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Irvine, Thronprinz Tiaras, begeht einen Fehler, der ihn das Wichtigste kosten könnte, das er besitzt – seinen Ruf. Kurz darauf begegnet er Silvano, der ebenfalls auf die Krone zielt und berühmt-berüchtigt dafür ist, dass er immer bekommt, was er will. Ist er derjenige, der Irvine ans Messer geliefert hat? Und warum scheint er dann der Einzige zu sein, den die Wahrheit interessiert?
Eine neue Kurzgeschichte aus der Welt der Schicksalsfragmente.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Eine Schicksalsfragmente-Kurzgeschichte in fünf Akten
„Ein Klang wie Sonnenlicht, untermalt mit einer ungeahnten Düsternis – sehr harmonisch.“ Irvine setzte die Violine aus dunklem, fast schwarzem Holz ab. „Sie sind Fachmann. Was sagen Sie dazu?“
Mr. Abramo, der Händler, der ihm das Instrument beschafft hatte, schob seine Brille höher auf die Nase. „Ganz recht. Mester selbst hat sie gebaut, der berühmteste Geigenbauer Habas. Diese spezielle Bauweise erzeugt den besonderen, geradezu perfekten Klang. Schönheit innen wie außen.“
Irvine nickte und drehte das Instrument vorsichtig um. Das Holz verlieh dem Klang eine herrliche Tiefe, die ihm im Nacken kribbelte. Es war von hervorragender Qualität und aufs Feinste geschliffen und poliert, der Boden versehen mit Intarsien aus dezent glänzendem Perlmutt. Sie stellten das Habaer Wappen dar, einen dreiköpfigen Seedrachen mit gefächerten Flügeln, der gekreuzte Klingen in seinen Krallen hielt. Letztere und die Zungen, die sich aus den Mäulern hervorwellten, waren mit Blattgold aufgebracht.
„Sind Sie sicher, dass Sie es kaufen wollen?“, fragte Mr. Abramo. „Sie sind ein korrekter Mann, und Ihnen ist wohl bewusst, wie streng die Bestimmungen selbst für jemanden Ihres Standes sind. Die Sanktionen gegen Haba …“
„Ich weiß. Ich nehme sie.“ Irvine atmete durch und schmeckte den süßlichen Geruch der frisch lackierten Streichinstrumente, die an den Wänden hingen. Er legte die Violine in ihren Koffer und kramte sein Scheckbuch hervor. Zusätzlich zum vereinbarten Preis notierte er eine kleine Summe, mit der er sich erkenntlich zu zeigen gedachte.
Mr. Abramos Augenbrauen rutschten ein Stück höher. „Aber mein Herr …“
„Sie sind ein alter Freund“, sagte Irvine. „Dies ist das Erste meiner Instrumente, das nicht aus Ihrer Hand stammt. Ihr Aufwand ist unbezahlbar.“
Aufwand in diesem Falle bedeutete das Umgehen der Einfuhrbestimmungen, die Zusammenarbeit mit zwielichtigen Gestalten und zweifellos das Schmieren von mindestens einem wichtigen Beamten. Irvine selbst ließ davon besser die Finger. Er war Thronprinz, Erbe der Krone. Ein Fehler, nur einer musste reden, und die Sache würde ihn teurer zu stehen kommen, als es eine Mester-Geige jemals konnte.
„Ich danke Ihnen, dass Sie meinetwegen Ihre alten Kontakte wiederbelebt haben.“
„Ich … bin gerührt. Sie waren immer mein bester Kunde. Gut, dass alte Zeiten zu etwas Nutze sein können.“ Mr. Abramo fuhr sich über das pomadige Haar und kurz blitzten die drei Narben auf, die ihn auch nach Jahrzehnten der ehrlichen Arbeit noch als Teil der Tiaraer Unterwelt kennzeichneten.
Er geleitete Irvine zur Tür, an deren Scheibe heftiger Regen klopfte. Davor wartete bereits die dunkle Karosse des Automobils. Irvine schlug den Kragen seines Mantels hoch.
„Auf Wiedersehen, Abramo.“
Der Geigenbauer deutete eine Verbeugung an. „Und seien Sie vorsichtig mit dem Instrument!“
Irvine trat hinaus in den Regen, den Violinenkoffer dicht an sich gepresst. Natürlich wusste er, was Mr. Abramo meinte. Keiner durfte je erfahren, was er an diesem Abend getan hatte. Aber das konnte die Freude nicht trüben, die er über das Gewicht des Koffers in seiner Hand empfand. Seine Schritte federten, und er vermochte sein Lächeln kaum zu bändigen.
Eine Mester-Geige aus Haba. In seinem Besitz.
Am liebsten hätte er Freudengesang angestimmt.
„Welch ein Schmuckstück!“ Irvines Cousine Dervila strich das dunkelblonde Haar hinter ihren perlenbesetzten Stirnreif und betrachtete die Violine mit aufgerissenem Mund. „So etwas Wundervolles habe ich noch nie gesehen.“
„Glaub mir, gehört hast du auch nichts Besseres.“ Irvine streifte seine Handschuhe ab und setzte das Instrument ans Kinn. Er spielte eine entzückende kleine Melodie aus Die Wolken über der Heide. Das Stück war zurzeit oft im Radio zu hören, und Irvine liebte den Kontrast des Gassenhauers zu der Violine, die nur für ihn bestimmt war. Die Klänge stoben hell und lebendig durch das Musikzimmer.
Dervila seufzte wohlig und sank in ihren Sessel. „Wie kann man verbieten, so etwas zu kaufen?“
„Ich kann kaum fassen, dass ich mich darüber hinweggesetzt habe.“ Liebevoll strich Irvine über das Holz der Violine.
„Wirst du damit auftreten?