Mozarts. Ihre Biografie bietet interessante Einblicke in die kleinbürgerliche Lebens- und Arbeitswelt der frühneuzeitlichen Reichsstadt. Anna Rauberger macht eine Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte in Augsburg und möchte anschließend Zahnmedizin studieren.

Das Leben der Maria Anna Thekla Mozart, Wolfgang Amadeus Mozarts Augsburger »Bäsle« und bekannt geworden als Adressatin einiger zotiger Briefe aus der Feder des Komponisten, steht im Zentrum der Arbeit von Sarah Baum. Sie studiert an der Universität Augsburg Kunst- und Kulturgeschichte.

Seraphina Kreße beleuchtet das Leben der Sophie von La Roche, die einen Teil ihrer Kindheit am Lech verbrachte und als eine der ersten Romanautorinnen Deutschlands Eingang in die Literaturgeschichte fand. Seraphina Kreße studiert an der Universität Augsburg Geschichte im Hauptfach und Vergleichende Literaturwissenschaft im Nebenfach.

Einer »vergessenen Berühmtheit« spürt Franziska Gräßl nach – sie beschäftigt sich mit der gebürtigen Augsburgerin Marie Louise Gräfin Larisch-Wallersee, die als »jene Gräfin Larisch« eine gewichtige Rolle in der »Tragödie von Mayerling« spielte, im späten 19. Jahrhundert ein royaler Skandal ersten Ranges. Franziska Gräßl besucht die Berufsfachschule für medizinisch-technische Laborassistenten in Augsburg und möchte nach Beendigung ihrer Ausbildung Medizin in Innsbruck studieren.

Einen ganz anderen Lebensweg als Marie Louise von Larisch-Wallersee schlug Sophie Dann ein, eine Augsburger Jüdin, die sich Zeit ihres Lebens sozial engagierte und einen bedeutsamen Beitrag zur Forschungsgeschichte der Entwicklungspsychologie lieferte. Ihr Leben steht im Fokus einer Arbeit von Hannah Wilhelm, die zurzeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes bei der Campus Elterninitiative e. V. der Universität Augsburg arbeitet. Danach möchte Hannah Wilhelm Medizin studieren.

Sarah Baumjohann schrieb eine Kurzbiografie über Rose Oehmichen, die »Grande Dame der Augsburger Puppenkiste«. Sarah Baumjohann bekam im Juli 2013 für ihren Aufsatz den »Sonderpreis Geisteswissenschaften« der Stadt Augsburg verliehen. Dabei würdigte die Jury insbesondere den originären Beitrag der Arbeit zur Augsburger Stadtgeschichte.10 Sarah Baumjohann machte 2013 /14 eine »work-and-travel-tour« durch Nord- und Mittelamerika und will in Großbritannien studieren.

Sophia Schweiger widmet sich in ihrer Untersuchung dem Leben von Paula Groß, die dem Augsburger Publikum besser unter ihrem Mädchennamen bekannt sein dürfte – es handelt sich um Paula Banholzer, Brechts Jugendliebe. Sophia Schweiger hat eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau in einem Möbelhaus begonnen.

Einen ebenfalls originären Beitrag zur Stadtgeschichte bietet Constanze Hirscher mit ihrem Aufsatz über Gertrud Fries-Arauner, eine Kunsthandwerkerin, die mit ihren Arbeiten die lange Tradition der Augsburger Goldschmiedekunst im 20. Jahrhundert fortsetzte und neu belebte. Constanze Hirscher studiert seit Herbst 2013 Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg.

Die vorliegende Publikation hätte niemals verwirklicht werden können ohne die Hilfe und Unterstützung verschiedener Personen und Institutionen. Der erste Dank gilt dem Schulleiter des A. B. von Stettenschen Instituts, Herrn Gerhard Schröder, der das Projekt von Beginn an und in jeder Hinsicht unterstützt hat. Frau Katharina Maier vom Wißner-Verlag gebührt ebenfalls Dank für die redaktionelle Begleitung der Drucklegung und für konkrete Ideen zur Umsetzung des Projektes. Ein herzlicher Dank geht auch an Frau Edith Findel vom Frauengeschichtskreis Augsburg sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs Augsburg und der Universitätsbibliothek Augsburg.

