Ballnacht auf Schloss Hochberg - Karin Bucha - E-Book

Ballnacht auf Schloss Hochberg E-Book

Karin Bucha

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Beschreibung

Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt. Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht. Das Schloß – auf dessen östlichem Turm die Flagge der Hochbergs und Friedbergs lustig flattert, zum Zeichen, daß der Herr und Besitzer des Schlosses nach langjähriger Abwesenheit wieder heimgekehrt ist – erstrahlt in festlichem Lichterglanz. Es ist eine berauschende, warme Sommernacht und der Himmel wölbt sich wie eine samtene Decke, bestickt mit unzähligen Diamanten. Der Mond wirft sein silbernes Licht in die liebliche Landschaft. Aber das alles verblaßt gegen die Lichterfülle, die sich aus den Sälen, deren weit geöffnete Türen auf die Terrasse führen, ergießt. Die Wege im Park sind mit Tausenden bunter Lampen geschmückt und die unzähligen, eigens für die Gemütlichkeit hergerichteten Rosenlauben sind mit bunten Lampions bekränzt und werfen ihr warmes Licht auf die zierlich gedeckten Tische. Es ist nach der Abendtafel. Die Gäste haben sich vor der Hitze des Speisesaales hinaus in die milde Abendluft geflüchtet. Eine auserlesene Gesellschaft belebt Gänge und Wege des gepflegten und weit berühmten Hochberger Parkes, der sonst auch der Öffentlichkeit zugängig ist. Schöne Frauen, bedeutende Männer beherbergt heute Schloß Hochberg. Die Luft ist erfüllt mit warmem, perlendem Frauenlachen. Kostbare Kleider werden mit Charme und Anmut über Rasen und Wege getragen. An weißen makellosen Nacken funkeln blitzende Diamanten, und die Herren im dunklen Frack bilden einen vornehmen Rahmen zu der Farbenpracht der Frauengewänder. Diener eilen geschäftig mit ihren Erfrischungen hin und her, und die Stimmung ist heiter und froh. – Man will sich nur ein wenig Bewegung verschaffen, um sich dann mit voller Lebenslust in den Strudel des Tanzes zu werfen, wozu der Hausmeister Sachs die letzten Anweisungen gibt. Das Fest – ein Mitternachtsball, wie Graf Jörg von Hochberg und Friedberg verkündet hat – steht ganz im Zeichen der Rose. Rosen haben in verschwenderischer Fülle die Abendtafel geschmückt. Rosen duften von den Beeten im Park und rosenübersät sind die Lauben und die Bögen, die sich über die Wege spannen. Rosen tragen die Damen an der Brust oder im Haar und die Herren am Frack. »Baronin«, Graf Jörg Hochberg küßt seiner Tischdame, Freifrau von Austen, galant die Hand und übergibt sie der Fürsorge des Gatten.

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Leseprobe: Die andere Frau

Die Hellströms – Das ist eine sympathische schwedische Großfamilie, die wie Pech und Schwefel zusammenhält, wenn es darauf ankommt. Den Hellströms gehört das älteste Brauhaus Schwedens. Sie wohnen auf einem idyllischen Landsitz im Süden des Landes, ein eigener See und das nahe Meer laden zum Baden ein. Für Wenke, die blonde, temperamentvolle Tochter von Frans und Liv Hellström, ist das tägliche Bad ein Muss – natürlich ohne eine störende Textilfaser am Leib! Das Brauhaus ist der Lebensinhalt von Frans Hellström, dem Patriarchen. Er opfert sich auf, um die Marke ständig zu verbessern und noch bekannter zu machen. Erik, sein Sohn, steht ihm zwar zur Seite, doch ist er eher Händler als Brauer. Liv, Frans’ Frau, sorgt sich manchmal ein bisschen um ihren Mann, der sich so in seine Arbeit verbeißt. Da trifft es sich gut, dass Wenke mit dem jungen Braumeister Sören verbandelt ist. Sie rechnet fest mit seinem Heiratsantrag. Doch Greta, ihre welterfahrene Tante, ahnt, möglicherweise großer Liebeskummer auf ihre geliebte Nichte zukommen könnte… Diese spannend und einfühlsam geschriebene Serie der Autorin Laura Vinblatt lädt Leserinnen und Leser ein, die sympathische Großfamilie und ihre Freunde näher kennenzulernen und Anteil zu nehmen an ihren Freuden und Nöten, den Aufregungen und Herzensverstrickungen. Unbedingt lesenswert!

