Bents Insel - Jan Berger - E-Book

Bents Insel E-Book

Jan Berger

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Beschreibung

Als Gestrandeter auf einer abgelegenen Insel muss sich Frank einer Menge lebenswichtiger Fragen stellen. Hierbei entdeckt er einen wie speziell für ihn gemachten Sinn des Lebens und lernt nicht nur, seine bisherigen Zukunftsängste zu besiegen, sondern auch cooler und ausgeglichener zu werden. Was Frank hierfür tun muss, ist, seine eigenen Werte sowie die ableitbaren Lebensziele klar zu benennen und dauerhaft zu bedienen. Für all das braucht Frank jedoch die Menschen jener Insel. Denn ohne Freundschaft ist alles nichts - dabei ist es so einfach, neue alte Freunde zu finden. Und die gibt es nicht nur auf abgelegenen Inseln - es gibt sie überall. Depressionen, Unzufriedenheit, Lebensunlust oder die Angst vor dem Tod - die Mutmach-Geschichte zeigt Wege auf, derlei Bedrohungen zu entgehen, sich positiv zu konditionieren und den wirklichen Sinn des Lebens für sich zu entdecken.

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Als Gestrandeter auf einer abgelegenen Insel muss sich Frank einer Menge lebenswichtiger Fragen stellen.

Hierbei entdeckt er einen wie speziell für ihn gemachten Sinn des Lebens und lernt nicht nur, seine bisherigen Zukunftsängste zu besiegen, sondern auch cooler und ausgeglichener zu werden.

Was Frank hierfür tun muss, ist, seine eigenen Werte sowie die ableitbaren Lebensziele klar zu benennen und dauerhaft zu bedienen.

Für all das braucht Frank jedoch die Menschen jener Insel.

Denn ohne Freundschaft ist alles nichts – dabei ist es so einfach, neue alte Freunde zu finden.

Und die gibt es nicht nur auf abgelegenen Inseln – es gibt sie überall.

Depressionen, Unzufriedenheit, Lebensunlust oder die Angst vor dem Tod – die Mutmach-Geschichte zeigt Wege auf, derlei Bedrohungen zu entgehen, sich positiv zu konditionieren und den wirklichen Sinn des Lebens für sich zu entdecken.

Für

Veronica, Anja und Lennart

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Der Unfall

Am Strand

Erkundung

Erste Begegnung

Das kleine Steinhaus

Leas Glücksfrage

Zwei Sorten Stress

Strandparty

Toms Rettung

Veränderungen

Zwei Sorten Glück

Beziehungsqualitäten

Werte

Plan B

Lucie

Selbstzweifel

Selbstbewusstsein

Von Viren und Menschen

Zwei Sorten Lebenssinn

Weltanschauungen

Rückkehr

Epilog

Einleitung

Ursprünglich wollte ich diese Geschichte lieber für mich behalten – man würde sie mir ja doch nicht glauben.

Gleichwohl haben die folgenden Ereignisse mein Leben verändert – nein, jetzt untertreibe ich –, sie haben es total umgekrempelt, mich aus meiner vorgezeichneten Bahn geworfen. Nicht mehr und nicht weniger.

Doch meine Geschichte hätte ebenso jedem anderen passieren können – mit allen Konsequenzen. Deshalb will ich nun nach reiflicher Überlegung berichten, was sich damals zugetragen hat.

Ohne die Geschehnisse auf jener Insel wäre ich ewig derselbe geblieben. Ich würde immer noch glauben, was mir diejenigen, die es garantiert gut mit mir meinen, ans Herz legen. Damit alles in meinem Leben weiterhin richtig läuft, ich Erfolg haben und glücklich sein würde und ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft sein könnte.

Zumindest Letzteres hätte ich ohne die ganzen Veränderungen, die mich nun überwältigt haben, auch sein können. Aber welchen Preis hätte ich zahlen müssen, um »wertvoll« für die Gesellschaft zu sein?

Höchstwahrscheinlich hätte ich mich zusehends niedergeschlagen, unglücklich und unzufrieden gefühlt – wäre aber einer jener guten Kerle gewesen, für die die Nachwelt später nur herzerwärmende Worte übrig hat. Jedenfalls ein Weilchen lang, bevor man sie dann endgültig vergisst.