Eine finanzielle Förderung durch Gewährung eines Druckkostenzuschusses erhielt das Projekt durch den Förderkreis des A. B. von Stettenschen Institutes, namentlich durch die Vermittlung durch Herrn Peter Winkler, durch den Stetten-Bund, der Vereinigung ehemaliger Stetten-Schülerinnen unter Vorsitz von Frau Ulrike Brock sowie durch das Direktorat des Stetten-Instituts. Ihnen gilt noch einmal besonderer Dank.

Andreas Zellhuber, Augsburg, März 2014

1 Eine umfassende Überblicksdarstellung anlässlich des zweitausendjährigen Stadtjubiläums mit zahlreichen Einzelbeiträgen findet sich bei: Gunther Gottlieb, Wolfram Baer, Josef Becker, Josef Bellot, Karl Filser, Pankraz Fried, Wolfgang Reinhard, Bernhard Schimmelpfennig (Hg.), Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 1984. Einen konzisen, aktuellen Überblick vermittelt Wolfgang Zorn, Augsburg – Geschichte einer europäischen Stadt. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Augsburg 2001.

2 Vgl. http://frauengeschichtskreis.de/ueber-uns/, aufgerufen am 28. März 2013.

3 Vgl. Augsburger Frauenlexikon, hg. von Edith Findel unter Mitarbeit von Martha Schad, erweiterte Neuauflage, Augsburg 2006.

4 Martha Schad, Sanfte Macht. Die Frauen des Hauses Fugger, Augsburg 1997; Christine Werkstetter, Frauen im Augsburger Zunfthandwerk. Arbeit, Arbeitsbeziehungen und Geschlechterverhältnisse im 18. Jahrhundert, Colloquia Augustana, Band 14, Berlin 2001; Jutta Schumann, Frauen im Augsburger Buchdruck des 17. und 18. Jahrhunderts, ungedruckte Magisterarbeit, Augsburg 1995 und Dies., »… mithin die druckerey fortzuführen ohnvermögend?« − Augsburger Buchdruckerinnen im 17. und 18. Jahrhundert, in: Helmut Gier u. a. (Hg.), Augsburger Buchdruck und Verlagswesen, Wiesbaden 1997, S. 553 – 569.

5 Klaus Wolf (Hg.), Schwäbische Schriftstellerinnen, in der Reihe: Schwabenspiegel. Jahrbuch für Literatur, Sprache und Spiel, Augsburg 2013.

6 Vgl. den Jubiläumsband zur Zweihundertjahrfeier 2005: A. B. von Stettensche Stiftungen (Hg.), 200 Jahre Stetten-Institut, Augsburg 2005, bes. S. 28 – 83.

7 Diese und die vorhergehenden Zitate entstammen dem Testament der Stifterin. Vgl. A. B. von Stettensche Stiftungen (Hg.), Plan und Einrichtung einer Bürgerlichen Töchterschule und Erziehungsanstalt. Aus dem Testament der Anna Barbara von Stetten. Veröffentlicht und mit einer Einleitung versehen von Karin Meiners, Augsburg 1980, S. 15 –16. Zum Leben der Stifterin liefert die bis heute umfassendste Darstellung Albrecht Schmid, Anna Barbara von Stetten, in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben, Band 4, München 1955, S. 314 – 337. Jüngeren Datums ist die Darstellung von Madlen Bregenzer, Anna Barbara von Stetten. Ein Beitrag zu ihren Stiftungen und ihrer Biographie, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, Nr. 87 (1994), S. 143 –162.

8 Vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Hg.), Die Seminare in der gymnasialen Oberstufe. Leitfäden für Lehrkräfte, München 2007, bes. S. 12 – 32 sowie Das., Wissenschaftspropädeutisches Arbeiten im W-Seminar. Grundlagen – Chancen – Herausforderungen, München 2011. Vgl. außerdem http://www.isb-oberstufegym.de/index.php?Seite=768&, aufgerufen am 29. März 2013.

