Ausgewählte Gedichte - Eduard Mörike - E-Book

Ausgewählte Gedichte E-Book

Eduard Mörike

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Immer noch kursiert das Klischee vom spießigen Biedermeier. Wie wegweisend modern diese Epoche mit ihren klaren Formen und ihrer politischen Aufwertung des Privaten in Wirklichkeit war, hat sich zumindest in der Kunstszene mittlerweile herumgesprochen. Gleiches gilt aber auch für die Literatur: In Eduard Mörikes vielfach vertonten Gedichten beispielsweise wimmelt es nur so von kühnen Dissonanzen und unscheinbaren Abgründen.

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Eduard Mörike

Ausgewählte Gedichte

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

An einem Wintermorgen, vor Sonnenaufgang

O flaumenleichte Zeit der dunkeln Frühe!

Welch neue Welt bewegest du in mir?

Was ists, daß ich auf einmal nun in dir

Von sanfter Wollust meines Daseins glühe?

Einem Kristall gleicht meine Seele nun,

Den noch kein falscher Strahl des Lichts getroffen;

Zu fluten scheint mein Geist, er scheint zu ruhn,

Dem Eindruck naher Wunderkräfte offen,

Die aus dem klaren Gürtel blauer Luft

Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft.

Bei hellen Augen glaub ich doch zu schwanken;

Ich schließe sie, daß nicht der Traum entweiche.

Seh ich hinab in lichte Feenreiche?

Wer hat den bunten Schwarm von Bildern und Gedanken

Zur Pforte meines Herzens hergeladen,

Die glänzend sich in diesem Busen baden,

Goldfarbgen Fischlein gleich im Gartenteiche?

Ich höre bald der Hirtenflöten Klänge,

Wie um die Krippe jener Wundernacht,

Bald weinbekränzter Jugend Lustgesänge;

Wer hat das friedenselige Gedränge

In meine traurigen Wände hergebracht?

Und welch Gefühl entzückter Stärke,

Indem mein Sinn sich frisch zur Ferne lenkt!

Vom ersten Mark des heutgen Tags getränkt,

Fühl ich mir Mut zu jedem frommen Werke.

Die Seele fliegt, so weit der Himmel reicht,

Der Genius jauchzt in mir! Doch sage,

Warum wird jetzt der Blick von Wehmut feucht?

Ists ein verloren Glück, was mich erweicht?

Ist es ein werdendes, was ich im Herzen trage?

 – Hinweg, mein Geist! hier gilt kein Stillestehn:

Es ist ein Augenblick, und Alles wird verwehn!

Dort, sieh, am Horizont lüpft sich der Vorhang schon!

Es träumt der Tag, nun sei die Nacht entflohn;

Die Purpurlippe, die geschlossen lag,

Haucht, halbgeöffnet, süße Atemzüge:

Auf einmal blitzt das Aug, und, wie ein Gott, der Tag

Beginnt im Sprung die königlichen Flüge!

Erinnerung

An C. N.

Jenes war zum letztenmale,

Daß ich mit dir ging, o Clärchen!

Ja, das war das letztemal,

Daß wir uns wie Kinder freuten.

Als wir eines Tages eilig

Durch die breiten, sonnenhellen,

Regnerischen Straßen, unter

Einem Schirm geborgen, liefen;

Beide heimlich eingeschlossen

Wie in einem Feenstübchen,

Endlich einmal Arm in Arme!

Wenig wagten wir zu reden,

Denn das Herz schlug zu gewaltig,

Beide merkten wir es schweigend,

Und ein jedes schob im stillen

Des Gesichtes glühnde Röte

Auf den Widerschein des Schirmes.

Ach, ein Engel warst du da!

Wie du auf den Boden immer

Blicktest, und die blonden Locken

Um den hellen Nacken fielen.

»Jetzt ist wohl ein Regenbogen

Hinter uns am Himmel«, sagt ich,

»Und die Wachtel dort im Fenster,

Deucht mir, schlägt noch eins so froh!«

Und im Weitergehen dacht ich

Unsrer ersten Jugendspiele,

Dachte an dein heimatliches

Dorf und seine tausend Freuden.

