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GEFESSELT VON DIR von COLLEEN COLLINS Plötzlich brennt Kathryn lichterloh für Wolf Sullivan – und ihm geht es auch so! Bisher waren sie nur gute Kollegen, aber auf einmal sind da kühne Spiele, heiße Dates und hemmungsloser Sex … Liegt es nur an dem mysteriösen Lusttrank, der ihnen in die Hände gefallen ist? EIN RIVALE ZUM KÜSSEN von KARA LENNOX Unverschämt! Cooper Remington behauptet, ihm gehöre Allies Boot „Dragonfly“! Allie ist total wütend auf ihn – bis sie mit ihm auf den Ozean hinausfährt. Sie sieht die Sonne in Coopers Augen, den Wind in seinen Haaren und will nur noch eins: ihren Rivalen küssen … DU HAST MEIN HERZ ENTFLAMMT von BARBARA HANNAY Byrne hat allen Grund, Fiona zu hassen. Trotzdem ist sie die erste Frau seit Jahren, die er wirklich begehrt. So sehr er auch versucht, sie zu vergessen, es ist vergeblich! Immer stärker zieht es ihn zu ihr hin – wie einen Frierenden zum Feuer. Wird er sich an dieser Liebe verbrennen?
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Seitenzahl: 574
Colleen Collins, Kara Lennox, Barbara Hannay
BACCARA WEEKEND BAND 33
IMPRESSUM
BACCARA WEEKEND erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe BACCARA WEEKEND, Band 33
© 2006 by Colleen Collins Originaltitel: „A Scent of Seduction“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sarah Falk Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe TIFFANY HOT&SEXY, Band 4
© 2008 by Karen Leabo Originaltitel: „Reluctant Partners“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Valeska Schorling Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 275
© 2007 by Barbara Hannay Originaltitel: „In the Heart of the Outback …“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1727
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751527422
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Kathryn Walters schritt den Gang hinunter und warf einen Blick auf ihre teure Armbanduhr, die sie sich nach ihrer Beförderung zur Buchrezensentin bei der San Diego Times geleistet hatte. Schon Viertel vor neun. Im Stillen verwünschte sie die Anrufe, die sie heute Morgen schon erhalten hatte, mehr als sonst an einem ganzen Tag, und die alle ihrer Buchrezension in der gestrigen Sonntagsausgabe gegolten hatten. So wie die Leute reagierten, könnte man meinen, sie sei nackt mit einer brennenden Fackel durch die Straßen gelaufen, statt lediglich einen Kriminalroman zu rezensieren.
Einen erotischen Kriminalroman.
Kathryn experimentierte gern mit wenig bekannten Autoren und unkonventionellen Romanen. Seiner prickelnd erotischen Note und dramatischen Handlung wegen hatte sie sich diesmal für den Thriller Gefesselt in Brasilien entschieden, der den Leser in eine Welt aus Spannung, Verbrechen und Sex entführte.
Es war ein kalkuliertes Risiko gewesen, ein Buch zu rezensieren, das gewisse Leute als pornografisch ansehen würden, doch das Gerede darüber könnte ihr mehr Leserstimmen für den begehrten hausinternen Crest-of-the-Wave-Preis für den besten Rezensenten einbringen. Mit diesem mit fünfzehntausend Dollar dotierten Preis könnte sie endlich die Anzahlung auf das Strandapartment ihrer Träume leisten. Und wieder die Sicherheit ihres eigenen Zuhauses haben.
Denn das hatte sie vor drei Jahren verloren, zusammen mit ihrer Karriere, ihrem Ruf, ihren Freunden und einer schier endlosen Liste anderer Dinge. Komisch, dass sie damals so naiv gewesen war, zu glauben, es sei richtig, betrügerische Unternehmenspraktiken anzuzeigen. Heute wusste sie es besser. Es war klüger, den Mund zu halten, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern und sich voll und ganz auf seinen Job zu konzentrieren.
Und darauf, diesen Preis zu gewinnen und wieder ihr eigenes Zuhause zu besitzen.
Ein Praktikant blieb abrupt vor ihr stehen. „Prima Rezension, Miss Walters.“
Sie blieb ebenfalls stehen. „Danke.“
„Sind solche Bücher die Art von …“ Er brach verlegen ab.
„Die Art von …?“, hakte Kathryn nach.
„Die Art von Büchern, die Sie wieder rezensieren werden?“
„Falls Sie meinen, ob ich noch mehr solch … faszinierende Bücher rezensieren werde, ist die Antwort Ja.“
Sie verkniff sich ein Lächeln, als sie weiterging. Als sie vor einigen Wochen Gefesselt in Brasilien für ihre nächste Rezension gewählt hatte, war ihr klar gewesen, dass es die Leserschaft bewegen würde. Was sie nicht erwartet hatte, war, wie sehr es sie selbst aufrütteln würde. Die Reise der Heldin in den südamerikanischen Dschungel, wo sie einem Schamanen nachspürte, der längst begrabene Träume wieder auferweckte, hatte Kathryn dazu veranlasst, über ihre eigenen, lang vernachlässigten persönlichen Bedürfnisse nachzudenken. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, wann sie das letzte Mal Urlaub gemacht hatte. Es war fast so, als ob sie Angst hätte, sie würde, wenn sie sich auch nur einen Moment Pause gönnte, die Gelegenheit verlieren, wiederzugewinnen, was sie verloren hatte.
Während der Lektüre dieses Buchs hatte sie sich insbesondere danach gesehnt, ein ganz bestimmtes, schon vor langer Zeit verlorenes Bedürfnis wiederanzufachen. Sex. In ihrem Eifer der vergangenen Jahre, ihr Leben wiederaufzubauen, hatte sie ihre Libido gleichsam eingefroren. Dank Gefesselt in Brasilien jedoch war diese Tür auf einmal wieder aufgeflogen. Natürlich konzentrierte sie sich auch weiterhin auf ihre Arbeit und machte mehr Überstunden als jeder andere bei der Times, aber ihr überreiztes Hirn erzeugte alle möglichen heißen Fantasien in ihr.
Und alle drehten sich um einen ganz bestimmten Mann: Wolf Sullivan.
Doch welche Frau würde Wolf, den arroganten, geradezu unerhört sexy Sportredakteur der Times, auch nicht begehren? Er hatte das dunkle Haar und sinnliche Äußere eines Johnny Depp, den Spielerinstinkt eines Donald Trump und die sexuelle Ausstrahlung eines charismatischen Rockstars. Manchmal hatte Kathryn sich gefragt, ob seine Eltern ihn tatsächlich Wolf genannt hatten, oder ob er diesen Namen angenommen hatte, als er wie dieses mythische Tier geworden war – teils Draufgänger, teils Gauner, mit einem Glanz in seinen Augen, der besagte, dass es ihn nach allem Möglichen gelüstete. Kein Wunder, dass er sie tagsüber – und vor allem nachts – in ihren Fantasien heimsuchte.
Ihr Interesse allerdings war mehr als nur erotischer Natur. Es gab Momente, da glaubte sie etwas von ihrem alten Ich in ihm zu sehen, diese Teile, die sie einst genossen und dann mit solch grimmiger Entschlossenheit begraben hatte. Zuweilen war es der Klang seines unbekümmerten Lachens, das sie an eine sehr viel unbesorgtere Zeit erinnerte. Dann wieder war es die genüssliche Art, mit der er einer Sache nachging – einer Geschichte, einer Wette –, die sie vermissen ließ, wie lebenshungrig auch sie einmal gewesen war, und wie begierig, neue Erfahrungen zu machen.
Manchmal hatte sie sogar die verrückte Idee gehabt, Wolf näher kennenzulernen, würde sie verwandeln. Nicht in die Frau, die sie früher einmal war, sondern in jemand Neues, der keine Angst hatte, das Leben wieder zu genießen und sich zu seinem eigenen Ich bekannte, statt es zu verleugnen.
Kathryn strich ihr schulterlanges Haar zurück und betrat die Kaffeeküche, in der schon eine weihnachtliche Atmosphäre herrschte, obwohl es erst Anfang November war. Auf einem der Tische stand eine Platte mit leckeren Donuts, und es roch nach Kaffee, Zimt und einem Hauch von Forbidden, dem Lieblingsparfüm ihrer besten Freundin Zoe, die als Klatschkolumnistin bei der Times beschäftigt war.
„Hallo, Kath“, begrüßte Zoe sie und blinzelte sie durch ihre getönten Brillengläser an, während sie sich Kaffee einschenkte. „Nach dieser Buchrezension kannst du nur der Spitzenreiter für den Crest of the Wave bleiben.“
Kathryn stellte ihre schwere Tasche auf den Tisch und schwor sich zum x-ten Mal, nicht mehr so viele Bücher mit sich herumzuschleppen. „Falls sie die konservativen Leser nicht zu sehr verärgert hat.“
„Viele Leute empören sich über alles, was auch nur entfernt mit Sex zu tun hat, doch tief in ihrem Innersten gefällt es ihnen. Glaub mir, Kath, in einer Woche wirst du deine Traumwohnung anzahlen und diese tolle Urlaubsreise machen.“
„Die Wohnung wäre super. Aber Urlaub?“ Kathryn nahm sich ebenfalls Kaffee.
„Immer nur Arbeit macht Kathryn …“
„Langweilig, aber erfolgreich.“
Zoe warf ihr einen wissenden Blick zu. Sie war eine der wenigen, die von Kathryns verkorkster Vergangenheit wussten und sich zwar sie hineinversetzen konnte, die Workaholic-Tendenzen ihrer Freundin aber ansonsten überhaupt nicht guthieß. In Zoes Welt gab es weitaus bessere Wege, alten Schmerz zu lindern.