Karin Bucha Classic – 26 –

Ballnacht auf Schloss Hochberg

Karin Bucha

Das Schloß – auf dessen östlichem Turm die Flagge der Hochbergs und Friedbergs lustig flattert, zum Zeichen, daß der Herr und Besitzer des Schlosses nach langjähriger Abwesenheit wieder heimgekehrt ist – erstrahlt in festlichem Lichterglanz.

Es ist eine berauschende, warme Sommernacht und der Himmel wölbt sich wie eine samtene Decke, bestickt mit unzähligen Diamanten. Der Mond wirft sein silbernes Licht in die liebliche Landschaft. Aber das alles verblaßt gegen die Lichterfülle, die sich aus den Sälen, deren weit geöffnete Türen auf die Terrasse führen, ergießt. Die Wege im Park sind mit Tausenden bunter Lampen geschmückt und die unzähligen, eigens für die Gemütlichkeit hergerichteten Rosenlauben sind mit bunten Lampions bekränzt und werfen ihr warmes Licht auf die zierlich gedeckten Tische.

Es ist nach der Abendtafel. Die Gäste haben sich vor der Hitze des Speisesaales hinaus in die milde Abendluft geflüchtet. Eine auserlesene Gesellschaft belebt Gänge und Wege des gepflegten und weit berühmten Hochberger Parkes, der sonst auch der Öffentlichkeit zugängig ist.

Schöne Frauen, bedeutende Männer beherbergt heute Schloß Hochberg. Die Luft ist erfüllt mit warmem, perlendem Frauenlachen. Kostbare Kleider werden mit Charme und Anmut über Rasen und Wege getragen. An weißen makellosen Nacken funkeln blitzende Diamanten, und die Herren im dunklen Frack bilden einen vornehmen Rahmen zu der Farbenpracht der Frauengewänder.

Diener eilen geschäftig mit ihren Erfrischungen hin und her, und die Stimmung ist heiter und froh. – Man will sich nur ein wenig Bewegung verschaffen, um sich dann mit voller Lebenslust in den Strudel des Tanzes zu werfen, wozu der Hausmeister Sachs die letzten Anweisungen gibt.

Das Fest – ein Mitternachtsball, wie Graf Jörg von Hochberg und Friedberg verkündet hat – steht ganz im Zeichen der Rose. Rosen haben in verschwenderischer Fülle die Abendtafel geschmückt. Rosen duften von den Beeten im Park und rosenübersät sind die Lauben und die Bögen, die sich über die Wege spannen. Rosen tragen die Damen an der Brust oder im Haar und die Herren am Frack.

»Baronin«, Graf Jörg Hochberg küßt seiner Tischdame, Freifrau von Austen, galant die Hand und übergibt sie der Fürsorge des Gatten. »Entschuldigen Sie mich bitte, ich muß mich einmal nach meiner Tante umsehen.«

Noch ein Scherzwort wird zwischen den drei Menschen gewechselt, dann zieht Jörg Hochberg sich zurück. Das Ehepaar schaut hinter der hochgewachsenen, imponierenden Männergestalt her. Ihre Augen treffen sich mit einem verstehenden Lächeln.

»Wenn ich nicht so alt wäre, in den könnte ich mich auf der Stelle verlieben.« Sie seufzt leicht auf und legt gleich darauf die ringgeschmückte Hand auf den Arm des Gatten. »Der Graf wird heute allerlei Unheil unter den jungen Damen anrichten.«

»Graf Jörg trägt aber wenig dazu bei«, erwidert von Austen und drückt den Arm, der sich weich an den seinen schmiegt, ein wenig.

»Es ist ein Jammer, daß wegen einer einzigen Frau dieser prachtvolle Kerl zu einem Frauenverächter geworden ist. Ich könnte die schöne Herma noch umbringen, weil sie es fertigbrachte, mit Graf Jörg zu spielen.«

»Ja, es ist wirklich ein Jammer«, stimmt sie ihm bei. »Aber einmal wird auch die große Liebe zu ihm kommen, dann gnade ihm Gott.«

Langsam entfernt sich das Ehepaar.

