Bad For Me (For-Me-Reihe 3) - Veronika Mauel - E-Book

Bad For Me (For-Me-Reihe 3) E-Book

Veronika Mauel

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Beschreibung

Niemand darf von ihren Gefühlen zueinander wissen – nicht die Upper-Class-Eltern und nicht die Lower-Class-Gang: Mit Helena, dem Mädchen aus guten Hause, und Ben, dem verruchten Gangmitglied, kommen knisternde Westside-Story-Vibes auf. **Bist du bereit, alles für die Liebe zu geben?** Nachdem Helena den Bad Boy ihres Viertels fast mit ihrem Fahrrad überfährt, ahnt sie schon, dass sein Interesse an ihr nichts als Probleme mit sich bringt. Ben ist das komplette Gegenteil von ihr: zerlöcherte Klamotten, keine Manieren, keine Zukunft. Und doch bekommt sie ihn nicht aus ihren Gedanken. Dabei ist ihr eigenes Leben schon mehr als kompliziert und sie kann unmöglich mit jemandem zusammen sein, dessen Leben von Gefahr und Ärger bestimmt wird. Trotzdem können die beiden einander nicht fernbleiben und aus ihren heimlichen Treffen wird bald mehr. Aber sowohl Helenas Eltern als auch Bens Kumpels aus der Gang dürfen nie etwas von der Beziehung erfahren ... //»Bad For Me« ist der dritte Band der »For-Me-Reihe« von Veronika Mauel. Es handelt sich um eine Neuauflage des Romans »Ben & Helena« aus der Romance-Reihe »Kai & Annabell«. Alle Bände der Bad Boy-Trilogie bei Impress:   -- Risk For Me (Band 1) -- Lie For Me (Band 2) -- Bad For Me (Band 3)//  Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Veronika Mauel

Bad For Me (For-Me-Reihe 3)

**Bist du bereit, alles für die Liebe zu geben?**

Nachdem Helena den Bad Boy ihres Viertels fast mit ihrem Fahrrad überfährt, ahnt sie schon, dass sein Interesse an ihr nichts als Probleme mit sich bringt. Ben ist das komplette Gegenteil von ihr: zerlöcherte Klamotten, keine Manieren, keine Zukunft. Und doch bekommt sie ihn nicht aus ihren Gedanken. Dabei ist ihr eigenes Leben schon mehr als kompliziert und sie kann unmöglich mit jemandem zusammen sein, dessen Leben von Gefahr und Ärger bestimmt wird. Trotzdem können die beiden einander nicht fernbleiben und aus ihren heimlichen Treffen wird bald mehr. Aber sowohl Helenas Eltern als auch Bens Kumpels aus der Gang dürfen nie etwas von der Beziehung erfahren …

Wohin soll es gehen?

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Vita

© privat

Veronika Mauel wuchs in einer Kleinstadt in der schönen Oberpfalz auf. Bereits als Jugendliche schrieb sie selbst erfundene Geschichten. Auch während und nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin begeisterte sie mit ihren Erzählungen ihre Schützlinge im Kindergarten. Ihre Leidenschaft gilt Jugendbüchern mit einem Touch Romantik.

Für einen ganz besonderen Menschen.Für alle, deren Seele leidet, die so verletzt wurden, dasssie denken nie wieder lieben zu können.Irgendwann kommt dieser eine ganz besondere Mensch, der den Schmerz von euch nimmt, euer Herz zum Rasen und die Augen zum Leuchten bringt. Der euch zurück ins Hier und Jetzt holt, so wie die Frühlingssonne der Natur mit ihren Sonnenstrahlen neues Leben einhaucht. Seid auch ihr jemandes Sonne und bringt sein Leben zum Leuchten.

Prolog

Eine Siedlung wie viele andere in dieser Kleinstadt. Adrette kleine Einfamilienhäuser stehen in winterfest gemachten Gärten. Kalte Regentropfen fallen und gefrieren als funkelnde Eiskristalle an den Fensterscheiben fest. Es liegt eine friedliche Stille über allem, als das erste Morgenrot den Himmel überzieht. Wie könnte man meinen, dass in einem dieser Häuser keine Harmonie keine Glückseligkeit und Lebensfreude herrscht? Doch in jedem dieser Gebäude wohnen Menschen, die unterschiedliche Schicksale zu bewältigen und Lasten zu tragen zu haben. Während die einen fröhlich in den Morgen starten und jeden Tag mit einem Lächeln begrüßen, gibt es auch jene, die mit ihrem Leben hadern, die sich fragen, ob irgendwann einmal alles anders sein wird, oder ob sie in diesem Rhythmus auf ewig gefangen sind.

1. Kapitel

Helena

Ich war eine Fee mit leuchtendem Zauberstab, die über die Unendlichkeit einer bunten Blumenwiese schwebte … bis mein Wecker klingelte und ich mich fragte, ob man das dämliche Ding eigentlich auch auf bessere Zeiten stellen kann. Augen rollend verpasse ich dem Störenfried einen Schlag, wobei ich ihn auch gerne an die Wand geworfen hätte, so dass er gar nicht in Versuchung kommt, jemals wieder einen Ton von sich zu geben. Doch da Wecker leider keine Frösche sind, die sich dadurch in Prinzen verwandeln und ich außerdem viel zu gutmütig und wohlerzogen bin, um derartige Aktionen zu liefern, bleibt das Teil brav auf meinem Nachtkästchen stehen. Ich bin unendlich müde und schaffe es nur mit größter Willensanstrengung mich aus dem Bett zu hieven. Es war eine von unzähligen Nächten gewesen, in denen ich wieder Stunden lang wach gelegen und vor mich hin sinniert hatte. Keine Ahnung, wie lange das noch so weitergehen soll. Immer häufiger fühle ich mich ausgelaugt und antriebslos und frage mich, woher ich die Kraft für den bevorstehenden Tag nehmen soll. Vollkommen gerädert stapfe ich auf bloßen Füßen durch den Flur, hinüber ins Bad. Draußen klatscht der Regen gegen das Fenster und ab und an weht ein einsames Herbstblatt vorbei. Weiß wohin das Auge reicht. Ich entledige mich meines Schlafshirts und steige unter die Dusche. Ungeduldig warte ich, bis das Wasser endlich warm ist. Als ich mich zehn Minuten später abtrockne, werfe ich einen Blick auf die Uhr, es bleibt weniger als eine Stunde Zeit für ein Frühstück und den Weg zur Schule. Ungeduldig lasse ich den Föhnwind durch mein Haar blasen und verlasse schließlich perfekt geschminkt und das lange Haar zu einem französischen Zopf geflochten das Bad. Leise schleiche ich mich die Treppe hinunter, um meine Mutter, die noch immer schläft, nicht zu wecken. Vor einem Jahr war noch alles anders.

Traurig denke ich, als ich mir eine Schüssel für mein Müsli aus dem Schrank nehme, über diese Zeit von vor zwölf Monaten nach. Damals, als meine kleine Schwester noch bei uns war, saßen wir zu dritt am Frühstückstisch. Mama hat oft eine Duftkerze angezündet und mit uns Pläne für den Nachmittag geschmiedet. Ab und zu hat sie uns sogar morgens ein Märchen vorgelesen. Meistens war es Dornröschen. Meine kleine Schwester hat diese Geschichte über alles geliebt, obwohl sie mit ihren zehn Jahren eigentlich schon viel zu alt dafür war. Wer hätte damals ahnen können, dass aus diesem Märchen bald so grausamer Ernst wird. Meine kleine Schwester schläft genauso wie die schöne Königstochter, doch wird sie nicht, nach hundert Jahren in strahlender Schönheit wieder erwachen. Wahrscheinlich schlägt sie nie wieder die Augen auf und wenn sie es tut, wird sie nie wieder so sein wie zuvor. Geliebte Lilly. Süße, kleine Prinzessin. Unser Dornröschen, das für immer schläft. Eine einzelne Träne kullert über meine Wange und tropft in die Schüssel mit den Cornflakes. Die Rollen in diesem wahr gewordenen Märchen sind klar verteilt. Meine Mutter nimmt an der Seite meines Vaters, dem König, den Platz als Königin ein und ich?