„Du könntest einen Urlaub aber wirklich mal gebrauchen“, sagte sie.
„Als hätte ich die Zeit dazu.“
„Dann nimm sie dir, Kath.“
Kathryn wollte gerade etwas über Prioritäten sagen, als sie ein vertrautes Lachen hörte.
Ein Prickeln durchlief sie beim Klang der Stimme.
Es war die des Mannes, der ihre Fantasie anheizte, sie vor Verlangen beinahe in den Wahnsinn trieb und ihre Nächte unerträglich machte.
Sie warf einen Blick über ihre Schulter und sah, wie Wolf mit einem seiner Sportreporter eintrat. Wolfs dunkle Augen funkelten, als sie miteinander scherzten, seine Zähne blitzten blendend weiß und kontrastierten mit seiner bronzefarbenen Haut. Er war groß, dunkel und ausgesprochen attraktiv.
Heute trug er ein orangefarbenes Polohemd, das seine breiten Schultern betonte, und seine langen kräftigen Beine steckten in einer braunen Kakihose. Sein Haar trug er fast schulterlang, was entweder ein Ausdruck seiner Missachtung Konventionen gegenüber war oder schlicht und einfach nur daran lag, dass er Besseres zu tun hatte, als sich an solch banale Dinge wie Friseurtermine zu erinnern.
Kathryn hatte ihn in der Mittagspause oft beim Joggen gesehen, in knappen Shirts und Shorts, und gedacht, dass die Eleganz seiner Bewegungen im gleichen Widerspruch zu seiner anmaßenden Art stand, wie seine Lachfältchen zu der Arroganz seiner Artikel.
Er drehte sich um und ertappte sie dabei, dass sie ihn anstarrte.
Hitze durchflutete sie, als sie sich für einen Moment lang in die Augen blickten.
Die Innenseiten ihrer Schenkel prickelten, als sein Blick ein wenig tiefer glitt und über ihren Körper strich, bevor seine gefährlichen braunen Augen wieder ihre suchten. Was sie in seinem Blick erkannte, war unverhohlenes sinnliches Interesse.
Und als ihre Hormone schon verrückt zu spielen drohten, verzog er einen seiner Mundwinkel zu einem sexy Lächeln und erinnerte sie an diese Szene in dem Zug …
In dem Buch, das sie soeben rezensiert hatte, saßen Held und Heldin in einem verdunkelten Abteil. Vor dem Fenster zogen üppige grüne Dschungelpflanzen vorbei, das schrille Kreischen eines Vogels war zu hören, und drinnen war die Luft durchdrungen von Feuchtigkeit und sinnlicher Begierde. Der Mann und die Frau verwandelten sich in Wolf und Kathryn, als sie wild pochenden Herzens und nach Atem ringend an ihren Kleidern zerrten, die Temperatur noch weiter anstieg …
„Kathryn“, riss Wolf sie aus ihren Gedanken, „mir scheint, es sind nur noch wir zwei.“
„Wir zwei …?“ Hatte er erraten, was sie dachte?
Er hob eine Hand und spreizte seine Finger. „Ich bin nur noch fünf Stimmen hinter dir.“
Er meinte den Wettbewerb. Natürlich.
„Prima“, log sie.
„Oh, gut, da ist noch etwas übrig“, sagte er, vorübergehend von der Platte mit den Donuts abgelenkt. Er nahm sich einen, und als er genüsslich hineinbiss, warf er Kathryn einen Blick zu, der ihr Innerstes verflüssigte. Ein langer Moment verstrich, als sie sich wieder in die Augen sahen.
Dann nahm Wolf sich noch einen Donut und ging mit seinem Kollegen hinaus.
Wieder allein mit Zoe, knöpfte Kathryn ihre Jacke auf. „Es ist heiß hier drinnen.“
„Es ist heiß, wo immer dieser Mann auch hingeht“, stellte Zoe augenzwinkernd fest. „Ich glaube, er mag dich.“
„Er mag alles, was einen Rock trägt“, murmelte Kathryn und griff in ihre Tasche, um nach Pfefferminzbonbons zu suchen. Dabei stießen ihre Finger gegen eine kleine Plastikflasche, in der sie normalerweise Vitamintabletten aufbewahrte. Sie zog sie heraus und betrachtete stirnrunzelnd ihren derzeitigen Inhalt – eine helle, etwas dickflüssige Flüssigkeit.
Dann lächelte sie. „Das hatte ich schon fast vergessen. Weißt du noch?“, fragte sie Zoe und zeigte ihr das Fläschchen.
„Ist das der angebliche Lusttrank, den dieser komische kleine Mann uns vor ein paar Wochen verkaufen wollte? Ich dachte, Ethan hätte ihn ins Polizeilabor gebracht?“
Ethan Ramsey war der Kriminalberichterstatter ihrer Zeitung und ein guter Freund. „Das hat er. Nachdem ich mir ein Pröbchen abgezweigt hatte.“
„Kathryn! Die gesetzestreue Miss Walters stiehlt etwas?“
„Abzweigen ist nicht stehlen, oder?“ Kathryn lachte. „Schieb es auf das Buch. Neuerdings packt mich hin und wieder das Bedürfnis, ein paar Regeln zu missachten.“
„Das wurde aber auch langsam Zeit.“ Zoe hielt das Fläschchen ins Licht. „Es glitzert irgendwie.“
Kathryn sah genauer hin. „Wo?“
Zoe bewegte den Behälter. „Da.“
Wenn überhaupt, dann hatte es eher etwas Leuchtendes, wie Mondlicht auf dem Wasser.
„Hast du es schon ausprobiert?“
Kathryn verdrehte die Augen. „Red keinen Unsinn, Zoe. Das Zeug ist reiner Schwindel.“
„Der Ladenbesitzer erzählte uns aber eine ziemlich überzeugende Geschichte. Er sprach von einem Liebestrunk aus Yucatán, dessen Hauptbestandteil dem Jaguar entnommen wird, der bekannt ist für seinen geheimnisvollen Duft, der andere Dschungeltiere anlockt. Es hatte irgendeinen verrückten Namen …“
„Balam K’am-bi. In der Mayasprache bedeuten diese Worte ‚Jaguar‘ und ‚Sex‘.“
„Was ich echt stark fand, war seine Behauptung, das Zeug verschaffe allen, die es zu benutzen wagen, die außerordentlichsten sexuellen Erfahrungen.“
„Kein Wunder, dass er bei arglosen Touristen einen Haufen Geld verdiente. Jeder hätte gern …“
„Tollen Sex und das möglichst oft.“ Zoe öffnete das Fläschchen. „Kath, meine Beste, man kann nicht nur von früheren Orgasmen leben. Der Unterschied zwischen einem nicht vorhandenen Sexualleben und einem wunderbaren fabelhaften ist oft nur Einstellungssache. Glaub mir, allein zu denken, dass du spektakulären Sex bekommen wirst, kann das bereits bewirken.“
„Tja, es war nett, über tollen oder nicht vorhandenen Sex zu reden, aber ich muss jetzt gehen. Die Teambildungs-Besprechung beginnt in ein paar Minuten.“
Zoe grinste und tupfte etwas von der Flüssigkeit hinter Kathryns rechtes Ohr. „Dann geh und stell dir ein gutes Team zusammen, Schätzchen.“
Etwa zwanzig Leute waren erschienen, zählte Kathryn, als sie sich im Konferenzraum umsah. Sie hatte schon an vielen solcher Meetings teilgenommen, aber heute war es irgendwie anders. Als ob sie den Gesprächen aller folgen, ja, sogar die unterschiedlichen Stimmungen der Leute spüren könnte.
Wie Lesters, des etwas über fünfzig Jahre alten Redakteurs des Wirtschaftsteils der Zeitung, der mit gelangweilter Miene ein wenig entfernt von allen anderen saß. Oder den unterschwelligen Flirt zwischen Wolf und einer der Redaktionsassistentinnen, einem etwa zwanzigjährigen Ding in zu engen Sachen und mit langem blondgesträhntem Haar – eine jener Frauen, die Kathryn die Möchtegern-Aufsteigerinnen nannte. Die junge Frau lachte und berührte Wolf affektiert am Arm.
Was kümmert mich das, dachte Kathryn.
Na klar, deshalb sucht er dich ja auch jede Nacht in deinen Träumen heim!
„Was Leckeres für alle!“, verkündete Gail Rhodes, die Ernährungsberaterin der Zeitung, und unterbrach Kathryns mentalen Dialog. Ein großes Tablett Gebäck in der Hand, schwebte sie in den Raum, und der Duft ihres Jasminparfüms vermischte sich mit dem Schokoladengeruch, der dem Tablett entstieg.
Das passt gar nicht zu mir, dass ich für alles so empfindlich bin, dachte Kathryn verwundert. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus der Reaktion der Leser auf die Rezension, dem Stress des Wettbewerbs und nun auch noch dieser tödlich langweiligen Teambesprechung. Normalerweise war sie bei solchen Anlässen sehr aufmerksam und machte sich Notizen. Aber das erschien ihr jetzt schon beinahe lächerlich. Sich bei einer Teambesprechung Notizen machen? Das wäre ungefähr so interessant, wie eine Rezension über ein Buchführungsbuch zu schreiben.