Hochberg geht nachdenklich dem mittleren Teil des Parkes zu. Aus einem Seitenweg taucht ein Paar auf. Es ist Dr. Rudolf v. Lindholm, Hochbergs Freund und Vertrauter. Er führt die entzückende, lebhafte Baroneß Elma v. Merlin am Arm.

»Ah, der Weltenbummler«, sprudelt sie mit glänzenden Augen hervor. »Ich glaube heute an die Berühmtheit der Hochberger Bälle, lieber Graf. Aber so schön hatte ich es mir wirklich nicht vorgestellt. Sie sind der reinste Zauberer, und ich verstehe meinen Vater, der von den Festen auf Schloß Hochberg geschwärmt hat.«

»Sie übertreiben, Baroneß«, wehrt Graf Jörg ab. »Ich freue mich, daß es mir gelungen ist, Ihnen eine gute Meinung vom Schloß meiner Väter beizubringen.«

»Vom Schloß nicht allein«, lacht sie herzlich auf. »Von Ihnen auch, lieber Graf. Wann beginnt der Tanz?«

»Es wird wohl bald soweit sein. Ich bin auf der Suche nach Tante Bettina, damit der Ball dann eröffnet werden kann.«

Dr. v. Lindholm hat stumm dabeigestanden und sich an dem sprechenden Mienenspiel der kleinen Baroneß ergötzt. Auch er ist gutgewachsen und fällt durch seinen interessanten Kopf sofort ins Auge. Dennoch, gegen Graf Hochberg verblaßt er.

Die Hochbergs waren alle ausgesprochen schöne, dunkle und draufgängerische Männer, von denen man sich allerhand tolle Streiche erzählte, die aber später die besten, ja, idealsten Ehemänner wurden.

»Viel Vergnügen auch weiterhin. Wir sehen uns dann im Schloß wieder.«

»Wiedersehen bis nachher!«

Graf Hochberg setzt seinen Weg fort. Immer wieder wird er aufgehalten, Scherzworte werden gewechselt! Komplimente ausgetauscht, und immer sind es sehnsüchtige Blicke aus schönen Frauenaugen, die hinter ihm herlaufen. Hochberg scheint unberührt davon. Sein Wesen ist von Grund auf bezwingend,und doch ist es, als könne keiner an ihn heran, als sei unsichtbar eine Mauer gezogen, gegen die man vergeblich anrennt. Vielleicht ist es gerade das, was den Frauen ihn so begehrenswert erscheinen läßt.

»Hallo, mein Junge!« Fürstin Bettinas dunkle Stimme, man nennt sie manchmal scherzhaft die zweite Adele Sandrock, reißt ihn aus seiner Nachdenklichkeit. »Träumst du mit offenen Augen?«

»Hier finde ich dich!«

Graf Hochberg läßt sich an der gemütlichen Tafelrunde nieder. Natürlich hat Tante Bettina wieder die Jugend um sich versammelt. Die blonden, braunen und schwarzen Mäd-chenköpfe haben sich dem Hausherrn ruckartig zugewandt, und nun bestürmt man ihn, wann der Tanz beginnt.

»Sofort, meine Damen«, gibt er lächelnd Auskunft. »Sie dürfen mir nicht böse sein, aber ich muß Tante Bettina entführen.«

Er ergreift die Hand der alten Dame im schlohweißen Haar und drückt einen Kuß darauf.

»Ich danke dir für deine Mühe, Tantchen, es klappt alles ausgezeichnet. Ich muß gestehen, mir war ein wenig bange. Ich habe geglaubt, in den Jahren der Verbannung von Schloß Hochberg sei ich dem ganzen Zauber entwachsen.«

Die Jugend ist davongeflattert. Die beiden Hochbergs sind allein. Die hellen, jugendlich blitzenden Augen der Fürstin sind forschend auf das tiefdunkel gebrannte Gesicht des Neffen gerichtet.

»Und wie steht es mit dir, amüsierst du dich auch?«

»Gewiß! Es macht mir Freude, daß es unseren Gästen gefällt«, gibt er abweisend zurück.

»Papperlapapp!« fährt sie ihm energisch dazwischen. »Gästen gefällt – dir soll es gefallen, vor allem die jungen Damen sollen dir gefallen.«

»Alle?« Er lacht herzhaft auf.

»Dummes Zeug! Irgendeine, meine ich. Alle kannst du schließlich nicht heiraten.« Mit dem Stock verleiht sie ihren Worten Nachdruck. »Schließlich habe ich den ganzen Mummenschanz ja nur veranstaltet, damit du dir endlich die passende Frau aussuchst.«

Seine Miene verdüstert sich.