Ich bin die 13. Fee. Die böse, grausame Fee, die Dornröschen ihres Lebens beraubt und für immer in die Traumwelt verbannt hat. Ich bin schuld, dass Lillys Lachen nicht mehr durch dieses Haus schallt, kein kleines Mädchen im Prinzessinnenkleid durch die Räume tanzt. Ich trage die Schuld daran, dass Kummer und Traurigkeit jegliche Lebensfreude und Leichtigkeit aus diesem Haus vertrieben haben. Meine Eltern können mir nicht verzeihen, was geschehen ist und lassen mich das jeden Tag spüren. Lilly war ein Wunschkind, ihre kleine Sonne, und obwohl ich wusste, dass meine Eltern meine kleine Schwester viel lieber hatten als mich, konnte auch ich mich nicht Lillys Aura entziehen. Lilly brachte alles zum Strahlen, jeder hatte sie gern. Sie besaß eine unverfängliche Art und sah in allem das Gute. Selbst einem düsteren Tag wie heute, konnte sie etwas Schönes abgewinnen. Meine Schwester, sie war etwas Besonderes. Ein Kind, wie es sich Eltern wünschen. Klein und zart mit hellen Locken, die um ihr schmales Gesicht tanzten und einem Herzen aus Gold.

Der letzte Löffel Cornflakes bleibt mir im Hals stecken, als ich Lillys Lächeln vor mir sehe. Schnell räume ich das Geschirr in die Spülmaschine und stürze ins Bad. Vor der Toilette gehe ich in die Knie. Geräuschlos öffne ich den Deckel und stecke mir den Finger, so weit ich es schaffe in den Mund. Ich bemühe mich, dass mein Würgen nicht allzu laut ist. Auf keinen Fall darf mich meine Mutter dabei hören. Ich habe ihnen schon genug Sorgen bereitet.

Manchmal wünsche ich mir unsichtbar zu sein, so dass meine Eltern nicht mehr diesen vorwurfsvollen und todtraurigen Gesichtsausdruck bekommen, wenn sie an mir vorüber laufen. Ich spüle mir gründlich mit Wasser den Mund aus und stecke einen Kaugummi zwischen die Lippen, bevor ich in meinen Anorak und die Winterstiefel schlüpfe. Es regnet noch immer, als ich über den Gartenweg zur Garage laufe, um mein Fahrrad zu holen. Trotzdem ich mir die Kapuze tief ins Gesicht gezogen habe, klatschen mir beim Fahren die kalten Tropfen fast schmerzhaft auf die Wangen und die Nase. Es ist saukalt und ich ärgere mich, dass ich meine Handschuhe zuhause vergessen habe. Es dauert nicht lange und ich bin völlig durchnässt. Der Wind und die Kälte dringen in all meine Glieder und bringen mich zum Schlottern. Ich will so schnell wir möglich zur Schule, um mich noch ein wenig an den Heizkörpern aufzuwärmen ehe der Unterricht beginnt. Ich trete wie besessen in die Pedale und schneide eine Kurve, als ich aus den Augenwinkeln plötzlich einen Schatten wahrnehme. Erschrocken ziehe ich scharf an der Handbremse, was zur Folge hat, dass mein Reifen blockiert und auf dem nassen Asphalt ins Rutschen gerate. Mit voller Wucht knalle ich auf die Straße, während mein Fahrrad davon schlittert. Schmerz schießt durch meine rechte Hüfte, mit der ich auf die Bordsteinkante geknallt bin. Benommen bleibe ich liegen und hoffe, darauf, dass das Hämmern und Stechen in meinem Körper verebbt. Leider ist das nicht der Fall, die Hüfte tut weiter weh und ich fühle mich, als hätte mich ein Güterwaggon überrollt. Plötzlich fällt mir dieser Schatten wieder ein, den ich mir eingebildet hatte. Oh mein Gott! Bitte! Lass mich niemanden angefahren haben. Mein Herz schlägt wie wild. Habe ich schon wieder nicht richtig aufgepasst und somit jemanden in Lebensgefahr gebracht? Stöhnend und die Schmerzen ignorierend rapple ich mich auf, als sich plötzlich jemand über mich beugt.

Ben

Verfluchte Scheiße! Dachte die Kleine, wir befinden uns hier auf einer Rennstrecke? Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte mich umgenietet. Allein meiner Reaktionsfähigkeit ist es zu verdanken, dass ich so schnell zur Seite springen konnte. Zwar bin ich trotzdem ausgerutscht und auf dem Arsch gelandet, aber was soll‘s ich habe schon Schlimmeres erlebt. Ihr Sturz scheint jedoch nicht so glimpflich ausgegangen zu sein. Ihre, fast schon lächerlich unbeholfenen Versuche aufzustehen, erinnern an ein Fohlen, das zum ersten Mal probiert auf die Beine zu kommen. Und obwohl ich mega angepisst bin von der Kleinen, dass sie mir solch einen Schrecken eingejagt hat, kann ich dieses hölzerne Gehampel, dass sie da an den Tag legt, nicht länger mit ansehen und greife ihren Arm und helfe ihr auf die Beine.

»Machst du hier einen Schumi oder bist du zu dämlich ein Fahrrad zu beherrschen?«, frage ich erbost.

Entgeisterung spiegelt sich in ihren Augen.

»Es … es …«, stammelt sie los.

»Es … es …«, äffe ich sie nach. »Sag jetzt bloß nicht, dass es dir leid tut, denn das macht meinen Arsch auch nicht wieder trocken!«

»Was?« Verblüfft starrt sie mich an. Ist sie immer so begriffsstutzig oder hat auch ihr Kopf etwas bei dem Sturz abbekommen?

Ich rolle mit den Augen und drehe mich um und hebe die Jacke hoch, damit sie meinen nassen Hintern begutachten kann, der durch ihre Ungeschicktheit enge Freundschaft mit einer Pfütze geschlossen hat.

»So genug gestarrt. Ich will ja nicht, dass du noch unnötig geil auf mich wirst!« Grinsend ziehe ich die Jacke an ihren Platz zurück. Die Kleine ist so knallrot im Gesicht geworden, dass es sogar im Schein der Straßenlaterne zu sehen ist. Meine Fresse, ist die prüde! Sie scheint ziemlich verklemmt zu sein, wenn ihr schon solche Sprüche an die Nieren gehen.

»Sorry! Es tut mir wirklich sehr leid!«, murmelt sie und senkt den Kopf. Ich will mich soeben vom Acker machen, als sie plötzlich ihren Schulrucksack durchwühlt und etwas auf einen Zettel kritzelt. Sie muss sich bei dem Sturz wirklich weh getan haben, denn als sie eben in die Hocke ging, hat sie ihr Gesicht schmerzhaft zu einer Maske verzogen. »Was soll ich damit?«, frage ich verblüfft, als sie mir das abgerissene Blockblatt reicht. Als ich sehe, was darauf steht, kann ich mir ein abfälliges Schmunzeln nicht verkneifen. Scheiße, ist die Kleine peinlich.