Kathryn begab sich in den Hintergrund des Raums und hätte schwören können, dass sie jedes Mal, wenn sie an jemandem vorbeikam, wieder diesen Blick erhielt. Diesen merkwürdig erregten Blick.
„Was ist das, Gail?“, blaffte Lester. „Was Richtiges oder wieder nur Diätkram?“
„Schokoladen-Kirsch-Muffins ohne Zucker und ohne Fett.“
„Dachte ich’s mir doch“, murmelte er. „Wieder nur Diätkram.“
Kathryn hatte Lester immer gemocht, weil er einer dieser Menschen war, die sich absolut nicht darum kümmerten, was andere von ihnen dachten. Ein prima Nachbar für die nächsten Stunden.
„Keine Lust heute, Kalorien zu zählen?“, fragte sie, als sie sich neben ihn setzte.
Er warf ihr einen Blick zu. „Meine Vorstellung von einer ausgewogenen Diät ist ein Cheeseburger in jeder Hand, aber erzähl das bloß nicht Gail. Diese Frau würde mich teeren und federn lassen.“
„Oder buttern und mit Mehl bestäuben.“ Als Kathryn ihre Tasche absetzte, verfing sie sich zwischen ihren Stühlen.
„Warte.“ Lester stöhnte, als er die Tasche aufhob. „Was zum Teufel schleppst du darin mit?“
„Was eine Frau so braucht und Bücher.“
Lester murmelte etwas von ‚schwer wie Blei‘ und beugte sich im selben Moment wie Kathryn vor, wobei ihre Köpfe leicht zusammenstießen. Als sich ihre Blicke trafen, gab auch er ihr diesen Blick.
„Es war nur eine Rezension, Lester.“
Er schüttelte den Kopf, und sein Gesicht nahm nach und nach wieder seinen üblichen verstimmten Ausdruck an. „Was für eine Rezension?“
Und da erschien vor ihnen plötzlich Gail, ohne ihr Gebäck, ganz in Pink gekleidet und mit glitzerndem Modeschmuck behängt. Sie erinnerte Kathryn immer an die Mütter aus den Fernsehkomödien der Fünfzigerjahre, viel zu beherrscht und selbstsicher, als ob die Realität sie nie berührte.
„Darf ich mich zu euch setzen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte sie sich neben Lester, der Kathryn einen Hilfe suchenden Blick zuwarf.
„Du hättest dir ein Muffin nehmen sollen“, raunte sie.
Sie hörte ein vertrautes tiefes Lachen hinter sich und nahm einen Hauch von einem herben Aftershave wahr, als eine leise Stimme ihr ins Ohr flüsterte: „Dein Buch passt nicht zu seinem Einband.“
Wolf.
Sein Atem streifte ihr Ohr und löste ein aufregendes Prickeln in ihr aus. Sie erinnerte sich plötzlich, einmal etwas darüber gelesen zu haben, dass man den Wolf immer zuerst hörte, bevor er in Erscheinung trat.
Sie wandte sich halb um und blickte in diese warmen braunen Augen. Sie war ihm noch nie so nahe gewesen und hatte auch noch nie zuvor bemerkt, wie dicht und glänzend sein fast blauschwarzes Haar war.
Starr den Mann nicht an. Sag etwas, befahl sie sich.
Fieberhaft versuchte sie, sich zu erinnern, worüber sie gesprochen hatten. Ach ja, das Buch. „Der Einband von Gefesselt in Brasilien passt hervorragend zu dem Buch, finde ich.“ Als würde sie sich auch nur daran erinnern, wie er aussah, so nahe, wie sie Wolf jetzt saß!
„Nicht dieses Buch“, entgegnete er lächelnd. „Ich wollte damit sagen, dass der Einband unserer Redakteurin“, erklärte er mit einem Blick auf ihren nüchternen Designeranzug, „nicht zu ihrem Inneren passt.“
Für einen Moment knisterte es zwischen ihnen, scharf und heiß, und seine Augen verdunkelten sich, als er beinahe unmerklich näher trat. „Ich wollte Sie nicht beleidigen.“
„Das haben Sie aber“, flüsterte sie außer Atem.
Er verzog den Mundwinkel. „Dann sagen Sie mir, was ich getan habe.“
Oder was ich wünschte, was Sie täten. Sie konnte die von ihm ausgehende Hitze spüren und das geradezu raubtierhafte Funkeln sehen, das in seine Augen trat. Der Mann ihrer Träume verschmolz mit dem sehr realen Mann, der sie anstarrte, als könnte er sie gleich hier und jetzt mit Haut und Haar verschlingen. Und plötzlich wusste sie, dass keine Fantasie, egal, wie heiß, erotisch oder zügellos auch immer, so erstaunlich sein würde, wie sie in Wirklichkeit mit Wolf zu erfahren.
„Ich bitte um Aufmerksamkeit!“, rief die Frau im Vordergrund des Raums und klatschte laut in ihre Hände. „Unsere Teambildungs-Besprechung beginnt!“
Nur mit großer Mühe und nicht ohne Bedauern wandte Kathryn sich ab und tat, als interessierte sie sich für das Meeting.
Wolf lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete Kathryns noch immer auffallend gerötete Wangen. Sie hatte sich cool geben wollen, aber er hatte die Hitze in ihren Augen aufflackern sehen. Wie ferne Blitze, die vor einem heraufziehenden Gewitter warnten.
Oh ja, diese Frau war völlig anders, als es auf den ersten Blick erschien.
Bis vor ein paar Wochen hatte er Kathryn kaum beachtet und sie als eine jener machthungrigen Karrierefrauen abgeschrieben, die lieber beruflich vorankamen, als ein Privatleben zu haben. In letzter Zeit jedoch hatte er einige Blicke von ihr aufgefangen, die sein Interesse weckten. Und das war ungewöhnlich, weil sie nicht sein Typ war. Er mochte Frauen, die locker und unbekümmert waren und sich und ihm das Leben leicht machten. Nicht wie Kathryn, der nur allzu deutlich im Gesicht geschrieben stand, wie zurückhaltend und zugeknöpft sie war.
Das hatte er zumindest gedacht.
Er kratzte sich am Kinn und nahm sich vor, das Buch zu lesen, über dessen Rezension so viel geredet wurde. Sie schien nicht der Typ zu sein, der Konflikte herausforderte, aber dann wiederum war sie ihm ja auch nicht wie eine Frau erschienen, die ihn ansehen würde, als überlegte sie, ob sie ihn auf der Stelle vernaschen sollte oder nicht.
Wie das alte Sprichwort schon besagte: Stille Wasser gründen tief.
Fünfzehn Minuten später standen alle in Dreier- oder Vierergruppen zusammen. In Kathryns waren außer ihr noch Lester, Gail und Wolf.
Sie war nervös, als ob sie zu viel Kaffee getrunken hätte, obwohl sie sich heute Morgen nur mit Kräutertee begnügt hatte. Er gehörte zu ihrer gerade erst begonnenen gesunden Ernährungsweise, auch wenn die Vorstellung, keine Schokolade mehr zu essen, in etwa gleichbedeutend damit war, niemals wieder Sex zu haben.
Sie warf Wolf einen Blick zu und dachte, wie grausam doch das Karma sein konnte. Sie war so nahe daran, den Crest of the Wave zu gewinnen, und der Mann, der sie wünschen ließ, ihre Diät zu unterbrechen und sich ganz und gar dem sinnlichen Vergnügen zuzuwenden, holte auf, und das sehr schnell. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren, um mit ihm konkurrieren zu können, und durfte nicht romantisch und oder gar gefühlsduselig werden, wann immer er in ihrer Nähe war.
Oder jedenfalls zumindest innerlich.
Vermutlich war es das, was er gemeint hatte, als er sagte, ihr Einband passe nicht zu ihrem Inneren. Und im Grunde hatte er ja recht. Sie hatte bloß geglaubt, sie verstünde es ein wenig besser zu verbergen.
„Okay, Leute“, sagte die Vorsitzende in ihr Mikrofon, „und nun werden wir die Sache mit ein bisschen Wärme und Zuneigung anpacken.“
„Ich brauche einen Drink“, murmelte Lester.
Gail blinzelte ihn an. „Lauter leere Kalorien …“
„Ach, hör auf.“
„Ich möchte, dass jedes Team sich jetzt umarmt“, fuhr die Vorsitzende fort.
Für einen Moment entstand betretenes Schweigen im Raum. Jemand kicherte.
„Ich meine es ernst“, erklärte die Frau am Mikrofon. „Ich weiß, dass Sie alle hart arbeiten und manchmal sogar miteinander konkurrieren …“
Kathryn und Wolf wechselten einen Blick.
„… doch lassen Sie uns all das für einen Moment beiseiteschieben und diesen Anlass mit einer herzlichen Umarmung aller Teams beenden.“
Nach kurzem Zögern breitete Wolf die Arme aus. „Okay, dann tun wir es doch einfach“, sagte er in unbefangenem Ton und legte seine Arme um Gails und Kathryns Schultern. „Na komm, Lester, das wird dich schon nicht umbringen.“
„Sagt wer?“ Mit einem schweren Seufzer legte Lester seinen fleischigen Arm um die beiden Frauen.
Dann traten die vier vor und überbrückten die Entfernung zwischen ihnen.
Wolf roch Gails blumiges Parfüm, hörte Lesters Gemurmel und spürte seidiges Haar an seiner Wange … Kathryns Haar.