»Laß das doch endlich sein, Tante«, sagt er schroff und entnimmt dem Etui eine Zigarette, die er langsam anzündet und ein paar Züge genießerisch in die Luft stößt. »Ich heirate nicht.«

»So«, wiederholt sie aufgebracht, »du heiratest nicht, und damit glaubst du alles getan zu haben. Und was bist du dem Hause Hochberg und Friedberg schuldig? Willst du als Einzelgänger und Sonderling ins Grab fahren? Anlagen hast du ja dazu. Aber solange ich einen Atemzug in mir habe, werde ich dich bearbeiten. Einmal wirst du schon mürbe werden, mein Junge.«

Hochberg mußte wider Willen lachen.

»Willst du dir durchaus einen Kuppelpelz verdienen?«

»Ich pfeife darauf. Ich will dich glücklich sehen. Kinder will ich noch von dir auf den Knien schaukeln. – Mindestens ein Dutzend gehören in den stillen Bau da drüben. Leben muß wieder ins Haus kommen. Oder soll unser Geschlecht mit dir etwa aussterben?«

Hochberg antwortet nicht. Sein Blick schweift ins Leere. Eine stolze, hochgewachsene Frau sieht er vor seinem geistigen Auge. Sie hatte er zur Herrin dieses schönen Hauses ausersehen. In ihr hatte er die zukünftige Mutter seiner Kinder erblickt. Aus! Was ist schon Frauenliebe! Frauentreue!

Er wendet sich der Fürstin wieder zu.

»Ich kann nur eine Frau heiraten, die ich mit Leib und Seele liebe und die mich wieder liebt, selbstlos und treu, nicht meinen Namen, meinen Titel, mein Geld. Die Frau zu finden, liebste Tante, wird schwer sein. Die gibt es gar nicht.«

»Das wäre doch gelacht.« Ärgerlich bearbeitet die Fürstin mit ihrem Stock den Boden, ein Zeichen, daß sie erregt ist. »Irgendwo blüht auch für dich diese Blume. Ich werde sie schon finden, denn du läufst ja mit Scheuklappen durch die Welt.«

Hochberg erhebt sich und bietet der Fürstin den Arm.

»Darf ich dich jetzt bitten, mit mir ins Haus zurückzukehren? Wir müssen den Tanz eröffnen, die Jugend wird sonst ungeduldig.«

»Wirst du auch tanzen?« Ein Seitenblick aus ihren blitzenden Augen trifft ihn ungnädig.

»Ich werde doch meine Pflicht als Hausherr nicht verletzen.«

Sie brummelt etwas von »Pflicht« und »Freude machen«, und schweigend legen sie den Weg ins Schloß zurück.

*

In dem weitläufigen Raum neben der großartig angelegten Schloßküche hat Anna Bahlen, die langjährige Verwalterin, ihr ureigenstes Reich. Von hier aus gibt sie ihre Befehle und kommandiert die zahlreichen Angestellten. Sie ist bei allen beliebt, wenngleich sie ein strenges, aber gerechtes Kommando führt. Bei manchem ist sie aber auch gefürchtet wegen ihrer scharfen, die Wahrheit schonungslos enthüllenden Zunge. Aber sie hat das Herz auf dem rechten Fleck; und für ihre Herrschaft ließe sie sich gut und gern vierteilen.

Der Hauptbetrieb nach der Abendtafel ist vorüber, und Anna Bahlen hat sich in ihr angrenzendes Zimmer zurückgezogen. Bei einer Tasse Kaffee erholt sie sich ein wenig und träumt vor sich hin. Sie muß sogar eingenickt sein, denn als zwei weiche Arme sich von hinten um ihren Hals legen, fährt sie entsetzt empor.

»Jessas, Mädel«, lächelt sie beruhigt in das glühende Mädchengesicht, das sich an das ihre schmiegt. »Du bist es, Gabriela. Nein, wie bin ich erschrokken. Wo kommst du um diese Zeit her? Bist am Ende ausgekniffen?«

»Nein, Annatante. Ich lag schon im Bett, aber ich konnte es nicht mehr aushalten. Ein wenig zuschauen wollte ich dem Fest. Darf ich?« schmeichelt sie. Und dann gleitet sie hinter dem breiten Rücken der Patentante hervor und läßt sich zu deren Füßen nieder. »Ich bin schon einmal durch den Park gelaufen –«

»Um Gottes willen, Kind, in diesem Aufzug? Wenn dich nun einer von den Gästen gesehen hätte?!« Ganz entsetzt ist Anna Bahlen.