»Bist du so scharf auf meinen Arsch geworden, dass du jetzt ein Date mit mir willst?«

Sie wird schon wieder rot und ich sehe, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballen. Blitze schießen aus ihren Augen in meine Richtung und drohen mich zu versengen. Scheinbar habe ich sie mit meinem Spruch aus der Reserve gelockt. Und um ehrlich zu sein, es gefällt mir, sie derart in Rage zu sehen.

»Du Trottel! Ich wollte dir nur meine Adresse geben, damit ich die Kosten für die Reinigung deiner Klamotten übernehmen kann. Beziehungsweise … »

Sie deutet in Richtung meines Hinterteils. Und nun ist sie es, um deren Mundwinkel ein hämisches Lächeln zuckt, was mich ziemlich verunsichert. Verfluchte Scheiße! Warum zur Hölle lacht sie so dämlich. Ich spüre, wie ich verdammt sauer werde, weil ich nicht weiß worauf ich wie reagieren kann. Meine, vor dem Spiegel einstudierte Maske aus Coolness und Gleichgültigkeit beginnt zu fallen, was mir noch mehr stinkt. Ich werde mich doch von dieser Möchtegerntussi nicht aufziehen lassen.

»Hast du zum Frühstück einen Kasper verschluckt, oder warum lachst du so dämlich!«, fahre ich sie an.

Sie hebt unschuldig die Schultern, wobei ich mir im Moment nicht sicher bin, ob sie tatsächlich so unbedarft ist, wie sie tut. Ihr Grinsen sah verdammt diabolisch aus.

»Ich wollte dir nur anbieten, deine Jeans zu bezahlen, die durch den Sturz wohl aufgerissen ist.« Wie von der Tarantel gestochen tasten meine Finger nach hinten. Fuck! Tatsächlich, die Hose hat einen ziemlich großen Riss.

Aber eigentlich muss ich mich wegen meiner Kehrseite nicht sonderlich schämen, immerhin ist die ziemlich knackig und extrem gut geformt. Doch … Fuck! Fuck! Fuck! Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, warum die Kleine ständig grinst, als hätte sie eine Eintrittskarte für eine Boyband gewonnen. Meine Boxershorts waren gestern allesamt in der Wäsche, weil es mein Dad mal wieder nicht auf die Reihe bekommen hat, das Zeug in die Waschmaschine zu stecken und aus diesem Grund … Ich schwöre bei allem was mir heilig ist … nur aus diesem einzigen Grund habe ich diesen beschissenen Slip angezogen, den mir meine Mutter vor einem Jahr in einem Billigdiscounter gekauft hat. Mike, Bea, Lil, Luke und ich haben gestern einen Bruch gemacht und … Scheiße ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass eine Braut das Teil zu Gesicht bekommt. Nun bin ich derjenige, dessen Wangen glühen. Sie schlägt die Hand vor den Mund und ich hätte meinen durchtrainierten Arsch darauf verwettet, dass sie dahinter ein Grinsen verbirgt.

»Nette Unterhose!« Gab es die im Sonderangebot?«, stichelt sie und ihre Augen blitzen verräterisch. Mit diesen Worten steigt sie auf ihr Fahrrad und radelt davon. Wie ein begossener Pudel stehe ich auf dem Bürgersteig und presse meine Hand auf den Hosenschlitz, durch den irgendeine beschissene Micky Maus dämlich grinst. Ich wünsche der Braut die Pest, Cholera und was es sonst noch für heimtückische Krankheiten gibt an den Hals. Noch nie in meinem Leben hat mich ein kleines Mädchen mundtot gemacht und ich schwöre, dass ich es ihr heimzahlen werde. Penibel darauf bedacht, dass meine gottverdammte Jacke, dort bleibt, wo sie hingehört, mache ich mich auf meinen Heimweg und überlege mir, ob ich mir selbst in den Hintern treten soll, weil ich dieses Teil angezogen habe, oder ob ich ihr, sollte ich sie jemals wiedersehen, den Hintern versohlen werde. Das Erste, was ich jedenfalls tun werde, ist, dass ich diese bescheuerte Micky Maus Unterhose zuerst in alle Einzelteile zerschnippeln und sie anschließend vom Dach des Abbruchhauses rieseln lassen werde.

Ich koche mittlerweile vor Zorn, da mir immer bewusster wird, wie sehr ich mich zum Affen gemacht habe.

2. Kapitel

Helena

Keine Ahnung, was soeben mit mir los war. Normalerweise bin ich alles andere als taff, aber der Typ soeben hat mich quasi dazu gezwungen, ihm eins reinzuwürgen. Und mal ehrlich, wer trägt in dem Alter trägt Micky Maus Unterhosen? Allein bei dem Gedanken daran, wie überaus peinlich ihm das war, als er es gecheckt hat, muss ich lächeln. Ich bin normalerweise keine von der Sorte, die andere gerne bloßstellt, aber der Kerl war derart unverschämt, dass er dieses Verhalten förmlich aus mir herausgekitzelt hat.

Irgendwie bin ich ihm sogar dankbar, denn der kleine Vorfall hat mich sowohl abgelenkt, als auch dazu beigetragen, dass mir meine Sorgen für den Moment ein wenig kleiner erscheinen.

Trotz allem bin ich wahnsinnig erleichtert, als ich endlich das hell erleuchtete Schulgebäude vor mir erblicke. Mich friert noch immer und meine Finger sind mittlerweile gefühllos. Wer bitte ist auch so doof, Ende November ohne Handschuhe Fahrrad zu fahren! Ich bin noch nicht einmal mehr in der Lage mit meinen tauben Händen das Fahrradschloss zu verschließen und schicke ein Stoßgebet nach dem anderen in den Himmel, dass es mir niemand klaut. Völlig durchgefroren sitze ich Minuten später auf dem Heizkörper im Mädchenklo und warte darauf, dass meine Finger auftauen. Kurz vor Unterrichtsbeginn ist das Gefühl in meinen Gliedmaßen soweit wieder hergestellt, dass ich es wage, meine Röhrenjeans ein Stück weit nach unten zu ziehen und meine Hüfte zu begutachten, in der nach wie vor der Schmerz tobt.

Obwohl sie wirklich verflixt weh tut, bin ich trotz allem überrascht, wie blau sie mittlerweile ist. Vom Hüftknochen abwärts, bis zur Mitte des Oberschenkels hätte mein Bein durchaus mit der Farbe eines Veilchens konkurrieren können. Zudem ist es stark geschwollen und allein die Berührung der Hose, als ich sie wieder nach oben ziehe, entlockt mir ein leises Stöhnen. Ich hoffe, dass ich es irgendwie schaffe, die Blessur vor meine Eltern geheim zu halten. Nicht auszudenken, wenn sie erführen, dass ich fast einen Unfall gebaut hätte. Das würde sie sofort an die Zeit von vor einem Jahr erinnern, die Zeit als Lilly …