Jemand stolperte, wodurch Wolf gegen Kathryn prallte. Sein Gesicht berührte weiches, nach Kokosnussshampoo riechendes Haar. Als er den Kopf bewegte, um sich wieder aufzurichten, streifte sein Mund ein Stückchen unbeschreiblich weicher Haut hinter Kathryns Ohr.
Dieser flüchtige Kontakt war ein Schock, gefolgt von einem heißen drängenden Verlangen, das ihn jäh durchflutete. Einem immer heftiger werdenden Verlangen, bis Wolf sich von einer wahren Flutwelle sinnlicher Begierde mitgerissen fühlte, wie er sie so noch nie zuvor empfunden hatte.
Wie vom Donner gerührt stand er da und versuchte zu begreifen, was sich da gerade ereignet hatte.
Er zwang sich zurückzutreten und schaute Kathryn in die Augen, wobei ihm undeutlich bewusst wurde, dass er noch nie zuvor ihre Farbe registriert hatte, die blau war wie der Himmel an einem wundervollen Sommertag. Oder ihre makellose helle Haut und pinkfarbenen Lippen.
Es war, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen, und trotzdem kam es ihm so vor, als würde er sie schon ewig kennen. Als wäre sie schon immer ein Teil seines Lebens gewesen und würde es auch immer sein.
Er fühlte sich seltsam benommen und bemühte sich, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Für einen Mann, der immer stolz darauf gewesen war, die Einsätze zu kennen und bis an die Grenze zu gehen, hatte er nicht einmal den Schimmer einer Ahnung, was sich da soeben zugetragen hatte.
„Stell diese Frage in deiner Kolumne, Mann. Hat Spencer ‚The Monster‘ Maxson, was es braucht, um ein Comeback zu schaffen? Ich kann das eindeutig beantworten.“
Wolf winkte der Bedienung, als er und Spencer an der Bar Platz nahmen. Die Nachmittagssonne fiel durch das Strohdach über ihnen, das zu dem tropischen Dekor von San Diegos beliebtem Dachlokal Taboo gehörte.
Der benachbarte Barhocker ächzte unter Spencers gut zweihundertsechzig Pfund. „Die Antwort ist jawohl, ich habe, was es braucht. Meine Schulterverletzung ist Vergangenheit. Mann, meine Schulter ist nicht bloß verheilt, sondern hat sich sogar noch entwickelt.“
„Treib es nicht zu weit, Spencer. Hast du schon vergessen, was mit deiner Kniesehne …“
„Hey, ich will doch bloß aufs Feld, um zu zeigen, was ich habe. Sieh dir das mal an.“ Spencer winkelte seinen massiven braunen Arm an, um Wolf den leuchtend gelben Blitz zu zeigen, den er sich dort hatte tätowieren lassen. Mehrere Frauen weiter unten an der Bar verrenkten sich den Hals, um besser sehen zu können.
„Besser als Popeye“, bemerkte Wolf trocken.
„Besser? Wenn der Kerl noch lebte, würde er grün werden vor Neid, wenn er meinen Bizeps sähe!“
„Ich glaube nicht, dass Popeye gestorben ist.“
„Was?“
„Er ist eine Comicfigur.“
Spencer schnaubte und gab die Pose auf. „Das wusste ich. Ich sag ja nur, dass ich bereit bin, für die Stars aufs Feld zu gehen.“
Die L. A. Stars, das neue NFL-Team für Los Angeles. Jeder verfolgte interessiert die erste Saison des neuen Footballteams, und Wolf wusste, dass Spencer sich sehr unter Druck gesetzt fühlte, nicht nur gut, sondern sogar verdammt gut zu spielen.
„Schön, Sie wieder hier zu haben, Wolf“, begrüßte ihn die Bedienung, die einen langen blonden Pferdeschwanz und ein grünes Top mit Palmen, Hulatänzerinnen und dem in silbernen Pailletten aufgenähten Wort Taboo über der Brust trug. „Wie immer?“
„Danke, Eva.“
Während Spencer bestellte, suchte Wolf mit den Blicken das Dach und den lagunenartigen Pool dort ab, die Teakholztische und bequemen Sofas, die in den ungestörten kleinen cabañas – kleine Hütten – standen. Das Taboo war der ideale Ort, um Frauen kennenzulernen; sie machten es sich in diesen kleinen Hütten gern gemütlich, um den Sonnenuntergang zu sehen. Heute war Wolf allerdings geschäftlich hier. Zu einem Treffen der Angestellten der Times und ihrer Freunde, das von niemand anderem als dem Verleger Anthony Tallant ausgerichtet worden war. Die Getränke mussten zwar bezahlt werden, aber die exotisch aussehenden Appetithäppchen, die herumgereicht wurden, waren umsonst.
In der Mitte des Dachs befand sich ein kupferner Springbrunnen, der rot und golden in der Sonne schimmerte. In seiner Nähe stand Dean Rock, ein Kollege aus der Sportredaktion, der Wolf einen grantigen Blick zuwarf. Der arme Dean war Barbara Bitterman, der Geschäftsführerin der Zeitung, in die Falle gegangen, die ihn sicher bis zum Überdruss mit Firmenquatsch zutextete. Was einer der Gründe war, warum Wolf nur selten selbst zu Konferenzen ging und stattdessen lieber seinen Sportredakteur hinschickte.
Tallant, wie immer untadelig gekleidet in einem eleganten dreiteiligen Anzug, schlenderte von Tisch zu Tisch, um Angestellte zu begrüßen. Obwohl Wolf Tallants Energie und Tatkraft respektierte, traute er dem Mann nicht ganz. Aber andererseits traute Wolf ja ohnehin niemandem, der in einem Herrenhaus zur Welt gekommen war, Welten entfernt von den Sozialwohnungen, in denen er selber aufgewachsen war und wo ein Gang zur Schule bedeutete, Pennern und Junkies ausweichen zu müssen.
Am Ende der Bar saß Lester und sah aus wie ein Hündchen, das sein Lieblingsspielzeug verloren hatte. Lester mit sehnsüchtigem Gesichtsausdruck?
Wolf folgte seinem Blick, und plötzlich stockte ihm der Atem.
Kathryn.
Auf der anderen Seite des Dachs saß sie an einem kleinen Tisch mit ihrer Freundin Zoe. Der Wind spielte mit Kathryns Haar, das sie sich hin und wieder aus den Augen strich, und trotz des Stimmengewirrs konnte Wolf Kathryns kehliges Lachen hören.
Sie hatte ihre Anzugjacke ausgezogen. Darunter trug sie eine kurzärmelige grüne Bluse, die so hochgeschlossen war, dass sie fast streng wirkte. Ihre Schlichtheit unterstrich jedoch nur ihre langen schlanken Arme. Kathryns Gestik erinnerte Wolf an die einer Tänzerin. Sie war selbstsicher und elegant. Hatte sie das im Ballettunterricht gelernt, oder war Kultiviertheit etwas Angeborenes?
Komisch, dass er mehr über Anthony Tallants blaublütige Herkunft, sein Studium an einer Eliteuniversität und seine drei Ehen wusste, als ihm lieb war, aber überhaupt nichts über Kathryns Vergangenheit. Er hatte sie noch nie etwas über ihre Familie sagen hören, oder wo sie aufs College gegangen war oder ob es einen Mr. Kathryn gab.
Gab es einen Mann in ihrem Leben? Sie trug keinen Ehering. Und wenn er sich recht entsann, war sie auch zur Weihnachtsfeier in der Redaktion allein erschienen. Eine Frau, die so viele Überstunden machte wie sie, ging sicher nicht zu einem warmen Bett nach Hause.
Sein Blick folgte der Biegung ihres schlanken Armes zu dem dünnen Stoff, den der Wind gegen ihre festen Brüste drückte. Wolf strich mit der Zunge über seine Unterlippe, als er sich ihre weiche zarte Haut vorstellte. Oder wie es sich anfühlen würde, sie zu küssen, seine Zunge mit ihrer zu vereinen, sie zu schmecken …
Er hatte sie in letzter Zeit recht interessant gefunden, nach dieser verrückten Gruppenumarmung heute Morgen grenzte sein Interesse aber beinahe schon an eine Zwangsvorstellung.
Er hatte den ganzen Tag an nichts anderes gedacht und sich darüber klar zu werden versucht, was in jenem Augenblick geschehen war. Aber er konnte es sich einfach nicht erklären. Er wusste nur, dass er von einer Flutwelle sinnlicher Begierde mitgerissen worden war. Und mitten in dem Chaos war ihm der verrückte Gedanke gekommen, sie könne es sein, nur um gleich darauf wieder in dem Nebel, der sich auf ihn herabgesenkt hatte, zu verschwinden. Völlig desorientiert und benommen hatte er danach dagestanden und sich gefragt, was zum Teufel hier gerade geschehen war.
Wenn eine simple Umarmung ihn schon so durcheinandergebracht hatte, konnte er sich auf etwas gefasst machen, falls sie …
„Einen Dollar für deine Gedanken!“, sagte Spencer.