 – »Weißt du auch noch«, frug ich dich,

»Nachbar Büttnermeisters Höfchen,

Wo die großen Kufen lagen,

Drin wir sonntags nach Mittag uns

Immer häuslich niederließen,

Plauderten, Geschichten lasen,

Während drüben in der Kirche

Kinderlehre war – (ich höre

Heute noch den Ton der Orgel

Durch die Stille ringsumher):

Sage, lesen wir nicht einmal

Wieder wie zu jenen Zeiten

 – Just nicht in der Kufe, mein ich –

Den beliebten Robinson?«

Und du lächeltest und bogest

Mit mir um die letzte Ecke.

Und ich bat dich um ein Röschen,

Das du an der Brust getragen,

Und mit scheuen Augen schnelle

Reichtest du mirs hin im Gehen:

Zitternd hob ichs an die Lippen,

Küßt es brünstig zwei- und dreimal;

Niemand konnte dessen spotten,

Keine Seele hats gesehen,

Und du selber sahst es nicht.

An dem fremden Haus, wohin

Ich dich zu begleiten hatte,

Standen wir nun, weißt, ich drückte

Dir die Hand und –

Dieses war zum letztenmale,

Daß ich mit dir ging, o Clärchen!

Ja, das war das letztemal,

Daß wir uns wie Kinder freuten.

Nächtliche Fahrt

Jüngst im Traum ward ich getragen

Über fremdes Heideland;

Vor den halbverschloßnen Wagen

Schien ein Trauerzug gespannt.

Dann durch mondbeglänzte Wälder

Ging die sonderbare Fahrt,

Bis der Anblick offner Felder

Endlich mir bekannter ward.

Wie im lustigen Gewimmel

Tanzt nun Busch und Baum vorbei!

Und ein Dorf nun – guter Himmel!

O mir ahnet, was es sei.

Sah ich doch vor Zeiten gerne

Diese Häuser oft und viel,

Die am Wagen die Laterne

Streift im stummen Schattenspiel.

Ja, dort unterm Giebeldache

Schlummerst du, vergeßlich Herz!

Und daß dein Getreuer wache,

Sagt dir kein geheimer Schmerz.

 – Ferne waren schon die Hütten;

Sieh, da flatterts durch den Wind!

Eine Gabe zu erbitten

Schien ein armes, holdes Kind.

Wie vom bösen Geist getrieben,

Werf ich rasch der Bettlerin

Ein Geschenk von meiner Lieben,

Jene goldne Kette, hin.

Plötzlich scheint ein Rad gebunden,

Und der Wagen steht gebannt,

Und das schöne Mädchen unten

Hält mich schelmisch bei der Hand.

»Denkt man so damit zu schalten?

So entdeck ich den Betrug?

Doch den Wagen festzuhalten,

War die Kette stark genug.

Willst du, daß ich dir verzeihe,

Sei erst selber wieder gut!

Oder wo ist deine Treue,

Böser Junge, falsches Blut?«

Und sie streichelt mir die Wange,

Küßt mir das erfrorne Kinn,

Steht und lächelt, weinet lange

Als die schönste Büßerin.

Doch mir bleibt der Mund verschlossen,

Und kaum weiß ich, was geschehn;

Ganz in ihren Arm gegossen

Schien ich selig zu vergehn.

Und nun fliegt mit uns, ihr Pferde,

In die graue Welt hinein!

Unter uns vergeh die Erde,

Und kein Morgen soll mehr sein!

Der Feuerreiter

Sehet ihr am Fensterlein

Dort die rote Mütze wieder?

Nicht geheuer muß es sein,

Denn er geht schon auf und nieder.

Und auf einmal welch Gewühle

Bei der Brücke, nach dem Feld!

Horch! das Feuerglöcklein gellt:

  Hinterm Berg,

  Hinterm Berg

Brennt es in der Mühle!

Schaut! da sprengt er wütend schier

Durch das Tor, der Feuerreiter,

Auf dem rippendürren Tier,

Als auf einer Feuerleiter!

Querfeldein! Durch Qualm und Schwüle

Rennt er schon, und ist am Ort!

Drüben schallt es fort und fort:

  Hinterm Berg,

  Hinterm Berg

Brennt es in der Mühle!

Der so oft den roten Hahn

Meilenweit von fern gerochen,

Mit des heilgen Kreuzes Span

Freventlich die Glut besprochen –

Weh! dir grinst vom Dachgestühle

Dort der Feind im Höllenschein.

Gnade Gott der Seele dein!

  Hinterm Berg,

  Hinterm Berg

Ras’t er in der Mühle!

Keine Stunde hielt es an,

Bis die Mühle borst in Trümmer;

Doch den kecken Reitersmann

Sah man von der Stunde nimmer.