Es klingelt. Dankbar über die Ablenkung, dass ich mich nicht schon wieder daran erinnern muss, quasi ein Menschenleben auf dem Gewissen zu haben, schultere ich meinen Rucksack und humpele zum Chemiesaal. Meine ehemals beste Freundin Lisa mustert mich schweigend. Verwunderung spiegelt sich in ihren Augen und ich sehe, dass es ihr unter den Fingern brennt, mich danach zu fragen, wieso ich herumlaufe, wie ein Storch im Salat. Doch ich gehe bewusst an ihr vorbei und setze mich an einen Einzeltisch. Lisa ist toll, doch leider auch partysüchtig, klamottensüchtig und jungssüchtig, so wie ich es war … in einem anderen Leben. Seit Lilly im Koma liegt, sind derartige Dinge bedeutungslos geworden. Wie könnte ich mich jemals auf einer Party amüsieren, wild knutschen oder Freude daran haben Outfits auszusuchen, wenn ich doch diejenige bin, die all das zu verantworten hat. Lisa wird das nie verstehen, sie kann es nicht, weil sie sich nicht in meine Lage versetzen kann. Für sie war das alles ein Unfall, einfach Schicksal. Sie hat alles versucht, mich davon zu überzeugen, dass mich keine Schuld trifft. Doch wie kann sie so etwas behaupten? Gäbe es mich nicht, wäre Lilly noch am Leben. Kaum habe ich mich gesetzt, beginnt Herr Hofmann damit uns auf zu fordern, dass Periodensystem aus der Tasche zu ziehen und uns darin zu vertiefen. Ich komme seiner Aufforderung sofort nach. Alles ist besser, als zu denken. Jede Abwechslung kommt mir gelegen um meine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Das einzig Positive was ich der ganzen Sache abgewinnen kann, ist die, dass sich meine schulischen Leistungen rapide verbessert haben. Ich nutze jede Gelegenheit, mir Ablenkung zu verschaffen und Lernen ist eine davon. Mittlerweile gehöre ich zu den Besten in meinem Jahrgang und der ein oder andere Lehrer hat schon den Vorschlag geäußert, ob ich nicht aufs Gymnasium wechseln will. Doch ein Realschulabschluss reicht mir völlig, denn ich weiß genau, welchen Beruf ich einmal ergreifen will. Ich möchte Streetworkerin werden. Gestrauchelten Jugendlichen helfen, wieder einen Sinn in ihrem Leben zu sehen. Dort helfen, wo es wirklich nötig ist, und eine Stütze, ein Anker, für andere sein kann. Als es zur Pause läutet, verdrücke ich mich so schnell ich kann auf die Toilette. Meist sitze ich da im Vorraum bei den Waschbecken auf der breiten Fensterbank bis der Unterricht wieder beginnt. Manchmal verziehe ich mich auch in den Keller der Schule. Dort steht in einer finsteren Nische ein abgewetztes Sofa. Bisher blieb mein geheimer Rückzugsort unentdeckt und ich hoffe auch, dass es so bleibt. Leider kann ich mich nicht jeden Tag dorthin flüchten, da ab und an auch der Hausmeister dort unten zugange ist. Ich blicke aus dem Fenster und nippe an meiner Cola light und drücke meine Hüfte gegen die kühle Fliesenwand. Die Kälte lindert den Schmerz ein wenig.

Ein Räuspern reißt mich aus meiner Melancholie und lässt meinen Kopf herumfahren. Lisa steht vor mir und kaut an einem Schokohörnchen. Die zähflüssige Kakaomasse quillt aus dem Teig und es duftet herrlich. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, als sie erneut herzhaft in das Teilchen beißt, doch ich bleibe stark, denn der Gedanke mich über eine der schmutzigen Schultoiletten zu beugen, ruft Ekel in mir hervor.

»Was ist?«, frage ich und kann den leicht genervten Unterton dabei nicht unterdrücken. Lisa steht vor mir und glotzt mich nur kauend an, anstatt, dass sie endlich den Mund aufmacht, sagt was sie sagen will und danach wieder verschwindet.

»Heli, ich … ?«

»Was?« Ich klettere vorsichtig von der Fensterbank, bemühe mich, die Seite mit der geprellten Hüfte, möglichst wenig zu belasten und stehe nun direkt vor ihr.

»Was ist passiert?«, fragt sie und deutet sorgenvoll auf mein Bein, doch ich drehe sofort den Kopf zur Seite, zucke mit den Achseln und presse die Lippen aufeinander.

»Wollen wir nicht mal wieder etwas zusammen unternehmen?« Ihre Stimme klingt flehend.

»Du fehlst mir«, schiebt sie so leise noch hinterher, dass ich Mühe habe sie überhaupt zu verstehen.

Mein Herz wird schwer. Es berührt mich, wie sie um unsere Freundschaft kämpft und es lässt mich alles andere als kalt, sie so traurig vor mir zu sehen. Doch ich kann mich einfach nicht dazu überwinden, ihr nachzugeben. Wie kann ich nach allem, was passiert ist einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich käme mir wie eine Verräterin vor, zu lachen, Spaß zu haben, während meine kleine Schwester ihren Dornröschenschlaf schläft. Immerhin ist Lisa der Grund, warum das alles passiert ist. Wieso ich nicht aufgepasst habe, Lilly kopflos vor ein Auto gelaufen ist und nun nie wieder erwachen wird.

Ich sehe zu Boden, weil ich Lisa einfach nicht in die Augen blicken kann. Ich will den Schmerz über unsere verlorene Freundschaft darin nicht sehen. Langsam schüttele ich den Kopf und stürze, so schnell es mir meine Verletzung erlaubt, aus der Toilette, bevor sie mich noch weiter bitten kann. Es ist kalt, als ich aus dem Schulhaus trete und ich schlage mir fröstelnd die Arme um den Körper. Mein Atem malt weiße Wölkchen in die Luft und ich beschließe spontan meiner kleinen Schwester einen Besuch abzustatten. Sehnsucht und Trauer machen mein Herz schwer, als ich auf das Krankenhaus zuradele. Eine Sehnsucht, die ich noch vor einem Jahr nicht kannte, nach Lachen, Unbeschwertheit, nach Fröhlichkeit und danach, dass alles wieder so wird, wie es einmal war. Die Trauer drückt, wie ein schwerer Rucksack, den man niemals abnehmen kann. Mein Herz schlägt schneller, als ich die Treppen hinauf ins Krankenzimmer steige. Ein Weg, den ich die letzten Monate so oft ging und der mir mittlerweile bekannter ist als jeder andere Gang. Ein leichtes Ziehen macht sich in meinem Magen bemerkbar und ich fürchte mich davor meine Mutter zu sehen. Fast schon hoffe ich, dass sie nicht da ist, dass sie sich vielleicht gerade einen kleinen Imbiss gönnt oder einen sporadischen Friseurbesuch, oder … oder. Egal welches der Oder zutrifft, Hauptsache eines tut es. Die Trauer liegt immer wie ein schwarzer Schatten über ihrem Gesicht und es schnürt mir die Luft ab, das zu sehen. Mein schlechtes Gewissen macht mich wahnsinnig. Mit zittrigen Fingern umfasse ich den Türgriff und drücke ihn nach unten. Vorsichtig stecke ich den Kopf durch den Spalt. Sofort wendet sich meine Mutter zu mir. Sie sieht müde aus. Abgekämpft. Fast so, als wäre jedes Leben aus ihr gewichen. Am liebsten würde ich umdrehen, die Flucht ergreifen. Fortlaufen und all die Trauer und den Schmerz hinter mir lassen. Doch meine Füße sind wie festgewachsen und bewegen sich keinen Millimeter. Sie steht auf und kommt auf mich zu. Ihre Bewegungen wirken schlaff und kraftlos.

»Helena. Es ist kein guter Zeitpunkt. Komme später noch einmal wieder. Ich, ich …« Sie kann mir noch nicht einmal in die Augen sehen und starrt, während sie mit mir spricht gegen die weiß getünchte Wand. Mein Herz schlägt mir bis zur Kehle und ich habe keine Ahnung warum eigentlich. Es ist doch meine Mama, die da vor mir steht und doch kommt es mir so vor als wäre sie es nicht. »Ich …, es ist in Ordnung, Mama«, flüstere ich tonlos, haste hektisch aus der Tür und ziehe sie sanft ins Schoss. Tränenblind taste ich mich die Treppen hinunter und gehe zu meinem Fahrrad.