9 Volker Ullrich, Biografie. Die schwierige Königsdisziplin (http://www.zeit.de/2007/15/P-Biografie, aufgerufen am 12. Oktober 2011). Ein Sammelband mit in dieser Hinsicht exemplarischen Kurzbiografien ist etwa: Mrs. President. Von Martha Washington bis Hillary Clinton, hg. von Philipp Gassert u. a., Stuttgart 2000; ein anderer: Bayerische Amazonen. Zwölf Porträts, hg. von Michaela Karl, Regensburg 2004.

10 Vgl. den Bericht von Thomas Mondry, Schüler erforschen den Humor, Augsburger Allgemeine Zeitung, 20. Juli 2013.

Johanna Schultze über

Philippine Welser

Johanna Schultze verbrachte nach ihrem Abitur eine Zeitlang in Argentinien, wo sie unter anderem in einem Kindergarten arbeitete. Sie plant, im Oktober 2014 ein Studium der Angewandten Bewegungswissenschaften zu beginnen.

Philippine Welser (geb. 1527, gest. 24 April 1580) entstammt der Augsburger Kaufmannsfamilie der Welser, die im 15. und 16. Jahrhundert wesentlich zum Aufstieg der Stadt als Handelsmetropole beitrugen. Vor allem Orte wie die Philippine-Welser-Passage und die Welser-Kuche erinnern heute an diese Tochter der Stadt, die insbesondere für ihre Bücher über die Koch- und Heilkunst bekannt ist. Dass Philippine Welser aber einem Erzherzog den Kopf verdrehte und ihr Einfluss weit über Augsburg hinausreichte, wissen nicht viele. Johanna Schultze klärt uns auf.

Eine staunenswerte Persönlichkeit

»Dass im sechzehnten Jahrhundert eine Frau aus dem Dunkel der Geschichte heraustreten konnte, die von bürgerlicher Herkunft war, ist eine Seltenheit in dieser an Ereignissen so reichen Zeit.«11 Dieses Zitat stammt von der Historikerin Sigrid-Maria Größing, die sich schon seit geraumer Zeit mit der Person Philippine Welser beschäftigt. Es beschreibt deren Leben in einem Satz und fasst treffend zusammen, wofür Philippine Welser steht: eine Augsburger Bürgerin, die sich deutlich von anderen Frauen ihrer Zeit abhebt.

Aber wer war diese Frau? Die »Welserin« war eine Bürgerliche, die eine Liebesheirat mit einem Kaisersohn einging, obwohl dies eigentlich unvorstellbar war. Schließlich erlaubte ihr Stand es ihr nicht, einen Adeligen zu ehelichen. Doch das war bei Weitem nicht alles, was Philippine ausmachte: Sie bewies ihre Schreibkunst mit einem Kochbuch und ihre Heilkunst mit einem Arzneimittelbuch, das sie zusammen mit ihrer Mutter verfasste. Zudem erlangte sie in ihrer Wahlheimat Tirol als Fürsorgerin der Armen die Liebe der Menschen. – Philippine Welser ist ein Vorbild für die heutige Generation, die sich ein Beispiel an dieser engagierten Frau nehmen kann.12

Die Familie Welser

Die Welser waren eine angesehene Kaufmannsfamilie aus Augsburg, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit mit internationalem Handel erfolgreich war. Reichtum erlangte die Familie zunächst durch die Heirat von Anton Welser mit der Augsburger Patrizierin Katharina Vöhlin im Jahr 1498. Im Laufe der Zeit konnte sich Anton Welser durch den Handel mit Pfeffer einen Namen machen.

Aber nicht nur Pfeffer war zu jener Zeit beliebt, auch andere Gewürze, Düfte sowie Gold und Silber ließen sich gut verkaufen. Der Überseehandel blühte zu Beginn des 16. Jahrhunderts und Augsburg konnte bald der Handelsstadt Venedig Konkurrenz machen. Das war zu nicht geringen Teilen den Welsern zu verdanken.