Volk und Wagen im Gewühle

Kehren heim von all dem Graus;

Auch das Glöcklein klinget aus:

  Hinterm Berg,

  Hinterm Berg

Brennts! –

Nach der Zeit ein Müller fand

Ein Gerippe samt der Mützen

Aufrecht an der Kellerwand

Auf der beinern Mähre sitzen:

Feuerreiter, wie so kühle

Reitest du in deinem Grab!

Husch! da fällts in Asche ab.

  Ruhe wohl,

  Ruhe wohl

Drunten in der Mühle!

Gesang zu Zweien in der Nacht

Sie: Wie süß der Nachtwind nun die Wiese streift,

Und klingend jetzt den jungen Hain durchläuft!

Da noch der freche Tag verstummt,

Hört man der Erdenkräfte flüsterndes Gedränge,

Das aufwärts in die zärtlichen Gesänge

Der reingestimmten Lüfte summt.

Er: Vernehm ich doch die wunderbarsten Stimmen,

Vom lauen Wind wollüstig hingeschleift,

Indes, mit ungewissem Licht gestreift,

Der Himmel selber scheinet hinzuschwimmen.

Sie: Wie ein Gewebe zuckt die Luft manchmal,

Durchsichtiger und heller aufzuwehen;

Dazwischen hört man weiche Töne gehen

Von selgen Feen, die im blauen Saal

Zum Sphärenklang,

Und fleißig mit Gesang,

Silberne Spindeln hin und wieder drehen.

Er: O holde Nacht, du gehst mit leisem Tritt

Auf schwarzem Samt, der nur am Tage grünet,

Und luftig schwirrender Musik bedienet

Sich nun dein Fuß zum leichten Schritt,

Womit du Stund um Stunde missest,

Dich lieblich in dir selbst vergissest –

Du schwärmst, es schwärmt der Schöpfung Seele mit!

Besuch in Urach

Nur fast so wie im Traum ist mirs geschehen,

Daß ich in dies geliebte Tal verirrt.

Kein Wunder ist, was meine Augen sehen,

Doch schwankt der Boden, Luft und Staude schwirrt,

Aus tausend grünen Spiegeln scheint zu gehen

Vergangne Zeit, die lächelnd mich verwirrt;

Die Wahrheit selber wird hier zum Gedichte,

Mein eigen Bild ein fremd und hold Gesichte!

Da seid ihr alle wieder aufgerichtet,

Besonnte Felsen, alte Wolkenstühle!

Auf Wäldern schwer, wo kaum der Mittag lichtet

Und Schatten mischt mit balsamreicher Schwüle.

Kennt ihr mich noch, der sonst hieher geflüchtet,

Im Moose, bei süß-schläferndem Gefühle,

Der Mücke Sumsen hier ein Ohr geliehen,

Ach, kennt ihr mich, und wollt nicht vor mir fliehen?

Hier wird ein Strauch, ein jeder Halm zur Schlinge,

Die mich in liebliche Betrachtung fängt;

Kein Mäuerchen, kein Holz ist so geringe,

Daß nicht mein Blick voll Wehmut an ihm hängt:

Ein jedes spricht mir halbvergeßne Dinge;

Ich fühle, wie von Schmerz und Lust gedrängt

Die Träne stockt, indes ich ohne Weile,

Unschlüssig, satt und durstig, weiter eile.

Hinweg! und leite mich, du Schar von Quellen,

Die ihr durchspielt der Matten grünes Gold!

Zeigt mir die ur-bemoosten Wasserzellen,

Aus denen euer ewigs Leben rollt,

Im kühnsten Walde die verwachsnen Schwellen,

Wo eurer Mutter Kraft im Berge grollt,

Bis sie im breiten Schwung an Felsenwänden

Herabstürzt, euch im Tale zu versenden.

O hier ists, wo Natur den Schleier reißt!

Sie bricht einmal ihr übermenschlich Schweigen;

Laut mit sich selber redend will ihr Geist,

Sich selbst vernehmend, sich ihm selber zeigen.

 – Doch ach, sie bleibt, mehr als der Mensch, verwaist,

Darf nicht aus ihrem eignen Rätsel steigen!

Dir biet ich denn, begierge Wassersäule,

Die nackte Brust, ach, ob sie dir sich teile!

Vergebens! und dein kühles Element

Tropft an mir ab, im Grase zu versinken.