***

Als ich nach Hause komme, erwartet mich wie jeden Tag ein leeres Haus. Mein Vater ist auf der Arbeit und meine Mutter befindet sich ja bei Lilly im Krankenhaus. Vor einigen Monaten habe ich meine Mama einmal darauf angesprochen, wieso sie fast jedes Mal das Zimmer verlässt, wenn ich meine kleine Schwester besuche. Die Antwort darauf war, dass sie mich angeblich mit Lilly allein lassen wolle, um uns Privatsphäre zu geben. Ich habe ihr das nie geglaubt. Sie geht, weil sie meinen Anblick nicht ertragen kann, da bin ich mir sicher. Mich zu sehen muss schwer für sie sein. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte mich in Luft auflösen oder auf einen anderen Planeten beamen oder mich wenigstens für alle Welt unsichtbar machen.

Ich gieße mir ein Glas Wasser ein, das ich im Stehen austrinke. Es ist ruhig im Haus. Nur das leise Ticken der Standuhr ist aus dem Wohnzimmer zu hören.

Ich nehme mir ein Kühlakku aus dem Eisschrank und schleiche wie ein Dieb die Treppen hinauf. Es kommt mir so vor, als wäre ich ein Eindringling, der die Totenstille stört. In meinem Zimmer wickele ich den Kühlakku in ein Tuch und fixiere ihn an meiner Hüfte. Ich will mich soeben an den Schreibtisch setzen und mit meinen Hausaufgaben beginnen, als mich das Klingeln des Telefons aufschrecken lässt. Es kommt selten vor, dass dieser Apparat läutet, normalerweise lassen sich meine Eltern auf ihren Handys anrufen, da sie sowieso nie zuhause sind und mich … Bei mir hat sich seit Monaten niemand mehr gemeldet. Wieso auch. Jeder weiß, dass mir weder nach Quatschen, noch nach Ausgehen zu Mute ist. Mittlerweile hat es sich in der Schule herum gesprochen, dass ich vorhabe, ein Leben als Eremit zu führen.

Mit einem Mal schießt mir ein Gedanke durch den Kopf, der mein Herz fast schmerzhaft gegen die Rippen trommeln lässt und mir fast die Luft zum Atmen nimmt. Was, wenn es das Krankenhaus ist? Was wenn sie mir mitteilen wollen, dass Lilly gestorben ist oder meine Eltern sich dafür entschlossen haben, die Geräte abzuschalten? Mit einem Satz bin ich aus der Tür und rase die Treppen hinunter. Gehetzt stürze ich zum Telefon und hauche ein atemloses Ja hinein, während mein Körper kurz vorm Zusammenbrechen steht.

»Ja, wer?« Kommt es unfreundlich zurück und ich reiße überrascht die Augen auf. Würde das Klinikpersonal derart unfreundlich auf mich reagieren?

»Blum am Apparat.« Meine Finger umkrampfen den Hörer so stark, dass ich Angst habe, ihn zu zerquetschen.

»Ah, also doch nicht Ja!«

»Hä?«

Das kann auf keinen Fall das Krankenhaus sein. Erstens hört sich die Stimme viel zu jung an, als dass sie von einem Arzt stammen könnte und kein Übermittler schlechter Nachrichten triebe solch ein Spielchen mit mir.

»Na ich dachte, dein Nachname lautet Ja. So hast du dich doch gemeldet. Aber das wäre ja zu bescheuert gewesen.« Ein Schnauben klingt durch den Hörer.

Was ist da bitte für ein Idiot am Apparat? Erlaubt sich hier jemand einen Telefonstreich mit mir?

»Weißt du was? Dieses Geplänkel ist mir zu blöd. Wenn du jemanden zum Veräppeln suchst, muss ich dich leider enttäuschen. Ich stehe derzeit nicht zur Verfügung!«

Mit diesen Worten knalle ich das Telefon zurück auf die Station. Doch ich habe noch nicht einmal den Flur verlassen, als es erneut zu Klingeln beginnt. Wut regt sich in mir. Was zur Hölle soll der Mist?

»Lass mich zufrieden und suche dir ein anderes Opfer!«, blaffe ich in das Telefon und will gerade auflegen. Als ein lautes Halt ertönt.

»Ich denke das Opfer bin wohl eher ich. Angefahren, schwer verletzt, von dem Sturz zutiefst traumatisiert und mit einer ramponierten Designerhose am Körper durch deren Risse der Wind pfeift! Sag mal, hast du eigentlich damals in der vierten Klasse den praktischen Teil der Fahrradprüfung bestanden? Ich vermute ja, dass du mit Pauken und Trompeten durchgesemmelt bist! Du bist eine wandelnde Katastrophe. Hat dir das schon mal jemand gesagt?«

Nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Micky Maus ist am Apparat. Der Typ mit der erotischsten Unterwäsche der Welt. Unwillkürlich muss ich grinsen, als mir einfällt, wie peinlich ihm das war.

»Weißt du endlich, wer dran ist?«, fragt er und hört sich dabei ziemlich gereizt an.

Und ehe ich darüber nachdenken kann, was ich sage, schlüpft mir »Klar, Micky Maus!« über die Lippen.

Am anderen Ende der Leitung herrscht überraschtes Schweigen.

»Pass mal auf, Kleine. Wenn du wüsstest, was sich im vorderen Teil hinter Micky Maus für ein Prachtstück verbirgt, würdest du nicht so darüber spotten. Aber wenn du willst, kannst du es dir bei Gelegenheit gerne einmal ansehen. Ich wette, du wärest heillos überfordert.«

Was für ein unverschämter Kerl! Aber ihm die Genugtuung geben, mich in Verlegenheit gebracht zuhaben, die gebe ich ihm nicht.

»Tja, ich würde es mir wirklich gerne mal angucken. Leider kann ich gerade meine Lupe nicht finden, aber wenn du so freundlich wärst, mir eine zu leihen, würde ich gerne auf dein Angebot zurückkommen.«

Ben

Dieses verfluchte kleine Mädchen. Wie kann sie es wagen, so mit mir zu reden! Hallo? Hat sie nicht gesehen, wer ich bin? Meine abgewetzten Klamotten, meine Frisur, scheiße mein gesamtes Äußeres schreit regelrecht GEFÄHRLICH!

Ich überlege, ob ich einfach auflegen soll, doch die Blöße, mich von einer Tussi mundtot gemacht zu haben, werde ich mir nicht geben. Ich habe mich heute schon einmal vor ihr blamiert, ein zweites Mal wird das ganz sicher nicht passieren.

»Jetzt hör mal zu, du Schnepfe. Du wüsstest wahrscheinlich nicht einmal, was du mit soviel Männlichkeit anfangen könntest, wenn du sie in den Händen hieltest. Wahrscheinlich bist du sogar noch jungfräulicher als jungfräulich. Ich verwette meinen Arsch drauf, dass du noch nie richtig gevögelt hast.«

Ich gratuliere mir innerlich zu meiner Schlagfertigkeit. Ha, da fällt dir nichts mehr drauf ein. Zicke!

»Du meinst den Arsch mit der Micky Maus?«, fragt sie in diesem Augenblick und ich überlege, ob es irgendwie möglich ist, durch diese Leitung zu hopsen, sie am Kragen zu packen und ordentlich durch zu schütteln.

»Du bist mir eine neue Hose schuldig!«, wechsle ich das Thema, weil ich gecheckt hab, dass sie in diesem Schlagabtausch dummerweise am längeren Hebel sitzt. Fuck! Was bitte ist auch peinlicher, als mit einer schwulen Disneyfigur am Arsch erwischt zu werden.

»So bin ich das?«, fragt sie spitz.