»Keine Bange, Tantchen, mich hat keiner gesehen. Ich kenne ja Weg und Steg im Park, überhaupt, mir ist das Schloß so vertraut, als –«

»– als?« forscht Anna Bahlen.

»Als wäre ich hier geboren«, vollendet Gabriela verträumt. Sie hat die braungebrannten schlanken Arme um das Knie geschlungen.

Die Verwalterin lehnt sich mit einem nachsichtigen Lächeln zurück.

»Bist du auch!«

»Waaas?« Gabriela fährt überrascht empor. »Ich bin hier im Schloß geboren? Davon weiß ich doch gar nichts. Warum hast du mir das noch nicht erzählt?«

»Du hast mich noch nie danach gefragt.«

»Erzähle, bitte, erzähle, Patin«, bettelt Gabriela, und sie läßt sich wieder zu Füßen der Patentante nieder. Das von einem häßlichen Tuch umrahmte Gesichtchen zu der Frau emporgehoben, lauscht sie andächtig.

»Einen Augenblick, Kind.« Anna Bahlen geht hinüber zu der Vitrine. Mit einem Schlüssel, den sie um den Hals trägt, öffnet sie das untere Fach und bringt ein Buch, das sie Gabriela in den Schoß legt. »Da, mein Kind, das fand sich in der Tasche deiner Mutter. Es sind ihre Aufzeichnungen, die ich später vollendet habe. Du hast sie schnell gelesen.«

Zaghaft nimmt Gabriela das Buch im roten Ledereinband in die Hände. Ehrfurchtsvoll ist ihr zumute. Erstmals hört sie etwas von ihrer Mutter, deren Name der Großvater nie in den Mund nahm. Jede Frage nach ihr schnitt er ihr kurzerhand ab. Heute tut sich nun vor ihr eines der vielen Geheimnisse auf, die sie um die Gestalt ihrer geliebten Mutter gewoben hatte.

Das dunkellockige Haupt gesenkt, vertieft sie sich in die Aufzeichnun-gen.

Die Aufzeichnungen Gabriele Wendheims!

*

Ein Reisewagen ist unterwegs, unentwegt strebt er seinem Ziel im Norden zu. Die Nacht ist dunkel, unwirsch, und der Wind heult schaurig um die elegante Kutsche, die von rassigen, ausdauernden Pferden gezogen wird.

Kein Stern ist am Himmel zu sehen, dafür schlägt manchmal der Regen gegen die Scheiben. Dann birgt das junge Weib, das in weiche Kissen gebettet ist, und von den Armen des Gatten sorglich umschlungen wird, sein Gesicht an dessen Brust, bis das Zittern nachläßt und es ruhig und tief atmend entschlummert ist.

»Noch eine kurze Wegstunde, Gabriele«, raunt Professor Wendheim seinem jungen Weib zu, »dann kommst du in Wärme und ins Bett.«

Aber das hört Gabriele schon nicht mehr. Sie schläft. Albert Wendheim ahnt nur das kleine Lächeln, das um den schöngeschwungenen Mund Gabrieles steht. Immer steht dieses kleine sehnsüchtige Lächeln in ihren Mundwinkeln, wenn sie schläft. Nicht satt sehen kann Albert Wendheim sich an der Schönheit seines jungen Weibes. Fast kann er es nicht begreifen, daß so viel Schönheit ihm gehört, daß die junge, bildschöne Gabriele ausgerechnet ihm, dem um so viele Jahre Älteren ihr Jawort gegeben hat.

Gabrieles Herz ist ihm vom ersten Augenblick des Kennens an zugeflogen, aber ihr Vater ist ihm nur mit Mißtrauen begegnet. Er hat auch nie ein Hehl aus seinen Gefühlen gemacht, daß er ihn, den Professor Wendheim, nicht leiden mag, daß er ihn nur als Eindringling betrachtet, der ihm das Liebste, sein schönes Kind, entführt hat.