Denn das ist der Lauf aller Lebensgeschichten. Manche Menschen ereilt dieses Vergessen bereits vor, manche unmittelbar nach ihrem Ableben, andere erst nach mehreren hundert oder gar einigen tausend Jahren. Doch wo ist da der Unterschied, gemessen an den Zeitmaßstäben des Universums?

Heute kann ich behaupten, dass ich mitten im Leben stehe – und zwar in meinem, für mich persönlich so wichtigen Leben. Ich weiß endlich, wofür genau es gut ist und weshalb ich existiere.

Vertrautes erscheint neu, und ich berausche mich mühelos an Selbstverständlichem. Es gibt keinen Tag, an dem ich mich nicht freue, ihn anpacken zu können.

Und das nur, weil ich an einem schönen Urlaubsort meiner dringend nötigen Erholung vom Alltag nachkommen wollte, doch dann auf jener bemerkenswerten Insel gelandet bin – mit all diesen außergewöhnlichen Menschen.

Viele Antworten auf schwierige Fragen trug ich schon immer in mir. Schemenhaft verwischt, verschüttet, in redlicher Absicht unterdrückt, als unrealistisch und kontraproduktiv abgetan – zu meinem eigenen Besten, wie ich mir stets sicher war. Aber dann, ich muss es mir heute eingestehen, doch nur zu meinem eigenen Schaden,.

Diese einstige Weigerung, Antworten freizulegen, führte zu immer gewaltigeren Fragen an das Leben. Dabei wurden unausgesprochene Ängste – auch vor der Endlichkeit des Seins – in mir geschürt.

Genau so war das früher mal. Heute kann ich nicht mehr nachvollziehen, weshalb ich mir dieses, mein einziges Leben dereinst selbst kaputtmachen wollte.

Die Inselbewohner, denen ich so viel verdanke, fehlen mir besonders dann, wenn die Zeiten schwierig für mich sind. Aber sobald dies der Fall ist, vergegenwärtige ich mir, dass ich diese Menschen doch gar nicht mehr in Anspruch nehmen muss. Es genügt mir zu wissen, dass sie irgendwo auf dieser Welt existieren und dass ich mit meinen Gedanken bei ihnen sein kann.

Ich glaube, ich hatte damals sogar vollkommen vergessen, mich angemessen bei ihnen zu bedanken, bevor ich abgereist bin. Aber sie werden mir das nicht krummnehmen – so sind die nicht.

Falls ich jemals wieder zu der Insel aufbreche, werde ich dort nur Freunde antreffen. Und es wird sein, als wäre ich nie weggewesen.

1 Der Unfall

Das Rauschen des Meeres mischte sich mit einem dumpfen Rumpeln. Im rhythmischen An- und Abschwellen der Geräusche wurde das kleine Boot regelmäßig angehoben. Noch immer benommen – ich wagte es kaum, mich zu bewegen – wälzte ich mich langsam auf die Seite und stemmte mich hoch, die Arme auf die Bordwände gestützt, um meine Position zu stabilisieren.

Der Bug der Segeljolle wurde von der Brandung immer und immer wieder gegen Felsblöcke geschoben, die dieser Steilküste vorgelagert waren.

»Wahrscheinlich bin ich auch am ersten Rumms auf diese großen Steine aufgewacht«, reimte ich mir zusammen.

Meine Glieder waren steif und ich zögerte den Moment des schmerzhaften, vollständigen Aufrichtens hinaus. Immerhin lag ich für einige Stunden regungslos in der unkomfortablen Jolle.

»Da ist mir gestern ein echt bescheuertes Malheur unterlaufen«, sortierte ich meine Gedanken. Ärger stieg in mir auf.

»Aber nun mal ganz ruhig!«, beschwichtigte ich mich, »Du bist noch am Leben und die Morgensonne schickt ihre ersten wärmenden Strahlen. Die Morgensonne?«

Es war vorgestern Abend, als ich nach einer schier endlosen Autofahrt wie gerädert an meinem Urlaubsort hier unten an der Mittelmeerküste angekommen bin. Obwohl ich vollkommen platt war, empfand ich die darauffolgende Nacht im Hotel nicht gerade erholsam. Die ungewohnte Umgebung, die Hitze, der Lärm draußen. Also ging’s am Morgen des ersten echten Urlaubstages zunächst mal an den Strand.