Sie scheint sich ziemlich sicher zu sein, mich vollends in der Hand zu haben. Was mich so richtig anpisst. Wenn ich nicht tatsächlich auf eine neue Hose angewiesen wäre, hätte ich auf dieses Gespräch geschissen und sie zum Teufel gewünscht. Doch das ist meine Chance auf dieses dunkle Lederhose im Bikerstyle, um die ich seit Monaten schleiche, wie die Katze um eine Schüssel Milch. Meine Eltern wären niemals in der Lage sie mir zu kaufen, geschweige denn, dass sie es gewollt hätten und von unseren nächtlichen »Einkäufen« will ich mir so etwas Teures auch nicht leisten. Seit sie Kai diesen Loser hochgenommen haben, fährt die Polizei vermehrt Streife und es ist immer schwieriger sich ein geeignetes Häuschen für einen Bruch zu suchen. Wenn ich an Kai denke, könnte ich jetzt noch kotzen. Er hat uns und die Gang eindeutig hängen lassen und das nicht nur einmal sondern nun auch ein zweites Mal, seit er sich für diese eingebildete Schickimickischnepfe entschieden hat. Kai dachte schon immer, dass er etwas Besseres ist, mit seinen Noten, und überhaupt der Tatsache, dass jemand wie er täglich seinen Hintern in diese Irrenanstalt namens Schule schiebt.

Ich scheiße auf sowas. Fürs Gymnasium wie Super-Kai war ich scheinbar zu dämlich bzw. zugegeben, ich war eindeutig zu faul. Aber meine Erzeuger haben auch nie Wert darauf gelegt, dass aus ihrem Sohnemann etwas wird. Auf Deutsch gesagt … Sie haben auf mich geschissen! Gut, bei Kestner war das genauso, bloß hat er das Scheißglück, dass seine grauen Zellen trotzdem auf Hochtouren laufen, was bei mir nicht der Fall ist. Bei mir hat es nur für die Realschule gereicht, in der ich gerade eine Ehrenrunde in der Abschlussklasse drehe. Seitdem mir klar ist, dass ich die Zehnte erneut nicht schaffe, chille ich und genieße das Leben in der Gang. Gesetzlosigkeit, Anarchie, den Kick nie zu wissen, was das Leben für einen bereit hält, das ist es was mich antörnt. Was ich brauche! Was ich geil finde!

Außerdem wäre ich niemals so bescheuert, mich auf so eine Braut wie diese Annabell einzulassen. Scheiße, ich habe keine Ahnung was Kai an der reizt. Gut, sie sieht nicht übel aus, aber solche Mädchen wie sie haben keine Ahnung von der Realität. Sie beginnen wahrscheinlich schon zu flennen, wenn sie morgens feststellen, dass sie keinen Lippenstift besitzen, der farblich zum neuen Oberteil passt.

»Hallo?«

Fuck! Scheinbar habe ich ein wenig zu lange meine Zeit mit unsinnigen Gedanken verplempert. Sie scheint ungeduldig zu werden, was mich jedoch nicht stört. Im Gegenteil, ich hoffe, dass ich sie dadurch noch ein wenig mehr reizen kann. Doch andererseits will ich das Gespräch so schnell wie möglich beenden, bevor sie mich noch weiter dissen kann. Die Braut soll mir die Hose kaufen und sich dann auf Nimmerwiedersehen verpissen. So ist der Plan und nicht anders.

»Um fünf am Brunnen am Marktplatz. Ich erwarte, dass du pünktlich bist!«

Nach diesen Worten lege ich auf. Mir steht nicht mehr der Sinn nach belanglosem Geplänkel. Kurz überlege ich, ob ich wenigstens ein gaaanz klein wenig freundlicher hätte sein sollen. Immerhin besteht nach dieser rüden Behandlung, die Möglichkeit, dass die Tussi gar nicht auftaucht. Ehrlich gesagt, es würde mich eher wundern, wenn sie es täte. Weiber sind allesamt Zicken und ich glaube nicht, dass ausgerechnet sie den Arsch in der Hose hat, sich mit mir zu treffen. Ich seufze tief. Fuck! Ich habe es vermasselt. Lederhose Ade! Ich straffe meine Schultern und kneife die Augen zusammen. Scheiß auf das Teil! Scheiß auf die nervige Braut! Ein Versuch war es wert. Ich checke noch kurz mein Handyguthaben, bevor ich mich auf mein klappriges Bike schwinge und den Kickstarter drücke. Sekunden später rase ich zu unserem Treffpunkt, dem Abbruchhaus. Als ich absteige sind meine Finger taub vor Kälte. Ich schiebe meine Hände in die Hosentaschen und jogge die Treppe hinauf zum Gangquartier. Dort ist es leider auch nicht viel wärmer. Der Wind zieht durch die zerbrochenen Fenster und Mauerritzen. Oft ist es morgens hier so scheißkalt, dass die Decken auf den Matratzen steif gefroren sind und leise knistern, sobald man sie auseinander faltet. Es ist keiner da. Mike wird wohl in seiner abgewrackten Bude sitzen, die aussieht wie nach einem Terroranschlag oder Bombenangriff, aber wenigstens warm ist. Luke und Lil vermute ich in der Fußgängerzone beim Schnorren und wo Bea sich herumtreibt weiß der Geier. Sie ist Mikes … Freundin wäre wohl übertrieben. Fickpartnerin ist der bessere Ausdruck. Der Einzige der fast ständig hier pennt bin ich. Meine Mutter wohnt seit einigen Jahren bei einem anderen Typen und interessiert sich einen Dreck für mich. Das Einzige was sie tut, um ihr Gewissen zu beruhigen ist, dass sie mir immer wieder Kohle schickt. Wenn ich jedoch Pech habe und ich nicht zuhause bin, wenn der Briefträger aufläuft, fängt den Umschlag mein Alter ab und verzockt oder versäuft das Geld. Bei ihm ist jeden Tag die Bude rappelvoll. Meist sitzt er mit seinen Saufkumpanen um den Wohnzimmertisch und pokert um die paar Kröten, die ein jeder von ihnen in der Tasche hat. Wenn ich ihnen einmal über den Weg laufe, haben diese Idioten meist nichts anderes zu tun, als mich fertig zu machen, oder sich irgendwelche perversen Scherze auf meine Kosten zu erlauben. Mein Erzeuger sitzt dabei nur mit glasigen Augen in der Ecke und blökt lallend vor sich hin, außer er ist selbst daran beteiligt, was je nach Alkoholpegel vorkommt. Vor einigen Monaten hat er mir vor allen eine geschossen, weil ich die Frechheit besessen hatte mich an ihrer verfickten Fertigpizza zu bedienen. Damit war das Maß an Demütigung, das ich ertragen konnte, erreicht. Es gibt nur wenige Gründe, warum ich mich ab und an daheim blicken lasse. Einer davon ist Duschen, ein anderer mich heimlich vollzufressen, wenn der Wichser von Vater seinen Rausch ausschläft und der dritte, wie schon erwähnt, zwecks der Asche von meiner Alten. Und manchmal fallen sogar Weihnachten, Ostern und mein Geburtstag auf einen Tag. Nämlich dann, wenn der versoffene Penner es tatsächlich auf die Reihe bekommen hat, einmal im Monat die Waschmaschine anzuwerfen und ich in den Genuss von Klamotten komme, die nicht schon seit Ewigkeiten auf dem Boden meines alten Kinderzimmers vor sich hin dümpeln.

Ich haue mich auf eine der feuchten Matratzen und ziehe mir die klamme Decke bis ans Kinn. Mir bleiben nur noch ein paar Stunden, bis ich abchecken kann, ob die Glitzer-Glimmer-Tussi, entgegen meiner Annahme doch zum vereinbarten Treffpunkt erscheint. Falls sie tatsächlich erscheinen sollte, hoffe ich, dass ich sie überhaupt wiedererkenne. Der Morgen war noch ziemlich düster und ich bin ehrlich gesagt halb pennend und restalkoholisiert von einer Party nach Hause gewankt. Auch der Joint, den ich mir kurz davor gedreht habe, hat nicht wirklich dazu beigetragen, meine Gehirnzellen auf Hochtrab zu bringen. Die Tristesse der abgefuckten Betonwände um mich herum beginnt zu verschwimmen.