Wolf vermied es, seinen Freund anzusehen. „Nichts von Bedeutung.“
„Soso. War es vielleicht die kleine Rothaarige da drüben, an die du gerade dachtest? Sie ist sehr hübsch. Für dich, meine ich. Der Monster-Mann sieht natürlich nicht hin.“
„Das wäre auch sehr dumm von dir. Mit Kimmy hast du das große Los gezogen.“
„Das brauchst du mir nicht zu erzählen.“ Spencer grinste. „Sie ist eine Klassefrau, und wenn ich auch nur daran dächte, Dummheiten zu machen, würde sie mir den Kopf abreißen.“
Wolf lachte. Er mochte Spencers zukünftige Frau. Als Trainerin konnte sie sich sehr gut in ihren Verlobten hineinversetzen, aber wichtiger noch war, dass sie sein Halt und seine Stütze war. Denn was Spencer zu einem so grandiosen Sportler machte – seine Bereitschaft, sich extrem viel abzuverlangen –, war gleichzeitig auch seine Schwäche. Als er von ebendieser Schwäche zu Fall gebracht worden war, hatten Wolf und andere ihm in diesen schlechten Zeiten beigestanden, und nun war er wieder ganz an der Spitze und als Spieler sehr erfolgreich.
„Übrigens war es nicht die Rothaarige, die ich angesehen habe, sondern ihre Freundin“, sagte Wolf.
Spencer blickte wieder zu dem Tisch hinüber. „Ach was. Die ist viel zu konservativ für dich.“
Vor einem Monat, ja, vor zwei Wochen noch hätte Wolf das Gleiche gesagt. Doch so wie der Verlauf eines Spiels sich schlagartig verändern konnte, konnte sich ein Mann auch plötzlich auf eine Frau einlassen.
Oder zumindest hatte er das heute gelernt.
„Ich sag dir was“, erklärte er. „Man sollte ein Buch niemals nach seinem Einband beurteilen.“
„Verzeihung, Mr. Maxson“, unterbrach sie ein Anzugträger, der auf Spencers anderer Seite saß. „Würden Sie mir ein Autogramm für meine Frau geben?“
Während Spencer Small Talk machte, drehte Wolf sich wieder nach Kathryn um.
Sie schaute auf und erwiderte seinen Blick. Wolf hätte schwören können, dass sich in diesem Moment die Welt veränderte und er alles noch viel intensiver wahrnahm. Die ferne Bucht funkelte heller, die Temperatur stieg an, und er wollte verdammt sein, wenn die salzhaltige Luft nicht Kathryns Duft zu ihm hinübertrug, seine Fantasie anheizte und noch heißer machte …
Tief atmete er aus und rieb sich seine Augen. Dass eine Frau ihm unter die Haut ging, war nichts Neues, aber was sich da zwischen ihm und Kathryn zusammenbraute, ließ ihn außer Kontrolle geraten. Er fühlte sich mehr als nur ein bisschen verrückt. Was er jedoch nicht brauchen konnte. Er wollte sein Leben so leicht, bequem und vorhersehbar wie möglich haben. Und das bedeutete, romantischen Beziehungen aus dem Weg zu gehen. Oder zumindest ernsthaften Beziehungen. Sein Leben war ernsthaft genug gewesen in jüngeren Jahren. Heute war es sehr viel sorgloser und freier, und er hatte nicht die Absicht, irgendetwas daran zu verändern.
„Ihr Bier.“ Eva stellte zwei Flaschen vor sie hin.
„Danke“, sagte er und gab ihr einen Zehner. „Behalten Sie das Wechselgeld.“
„Danke, Wolf.“ Sie steckte den Schein in ihr Top und schenkte Wolf ein einladendes Lächeln.
„Ich erwarte jemanden“, log er.
Ihr Lächeln verblasste. „Dann habe ich den Wetterbericht wohl falsch verstanden“, sagte sie, bevor sie zu einem anderen Gast weiterging.
Wolf trank einen Schluck, drehte sich um und richtete seinen Blick wieder auf Kathryn, die ihn mit einem komischen kleinen Lächeln beobachtete.
Er lächelte zurück und hoffte, dass sie den kurzen Austausch mit Eva nicht gesehen hatte.
Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu.
Na schön, sie hatte es also mitgekriegt. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, hob er eine Hand und spreizte seine Finger. Ich bin nur fünf Stimmen hinter dir, Schätzchen.
Was du nicht sagst, signalisierte ihr Grinsen.
Er hob vier Finger. Drei. Zwei. Einen. Dann winkte er zum Abschied.
Ihre Lippen formten ein „O“, als wollte sie sagen: Oh, das denkst du wohl.
Wolf begann das Spielchen zu genießen. Er mochte es, wenn Kathryn ihre verspielte Seite zeigte.
Nach einer Weile hob sie ihren Zeigefinger.
Wolf runzelte die Stirn. Einen?
Mit einem mutwilligen Lächeln senkte sie den Finger langsam wieder, ließ ihn um den Rand ihres Glases kreisen und blickte Wolf mit einem Ausdruck an, der eine jähe, nahezu schmerzhafte Erregung in ihm weckte. Sie war ziemlich weit entfernt von ihm, und dennoch war es nur zu offensichtlich, wie sie mit ihrem Finger an dem Glas hinunterstrich. Auf und ab bewegte sie ihn über das beschlagene Glas und beschwor die aufreizendsten Bilder in Wolf. Er glaubte schon zu spüren, wie sie ihn mit ihrer warmen Hand umfasste, wie sie mit ihren Fingern an ihm auf und ab glitt, ihren Druck verstärkte …
Begierde durchzuckte ihn, und für einen atemlosen Augenblick lang konnte er an nichts anderes denken, als sie wild und fordern zu nehmen und sie ebenso verrückt zu machen wie sie ihn.
Dann hörte er, wie Spencer sich von dem Fan verabschiedete, und wusste, dass er gleich wieder mit seinem verdammten „Woran denkst du, Wolf?“, beginnen würde. Höchste Zeit für eine Auszeit also.
Und darum sah er Kathryn in die Augen und strich sehr langsam mit der Zunge über die Öffnung seiner Bierflasche.
Sie machte große Augen.
Nach einem vielsagenden Lächeln wandte er sich ab, widerstand dem Bedürfnis, sich das kalte Bier über den Kopf zu schütten, und trank stattdessen einen großen Schluck davon – obwohl es sehr viel mehr als das erfordern würde, um das Feuer, das in ihm tobte, zu löschen.
„Wolf starrt dich an“, murmelte Zoe.
„Und ich ihn“, flüsterte Kathryn, und für einen Moment lang glaubte sie, wieder ein altes Lied in ihrem Kopf zu hören. Spiel nicht in deinem eigenen Garten, wenn du weiterkommen willst und dein Leben wiederaufbauen willst. Das einzig Wichtige ist Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit.
Drei Jahre lang war dieses Wort ihr Mantra gewesen. Und wann immer sie einen freien Moment hatte, etwas Unvorhergesehenes tat oder – Schreck lass nach! – sich amüsierte, begann das alte Band in ihrem Kopf wieder zu spielen. Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit.
Zum Teufel mit der Sicherheit!
Sie war wichtig, ja, aber nicht so sehr, dass Kathryn darüber vergessen durfte zu leben. Die Heldin in Gefesselt in Brasilien war nicht nur eine knallharte Geschäftsfrau, sondern zugleich auch eine sinnliche abenteuerlustige Frau. Warum sollte sie, Kathryn, also nicht auch beides zugleich sein können? Denn nun war die Gelegenheit dazu gekommen. Seit heute Morgen prickelte es zwischen ihr und Wolf, und wenn sie es ignorierte oder so tat, als wäre es nie geschehen, dann würde sie etwas verpassen.
Gemächlich strich sie über den Rand ihres Glases und sah Wolf dabei lächelnd in die Augen. Als sie ihre Finger langsam tiefer gleiten ließ, sie spielerisch an dem Glas auf und ab bewegte und ihn dabei beobachtete, erfasste sie ein geradezu überwältigendes Gefühl weiblicher Macht.
Ein Gefühl, das sie sich stark, enthemmt und ungeheuer sexy vorkommen ließ.
Sie konnte Wolfs Reaktion auf sie buchstäblich spüren. Er war wie elektrisiert. Wie in ihren nächtlichen Träumen, in denen er aus dem Nichts heraus erschien und sie eine erotische Episode nach der anderen aus dem Buch nachspielten.
Sein Blick wich nicht von ihrem, und Kathryns Herz begann wild zu pochen, als er seine Bierflasche hob und damit ihren Blick auf seine Lippen lenkte. Schön geformte, verführerische Lippen, die perfekt zu seinen ebenmäßigen Gesichtszügen passten.
Langsam strich er mit der Zungenspitze über die Öffnung seiner Flasche und bedachte Kathryn dabei mit einem sehr direkten Blick.
Kathryn erschauerte, als ein Schweißtröpfchen durch die Mulde zwischen ihren Brüsten rann.
„Erde an Kathryn.“
Wolf sah weg und brach damit den Bann.
„Hm?“
„Ich sag dir, Kath, wenn gerade jemand zwischen dich und Wolf geraten wäre, wäre er zerschmolzen.“
Kathryn hasste den Gedanken, zum Gegenstand des Firmenklatschs zu werden. „Du glaubst, die Leute haben es gesehen?“
Zoe schüttelte den Kopf. „Es ist zu voll hier, und die Kollegen sind zu ichbezogen, um auf jemand anderen als sich selbst zu achten.“ Sie zeigte auf einen Teller mit Appetithäppchen. „Als du in der Wolf-Zone warst, habe ich uns etwas an Land gezogen. Diese in Speck gerollten Jakobsmuscheln sind geradezu orgastisch. Du solltest dir eine nehmen. Oder besser sogar drei.“
Kathryns Hirn erlitt fast einen Kurzschluss, als sie versuchte, sich multiple Orgasmen mit Wolf vorzustellen.
„Du hast mir etwas verheimlicht, Kath. Seit wann seid ihr zusammen, du und Wolf?“, wollte Zoe wissen.
