15,99 €
Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Geowissenschaften / Geographie - Sonstiges, Note: 1,0, Universität Karlsruhe (TH) (Institut für Geographie und Geoökologie II), Veranstaltung: Humangeographisches Seminar Sozialgeographie, Sprache: Deutsch, Abstract: Lange Zeit wurde der Raum als der Zuständigkeitsbereich der Geographie bezeichnet. Die Aufgabe der Sozialgeographie lag in der Untersuchung des Gesellschaft-Raum-Verhältnisses. Doch dieses Gesellschaft-Raum-Verhältnis beginnt sich zunehmend zu wandeln. Mit den neuen Kommunikationsmedien verliert die räumliche Dimension für die menschliche Existenz zunehmend an Bedeutung. Man spricht von einem Verschwinden der Distanz bzw. von einem raumzeitlichen Schrumpfungsprozess der geographischen Lebensbezüge. Gleichzeitig steigen die Möglichkeiten der Lebensgestaltung des Einzelnen, man spricht in diesem Zusammenhang von einer Globalisierung der Lebenskontexte aller Menschen. Unter diesen globalisierten Bedingen fordert Werlen in seiner handlungszentrierten Sozialgeographie eine vollständige Abkehr von den alten raumzentrierten Paradigmen. Gesellschaften werden nicht länger über räumliche Phänome erklärt sondern über Handlungen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht gesellschaftliche Gruppen sondern das Subjekt als solches, das sich durch seine Handlungen definiert. Heute bezweifelt kaum noch jemand, dass die deutsche Sozialgeographie durch die Arbeiten von Benno Werlen eine wichtige Weiterentwicklung erfahren hat. Seine subjektzentrierte Handlungstheorie eröffnet der deutschen Geographie neue Perspektiven, die es zu nutzen gilt. Trotz allem gibt es auch einige Schwachpunkte und offene Fragen, die in dieser Ausarbeitung nach einem allgemeinen Überblick über seine Handlungstheorie erörtert werden sollen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2006
Page 1
Benno Werlens Entwurf einer handlungszentrierten Sozialgeographie
Page 2
Lange Zeit wurde der Raum als der Zuständigkeitsbereich der Geographie bezeichnet. Die Aufgabe der Sozialgeographie lag in der Untersuchung des Gesellschaft-Raum-Verhältnisses. Doch dieses Gesellschaft-Raum-Verhältnis beginnt sich zunehmend zu wandeln. Mit den neuen Kommunikationsmedien verliert die räumliche Dimension für die menschliche Existenz zunehmend an Bedeutung. Man spricht von einem Verschwinden der Distanz bzw. von einem raumzeitlichen Schrumpfungsprozess der geographischen Lebensbezüge. Gleichzeitig steigen die Möglichkeiten der Lebensgestaltung des Einzelnen, man spricht in diesem Zusammenhang von einer Globalisierung der Lebenskontexte aller Menschen.
Unter diesen globalisierten Bedingen fordert Werlen in seiner handlungszentrierten Sozialgeographie eine vollständige Abkehr von den alten raumzentrierten Paradigmen. Gesellschaften werden nicht länger über räumliche Phänome erklärt sondern über Handlungen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht gesellschaftliche Gruppen sondern das Subjekt als solches, das sich durch seine Handlungen definiert.1Heute bezweifelt kaum noch jemand, dass die deutsche Sozialgeographie durch die Arbeiten von Benno Werlen eine wichtige Weiterentwicklung erfahren hat. Seine subjektzentrierte Handlungstheorie eröffnet der deutschen Geographie neue Perspektiven, die es zu nutzen gilt.2Trotz allem gibt es auch einige Schwachpunkte und offene Fragen, die in dieser Ausarbeitung nach einem allgemeinen Überblick über seine Handlungstheorie erörtert werden sollen.
Eine der ersten Auseinandersetzungen Werlens mit der Handlungstheorie findet sich im Aufsatz „Thesen zur handlungstheoretischen Neuorientierung sozialgeographischer Forschung“, der zusammen mit einem Artikel von Peter Weichhardt zum „Erkenntnisobjekt der Sozialgeographie aus handlungstheoretischer Sicht“ in der Geographica Helvetia 1986 erschienen ist. Obwohl beide Beiträge die Handlungstheorie in ähnlicher Weise resümieren, unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Argumentationsmuster doch erheblich. So sucht Weichhardt seinen Ausgangspunkt in der Auseinandersetzung mit der deutschsprachigen funktionalen Sozialgeographie (Münchner Schule) und im Behaviourismus, Benno Werlen hingegen diskutiert die angelsächsischen Theorien des spatial approach und der humanistic geography.3
Ausgangspunkt ist der raumwissenschaftliche Ansatz, der von Dietrich Bartels, bei dem Werlen wissenschaftlicher Assistent war, in die deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeographie eingeführt wurde. Das Hauptziel der raumwissenschaftlichen Geographie bestand bekanntlich in der Aufdeckung von Raumgesetzten mittels choristisch-chorologischen Methoden. Bartels forderte für die Sozialgeographie, die entdeckten Raumgesetzte zu einer chorologischen Theorie zu systematisieren, aus der dann Kausalerklärungen für das erdräumliche Gesamtmuster einer Gesellschaft abgeleitet werden sollten. Weiterhin bemängelte er, dass es der Sozialgeographie an sozialwissenschaftlichem Grundverständnis fehlte und er forderte so eine verstärkte Orientierung an Bezugssystemen und Problemstellungen der Soziologie, also eine Anwendung der formalen raumwissenschaftlichen Modelle auf die erdoberflächlichen Verbreitungs- und Verknüpfungsmuster im Bereich menschlicher Handlungen und Motivationskreise. Bartels leitete dabei die Sozialgeographie als eine handlungsorientierte Raumwissenschaft von der kritisch-rationalen Wissenschaftstheorie von K. Popper und der raumwissenschaftlichen Tradition der Geographie ab.
Der Vorschlag Bartels, die Sozialgeographie solle dem Vorbild der Naturwissenschaften entsprechend, Kausalerklärungen der erdoberflächlichen Verbreitungs- und Verknüpfungsmuster im Bereich menschlicher Handlungen leisten und der sogenannte spatial approach, in dessen Tradition er steht, wurden von Anne Buttimer und den übrigen Vertretern der humanistic geography in den siebziger Jahren heftig kritisiert. Ihre Forderung lautete, dass nicht die objektive Erklärung der
1Werlen, B., 2000, Sozialgeographie
2Meusburger, P., 1999, Handlungszentrierte Sozialgeographie: Benno Werlens Entwurf in kritischer Diskussion
3Meusburger, P., 1999, Handlungszentrierte Sozialgeographie: Benno Werlens Entwurf in kritischer Diskussion, Seite 47