Ich bin scheißdankbar, als ich merke, wie mir die Augen zufallen. So entkomme ich zumindest für eine Weile der Kälte und Trostlosigkeit dieses beschissenen Tages.

3. Kapitel

Helena

Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich der unverschämten Anweisung dieses Trottels, mich mit ihm zu treffen, nachgeben soll. Doch einerseits hat mein schlechtes Gewissen dazu beigetragen es zu tun und andererseits weiß man nie, ob Kerle wie er zu irgendwelchen Erpressungsversuchen neigen. Ich bin heilfroh, dass mein Fahrrad den morgendlichen Sturz überstanden hat, denn ansonsten müsste ich meine Eltern damit belasten, das Fahrrad in eine Werkstatt zu kutschieren, was außerdem jede Menge Fragen ihrerseits aufwerfen würde. Wertvolle Zeit ginge verloren, die sie bei meiner Schwester verbringen könnten. Das Bein kann ich nach wie vor nicht richtig belasten, da es bei jedem Versuch es auf den Boden zu stellen zu hämmern beginnt. Ich stopfe mir meine braunen Locken unter eine Mütze, fahre in meine senfgelbe Winterjacke und wickele mir einen farblich passenden Schal um den Hals. Braune, herrlich weiche Lammfellboots komplettieren mein Outfit. Ich gehe gerne shoppen, auch wenn es mir bei Weitem nicht mehr so wichtig ist wie früher. Aber es lenkt ab, genauso wie die Schule und meine Eltern haben nichts dagegen, dass ich es oft und reichlich tue. Manchmal meine ich fast, sie geben mir das Geld um sich irgendwie frei zu kaufen, dass sie so wenig, okay, gar keine Zeit für mich haben. Seitdem ich mir jeglichen Spaß, Partys und Treffen mit Freunden verboten habe, sind die wöchentlichen Einkaufsbummel neben der Schule meine einzige Ablenkung. Leider findet sich selten eine Gelegenheit, die vielen Fummel, die den Weg in die Einkaufstüten finden, auszuführen. Eigentlich weiß ich selbst nicht, wieso ich sie überhaupt kaufe.

Diesmal bin ich nicht so blöd, die Handschuhe zu vergessen. Zehn Minuten später bin ich zur Haustür raus und steige etwas steif auf mein Rad. Nebel wabert über den Boden und es ist bereits ziemlich dämmerig. Die Kulisse kommt der in einem Horrorstreifen gleich. Gänsehaut überzieht meinen Körper und mein Herz beginnt sofort ein wenig schneller zu schlagen. Meine Augen huschen von links nach rechts, so als vermute ich hinter jedem Baum, hinter jedem Zaun, einen Zombie, einen Gnom, der sich jeden Moment hervor stürzt um mir den Garaus zu machen. Die Angst sitzt mir im Nacken und ich trete fest in die Pedale, um die einsamen Straßen möglichst schnell hinter mir zu lassen.

***

Es ist bereits dunkel, als ich auf dem Marktplatz ankomme. Trotzdem herrscht ein reges Treiben, denn die Stadtarbeiter sind gerade damit beschäftigt, den Weihnachtsmarkt aufzubauen. Sie zimmern hölzerne Häuschen zusammen, hängen Lichterketten auf und in der Mitte, genau bei dem großen Brunnen, sind viele Männer mit einer Art Kran damit beschäftig den Tannenbaum aufzustellen. Ich frage mich, wie ich in all der Hektik einen Typen finden soll, von dem ich nicht einmal mehr genau weiß, wie er aussieht. Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich ja jedem einzelnen auf den Arsch glotzen könnte, um mich zu vergewissern, wer von ihnen diese quäkende Disneyfigur unter der Hose trägt. Mein Kopfkino springt an und ich muss grinsen. Ich befürchte jedoch, dass der Kerl nach dieser Blamage sein sexy Höschen ausgetauscht oder zumindest eine heile Jeanshose angezogen hat. Ich werde einfach nach dem abgewracktesten Typen Ausschau halten, der hier herumläuft. So werde ich ihn sicherlich nicht verfehlen, denke ich und kann nicht verhindern, dass sich ein hämisches Grinsen auf meine Lippen stiehlt.

Ich kette mein Fahrrad an einen Radständer und gehe langsam auf unseren Treffpunkt zu. Behutsam setze ich meinen Fuß auf den Boden, um meine Hüfte zu entlasten. Vielleicht hat er mich auf einfach nur verarscht und ist gar nicht da, schießt es mir durch den Kopf.

»Na Hinkebein, alles fit?«

Ich reiße den Kopf zur Seite und sehe, wie ein ziemlich fertiger Typ auf mich zukommt. Er trägt sein glattes, dunkles Haar ziemlich lang und muss es sich immer wieder aus dem Gesicht schütteln. Außerdem leuchtet auf einer Seite eine knallgrüne Strähne und ich frage mich, wie um alles in der Welt er so etwas cool finden kann. Eine schwarze Jacke aus Lederimitat, mit unzähligen Reißverschlüssen (Was bitte befindet sich darin? Ein Springmesser? Drogen? Zigaretten?) und dann noch dunkle Springerstiefel, von denen noch nicht einmal die Schnürsenkel gebunden sind. Als mir seine alles andere als vertrauenswürdige Erscheinung bewusst wird, frage ich mich, wie ich so hohl sein kann, mich mit ihm hier zu treffen. Am liebsten würde ich die Flucht ergreifen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Leider hat der mutmaßliche Messerstecher und Drogi meine Telefonnummer und damit lässt sich ohne großes Aufheben die dazu gehörige Adresse herausfinden. Wie kann man nur so derart bescheuert sein? Das ist nicht das erste Mal, dass ich handle ohne zu überlegen. So wie damals, als Lilly …

»Bist wohl heute Morgen auch auf die Fresse geflogen?«

Er blickt mir provozierend kerzengerade in die Augen. Mein Atem geht schneller, die düstere Aura, die diesen Kerl umgibt, ist fast greifbar.

Ich bringe nicht mehr als ein gestammeltes Hallo zustande, woraufhin er nur verächtlich schnaubt.

»Wollen wir? Ich habe nicht ewig Zeit!«, sagt er und nickt ungeduldig in eine Richtung.

»Was hast du denn heute noch so Wichtiges vor? Leute verprügeln? Drogen verticken?«

Kaum sind mir die Worte über die Lippen geschlüpft, hätte ich mich dafür ohrfeigen können. Bin ich lebensmüde? Wenn er mir jetzt eine klatscht, bin ich selbst schuld. Zu meiner Verwunderung wird er nicht aggressiv, sondern grinst mich an.

»Ach nö. Heute nicht. Immerhin herrscht hier so eine festliche und friedliche Stimmung. Das ist irgendwie … ansteckend.«

Provokant lässt er seinen Blick über den halb errichteten Weihnachtsmarkt schweifen und so wie er guckt, bin ich mir sicher, dass er diesem Fest so rein gar nichts abgewinnt. Im Gegenteil.

Mein Herz klopft einen Takt schneller, als er mir auf einmal tief in die Augen sieht.

»Aber vielleicht, habe ich ja auch Bock ein kleines unschuldiges Mädchen zum Nachtisch zu verspeisen«, feixt er. Ich halte unwillkürlich die Luft an, als er nah an mich herantritt und an meinem Hals schnuppert.