Das alles geht ihm durch den Sinn, und dabei entsteht eine Unmutsfalte auf seiner hohen, klugen Stirn. Ob er wohl Gabriele das Elternhaus zu ersetzen vermag – mit all seiner Liebe? Er sieht die zarte Frau, Gabrieles Mutter, vor sich, die nicht gegen den harten, despotischen Willen des Gatten aufzumucken wagt. Er sieht Gabriele in den Armen der Mutter liegen, halb wahnsinnig vor Abschiedsschmerz. Er glaubt den Blick Gabrieles zu sehen, mit dem sie das Elternhaus noch einmal umschlossen hat. – Der Vater, an dem Gabriele mit inniger Liebe hing, blieb unsichtbar.

Weinend hat sie sich dem Gatten in die Arme geworfen, und so hat er sie hinweggebracht von der Stätte ihrer Kindheit, der ersten Jugendjahre, hinweg aus den schützenden Armen von Mutter und Vater, um sie in seine Heimat, die weit im Norden liegt, zu verpflanzen.

In diesem Augenblick, da Gabriele bitterlich weinend bei ihm Schutz suchte, hatte er sich geschworen, alles zu tun, um Gabriele alles vergessen zu machen, was sie seinetwegen aufgegeben hat…

Der Wagen rumpelt über Kopfsteinpflaster, und Albert Wendheim weiß jetzt, sie haben seine Vaterstadt erreicht.

Behutsam hebt er Gabriele aus den Kissen, sie gleichzeitig sanft an den Schultern rüttelnd.

»Wir sind am Ziel, Liebes.«

So schnell kann Gabriele sich nicht aus ihrem Traum lösen. Verschlafen schaut sie um sich, sieht die hellen, gütigen Augen des Gatten im unsicheren Schein der Laterne, die ein Diener mit eisgrauem Haar über seinem Kopf hält, sich dabei verneigend.

»Ich heiße die Herrschaften herzlich willkommen«, sagt er mit einer Stimme, die vor Freude zittert. Seine Augen suchen die Frau des Herrn, die widerstrebend nur das zierliche Füßchen auf die Wagentreppe setzt.

Da nimmt Albert Wendheim die junge Frau kurz entschlossen auf die Arme und trägt sie ins Haus.

»Geh voran, Joseph«, befiehlt er dem Alten, »leuchte mir ins Haus und sorge dann für Pferde und Kutscher.«

»Jawohl, Herr Professor!« beeilt der Diener sich zu versichern und eilt voran. Da flammt schon die Beleuchtung unter dem Portal auf, und eine stattliche Frau, die Verwalterin des Hauses, erscheint unter der Tür. Tadellos angezogen, als habe sie die halbe Nacht aufgesessen und auf die junge Herrschaft gewartet.

»Herzlich willkommen«, sagt sie mit dunkler, wohllautender Stimme und knickst und strahlt über das ganze fröhliche, gesunde Gesicht.

Neugierig, beinahe atemlos vor Spannung, schaut die junge Gabriele von dem warmen Platz, am Herzen des Gatten, auf die beiden Menschen, die fortan auch für sie tätig sein werden, und sie atmet ein ganz klein wenig auf, blinzelt vor der plötzlichen Helligkeit und begegnet dann dem Blick des Gatten.

Sie nickt ihm lächelnd zu, und da atmet auch Albert Wendheim auf. Gottlob, die beiden Alten haben Gnade vor Gabriele gefunden. Es hätte ihm weh getan, wenn Gabriele sich unter der Betreuung der beiden bewährten Menschen nicht wohl fühlen würde.

So genau kennt er die geliebte Frau, daß er an diesem und jenem, an kleinen Gesten sie und auch sich verstanden weiß.

Es hallt von unterdrücktem Jubel wider, als auch er jetzt sagt:

»Herzlich willkommen, Geliebtes. Ich wünschte, du wärest so glücklich, wie ich es bin.«

Da neigt Gabriele Wendheim sich etwas tiefer hinab und preßt ihren Mund auf die Lippen des Gatten. Das ist ihre Antwort, während sie sich nur noch inniger in seine Arme kuschelt.

