Benx und die sieben Prüfungen der Rabaukiade - Thomas Rackwitz - E-Book

Benx und die sieben Prüfungen der Rabaukiade E-Book

Thomas Rackwitz

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Beschreibung

Das neue Buch von Dein-SPIEGEL-Bestsellerautor Benjamin Krüger aka Benx:

Im 3. Roman aus der Welt von Rabaukien muss Benx die Rabaukiade gewinnen - 7 Wettbewerbe, bei denen nicht weniger als das Leben seiner Freund*innen auf dem Spiel steht. Ein episches Setting, einfallsreiche Herausforderungen, überraschende Plot-Twists und witzige Dialoge machen das Buch zu einem unvergesslichen Leseerlebnis für Kinder ab 10 Jahren.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 143

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Über die Autoren:

Benjamin Krüger, aka DoctorBenx, unterhält seit nunmehr sieben Jahren seine Zuschauer*innen auf YouTube. Sein blockiges Steckenpferd ist die Welt von Minecraft, sein Kanal einer der ­erfolgreichsten Deutschlands. Mit seiner Erzählerstimme und eigens kreierten Challenge-Ideen ­unterhält der YouTuber täglich rund zwei Millionen Abonnent*inen, egal ob alleine oder mit Freund*innen.

Thomas Rackwitz wurde 1981 in Halle (Saale) geboren und lebt in Blankenburg (Harz). Er schrieb ­bereits den ersten Band »Benx und die Hexen der Bataquampa« sowie den Folgeband »Benx und die Rückkehr des Enderdrachen«. Zuletzt erschien sein Pinguin-Krimi »Kommissar Wuschel. Das Spiel ist aus«. Thomas ist außerdem Mitglied im PEN-Zentrum.

1. Auflage

© 2023 Community Editions GmbH

Weyerstraße 88-90

50676 Köln

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger aller Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten. Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Die Inhalte dieses Buches sind von Autoren und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung von Autoren und Verlag für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Dies ist kein offizielles Minecraft-Produkt.

Es ist nicht von Mojang genehmigt oder mit Mojang verbunden.

»Minecraft« and its graphics are trademark or registered trademark of Mojang Synergies AB.

© 2009-2023 Mojang.

Covergrafik: Eric Röck

Layout: BUCH & DESIGN Vanessa Weuffel

Illustrationen: Monique Krüger

Künstlerfoto: David Henrichs

Text: Thomas Rackwitz

Projektleitung & Redaktion: Jana Bärenwaldt

Lektorat: Kerstin Fricke

Korrektorat: Franziska Sorgenfrei

Satz: Achim Münster, Overath

Gesetzt aus der Meta Correspondence und Dax

Gesamtherstellung: Community Editions GmbH

ISBN 978-3-96096-300-4

www.community-editions.de

- 1 -

Die Fälschung

Seit Tagen schien es in Rabaukien nichts anderes zu geben als Schnee. Selbst in der Tageszeitung »Fünf vor zwölf«, die aus dem vereisten Briefkasten von Benx’ Eltern lugte, gab es nur dieses eine Thema. Von der Titelseite bis in die Kommentarspalten zog das Tiefdruckgebiet und erfuhr täglich neue, aberwitzige Deutungen. Manche schrieben das Ende der Oberwelt herbei. Andere konnten sich nicht erinnern, jemals so viel flockendes Weiß auf einmal gesehen zu haben, und empfahlen, den Kokelwald abzuholzen, um aus dem Holz Schlitten zu bauen.

Von diesen Diskussionen bekam Benx freilich nichts mit. Zum einen las er die »Fünf vor zwölf« nur selten, weil seine Mutter Nox sie nicht herausrückte. Sie liebte die Artikel von Schlendrian Schluckauf, einem Reporter, der ihren Sohn tüchtig in Schwierigkeiten gebracht hatte. Zum anderen musste Benx auch an diesem Morgen Schnee schieben. Er keuchte in seiner roten Daunenjacke. Wann immer er gegen die dichte Masse aus Harsch und glitzernden Kristallen anrannte, bewegte sich der Bommel seiner roten Mütze. Sie war so kurz, dass ihm der Wind um die Ohren pfiff und seine schweißnassen Haare in Eiszapfen verwandelte. Und obwohl er sich am liebsten neben seinen Hund Rufus in sein Bett gekuschelt hätte, blieb dies ein Wunschtraum.