Doch Anton Welser hatte nicht mit dem innerfamiliären Streit gerechnet, der den Reichtum der Welser immer wieder gefährdete. Arroganz, Individualismus und Einzeldenken erschwerten den Welsern die Zusammenarbeit innerhalb der Familie stark. Aber nicht nur dieser Familienzwist schädigte den Ruf der Kaufmannsdynastie; auch Anton selbst war nicht schuldlos daran. Er unterhielt nämlich eine lang anhaltende außereheliche Beziehung mit der Wunderheilerin Anna Lamenitt. Deswegen nahm sein Ansehen in Augsburg immer weiter ab.13

Nach Antons Tod übernahm sein Sohn Bartholomäus, genannt der Fünfte, das Geschäft und versuchte, es wieder zu alter Blüte zu bringen. Nachdem Kaiser Karl V. 1526 Venezuela an die Familie verpachtete, konnte der Handel über Südamerika wieder beginnen und dort ausgebaut werden. Bartholomäus steckte viel Herzblut und Geschick in die Arbeit, doch Korruption und Betrug machten ihm das Leben in Südamerika nicht leicht. Seine Pläne wurden zunichtegemacht, bevor sie überhaupt hätten Früchte tragen können. Bartholomäus VI., sein Sohn, wurde sogar von Einheimischen hintergangen und getötet.

Bartholomäus V. war der letzte Augsburger Welser, der sich einen Namen in der Welt des Handels machen konnte. Nach ihm war keiner mehr so erfolgreich und geschickt.14 Dieses erfolgreiche Familienoberhaupt lenkte die Geschicke des Hauses der Welser, als Philippine geboren wurde.

Die Eltern Philippines waren Franz und Anna Welser. Franz, der Bruder von Bartholomäus V., unterschied sich von Letzterem wie der Tag von der Nacht. Während Bartholomäus viel Wert auf das Geschäft legte, pflegte Franz lieber das gesellschaftliche Leben und genoss es in vollen Zügen. So ist bekannt, dass er viele Affären hatte, aus denen auch einige uneheliche Kinder hervorgingen.

Philippines Mutter, Anna Adler, war eine Bürgerliche aus Augsburg. Sie hatte unter den zahlreichen Affären ihres Mannes schwer zu leiden. 1557 schließlich verließ Franz Welser Augsburg endgültig und Anna Welser lebte von 1567 an bei ihrer Tochter auf Schloss Ambras.15 1527, zum Zeitpunkt von Philippines Geburt, lebte das Ehepaar aber noch zusammen in der heutigen Maximilianstraße, dem damaligen Weinmarkt, bei Philipp Adler, dem Großvater Philippines mütterlicherseits.16 Philippine Welser wurde im heutigen Schaezlerpalais geboren. Dort verbrachte sie auch ihre Kindheit und Jugend.

Bartholomäus Welser war ein wahrer Geschäftsmann. Er erhielt eine Ausbildung zum Kaufmann und übernahm mit 25 Jahren Firmenanteile des Familienunternehmens. Er lebte für den Handel und setzte sich stark für seine Familie ein. Er war es auch, der es schaffte, den Namen Welser international wirklich bekannt zu machen.17 Besonders Philippine profitierte von ihrem intelligenten und geschickten Onkel. Von ihm lernte sie das Rechnen, das Schreiben und das Lesen. Aber nicht nur das, auch zu guten Manieren wurde Philippine von ihrem Onkel angeleitet.

Bartholomäus hätte gerne einen seiner Neffen als Nachfolger auserwählt, doch Franz’ Söhne schlugen nach ihrem Vater und legten keinen Wert auf Beruf oder Familiengeschäft. Philippine hätte eine würdige Nachfolgerin abgegeben, doch Frauen hatten zu dieser Zeit keine Möglichkeit, in das Berufsleben einzusteigen. So blieb ihr ein Aufstieg als Geschäftsfrau verwehrt.