„Wir sind auch nicht zusammen … wir haben nur irgendwie die Schwingungen des anderen aufgefangen.“
„Die Schwingungen? Du redest wie ein Esoterikfan!“ Zoe lachte. „Ist das meine beste Freundin, die karrierebewusste Buchrezensentin und zukünftige Nonne? Entweder ist das die beste Weinschorle der Welt, oder du bist endlich zur Vernunft gekommen und hast beschlossen, dich mal was zu trauen. Das wurde auch langsam Zeit. In den letzten drei Jahren hast du pausenlos in der Karriere-Tretmühle gesteckt. Du solltest mal davon heruntersteigen und deine Zehen im warmen Sand vergraben.“
Eine Weile schwiegen sie, dann sagte Kathryn: „Hast du schon einmal in einer ganz normalen Situation erlebt, dass eine einfache Berührung dich irgendwohin versetzte, wo du alles andere vergaßt?“
„Wow!“, sagte Zoe. „Das wird ja immer besser. Wo war denn diese ganz normale Situation?“
„Bei der Teambesprechung heute Morgen.“ Kathryn nahm sich einen Cracker mit Frischkäse und Kaviar. „Ich habe den ganzen Nachmittag darüber nachgedacht. Du wirst mich für verrückt erklären, wenn ich es dir erzähle.“
„Spann mich nicht auf die Folter“, sagte Zoe. „Und apropos verrückt: Nenn mir auch nur eine einzige Person bei der Times, die normal ist, unseren lieben Freund Ethan mit eingeschlossen.“
Kathryn blickte sich um. „Wo ist er überhaupt?“
„Bei seiner neuen Freundin, denke ich. Aber sein Sexualleben steht hier nicht zur Diskussion.“ Zoe wackelte mit ihren Augenbrauen. „Reden wir lieber über deins.“
„Ich habe kein Sexualleben.“
„Noch nicht, meinst du wohl.“
Kathryns Blick glitt wieder zu Wolf, der mit seinem hünenhaften Freund noch immer an der Bar saß. Der Anblick der ausgeprägten Rückenmuskeln unter Wolfs T-Shirt sandte einen heißen Schauer durch Kathryns Körper.
Dann sah sie Lester, der am Ende der Bar saß und ihr zuwinkte. Sie erkannte ihn fast nicht mit seinem breiten Grinsen.
„Was ist denn mit Lester?“, fragte Zoe. „Er hasst Betriebsfeste.“
„Vielleicht ist er des kostenlosen Essens wegen hier.“ Kathryn winkte zurück und wandte sich wieder Zoe zu. „Wo waren wir stehen geblieben?“
„Bei deiner Beichte. Ich bin ganz Ohr. Wolf hat dich berührt, und jetzt will ich auch die klitzekleinsten Einzelheiten wissen.“
Kathryn griff nach einem weiteren Appetithäppchen. „Na ja, also bei der Besprechung heute Morgen wurden die einzelnen Teams gebeten, einander zu umarmen. Und als ich schon dachte, Lester würde das Weite suchen, sagte Wolf: ‚Okay, dann tun wir es doch einfach …‘“ Es tun. Kathryn war sicher, dass Wolf alle möglichen Arten kannte, es zu tun. Sie wischte ihre plötzlich feuchten Hände an ihrer Hose ab.
„Das heißt also, du, Lester und Wolf habt euch umarmt?“
„Und Gail.“
„Und das war alles? Dass ihr euch umarmt habt?“
Kathryn nickte.
„Das ist die belangloseste Geschichte, die ich je gehört habe. Du hast das Beste ausgelassen.“
„Na ja, wir traten aufeinander zu, um uns zu umarmen“, erwiderte Kathryn nachdenklich, weil sie immer noch versuchte, zu verarbeiten, was geschehen war. „Und dann stolperte jemand, worauf Wolf mit mir zusammenstieß, oder vielleicht auch ich mit ihm.“ Sie überlegte kurz. „Nein, nein, er stieß gegen mich, und plötzlich streiften seine Lippen mich hinter dem Ohr. Du weißt schon, an dieser empfindsamen Stelle …“
Zoe fächelte sich mit einer Serviette Luft zu. „Oh, an dieser Stelle von einem solchen Mann geküsst zu werden!“
Wieder schwiegen sie eine Zeit lang und lauschten der Musik.
„War das das Ende deiner Beichte?“, brach Zoe schließlich das Schweigen.
„Nein. Nachdem Wolfs Lippen mich dort gestreift hatten, umarmten wir uns noch immer, und er hielt sich an mir fest oder ich mich an ihm, und plötzlich geriet meine ganze Welt aus den Fugen.“ Kathryn nahm ihr Glas und stürzte die restliche Weinschorle hinunter.
„Da bist du ja, meine Liebe!“, rief Gail Rhodes von der anderen Seite des Dachs. „Ich habe dich schon überall gesucht!“
„Redet sie mit uns?“, flüsterte Zoe.
Auch Kathryn senkte ihre Stimme. „Sie hat mich praktisch stündlich angerufen seit diesem verdammten Meeting.“
„Hast du dich auch an ihr festgehalten?“
Kathryn warf Zoe nur einen Blick zu.
„Entschuldige“, murmelte sie, als Gail in einer Wolke von Jasminparfüm zu ihrem Tisch hinüberrauschte.
„Kaum zu glauben!“, sagte sie atemlos und mit einem koketten Blick auf Kathryn. „Da sehen wir uns schon wieder!“
„Kaum zu glauben“, murmelte Kathryn.
„Ist der Platz besetzt?“ Gail zeigte auf den leeren Stuhl mit Kathryns Jackett darauf.
„Nein“, sagte Zoe.
„Ja“, sagte Kathryn.
„Ja“, berichtigte sich Zoe schnell. „Das hatte ich vergessen.“
Gail machte ein langes Gesicht. „Was trinkt ihr, Mädchen?“ Ihre Armreifen klirrten, als sie auf die Gläser zeigte.
„Einen Cosmo“, sagte Zoe.
„Schorle.“
„Dein Glas ist leer“, sagte Gail zu Kathryn. „Ich hole dir ein neues.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie das Glas und schaffte es dabei, ihre Hand kurz gegen Kathryns Arm zu drücken. Ihr Gesicht war Kathryns ganz nahe, als sie mit rauer Stimme flüsterte: „Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“
Kathryn war baff. Als sie endlich die Sprache wiederfand, brachte sie nur ein kaum hörbares „Nein“ hervor.
„Ich würde nämlich alles tun …“
„Nein, danke. Ich möchte nur eine Schorle. Das ist alles. Weiter nichts.“
Mit einem vielsagenden Lächeln wandte Gail sich ab und ging.
„Ich sehe Muffins in deiner Zukunft“, prophezeite Zoe.
Kathryn schüttelte den Kopf. „Ich weiß, was das Problem ist. Es hat nichts mit der Gruppenumarmung zu tun. Es ist alles nur wegen diesem Buch, das ich rezensiert habe. Jetzt sehen mich alle in einem neuen Licht.“
„Ja, im heißen Scheinwerferlicht. Aber Gail Rhodes …? Ich dachte, sie wäre eine überzeugte Hetero-Frau. Nicht dass ich Vorurteile hätte oder so, aber diese Frau hat mit dir geflirtet, Kath.“
„Ich glaube, ich gehe jetzt besser“, sagte Kathryn.
Ein klingelndes Geräusch ließ sie aber wieder innehalten. Neben dem Springbrunnen stand Anthony Tallant, der Verleger, und klopfte mit einem Messer an sein Glas.
„Ich danke Ihnen allen, dass Sie heute Nachmittag gekommen sind“, sagte er, als Stille eintrat. „Wie Sie wissen, wird die Times einhundertfünfunddreißig Jahre alt in diesem Jahr, was nicht nur ein Meilenstein für die älteste Zeitung dieses Staates, sondern auch für San Diego Countys ältestes Geschäft ist.“
Höflicher Applaus.
„Ein Grund, dass die Zeitung so lange überlebt hat, ist ihre Bereitschaft, Risiken einzugehen und neue Ideen aufzugreifen. Ich bin sehr erfreut, dass unsere Auflage seit der Ankündigung des Wettbewerbs um den Crest of the Wave um sieben Prozent gestiegen ist.“ Er unterbrach sich, um auf Applaus zu warten. „Und obwohl noch immer Stimmen abgegeben werden, können wir schon mit Sicherheit sagen, dass der Gewinner einer der beiden Leute sein wird, die ganz vorne an der Spitze liegen. Tatsächlich war die Leserreaktion so gut, dass wir beschlossen haben, Kathryn und Wolf auf Reisen zu schicken.“
Kathryn erstarrte.
Wolf lachte auf.
„Nicht wirklich auf Reisen“, sagte Tallant. „Aber immerhin zu einem PR-Termin. Morgen werden sie in Ocean Beach bei einem Surfer-Wettbewerb die Preise verleihen, worüber wir natürlich auch in der San Diego Times berichten werden.“
Tallant redete noch ein paar Minuten weiter, um dann mit seinem üblichen „Danke für die gute Arbeit“ abzuschließen. Als er ging, begannen sich die Leute wieder zu zerstreuen. Gail war an der Bar und bestellte.
„Sag ihr, dass ich gehen musste“, bat Kathryn Zoe, als sie sich von ihr verabschiedete. Sie war mehr als nur schockiert über die bevorstehende Reise und konnte es kaum erwarten, zu den Aufzügen zu kommen.