»Mhm, Vanille! Ich stehe auf Süßes!« Ich fühle, wie seine Zungenspitze langsam meinen Hals empor leckt, woraufhin es in mir zu kribbeln beginnt, was mich ziemlich verunsichert.

Ich spüre, wie meine Beklemmung einem Gefühl von Zorn … Wut … oder ist es Hass … Platz macht. Was bildet sich dieser asoziale Kerl eigentlich ein? Ich knalle ihm beide Handflächen an die Schultern und stoße ihn so heftig von mir, dass er für einen Moment ins Taumeln gerät und wahrlich Probleme hat, sein Gleichgewicht zu halten.

Verblüffung ziert sein Gesicht und er sieht mich an, als käme ich von einem fernen Planeten und wolle ihm soeben mitteilen, dass er zu Forschungszwecken mein Raumschiff besteigen soll.

»Hey Alte! Tickst du noch sauber!«

Aus schmalen Augen sehe ich ihn an. »Es bestimme immer noch ich, wer an mir schnuppern und lecken darf und wer nicht. Verstanden?«

Ich wundere mich selbst, woher ich den Mut aufbringe, mich mit diesem Radikalen anzulegen. Aber vielleicht verleiht es mir auch Sicherheit, so viele Menschen um mich zu haben, die mir im Fall der Fälle beistehen könnten, falls er auf die Idee kommen könnte, mir sein Springmesser zwischen die Rippen zu jagen, meine Eingeweide aufzuschlitzen, oder … Okay, ich habe früher definitiv zu viele Horrorfilme geguckt und neige momentan wohl zu Übertreibungen höchsten Grades. Der Bär von einem Mann da hinten zum Beispiel, der gerade Hölzer in den Boden schlägt, um dem Tannenbaum seine nötige Standfestigkeit zu geben, der hätte sicher kein Problem diesen Möchtegern-Bad-Boy vor mir umzunieten.

»Scheiße, bist du zickig. Wurdest wohl schon lange nicht mehr gevögelt, so verspannt wie du bist.«

Röte schießt mir ins Gesicht. Mal wieder! Sobald ich diesen Wahnsinnigen treffe (was ohnehin nie wieder vorkommen wird) kann ich mir das Auflegen von Rouge definitiv ersparen. Was bildet sich dieser Idiot eigentlich ein! Sein Mund verzieht sich zu einem hämischen Grinsen.

»Fuck! Du wurdest noch nie geknallt. Stimmt‘s?« Und wie er das so sagt, klingt er sehr zufrieden.

Am liebsten hätte ich ihm für seine zur Schau gestellte Überheblichkeit eine gescheuert, doch das traue ich mich dann doch nicht.

»Lass uns jetzt einfach diese verdammte Hose kaufen gehen«, zische ich, um meine Verlegenheit zu überspielen, drehe mich um und steuere auf den H&M zu der direkt gegenüberliegt.

»Falsche Richtung, Püppchen! Wir müssen da entlang!«

Oh, wie ich ihn hasse!

Er stapft auf einen kleinen Laden zu, der sich in einer Häuserfront zwischen zwei mächtige Bürokomplexe duckt. Er ist so schmal, dass ich ihn bisher noch nicht wirklich wahrgenommen habe. Gut und meine Mode führt dieses Geschäft sowieso nicht, wie mir ein Blick auf die Schaufensterscheibe bestätigt. Bikerklamotten, Motorradhelme, Sonnenbrillen und noch vielerlei andere Dinge, die einen beinharten Rocker ausmachen, lassen mich erahnen, wie es im Inneren aussehen wird.

Der Typ bleibt direkt davor stehen und beglotzt eine Lederhose, mit einer Unmenge an Reißverschlüssen und Fransen. Damit könnte er glatt als Lamettaersatz am Weihnachtsbaum durchgehen. Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht laut loszulachen. Sein Geschmack ist wirklich unterirdisch.

»Eigentlich kannst du mir auch die Kohle geben und dich dann verziehen!«, sagt er mit arrogant hochgezogenen Augenbrauen, als er sich zu mir umdreht.

»Wieviel kostet denn das Teil?« Ich gehe an ihm vorbei und schaue nach dem Preisschild. Vor Ungläubigkeit purzeln mir fast die Augen aus dem Kopf.

»Bist du irre!«, fahre ich ihn an. »Ich gebe dir sicher keine 120 Euro für eine Hose.« Ich bin stocksauer. Der Typ ist doch nicht zurechnungsfähig. Was glaubt er denn, wer er ist! 120 Euro! Soviel hat wahrscheinlich das komplette Outfit, das er trägt nicht gekostet.

Wütend bahne ich mir einen Weg zurück zu meinem Fahrrad. »Abzocken lasse ich mich von dir sicher nicht!«, schreie ich über die Schulter zu ihm zurück. Das kann er sowas von vergessen.

»Hey Schneckchen, es war dein Angebot. Schon vergessen?«

Ist mir doch völlig egal, was ich in dem Moment gesagt habe, als ich gestürzt bin, vielleicht hat mein Gehirn in diesem Augenblick auf Standby gestanden. Ich spüre, wie mich wer an der Jacke packt und damit zum Stehenbleiben zwingt.

Ich fahre herum. Natürlich. ER.

Erbost reiße ich mich los. »Fass mich nicht an!«, zische ich und funkle ihn zornig an.

»Du glaubst doch wohl nicht, dass ich umsonst in die Stadt gekommen bin. Außerdem lässt du mich hier nicht stehen. Du nicht! Verstanden!« Er verschränkt die Arme vor der Brust und blickt mich gelassen mit stoischer Miene an.

Mir wird klar, dass er mich solange nicht in Ruhe lassen wird, bis er das verflixte Teil besitzt. Ich habe definitiv Bekanntschaft mit einem Psychopathen geschlossen. Herzlichen Glückwunsch, Helena, du scheinst Probleme magisch anzuziehen. Ich sehe ihn aus schmalen Schlitzen an, was ihn leider nicht sonderlich zu beeindrucken scheint. Ach, zur Hölle … Es ist kalt und ich will nach Hause.

Aber so einfach werde ich es diesem Idioten nicht machen. Er soll leiden, für das, was er da gerade mit mir abzieht.

»Okay, ich kaufe das Kuhhaut-Teil, aber nur unter einer Bedingung!«

Ein Grinsen zuckt in meinen Mundwinkeln.

»Und die wäre?« Er verdreht genervt die Augen. Damit scheint er nicht gerechnet zu haben. Doch mir ist klar, dass ich ihm genauso auf dem Wecker falle, wie er mir.

»Ich komme mit!« Er zieht die Augenbrauen in die Höhe, sein Gesicht ist ein einziges Fragezeichen.

»W … wie bitte?«

Ich lächle ihn breit an. »Ja, ich gehe mit in den Laden und gucke zu, ob du tatsächlich so irre bist und das abscheuliche Teil kaufst. Ansonsten siehst du keinen Cent von mir.«

Ben

Scheiße, ist die Kleine nervig. Jetzt will sie auch noch mit. Dieses teuflische Lächeln, das da um ihre Lippen spielt, verheißt nichts Gutes. Ich habe das ungute Gefühl, dass sie irgendetwas ausheckt. Leider habe ich nicht die geringste Ahnung, mit was sie mir etwas reinwürgen könnte. Sie treibt mich zur Weißglut und fordert meine Geduld gewaltig heraus. Am liebsten hätte ich sie zur Hölle gejagt, doch andererseits werde ich wohl nie wieder in den Genuss kommen, Klamotten für lau zu erhalten.

Schnaubend gebe ich nach und gehe zum Laden, ohne auf sie zu warten.