»Ein großes Badetuch, Sonnencreme, ein gutes Buch und etwas Geld für den Cappuccino in der Strandbar – was braucht es mehr, um sich so richtig zu entspannen?«, versuchte ich mich zu überzeugen.

Ja, ja – Pustekuchen. In Wahrheit hing ich stundenlang grübelnd meinen Problemen und Versäumnissen in der Firma nach.

Mit Gedanken wie »Was hätte ich unbedingt noch erledigen müssen, um wirklich guten Gewissens verreisen zu können? Um was muss ich mich gleich nach meiner Rückkehr kümmern, damit nichts anbrennt?« zermarterte ich mir das Gehirn.

Die Abreise in den Urlaub war wie immer gelaufen. Anstatt am Vortag schon früher nach Hause zu gehen, um in Ruhe zu packen, bin ich mal wieder spät nachts aus der Firma gekommen. Bei jedem Aufbruchsversuch fiel mir ein anderer, offener Vorgang in die Hände, der unmöglich unbearbeitet bleiben konnte.

Einen stressigen Reisetag und eine unruhige Nacht später war ich also endlich im Urlaub angekommen, lag am Strand und dachte nach.

»Was passiert im Moment wohl in der Firma – ohne mich? Gegen mich vielleicht. Ja genau! Der Vollhorst aus der Nachbarabteilung wird meine Abwesenheit doch bestimmt nutzen, um ein paar fiese Machenschaften vom Zaun zu brechen. Kollegen gegen mich aufwiegeln. Fake Facts über meine Arbeit in die Welt setzen. Und das alles, während ich hier rumliege und versuche, mich krampfhaft zu entspannen.«

Am Nachmittag dieses unseligen Strandtags musste ich alle Willenskraft aufbieten, um nicht zum Hotel zurückzugehen und mein wohlweislich dort zurückgelassenes Smartphone zu holen. Mir wurde klar, dass ich mich unbedingt zu einer Ablenkung zwingen musste, damit ich mich nicht noch aus der Ferne in Firmenprozesse einmischte.

Kaum fünfzig Meter entfernt gab es einen Segelbootverleih. Den ganzen Tag über beobachtete ich, wie andere Strandurlauber mit den Mietbooten rumschipperten und wie sie sich dabei anstellten.

»Schade, dass ich selbst kein richtiger Segler bin«, bejammerte ich meine fehlende Erfahrung. Ich hatte vor einigen Jahren lediglich ein paar rudimentäre Kenntnisse an einem Baggersee erworben.

Eine innere Stimme forderte meinen Ehrgeiz heraus: »Aber andererseits ... mit so einer Jolle ein bisschen vor dem Strand hin- und herzukreuzen solltest auch du noch schaffen.«

Mein Beschluss stand fest – lange genug hatte ich den anderen Urlaubern bei ihren mitunter dilettantischen Manövern zugesehen.

Kurze Zeit später schob ich eine türkisfarbene Jolle vom Strand weg ins kniehohe Wasser. Mit Schwung wälzte ich mich über die Bordkante nach drinnen, belegte die Leinen, und schon kam Ruhe ins Boot. Das Segel fing Wind und das kleine Wasserfahrzeug bewegte sich vom Strand weg aufs offene Meer hinaus.

»Jetzt erst mal raus und weg«, jubilierte ich innerlich. »Faszinierend, wie schnell man mit dem kleinen Boot doch so weit kommen kann«. Als ich nach hinten blickte, erschienen die Menschen am Strand winzig klein.

Die Jolle legte sich auf einmal weit auf die Seite – bestimmt weil ich soeben aus der Bucht und somit aus der Landabdeckung der Steilküste herausfuhr. Der hier draußen wesentlich stärkere Wind hätte das Boot fast umgeworfen.

»Gerade noch mal Glück gehabt«, stellte ich erleichtert fest. Denn ob ich es vermocht hätte, ein gekentertes Boot in diesem Seegang aufzurichten und vom Wasser aus wieder hineinzuklettern, war mehr als fraglich. Ein toller Schwimmer war ich noch nie.

»Aber jetzt solltest du dein Schicksal nicht weiter herausfordern und dich schnurstracks auf den Rückweg machen«, ermahnte ich mich.

Doch genau von diesem Moment an ging alles schief.