»Schnell, schnell«, treibt der Professor die beiden Alten ein wenig ungeduldig an, die vor Staunen über so viel Schönheit und dem offensichtlichen Glück des Herrn wie angewurzelt stehen. »Wir haben eine sehr lange und beschwerliche Reise hinter uns. Uns ist kalt, und wir sind hungrig.«

»Ich nicht«, flüstert Gabriele ihrem Manne zu. »Hunger habe ich keinen. Nur etwas heißen Tee, wenn ich bitten darf, und dann schlafen, schlafen.«

Das große, etwas düster wirkende Haus mit den riesigen Zimmern, die wie Säle anmuten, wird lebendig. Türen werden geöffnet und zugeschlagen, Schritte eilen treppauf und treppab. Aber es ist eine disziplinierte Geschäftigkeit.

Gabriele wird Beate übergeben, und diese entkleidet die junge Frau, die sich kaum noch auf den Beinen halten kann, badet sie und packt sie wie ein Kind in das mollig weiche Bett.

»So, gnädige Frau«, sagt sie und nimmt Joseph das Tablett mit allerlei leckeren Dingen ab. »Da ist auch der Tee. So heiß als möglich trinken.«

Gehorsam, schluckweise, nimmt Gabriele das dampfende Getränk, das süß und lieblich schmeckt, zu sich, und noch ehe sie das Glas geleert hat, sind ihr die Augen zugefallen. Das Köpfchen mit den rostbraunen Locken, die im Licht der Nachtlampe wie flüssiges Gold schimmern, zur Seite geneigt, schläft sie friedlich. Die eine Hand hat sie in der Haarflut vergraben, die andere liegt schmal, weiß und feingliedrig auf der seidenen Decke.

»Schön, wunderschön«, flüstert Bea-te und verläßt auf Zehenspitzen das Zimmer. »Und gut!« – setzt sie in Gedanken hinzu. Sie hat ein wenig Bange gehabt, der junge Herr – immer noch heißt er bei ihr und Joseph der junge Herr, obgleich seine Schläfen bereits weiß schimmern – möge in die Hände einer kaltherzigen Egoistin gefallen sein, die mehr sein Geld, denn ihn selbst liebe.

»Sie schläft«, raunt sie draußen dem Professor zu, der sich ebenfalls um sein junges Weib kümmern will.

»Dann ist es gut«, gibt er ebenso leise zurück, und dann müssen sie beide lächeln, und ihre Hände finden sich wie in stiller Übereinkunft.

»Sonst alles in Ordnung?« erkundigt er sich. »Aber das hat Zeit bis morgen. Wir werden nicht lange hier in der Stadtwohnung bleiben. Wir gehen auf die Insel, und du und Joseph, ihr kommt mit.«

Da geht es wie Wetterleuchten über die Züge der Frau. »Ooh, Dank, vielen Dank. Das wird eine schöne Zeit werden.«

*

Und es wird eine wunderbare Zeit, die Gabriele an der Seite ihres Mannes auf der Insel verlebt, die zu dem Hause Wendheim gehört und auf der Alberts Großvater ein kleines, aber geräumiges Haus mit allen Bequemlichkeiten für seine junge Frau hatte erbauen lassen.

Die Wendheims waren alle Kaufleute gewesen, außer Albert, der sich der Wissenschaft verschrieb. Und wenn sie genug hatten von Geschäften und den damit verbundenen gesellschaftlichen Verpflichtungen, dann zogen sie sich auf das kleine stille Eiland zurück und waren glücklich.

Gabriele und Albert Wendheim sind es auch. Der Professor hat die wärmste Jahreszeit zu seinem Aufenthalt auf der Insel gewählt, denn dort oben

herrscht immer ein rauheres Klima als in der Stadt.

Er hat Gabriele völlig freie Hand gelassen. Gärtner sind anmarschiert und haben mit der jungen Herrin, die sie alle ausnahmslos bewundern, die neuen Blumenanlagen besprochen. Alle ihre Lieblingsblumen wurden angepflanzt, und bald war das kleine Eiland in der warmen Sommersonne ein lieblich blühender Blumengarten geworden, und Gabriele, die schöne, fremdländisch anmutende Prinzessin, darin.

Gabriele war wie ein Kind, wie ein gehorsames, leicht lenkbares Kind, und dennoch von einem eigenen festen Willen. Das hatte sie schon bewiesen, als der schwere Kampf um ihre Liebe mit dem Vater begann.

Und das ist der einzige Schatten, der über dem großen, berauschenden Glück der beiden Menschen liegt. Es kommt nie eine Antwort auf Gabrieles Briefe, die sie mit nie versagender Geduld in regelmäßigen Abständen ins Elternhaus sendet.