Was trägt man zu Surfer-Wettbewerben? fragte sie sich draußen auf der Straße. Einen Designer-Hosenanzug ganz bestimmt nicht. Vielleicht würde sie sich morgen etwas Neues kaufen. Ein Sommerkleid. Sandaletten. Vielleicht noch einen hübschen kleinen Pulli. Das kalifornische Wetter war unberechenbar – mal heiß, mal kalt, und das sogar im Winter.
Sie dachte daran, wie Wolf sie angesehen hatte, sie mit seinen Blicken geradezu verschlungen hatte.
Vielleicht würde sie auch noch sexy Unterwäsche auf ihre Einkaufsliste setzen …
Am nächsten Tag stand Wolf um zehn vor fünf auf dem Ocean Beach Pier und blickte nervös den langen Steg hinunter. Der spätnachmittägliche Nebel beschränkte die Sicht allerdings auf höchstens sechs oder sieben Meter.
Wolf wartete schon seit zehn Minuten auf Kathryn. Um fünf begann die Preisverleihung, und am Ende des Piers hatten sich schon Surfer, Familienangehörige, Fans und Journalisten zu der festlichen Veranstaltung versammelt. Wolf hatte seinen Leuten bereits gesagt, dass er den Bericht und die Fotos im morgigen Sportteil sehen wollte und würde sich das nicht von Kathryns Zuspätkommen verderben lassen. Falls nötig, würde er eben ohne sie die Fotos machen.
Was eigentlich gar keine so schlechte Idee war.
Sein Name und sein Foto, wie er den Siegern ihre Preise überreichte … Für diese Bilder würde die jüngere Leserschaft ihm sicher ihre Stimme geben.
Ein kalter Wind pfiff, und Wolf knöpfte seine Jacke zu. Wenn Kathryn zu spät kam, war es ihr Problem. Ihm konnte ihr Nichterscheinen im Grunde nur zugutekommen.
Als er allerdings den Pier hinabzugehen begann, vernahm er leise schnelle Schritte hinter sich.
Und dann sah er durch den Nebel eine Frau in seine Richtung laufen.
Kathryn.
Der Wind zerzauste ihr langes Haar und zerrte an ihrem getupften Kleid, und sie war völlig außer Atem, als sie ihn erreichte. „Hi“, sagte sie. Über dem Kleid trug sie einen roten Pulli, sah er jetzt, und ihre Wangen waren auch sehr stark gerötet.
„Ich dachte schon, du kämst zu spät.“
„Ich auch.“ Sie lachte verlegen. „Ich zu spät! Kannst du dir das vorstellen?“
Glaub mir, ich habe es versucht. „Nein, das kann ich eigentlich nicht.“
Er hakte sich bei ihr unter, was sich so natürlich anfühlte, als ob sie es schon hundert Mal getan hätten, und begann mit ihr den Pier hinabzugehen.
Ihre Schritte klangen beinahe hohl im Nebel. Wolf warf einen Blick auf ihr Kleid und sah nun, dass keine roten Tupfen, sondern Kirschen darauf waren.
„Du siehst hübsch aus.“
„Danke.“ Sie zeigte auf ihr Kleid. „Kirschen haben zwar nichts mit Surfen zu tun, aber sie sind immer noch besser als einer meiner Hosenanzüge.“
Eine Windbö pfiff vorbei, und Kathryn fröstelte.
„Du hättest etwas Wärmeres als den Pulli überziehen sollen“, sagte Wolf.
„Ich habe das Kleid in der Mittagspause gekauft, als es noch ziemlich heiß war. Ich wusste nicht, dass es um fünf Uhr schon so kalt sein würde.“
Dann hatte sie das Kleid also speziell für diesen Anlass gekauft?
Oder für ihn?
Er schlüpfte aus seiner Jacke und legte sie um Kathryns Schultern. „Damit du nicht so frierst.“
„Aber das geht doch nicht. Dann frierst du doch.“
„Lass das mal meine Sorge sein.“ Wolf hakte sich wieder bei ihr unter, und zusammen gingen sie den Pier hinunter.
Vierzig Minuten später war die Preisverleihung beendet, und die Menge begann sich zu zerstreuen.
„Und nun zu euren Fotos“, sagte Lacey von der Times zu Wolf und Kathryn. „Stellt euch vor das Geländer dort.“
Kathryn blickte über das besagte Geländer in den Nebel. Etwa zwanzig Meter weiter draußen erhob sich eine dunkle, fast gespenstisch aussehende Welle, die krachend gegen das Ende des Piers schlug. Einige Leute kreischten auf, als sie sich bei dem Aufprall in Kaskaden aus Schaum und Gischt verwandelte.
„Sie scherzt wohl“, sagte Kathryn.
„Das wird ein fabelhaftes Foto“, sagte Wolf.
„Und ob!“, pflichtete ihm Lacey bei. „Das wird die perfekte Aufnahme. Die Leser werden begeistert sein. Und Tallant auch.“
Kathryn verzog das Gesicht, als noch eine Welle gegen den Pier krachte und das Pfahlwerk unter ihnen erbeben ließ.
„Ich kann die Fotos auch allein machen“, bemerkte Wolf wie nebenbei.
Ha! Kathryn konnte sich nur zu gut vorstellen, wie begeistert die Frauen von einem solchen Foto von Wolf Sullivan in der Times sein würden. „Nur über meine Leiche“, sagte sie.
Seite an Seite standen sie, wo Lacey sie platziert hatte, während Welle auf Welle unter ihnen gegen die Pfeiler schlug und sie mit kalter Meeresgischt besprühte.
Zwanzig Minuten später gingen Wolf und Kathryn wieder den Ocean Beach Pier hinauf. Als sie schon fast an seinem Ende waren, schoss ein Teenager auf einem Skateboard auf sie zu. Kathryn sprang zur Seite und ließ ihre Tasche fallen, deren Inhalt sich über den Pier ergoss.
„Sorry, Leute!“, rief der Junge, ohne auch nur anzuhalten.
Kathryn fluchte leise.
„Du steckst voller Überraschungen“, scherzte Wolf und begann ihre Sachen aufzuheben. „Was ist das?“, fragte er und zeigte ihr ein kleines Fläschchen.
„Nichts. Ich vergesse immer nur wieder, es wegzuwerfen.“
„Nichts?“ Er hob den kleinen Behälter hoch, der eine klare Flüssigkeit enthielt, die jedoch bei genauerem Hinsehen zu schimmern schien wie Mondlicht, das auf Wasser fiel.
„Interessant“, murmelte Wolf, aber als er ihr das Fläschchen wiedergeben wollte, entglitt es ihm und fiel durch eine Ritze zwischen den Planken in den Sand unter dem Pier.
„Ich hole es“, sagte Wolf sofort. „Es ist Ebbe. Da wird es leicht zu finden sein.“
„Ach was, ich wollte es sowieso wegwerfen …“
Aber er lief schon zu der Treppe, die zum Strand hinunterführte.
Kathryn sammelte den Rest ihrer Sachen ein und dachte, dass Wolf, den sie früher für unentschuldbar ichbezogen gehalten hatte, heute alles andere als das gewesen war. Er hatte ihr seine Jacke geliehen, ihr bei diesem Fotoshooting beigestanden und ihr geholfen, ihre Sachen aufzusammeln. Und nun wühlte er im Sand nach diesem angeblichen Lustelixier.
Er bemühte sich wirklich sehr um sie.
Kathryns letzte Beziehung damals in Chicago, bevor ihr Leben den Bach hinunterging, war ein attraktiver charmanter Mann gewesen, dem es allerdings immer nur um Nummer eins, nämlich sich selbst, gegangen war, während Kathryn nur an zweiter Stelle kam. Oder an vierter oder fünfter, wenn sie seine Freunde, Karriere, seinen Hund und sein Stammlokal mit einrechnete. Und Steve war leider nicht einzige Mann gewesen, der sich so verhalten hatte.
Sie ging zur Treppe und verwünschte ihre zu engen neuen Sandaletten, die für den Strand sehr ungeeignet waren. Kurzerhand streifte sie sie ab und ließ sie zusammen mit ihrer Tasche auf einer Stufe liegen.
Unter dem Pier war das Licht noch grauer; Nebelschwaden waberten um die Pfeiler, und die Surfer auf den fernen Wellen waren kaum noch zu erkennen.
„Ich hab’s!“, rief Wolf und ging auf Kathryn zu.
Als sie ihn sah, verschlug es ihr den Atem. Selbst jetzt hatte seine Haut noch immer diesen samtigen braunen Schimmer. Das Beige seines Hemds, dessen Ärmel er aufgekrempelt hatte, stand in auffallendem Kontrast zu seinen kräftigen gebräunten Unterarmen. Sie hatte ihn einmal sagen hören, dass er Halbindianer war, vom Stamm der Kumeyaay, die vor Jahrhunderten die Gegend um San Diego bevölkert hatten. Die Times hatte erst kürzlich eine Reihe von Beiträgen über einheimische Indianerstämme gebracht, und Kathryn erinnerte sich, dass die spanischen Eroberer im späten achtzehnten Jahrhundert die Kumeyaay als von angenehmem Äußeren und freundlicher, doch auch rebellischer Natur bezeichnet hatten. Sie hatten den Spaniern nicht als Zwangsarbeiter dienen wollen und waren irgendwann zur Strafe von ihrem angestammten Territorium vertrieben worden.