Bald galt Philippine als eine der schönsten Frauen der Stadt und wurde von vielen Freiern umworben. Doch sie zeigte sich äußerst wählerisch und wollte sich nie für einen von ihnen entscheiden. Ihre Eltern duldeten ihr Zögern, und so wurde sie nicht wie viele Mädchen in jener Zeit früh verheiratet, sondern konnte ihre Jugend genießen.

Philippine Welser wurde gut erzogen und ausgebildet; diese hohe Bildung wird nicht zuletzt an dem Kochbuch deutlich, das sie später verfassen sollte. Doch insgesamt ist wenig über ihre Jugend und Kindheit bekannt.18

Eine heimliche Hochzeit

Philippine Welser war eine außergewöhnlich schöne Frau und das fiel vielen Männern auf, so auch Erzherzog Ferdinand II., dem Sohn des Habsburgers Ferdinand I., der zwischen 1558 und 1564 Kaiser des römisch-deutschen Reiches war. Ferdinand II. war dessen zweiter Sohn. Unter seinem Vater war er Statthalter von Böhmen. Nachdem sein Bruder Maximilian II. Kaiser geworden war, wurde Ferdinand II. dem Testament seines Vaters entsprechend zum Landesfürsten von Tirol ernannt und ist deswegen als Erzherzog Ferdinand II. von Tirol in die Geschichte eingegangen.19

Wie aber lernten sich Ferdinand II. und die bürgerliche Philippine Welser kennen? Als Ferdinand I. im Jahr 1551 mit seinem Sohn zum Reichstag in der Stadt Augsburg weilte, kam dieses Treffen auf jeden Fall noch nicht zustande. Es gab zwar einen königlichen Empfang für die Habsburger, doch bei diesem Ereignis war nur Bartholomäus Welser anwesend. Es kam zu einer ersten Verbindung zwischen den Habsburgern und den Welsern20, ein Treffen von Philippine und Erzherzog Ferdinand II. ist jedoch auszuschließen. Wahrscheinlicher ist, dass die beiden sich 1556 begegneten, als Philippine bei ihrer Tante Katharina von Loxan auf Schloss Bresnitz in Böhmen zu Besuch war. Auch Ferdinand weilte aufgrund seiner Aufgaben als Statthalter von Böhmen in Prag.21

Katharina von Loxan hatte sich Handelsbeziehungen zum Prager Königshof aufgebaut und so Kontakt zu den Beratern des Königs und zu Erzherzog Ferdinand II. So ist es nicht weit hergeholt, dass sich Philippine und Ferdinand auf Schloss Bresnitz kennenlernten, denn der junge Mann kam gerne dorthin zu Besuch.22

Dieses Treffen führte zu einer heimlichen Beziehung des Erzherzogs und Philippine Welsers. Eine Hochzeit war aber unvorstellbar, weil die junge »Welserin« nicht adelig war. Außerdem hatte Ferdinand schon namhafte Frauen Europas, wie zum Beispiel Maria Stuart oder Maria von England, abgewiesen und lieber ein freies Leben geführt. Doch für die beiden Liebenden stand fest, dass Philippine nicht für immer nur Ferdinands Geliebte bleiben sollte. Sie beschlossen, zu heiraten.23

Unter keinen Umständen konnte die Hochzeit wie eine Zeremonie ablaufen, die stattgefunden hätte, hätte Ferdinand II. eine Adelige Europas geehelicht. Aber bis heute ist diese Eheschließung zwischen dem Erzherzog und der »Welserin« eine der wenigen Liebesheiraten in der Geschichte der europäischen Fürstenhäuser.

Die beiden Liebenden weihten nur Katharina von Loxan in ihren Plan ein. Diese hielt das Vorhaben anfangs noch für riskant. Doch sie ließ sich von der Liebe Ferdinands und Philippines überzeugen. In einer Winternacht im Januar 1557 traute der Priester Johann von Cavaleri das Paar.