Als er fertig war, schlich er auf Zehenspitzen ins Haus, um niemanden zu wecken. Seitdem seine Mutter Wind von der Sache mit seiner heimlichen Party bekommen hatte, war ihre Zündschnur kürzer als die aller TNT-Blöcke bei Ultrakrawumm. Bei jeder noch so kleinen Verfehlung drohte sie inzwischen, ihn vor die Tür zu setzen. Immerhin hatte es Wochen gedauert, das nach der Party und dem Plünderer-Diebstahl leergeräumte Haus wieder in Ordnung zu bringen. Zu seinem Glück ahnte sie nichts von dem Valaportal, das er zu Testzwecken auf dem Dachboden in Betrieb genommen hatte.

Trotzdem blieb die Lage angespannt und spitzte sich täglich zu, nicht zuletzt weil seine Oma zu Besuch war.

Er konnte sie ebenso wenig ausstehen wie sie ihn. In ihren Augen hatten seine Eltern Benx total verzogen. Daher versuchten die beiden nun, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Sie griffen härter durch als je zuvor, nur um nicht dumm dazustehen. Steckte seine Oma ihren Kopf mit der Igelperücke durch seine Zimmertür, bebte zugleich der Flaum über ihrer Lippe. Dann wusste Benx, was ihn erwartete: ein Vortrag darüber, wie ordentlich die Zimmer im letzten Zeitalter doch gewesen waren. Schon beim bloßen Gedanken an sie kam ihm die Galle hoch. Für diesen Morgen hatte er sich eigentlich vorgenommen, nicht an die alte Schachtel mit ihren violetten Zähnen zu denken. Er aß einen Happen, holte sich sein Inventar und stahl sich klammheimlich wieder davon, um zur Arbeit zu gehen.

Bei Ultrakrawumm erwartete ihn ebenfalls jede Menge Plackerei. Mit der Schulter warf Benx sich gegen das Tor aus Eisen und drückte es ächzend auf. Über Nacht musste es gut und gerne einen halben Meter Neuschnee gegeben haben. Bis zu den Knien sank er ein und kam lediglich im Schneckentempo voran. Trotzdem war er damit schneller als die ­wenigen noch funktionierenden Förderbänder hier.

Seit dem Tag, als halb Ultrakrawumm in die Luft geflogen und Pilpil Sommerschlaf mit dem Enderdrachen-Ei durch das Portal verschwunden war, stand die Produktion still. Ganz zum Unmut seines Chefs Kaschi mussten aus Sicherheitsgründen zunächst die Schäden beseitigt werden. Davon gab es jede Menge. Bis auf zwei Gebäude war alles ramponiert: Nur ein Plumpsklo unweit des Eingangstors und der Lagerturm, aus dem Pilpils Schwester Obsidiana beinahe aus dem Fenster gefallen war, standen noch. Der Lagerturm thronte hinter einem Krater, den eine der Explosionen gerissen hatte, und erinnerte Benx an einen Bienenkorb. Ausgerechnet dieser war mit einem rot-weißen Band abgesperrt. Die Tür war vernagelt. Dabei quälte Benx seit Wochen vor allem ein Gedanke: Er wollte unbedingt wissen, wie es Pilpil gelungen war, durch das Portal zu verschwinden. Selbst in seinen Träumen sah er den Fiesling grinsend entkommen. Obendrein fühlte er sich beobachtet und regelrecht verfolgt. Einmal hätte er sogar schwören können, Schlendrian Schluckauf gesehen zu haben. In den letzten Wochen war es stets dasselbe. Kaum hatte er sich dem Turm auf dreißig oder zwanzig Schritte genähert, stellten sich ihm die merkwürdigsten Leute in den Weg. Mal quatschten sie wirres Zeug, mal schickten sie ihn fort, um irgendwas zu holen.

Doch heute war das Glück auf seiner Seite. Mit dem Schneefall war auch der Schnupfen gekommen, sodass die Leute bald reihenweise das Bett hüten mussten. Der Krankenstand hatte täglich zugenommen und inzwischen seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Von den gut hundert Leuten, die hier an gewöhnlichen Tagen schraubten, Sprengsätze testeten, wichtigtuerisch herumspazierten und anderweitig ihre Diamanten verdienten, war heute keine Spur zu sehen. Benx war allein. Einzig der Schnee trennte ihn von dem Lagerturm, den er unbedingt auf den Kopf stellen musste.

Um schneller an sein Ziel zu gelangen, schnappte er sich eine doppelt so große Schneeschaufel. Mühsam war die Arbeit. Der Schweiß tropfte ihm über den Bart und bildete kleine Eiskristalle. Bald stand er jedoch vor der Tür. Trotz seiner tauben Finger wurde es ihm warm ums Herz und sein Pulsschlag beschleunigte sich. Vorsichtig versuchte er, die Nägel aus dem Holz zu ziehen. Es knarzte. Der Wind pfiff und hinter ihm räusperte sich plötzlich jemand.