Dann geschieht es wohl schon einmal, daß die kleine, verwöhnte Prinzessin am Strand der Insel sitzt, ihre Augen voll Sehnsucht in die Ferne gerichtet, und Tränen die lieblichen gebräunten Wangen hinabrollen.

Sie hat Sehnsucht nach der geliebten Mutter, doch auch nach dem gestrengen Vater, der trotz all seiner Strenge immer Liebe für sie empfand. Das hatte sie stets anerkannt.

Aber nun hat man sie vergessen! – Man denkt nicht mehr an sie, die doch nur dem Ruf ihres Herzens gefolgt ist. Und es hat richtig gewählt! Gibt es einen noch besseren, edleren Mann als Albert, der ihr die Wünsche von den Augen abliest?

Dann steigt der Trotz in ihr empor, und nicht nur einmal hat Albert sie dabei überrascht, wie ihr die Tränen über das Antlitz rannen. Dann hat sie sich ihm in die Arme geworfen und bittere Worte gegen die Eltern hervorgesprudelt.

Er hat sie jedoch kaum angeklagt, die beiden alten Menschen, denen nie der Gedanke gekommen war, ihr einziges, spätgeborenes Kind einmal so weit weggeben zu müssen.

»Du darfst sie nicht verurteilen, Liebes«, hat er immer wieder versucht, die Eltern in Schutz zu nehmen. »Eltern sind mitunter sehr egoistisch. Sie vergessen, daß aus Kindern selbständig denkende Menschen werden und sich ihr Glück selbst zimmern wollen.«

»Niemals würde ich so egoistisch sein, niemals«, erwiderte dann Gabriele leidenschaftlich.

So vergeht der Sommer und der Herbst, den sie auf Gabrieles Wunsch auch noch auf der Insel verbringen. Dann aber drängt Albert zur Rückkehr in die Stadt.

Gabriele verläßt nur ungern all ihre Lieblingsplätze im Garten, am Strand. Sie geht abschiednehmend durch das Haus, das ihr großes Glück umschließt, streicht versonnen über diesen oder jenen Gegenstand, der ihr besonderes Wohlgefallen erregt hat und sucht dann Beate auf, die mit dem Packen der Koffer beschäftigt ist.

»Kann ich helfen, Beate?« fragt sie, und als diese kopfschüttelnd verneint, läßt Gabriele sich abseits auf einer gepolsterten Bank nieder. Die zarten Hände ruhen im Schoß, und ihre dunk-len Samtaugen schweifen durch das breite Fenster in die Ferne. Im Kamin prasselt schon ein lustiges Feuer.

»Im Frühling, Beate, werden wir nicht mehr allein sein.«

»Mein Gott!«

Vor Schreck läßt Beate den Kofferdeckel herabsausen und quetscht sich die Finger dabei.

»Warum bist du erschrocken, Beate?« forscht Gabriele und holt ihre Gedanken von weither. Ihr Blick umfaßt die starke, gesunde Gestalt der Wirtschafterin. Sie sieht, wie deren Augen scheu zur Seite irren.

»Ich bin doch nicht erschrocken!«

Gabriele geht hinüber zu der Frau, von der so viel Mütterlichkeit ausgeht, und legt den Arm um sie.

»Du brauchst dich nicht zu verstellen, Beate. Ich weiß, was du denkst.«

Beate war tatsächlich erschrocken. Die Zartheit der jungen Frau hat ihr schon sehr viel Kopfzerbrechen verursacht, wenngleich sie es jetzt nicht wahrhaben will.

Sie versucht ihre Gedanken zu verbergen.

»Ich denke, gnädige Frau, daß Sie noch sehr jung sind.«

Gabriele lacht glockenhell auf. »Aber ich bin doch kerngesund, Beate. Das müssen doch alle Frauen durchmachen. Warum soll ich denn ausgerechnet eine Ausnahme sein?«

Sie sind auch etwas ganz Besonderes – möchte Beate am liebsten antworten, brummt aber ein wenig vor sich hin, worüber Gabriele arglos lachen muß.

»Weiß es der Herr schon?«

Da leuchtet es in den Samtaugen tief auf und ganz ernst wird das feine Gesichtchen.

»Natürlich! Er mußte es ja zuerst wissen. Das ist doch sein Recht.«

»Gewiß, gnädige Frau, gewiß!«