Allerdings brachte die heimliche Eheschließung einige Probleme mit sich. Öffentlich machen konnten Philippine und Ferdinand ihre Ehe nicht, und es war auch undenkbar, Philippine als Ferdinands Ehefrau bei der kaiserlichen Familie vorzustellen. Dennoch kam die unstandesgemäße Heirat den Eltern des Bräutigams zu Ohren und auch Ferdinands Brüder Maximilian und Karl waren bekümmert und entsetzt, dass der Erzherzog sein Leben mit einer Bürgerlichen verbringen wollte. Auch unter der Öffentlichkeit verbreiteten sich Gerüchte, denn der Zweite in der Thronfolge – das war Ferdinand ja – weilte immer öfter auf Schloss Bresnitz. Als Philippine schließlich schwanger wurde, war die Beziehung kaum noch zu leugnen.24

Die Geburt der »Findelkinder«

Im Juni 1558 wurde der erste gemeinsame Sohn des Ehepaares auf Schloss Bresnitz geboren. Er kam am 15. dieses Monats nach langen, qualvollen Wehen zur Welt und erhielt den Namen Andreas. Um den Gesundheitszustand Philippines stand es nicht gut. Gebete, das Vertrauen in Gottes Kraft, aber auch Heilkunst sollten die schwere Geburt jedoch erleichtern.

Da die Ehe immer noch geheimgehalten wurde, konnte Andreas unmöglich als der Sohn Philippine Welsers gelten. So musste das Kind in der Nacht vor die Pforten des Schlosses gelegt werden, damit ihn Philippine als Findelkind adoptieren konnte. In einer Taufurkunde bestätigte der Erzherzog allerdings die Geburt seines Sohnes.25

Der zweite Sohn des Ehepaares erblickte am 22. November 1560 das Licht der Welt. Er wurde auf den Namen Karl getauft. Auch dieser Zweitgeborene konnte nur in die Familie aufgenommen werden, indem er vor die Schlosstüren gelegt wurde.

Es sprach sich schnell in Prag herum, dass »die Welserin« zwei Jungen zur Welt gebracht hatte. Das kam natürlich auch dem Kaiser zu Ohren, woraufhin Ferdinand I. die Ehe seines Sohnes mit Philippine Welser 1558 schließlich anerkannte.26 Dies geschah jedoch unter bestimmten Bedingungen: Zum einen sollte die Ehe weiterhin geheim bleiben. Zum anderen erklärte der Kaiser die Kinder Philippine Welsers für nicht erbberechtigt. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, 1561 in einer Urkunde festzuhalten, dass seine Schwiegertochter und ihre Söhne 30 000 Gulden jährlich erhalten würden. So war die Zukunft von Philippine und ihren Kindern gesichert.

1562 kamen die Zwillinge Maria und Philipp zur Welt. Allerdings starben die Kinder kurz nach ihrer Geburt. Ferdinand I. ließ seine Enkelkinder am Prager Königshof bestatten, ein Zeichen dafür, dass er Philippine nicht nur rein formal als die Ehefrau seines Sohnes akzeptierte. Doch trotzdem söhnte sich der Kaiser nie ganz mit der unstandesgemäßen Heirat Ferdinands II. aus. Er starb unerwartet im Jahre 1564 und Philippine blieb es verwehrt, ihren Schwiegervater kennenzulernen oder ihn auch nur einmal zu sehen.27

Kirchlich anerkannt wurde die Ehe übrigens erst 1576; Papst Gregor XIII. erklärte sie für gültig.28 So konnte Philippine Welser erst die letzten vier Jahre ihres Lebens auch offiziell als die Ehefrau Ferdinands II. verbringen. Zuvor war sie ihren Bediensteten im Stand gleich.29

Die Mutter Tirols

Das Schloss Ambras, wo Philippine als heimliche Ehefrau Ferdinands II. lebte, existierte bereits im 10. Jahrhundert. Es liegt etwa 100 Meter über dem Inntal und den Dächern Innsbrucks. Auf Schiefergestein gebaut, wurde es im Hochmittelalter von den oberbayerischen Andechsern bewohnt, die in ihrem Status den Wittelsbachern ebenbürtig waren. Im Spätmittelalter wurde die Burg mehrfach von Landesfürsten verpfändet. Diese Praxis währte bis zum Tod des letzten Landesfürsten 1563.