»Auch schon da, ja?«

Benx schluckte und drehte sich um. Dabei ließ er schnell einen der Nägel in den Schnee fallen. »Drögel?«

Ihm gegenüber stand ein Mann mit einem blassen Gesicht, das voller Falten war. Mindestens genauso gelangweilt, wie er Kaugummi kaute, musterte er Benx und spielte an seinem Basecap herum. »Was machst ’n hier?«

»Es ist nicht das … was … wonach«, stotterte Benx und überlegte, ob es die Sache mit dem Portal wert war, seinen Kollegen k. o. zu schlagen.

»Wenn du mich fragst«, sein Gegenüber rülpste, »wolltest du dort einbrechen.« Drögel deutete auf den Lagerturm.

Benx schüttelte den Kopf und nahm die Schneeschaufel. »Ich muss mal für große Creeper«, log er, um sich Zeit zu verschaffen. Ihm fiel keine glaubwürdigere Ausrede ein.

»Blödmann«, erwiderte Drögel lachend. »Warst wohl zu lange im Schnee, das Plumpsklo ist da drüben.« Grinsend offenbarte er seine falschen Zähne, und davon hatte er jede Menge. »Nach dir!«

Der Mann trieb ihn vor sich her durch die freigelegte Schneise bis vor den braunen Bretterverschlag aus Holz. Jede Menge Schnee lag auf dem Dach.

Benx wusste nicht, wie er aus der Nummer wieder herauskommen sollte. Einstweilen lehnte er die Schneeschaufel an eine der Wände. Drinnen stieg ihm ein übler Geruch nach faulen Eiern in die Nase.

»Ich hab Angst im Dunkeln.«

»Selbst zum Kacken zu doof …«, hörte er Drögel draußen über seinen eigenen Spruch gackern. »Die Pilzlaterne funktioniert einwandfrei!«

Benx öffnete die Tür, und ehe sein Kollege wusste, wie ihm geschah, stand dieser anstelle von Benx in dem kleinen, miefigen Kabuff. In der einen Hand hielt Benx die Pilzlaterne und Drögels Schlüsselbund, mit der anderen packte er die Schneeschaufel. Eine kräftige Bewegung mit der Schaufel genügte, und schon hatte Benx das Dach abgeräumt. Eine Lawine bahnte sich ihren Weg und blieb direkt vor der Tür liegen. Und so sehr Drögel sich auch abmühte, sie ließ sich keinen Millimeter bewegen. Er war im Plumpsklo eingesperrt, und Benx atmete wieder klare, kalte Luft.

»Hey, lass mich raus!«, protestierte Drögel. Vergeblich hämmerte er gegen das Holz.

»Ist nur zu deinem Besten«, sagte Benx und rannte schnell zurück zum Lagerturm.

Nachdem er die Nägel sorgfältig entfernt hatte, ließ er seinen Schlüssel in die Öffnung gleiten. Stufe um Stufe stieg er die aus TNT bestehende Treppe empor, bis er an der Stelle angelangt war, wo sich sein Widersacher Pilpil scheinbar in Luft aufgelöst hatte. Benx machte große Augen. Das Netherportal stand noch immer dort. Aber das Gestell aus schwarzem Obsidian war erloschen. Offenbar war bei Ultrakrawumm niemand auf die Idee gekommen, es abzubauen. Er überlegte. Vielleicht wurde es weiterhin genutzt. Aber wofür? Grübelnd schlich er um das Portal herum. Plötzlich knisterte und knirschte es. Unter seinen Sohlen klebten schwarze Eierschalen. Wie zu einem Puzzle gehörend lagen weitere Bruchstücke auf dem Boden verstreut. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Aber es kam noch dicker. Erst jetzt bemerkte er, dass dem Netherportal zwei Blöcke fehlten. Wie hatte es denn überhaupt funktioniert? Oder sollte alles ein großer Bluff gewesen sein?

Hinter dem erloschenen Gestell kam er dem Rätsel auf die Spur. Dort lehnte eine Leinwand mit sieben Pilzlaternen an der Rückseite. Er entzündete sie, und schon waberte ein Nebel herum, ebenso violett wie damals, als er sich hatte täuschen lassen. Warum waren sie so dumm gewesen und hatten geglaubt, Pilpil würde den Enderdrachen in den Nether bringen? Er betrachtete die schwarzen Schalen und überlegte. Wenn der Enderdrache nicht im Nether war, wo war er dann?