Kathryn wusste, wie es war, sein Zuhause zu verlieren und sich an eine neue Umgebung und einen neuen Lebensstil gewöhnen zu müssen. Trotz all ihrer Unterschiede hatten sie und Wolf etwas sehr Tiefgreifendes und Grundlegendes gemeinsam. Sie hatten beide ihre Wurzeln verloren.
Er schraubte das Fläschchen auf und schnupperte daran. „Es passt nicht zu einer Frau, etwas mit sich herumzutragen, das nichts ist.“
„Das ist eine lange Geschichte.“
„Wenn sie so ähnlich ist wie die Bücher, die du besprichst, ist sie bestimmt sehr interessant.“
Eine heiße Röte stieg in Kathryn Wangen. „Du hast das letzte Buch gelesen?“
„Gefesselt in Brasilien? Ja. Oder jedenfalls die ersten vier oder fünf Kapitel. Ich habe es gestern Abend gekauft und dann im Bett gelesen.“
Ein aufregendes Kribbeln durchlief sie, als sie sich Wolf im Bett vorstellte.
Er hielt einen Finger an das offene Fläschchen und hielt es etwas schräg. „Ist es Mundwasser oder so etwas?“
„Es ist pure Schwindelei.“
„Schwindelei?“
„Schwindelei, nichts, nada.“
„Und du trägst nada in der Tasche mit dir herum, weil …?“
Aber Kathryn dachte nicht daran, Wolf von dem schmierigen kleinen Mann und seiner erfundenen Geschichte eines angeblichen Lusttrank zu erzählen, von Jaguaren, Sex und Sex und …
„Du hast recht, es ist Mundwasser“, log sie. „Ich habe es schon so lange, dass es seinen Geschmack verloren hat.“
Wolf gab einen Tropfen aus seinen Zeigefinger. „Lass sehen. Streck deine Zunge heraus.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist ja lächer…“
„Das sagst du viel zu oft. Du solltest mehr Vertrauen haben.“ Er warf ihr einen Blick zu. „Und auch mal was riskieren.“
Die Art, wie er riskieren sagte, löste ein wohliges kleines Prickeln in ihr aus, und sie tat, worum er sie gebeten hatte.
„Ah, nun sind wir abenteuerlustig, das ist gut“, scherzte er und berührte ihre Zunge leicht mit seinem Zeigefinger.
Kathryn kostete die Flüssigkeit. „Wie gesagt, es ist nichts …“
Sie brach ab, als sie ein merkwürdiges Kribbeln auf ihrer Zunge spürte. Ein Brennen, als ob sie etwas Scharfes gegessen hätte, aber nicht unangenehm. Ganz im Gegenteil sogar.
Das Gefühl erfüllte ihren ganzen Mund, raste ihre Kehle hinunter und durchströmte ihre Brust. Sie schnappte nach Luft, überrascht, wie warm ihr plötzlich trotz der kalten Luft hier draußen wurde. Das heiße Kribbeln griff auf alle ihre Glieder über, bis ihr Körper buchstäblich in Flammen stand. Und dann folgte ein wahrer Wasserfall von Gerüchen, der ihre Sinne überflutete – der Salzgeruch des Ozeans, die Essensdüfte aus dem nahen Restaurants des Piers, Wolfs maskuliner Duft …
Oh ja, es war sein Duft, den sie am stärksten wahrnahm. Eine Mischung aus Seife, dem natürlichen Geruch seiner Haut und auch ein Hauch seines herben Rasierwassers – alles genauso verlockend und verführerisch wie Wolf selbst.
„Kathryn?“
Fasziniert von seinen dunklen Augen, starrte sie ihn an. Komisch, dass sie noch nie bemerkt hatte, dass sie so schwarz und glänzend wie blank polierter Obsidian waren.
„Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, und seine tiefe Stimme klang fast wie ein Streicheln.
„Es ist alles großartig“, murmelte sie rau. „Du bist großartig.“
Er lächelte. „Oh, vielen Dank. Das bist du aber auch.“ Dann richtete er den Blick erstaunt auf seine Hand. „Was immer dieses Nichts in dieser Flasche ist, es ist ein warmes Nichts. Ich kann spüren, wie diese Wärme meinen Arm hinaufkriecht.“
Kathryn nickte geistesabwesend, da sie mehr mit ihren eigenen sinnlichen Wahrnehmungen beschäftigt war. Wie seine weiche braune Haut sie reizte, beispielsweise. Oder wie es sich anfühlen mochte, diese Haut mit ihren Lippen zu berühren. Erotische Gedanken überschwemmten ihr Gehirn, erhitzten ihren Körper und brachten ihr Herz zum Rasen, bis sie schier zu platzen fürchtete, wenn sie jetzt nicht sofort etwas unternahm.
„Komm her, Wolf“, flüsterte sie, nachdem sie sich für eine ihrer frivoleren Fantasien entschieden hatte. „Lass uns ein Spielchen spielen.“
Wolf stand reglos da. In seinem Kopf überschlugen sich die Worte, aber nicht eines schaffte es bis über seine Lippen.
Kathy will ein Spielchen spielen.
Nicht dass ihr Vorschlag ihn etwa schockiert hätte. Oder es ihm an der nötigen Fantasie gefehlt hätte. Das Leben war ein Festessen, und doch verhungerten die meisten armen Narren.
Nein, was ihn so sprachlos machte, war, dass Kathryn es geschafft hatte, die ersten und oft ein wenig schwierigen Schritte zu umgehen und ohne Umschweife zur Sache zu kommen. Lass uns ein Spielchen spielen. Es war erfrischend und ausgesprochen sexy, eine Frau sagen zu hören, was sie wollte.
Sie lehnte sich in verführerischer Pose an einen Stützpfeiler des Piers, und ihre Augen versengten Wolf geradezu mit ihrem eindringlichen Blick. Wenn diese unverhohlene sinnliche Begierde in ihren Augen ein Anzeichen war für das, was sie im Sinn hatte, schnallte er sich besser an, weil ihn dann nämlich eine aufregende Fahrt erwartete.
„Was für ein Spielchen?“, fragte er.
Statt einer Antwort schenkte sie ihm ein vielsagendes Lächeln.
Aber das war auch alles, was er brauchte.
Schlagartig erwachten all seine männlichen Instinkte, und er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um sie nicht gleich hier und jetzt zu nehmen.
Aber er beherrschte sich und atmete tief durch, um seine Leidenschaft im Zaum zu halten. Obwohl er im Grunde nichts als heißen schnellen Sex wollte, war es ihm damit trotzdem nicht so eilig, dass er es verdarb, bevor es noch begonnen hatte.
Der Wind hob Kathryns Kleid an und erlaubte Wolf einen Blick auf einen schlanken Oberschenkel, worauf er sich einen spannungsgeladenen Moment lang fragte, was darüber war. Ein schmaler Streifen durchsichtigen Stoffs, der einen verführerischen Blick auf weiches dunkles Haar erlaubte? Seine Hände wurden feucht, seine Brust zog sich zusammen, und als er das fast schmerzhafte Ziehen in seinen Lenden schon beinahe nicht mehr auszuhalten glaubte, fiel das Kleid an seinen Platz zurück.
Ein leises Aufstöhnen entrang sich Wolf.
Die Elemente waren anscheinend auf ihrer Seite und arbeiteten mit ihr zusammen, um ihn zu quälen. Sein Blick glitt an dem nun wieder sittsam über ihren Knien liegenden Kleid vorbei, über ihre wohlgeformten Waden und zu ihren bloßen Füßen … wann hatte sie ihre Schuhe ausgezogen? Ihre helle Haut verriet ihm, dass sie sich, wenn überhaupt, nur selten im Freien aufhielt. Und trotzdem stand sie hier mit bloßen Füßen mit ihm in dem kühlen Sand und Nebel.
„Was für ein Spielchen?“ Kaum hatte er die Frage wiederholt, als das Prickeln in seiner Hand sich noch verstärkte. Verblüfft über die Hitze, die seinen Arm hinaufkroch und seine Brust erfüllte, blickte er auf seine Hand herab und bewegte seine Finger. Aber es war nicht nur diese Wärme, die ihn erstaunte, sondern auch die immer stärker werdende, schon fast schwindelerregend intensive Euphorie, die ihn erfasste.
„Kathryn“, flüsterte er und hatte das Gefühl, dass selbst die Kirschen auf ihrem Kleid noch roter wurden. Das Blut raste durch seine Adern, und hätte er an etwas anderes denken können als dieses alles verzehrende Begehren, hätte er vielleicht auch mehr sagen können als ihren Namen, als er sie mit seinen Blicken buchstäblich verschlang.
„Kathryn“, murmelte er und fuhr sich mit der Hand durchs feuchte Haar. „Du bist so heiß.“
Heiß, heiß, heiß. Die Worte echoten durch Kathryns ganzen Körper, und Wolfs Anblick brachte ihr Herz zum Rasen. Ein leichter Schweißfilm hatte sich auf seiner hohen Stirn gebildet, in die ihm eine dichte Strähne seines rabenschwarzen Haares fiel. Es war schon immer etwas Bedrohliches von ihm ausgegangen, aber in diesem Moment schien es sogar noch fremder, wilder und animalischer zu sein.
Eine Weile starrten sie einander schweigend in die Augen. Das Spiel, das anfangs noch so leicht erschienen war, hatte nun etwas Gefährliches. Es war zu einer nicht zu unterschätzenden Kraft geworden, wie ein am Horizont aufkommender Sturm, vor dem man schnellstens alle Fenster und Türen schließt, um sich davor zu schützen.