Schon 1562 hatte Kaiser Ferdinand I. entschieden, dass sein Sohn der Landesfürst von Tirol werden sollte. Somit musste der Erzherzog von Prag nach Innsbruck ziehen. Aber wo sollte er wohnen? Das alte Schloss Ambras bot sich an, genügte aber den Ansprüchen Ferdinands II. nicht. Er ließ die Burg also zwischen 1564 und 1567 zu einem Renaissanceschloss umbauen. Er ergänzte das vierstöckige Hochschloss durch das Unterschloss und den sogenannten »Spanischen Saal«, der allerdings erst seit dem 19. Jahrhundert diesen Namen trägt. Zum Schlossgelände gehörten des Weiteren die »Bacchusgrotte«, ein großer Wildpark, der bis ins Tal hinunter führte, ein großer Garten und das neu errichtete Ballspielhaus.30

Philippine Welser bewohnte hier den Nordtrakt des Schlosses, wo auch extra eine Küche für die leidenschaftliche Köchin eingerichtet wurde.31 Schon vor den Bauarbeiten hatte Ferdinand II. die Burg seiner Gemahlin geschenkt und auf sie überschrieben. Aufgrund des Umbaus und der in Tirol wütenden Pest war ein Umzug aber erst drei Jahre später möglich.32 Von da an lebte Philippine auf dem Schloss zusammen mit ihrer Tante Katharina von Loxan, die sie bis zu ihrem Tod 1580 dort unterstützte.

Im Laufe der Zeit wurde Philippine Welser aufgrund ihres sozialen Engagements als »die Mutter Tirols« bekannt.33 Sie galt bei der Bevölkerung als Fürsprecherin in Notsituationen und schwierigen Zeiten. Da Ferdinand II. sehr leicht zu überzeugen war, vor allem von seiner Gattin, stellte er ihr auch bereitwillig Geld für karitative Zwecke zur Verfügung. Philippine ging regelmäßig in die Stadt hinunter und suchte die Hütten der Armen auf, um deren Leben zu erleichtern.34

Zu Beginn ihrer Zeit in Innsbruck war Philippine Welser allerdings noch wenig bekannt und natürlich auch noch nicht so beliebt. Die Bevölkerung stand ihr eher kritisch gegenüber. Doch dieser Zustand währte nicht lange und schon bald fanden die Menschen Gefallen an ihr. Ein wichtiger Grund dafür war sicher die Versorgung, die Philippine den Armen zuteilwerden ließ, aber auch ihr Einfluss auf ihren Ehemann, der ihr praktisch zu Füßen lag. Nicht nur die Innsbrucker und Tiroler Bevölkerung profitierte davon, auch Nachbarländer und andere Adelige waren von Philippines Umgang mit Ferdinand fasziniert und begeistert. Der Papst war sogar so überwältigt von dem Ansehen, in dem Philippine Welser stand, dass er ihr einen geweihten Rosenkranz zukommen ließ.35

Auch auf Schloss Ambras selbst war Philippine sehr beliebt. Obwohl sie bürgerlich war und bei Weitem nicht über eine so hohe Stellung verfügte wie ihr Gemahl, standen ihr dort rund 200 Bedienstete zur Verfügung.36 Philippine galt nicht nur als hingebungsvolle Gattin, sondern auch als sorgende Mutter und Schlossherrin. Beispielsweise ließ sie immer, wenn eine weibliche Bedienstete heiratete, dieser ein eigenes Hochzeitskleid schneidern.37 Solche Mildtätigkeiten bestätigten ihren Ruf immer wieder.

Das Ansehen der Schlossherrin verblasste nicht. Auch nach ihrem Tod galt Philippine Welser als »Mutter Tirols« und wurde von ihrem Volk vermisst.