- 2 -

Zu viel Zucker

Benx fuhr sich durch das eisverkrustete Haar. Er musste Krümelchen fragen, und so beschloss er, in Richtung Waisenhaus zu gehen. Unter dem daneben befindlichen Sandkasten lebte die geheimnisvolle Spiegeldame, von der es hieß, sie würde alles wissen. Seitdem Obsidiana sie allerdings beschädigt hatte, war sie nicht mehr die Alte. Nicht selten neigte sie mittlerweile dazu, sich zu irren. Aber sie hatte ihre lichten Momente und Benx die Hoffnung, sie könne ihm helfen.

Als Benx vor dem Sandkasten ankam, wusste er nicht, ob er sich freuen sollte oder nicht. Da es schwierig war, den Eingang in den Sandkasten zu finden, traf es sich gut, dass Noratio Krimskrams draußen herumstand. Schluchzend schnaubte der alte schlaksige Mann in sein Taschentuch. Dann wischte er sich damit die Tränen aus den Augen. Benx wusste, dass Noratio ein wenig verrückt war und seine Tür mitnahm, sobald er das Haus verließ.

»Hey, Noratio!«, rief Benx, um ihn zu fragen, wo er Krümelchen finden könne.

»Er ist weg … Sie sind weg …«, sagte Noratio kläglich und trompetete abermals in den Stofffetzen.

»Wer?«, fragte Benx und hätte sich danach am liebsten auf die Zunge gebissen.

»Alles begann damit«, schniefte Noratio und schien beim Urschleim anzufangen.

Nervös zappelte Benx auf den Beinen hin und her. »Ich will ja nicht unhöflich sein, aber ich muss unbedingt mit Krümelchen sprechen, es ist dringend!«

Erneut schluchzte Noratio, dieses Mal um einiges lauter.

»Tut mir leid, hab ich was Falsches gesagt?«, gab Benx verdattert ­zurück.

Noratio hob die Tür aus den Angeln und legte den Zugang zu seiner Wohnung frei. »Ich hab doch gesagt, dass sie weg sind.«

Nun verstand Benx überhaupt nichts mehr. »Wer?«

Noratio verdrehte die Augen. »Mein Bruder und Krümelchen.«

Benx rieb sich die Stirn. »Und wohin?«

»In die Flitterwochen …« Quäkend fiel er Benx um den Hals. »Die beiden sind zu den brennenden Hängen gereist, weit weg von Rabaukien.«

»Brennende Hänge, warum löscht die denn niemand?«, wunderte Benx sich.

»Dann kommen doch keine Touristen mehr«, wimmerte Noratio, um in ein herzzerreißendes Gejammer überzugehen. »Ich war noch nie so lange von Babelschlau getrennt!«

»Aber das heißt ja«, überlegte Benx laut und löste sich mit einiger Anstrengung aus der Umklammerung, »dass ich sie nicht fragen kann. Was mache ich denn jetzt?« Die Sache war verfahren. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Ohne Krümelchen fehlten ihm die ­Anhaltspunkte. Auch die Beweise brachten ihn kein Stückchen weiter. Sollte er sie sichern? Aber wohin sollte er das gefälschte Netherportal bringen? Er hatte keinen Schimmer und stand plötzlich in Noratios Wohnzimmer. Offenbar war er ihm hinterhergetrottet, ohne es zu ­merken.

»Willst du Zucker in deinen Tee?«, fragte Noratio, ohne dass er eine Antwort erhielt.

Benx bestaunte den Raum. Er konnte sich nicht erinnern, dass es hier jemals so ordentlich gewesen war. Wo sich vor Monaten Kisten und Unrat bis an die Decke gestapelt hatten, konnte er nun sogar die Wände erkennen. Sie schimmerten violett und golden. Einzig die Tiefenschieferblöcke standen an ihrem gewohnten Platz. »Was ist denn hier passiert?«, rief er nach einer Weile.

»Obs«, antwortete Noratio vergnügt und übergab Benx die Tasse. »Sie hat für Ordnung gesorgt.« Wieder schniefte er. »Und Dinge freigelegt, die besser in Vergessenheit geblieben wären.«

Zitternd deutete sein Zeigefinger auf ein großes gerahmtes Porträt an der Wand. Am rechten Bildrand erspähte Benx den um einiges jünger wirkenden Noratio. Um ihn herum standen jede Menge unterschiedliche Gestalten: Männer, Frauen, Skelette und sogar ein Eisengolem. Alle trugen dieselben weißen Kittel und in ihren Händen hielten sie lachende Bohrer.