Es fing damit an, dass ich die Leine, die den Großbaum hielt, zu lösen versuchte. Großbaum hieß der waagerechte Aluminiumbalken, welcher sich unten am Mast befand und an dem die Segelunterkante befestigt war.

Ich öffnete zwar die zugehörige Halteklemme, die mittig auf dem Bootsboden saß, aber die dämliche Leine löste sich trotzdem nicht.

»Alles kein Hexenwerk«, beruhigte ich mich, »natürlich kann sich eine Leine nicht bewegen, solange man auf ihr kniet.« Auf kleinen Booten war man sich mitunter selbst im Weg.

Ich rutschte aus der Mitte und hob mein Knie an, schob dabei aber unweigerlich die Steuerpinne zur Seite. Aufgrund der hierdurch eingeleiteten Drehbewegung des Bootes kam der Wind nun von der anderen, also der falschen Seite. Der Großbaum beschloss somit, ebenfalls abrupt die Seite zu wechseln.

Immerhin wusste ich, dass man sich auf kleinen Booten immer gut ducken musste. Doch dieser unselige Alubalken war eine Zehntelsekunde schneller als meine Erkenntnis. Um mich herum wurde es dunkel.

2 Am Strand

»Wo um alles in der Welt bin ich hier? Was ist passiert?«, murmelte ich vor mich hin, während ich mich von meinem harten Lager hochrappelte und mich umsah.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Erinnerung zurückkehrte – an den Urlaub, den Segelausflug und den Unfall. Ich saß in einem schaukelnden Boot, dessen weit ausgestelltes Segel im Wind flatterte. Mein Schädel dröhnte dumpf und im Brustraum verspürte ich einen undefinierbaren Schmerz. Jetzt wurde mir klar, wieso. Ich lag bis soeben mit leicht verdrehtem Oberkörper über der Steuerpinne und hatte sie so offenbar die ganze Zeit mittschiffs fixiert. Bequem war diese Lage nicht.

»Na wenigstens scheint nichts angeknackst zu sein«, konstatierte ich, nachdem ich mich überall vorsichtig abgetastet hatte.

Wie es aussah, war das Boot nach dem blöden Schnitzer mit diesem Alu-Baum einfach weitergefahren, und es war pures Glück, dass ich nicht über Bord gegangen bin. Denn wenn man bewusstlos war, hätte so etwas fatale Folgen gehabt.

Doch jetzt war ich irgendwo entlang der Küste wieder angetrieben worden, das Boot musste zurückgefahren sein.

»Komisch«, grübelte ich, »der Wind hat also irgendwann um 180 Grad gedreht. Aber ich war auch unfassbar lange ausgeknockt, eine ganze verflixte Nacht lang. Da kann viel passieren.«

Die Bucht, von der ich aufgebrochen bin, war das jedenfalls nicht. Denn die lag zwischen zwei Steilküsten. Hier aber lief der Strand rechts von mir endlos lange weiter.

Ich widerstand der spontanen Versuchung, so schnell wie möglich an Land zu klettern. Das Boot würde an den Felsen mit der Zeit beschädigt oder gar komplett zertrümmert werden.

»Du darfst es nicht sich selbst überlassen, sondern musst es zuerst sichern«, meldete sich mein Verstand zurück.

Die scharfkantigen, riesigen Steine vor mir luden mich außerdem nicht gerade zu einem barfüßigen Landgang ein.

»Also mit dem Boot rüber zum Strand!«, befahl ich mir.

Denn Strand bedeutete Strandbars und Hotels, und vor allem, Leute mit Handys. Ich musste unbedingt den Bootsverleih kontaktieren.

Sehen konnte ich von alledem jedoch nichts. So sehr ich mir sonst menschenleere Strände wünschte, in meiner aktuellen Situation fand ich es zum Heulen, dass an diesem Strandabschnitt absolut tote Hose herrschte. War wohl zu früh am Morgen.