Krankheit und Heilkunst

Um das Jahr 1570 erkrankte Philippine ernsthaft.38 Schon ihr ganzes Leben war sie von verschiedenen Leiden geplagt worden und die Geburten ihrer Kinder schwächten sie noch mehr.39 Sie hatte ein chronisches Leberleiden und war mit knapp 50 Jahren schon von vielen Krankheiten gezeichnet. Immer wieder wurde sie von ihrem Hausarzt Dr. Handsch auf Kur nach Karlsbad geschickt, wo sie Trinkkuren und warme Heilbäder verabreicht bekam. Ihr Ehemann begleitete sie auf diese Reisen.40

Aufgrund ihres eigenen Schicksals entwickelte Philippine Welser eine Leidenschaft für die Heilkunst. Doch eigentlich ging dieses Interesse bereits bis in ihre Kindheit zurück. Schon damals hatte sie zusammen mit ihrer Mutter Anna Welser Rezepte niedergeschrieben, und diese Praxis wurde weitergeführt.41 Philippines Krankheiten veranlassten sie dazu, diese Heilkünste an sich selbst auszuprobieren. Doch das war gar nicht so ungefährlich.

Personen, die sich mit Heilkunst und Praktiken wie Sezieren beschäftigten, galten damals als Hexen oder Teufelsverbündete. Auch Philippine Welser wurde verdächtigt, eine Hexe zu sein. Aber ihre Stellung in der Habsburger Familie war so stark, dass sie diese Anschuldigungen nicht berühren konnten.42

Philippine blieb Zeit ihres Lebens eine leidenschaftliche »Heilkünstlerin«. Ihre Rezepte und die Ergebnisse ihrer Forschungen hielt sie in einem Arzneimittelbuch fest, das sie zusammen mit ihrer Mutter zwischen 1560 und 1570 verfasste. Weit über 150 Rezepte sind darin enthalten. Sie entstammten oft eigenen Erfahrungen; Philippine und Anna Welser erprobten die Rezepte selbst, erforschten ihre Wirkung und schrieben sie letztendlich nieder.43

Im Laufe der Jahre wuchs die Rezeptsammlung, und das Hauptaugenmerk der beiden »Welserinnen« fiel auf Kinderkrankheiten. Anna und Philippine war es offensichtlich besonders wichtig, die Wirkung der Pflanzen auf den Menschen zu erforschen und festzuhalten. Außerdem fällt auf, welche große Bedeutung der Hygiene zugemessen wird, was für die Zeit der Renaissance sehr ungewöhnlich war.44 »Das Ausbrechen ist das beste, und beizeiten, denn eines verdirbt den anderen«, heißt es in dem Buch etwa, wenn es um Zahnschmerzen geht. Falls der Husten einen übermannt hat, dann rät Philippine, »Ehrenpreiszucker, gemacht wie ein Rosenzucker, morgens und nachts […]« zu sich zu nehmen, sodass der Husten bald vorbei sein möge.45

Das Arzneimittelbuch Philippine Welsers kann heute auf Schloss Ambras besichtigt werden. Doch es ist nicht ihr einziges Vermächtnis.

Neben der Heilkunst liebte Philippine Welser auch das Kochen. Auf Schloss Ambras wurde für sie eigens eine Küche errichtet, sodass sie neue Rezepte ausprobieren und testen konnte. Dabei gingen ihre Bediensteten ihr besonders gerne zur Hand.

Aus diesen Experimenten entstand Philippines Kochbuch. Das Original zeigt allerdings keinerlei Gebrauchsspuren, sodass man vermuten kann, dass es selbst nie in einer Küche eingesetzt wurde. Dennoch enthält das Kochbuch durchaus üppige Gerichte, die es damals zu Tisch gab.46 Philippine und Erzherzog Ferdinand speisten übrigens beide sehr gerne und viel, was vielleicht erklärt, warum das Kochbuch der »Welserin« so umfangreich ist. Insgesamt enthält es 41 Fleischgerichte, 61 Fischgerichte und 53 Backrezepte. Bis heute werden die 1545 in Augsburg verfassten und immer wieder ergänzten Rezepte in der Welser-Kuche nachgekocht.47

Tod und Vermächtnis