»Du warst Zahnarzt?«, fragte Benx und nickte anerkennend.

»Ich hab den Zucker vergessen«, wich Noratio aus und füllte die gesamte Tüte in die Tasse, bis anstelle des schwarzen Getränks lediglich ein dicker schwarz-weißer Klumpen zu sehen war.

Kritisch begutachtete Benx das Gesöff. Von seiner Mutter war er einiges gewohnt, aber das setzte dem Ganzen die Krone auf. »Vielen Dank für deine Gastfreundschaft, aber ich muss jetzt gehen.«

»Bleib doch noch, ich bin ja sooo allein«, quengelte Noratio und drückte Benx die Tasse wieder in die Hand.

»Aber Obs wohnt doch auch hier? Oder haben Babelschlau und Krümelchen sie mitgenommen?«

»Elina und sie helfen Ebru bei den Vorbereitungen.«

»Welchen Vorbereitungen?«

Mit geschürzten Lippen und zappelnden Fingern drängte Noratio Benx, etwas zu trinken. Während Benx auf dem Getränk herumkaute, fuhr Noratio fort. »Heute Abend um acht findet die große Gala in der Kunstakademie statt, mit jeder Menge Prominenz, sogar Ozaena Kakosmie hat sich angekündigt.«

»Ozaena … wer?«, hakte Benx verwirrt nach.

Noratio lachte. »Jetzt verstehe ich, warum Ebru wollte, dass dir niemand Bescheid gibt. Du kennst ja nicht einmal die wichtigste Kunstkritikerin der gesamten Oberwelt. Ozaenas Näschen für Kunst ist geradezu legendär.«

»Ebru hat was?«, fragte Benx eingeschnappt.

»Oh!«, sagte Noratio zischend, hielt sich die Hand vor den Mund und wurde leiser und leiser. »Das hätte ich nicht sagen dürfen …«

Mit zornig funkelnden Augen drückte Benx ihm die Tasse gegen den Bauch. Dann drehte er sich um und setzte sich in Bewegung.

»Du hast ja gar nicht ausgetrunken?«, wimmerte Noratio, ohne dass Benx ihm antwortete. Wie nur konnte Ebru ihm so etwas antun?

- 3 -

Gemeinsame Sache

Mit hochgekrempelten Ärmeln stapfte Benx durch den Schnee. Noch immer klebte der Zucker zwischen seinen Zähnen. Trotzdem war er so sauer, dass ihm nun nicht einmal die Kälte etwas anhaben konnte. Schnurstracks nahm er Kurs auf Ebrus Zuhause. Dieses lag unter einer dichten Rauchglocke im Industriegebiet Rabaukiens. Auf der Hälfte des Weges fiel ihm ein, weshalb er eigentlich bei Noratio gelandet war: nicht wegen Ebru, sondern wegen des Netherportals. Es einfach stehen zu lassen, hielt er für keine gute Idee. Wie sollte er denn jetzt Pilpil auf die Schliche kommen, wo er doch Krümelchen nicht um Rat bitten konnte? Mit Ebru konnte er auch später noch ein Hühnchen rupfen. Und so machte er kehrt und lief zurück zu seiner Arbeitsstätte, um das falsche Portal fortzuschaffen.

Als er das Eingangstor passierte, stob eine Schar dunkler Vögel krächzend auf und kündigte die Dämmerung an. Fernhin hörte er, wie Drögel wild gegen das Holz hämmerte. Benx schnaufte tief durch. Nicht auszudenken, wenn dieser seinem Chef verraten würde, was Benx mit ihm angestellt hatte. Er wischte den Gedanken beiseite. Sollte Kaschi ihn doch entlassen, wenn er dafür Pilpil davon abhalten konnte, die Macht zu übernehmen.

Bald stand er wieder vor dem Netherportal, nur ohne einen Plan, wie er das schwere Ungetüm von A nach B bewegen konnte. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: das Valaportal auf dem Dachboden seines Elternhauses! Rasch riss er sein Inventar auf und suchte die Bestandteile zusammen, um ein Gegenstück zu bauen. Zuletzt hielt er vier grüne Kerzen und ein Feuerzeug in der Hand. Doch das Wichtigste fehlte: die Tiefenschieferblöcke. »Denk nach, Ben.« Er trommelte mit den Fingerspitzen gegen seine Stirn. »Noratio!«, rief er plötzlich aus, und zugleich zog sich sein Magen zusammen. Noch so einen Tee würde er nicht überleben.