Ich zog mich vollends hoch und hielt mich am Mast fest. Die Segel ließ ich zunächst weiter im Wind flattern. Zwischen zwei Brandungswellen stieg ich mit wackeligen Knien rasch auf einen Stein über und schob das Boot während des Wiedereinsteigens von den Felsen weg. Der Schwung der kurzen Rückwärtsfahrt genügte, um den Bug dank der voll eingeschlagenen Pinne wieder seewärts auszurichten. Schnell zog ich die Leine an, die den Alu-Baum hielt, und schon fasste das Segel den Wind. Mein Boot nahm Fahrt auf. Da die Brandung gegen mich arbeitete, kam ich nur mühsam von der Küste frei. Aber um die Felsenformation herum bis zum sicheren Sandstrand war es zum Glück nur eine kurze Strecke – wenige Minuten später hatte ich sie ohne Zwischenfälle bewältigt.

Auf dem letzten Stück, bevor das Boot auf den Strand lief, schwang ich mich nach draußen ins flache Wasser. Mit aller übrig gebliebenen Kraft zerrte ich den Kahn weiter den Strand hoch, damit das Meer ihn sich nicht zurückholte.

»Was für ein großartiges Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben!«, stellte ich fest.

Mit zittrigen Beinen lehnte ich mich ans Boot und sah zum Meer zurück. Aus mir sprach die pure Erleichterung.

3 Erkundung

Während ich die wild flatternden Segel runterzog, um sie zu verzurren, wanderte mein Blick den schier endlosen Sandstrand entlang. Er schien am Ende in einer Linkskurve hinter einem parallel laufenden, hohen Pinienwald zu verschwinden.

»Echt merkwürdig«, grübelte ich, »es ist hier vollkommen menschenleer. Womöglich bin ich in einem Naturschutzgebiet oder einem militärischen Sperrgebiet gelandet.«

Meine Gedanken kehrten zu den Leuten vom Bootsverleih zurück: »Die haben mich doch aus der Bucht fahren sehen. Und auch wenn sie den Unfall auf diese Entfernung nicht hatten beobachten können, sie müssen sich doch gewundert haben, dass ich nicht zurückgekommen bin. Sie hätten mit ihrem Motorboot nach mir suchen müssen.«

Ich tappte ein paar Schritte ans Meer zurück – in die Richtung, aus der ich gekommen war und wohin ich zurück musste. Als das anbrandende Wasser meine Zehen umspülte, blieb ich stehen. Immer wenn es sprudelnd ablief, sackte ich ein Stückchen tiefer ins Sandbett ein. Das Meer direkt vor mir leuchtete türkisblau und verwandelte sich weiter draußen in ein Dunkelblau – gelegentlich gesprenkelt mit den weißen Schaumkronen kleiner Wellen.

»Wenn ich mich jetzt nicht in dieser saublöden Situation befinden würde, könnte das gerade ein richtig schöner Moment sein«, ging es mir durch den Kopf.

Wie ich da mit dem in der leichten Seebrise flatternden T-Shirt so am Strand stand, konnte ich trotz nasser Badeshorts nicht anders, als diesen Moment ein kleines bisschen zu genießen. Die immer kräftiger werdenden Sonnenstrahlen wärmten mich, und meine Nackenhaare stellten sich im milden Gänsehautwind leicht auf.

Doch gleich darauf fing ich wieder an, intensiv nachzudenken und dabei zwischen Boot und Wasser hin und her zu marschieren – das überschüssige Adrenalin wollte abgebaut werden. Hinter den schmerzenden Schläfen pulsierte mein Blut.

»Natürlich müssen die vom Bootsverleih gemerkt haben, dass ich fehle«, grummelte ich vor mich hin, »aber wegen eines dusseligen Touristen werden die nicht gleich die Küstenwache alarmieren, auf dass eine große Suchaktion gestartet wird. Die dachten sich bestimmt, dass ich ein paar hundert Meter weiter angelandet bin, mich in einer Strandbar zugeballert habe und mich nicht mehr um die Bootsrückgabe scherte. Spätestens am nächsten Morgen würde ich reumütig wieder aufkreuzen. Sowas kannten die wahrscheinlich schon – denn welcher Hotelgast entführt schon eine Segeljolle?«

Doch jetzt war eine ganze Nacht rum und ich war immer noch nicht zurück.

»So ein verdammter Mist! Der Urlaub fängt ja gut an«, fasste ich die Situation mit einer mächtigen Portion Wut über mich selbst zusammen.

»Ich muss dringend an ein Telefon kommen, bevor die tatsächlich was lostreten und ich dann wie ein kompletter Idiot dastehe.«