Beratung anders. -  - E-Book

Beratung anders. E-Book

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Beschreibung

In Zeiten der Globalisierung und vielschichtiger sozio-ökonomischer Veränderungen steigt der Stellenwert richtungweisender Konzepte einer nachhaltigen Standort- und Arbeitsplatzsicherung. Darüber hinaus müssen Antworten auf Fragen zukünftiger Arbeitsformen und der Zukunft sozialer Sicherungssysteme in der Gesellschaft gefunden werden. Wie können Berater zur Stärkung von Mitbestimmung, Beteiligung und Sozial(staats-)prinzip beitragen? Welche Projekte und Programme sind geeignet, auch mit Hilfe von externem Sachverstand ein soziales und demokratisches Europa zu schaffen, in welchem Gewerkschaften und betriebliche Interessenvertreter die Belange der Beschäftigten und ihrer Familien effektiv sichern können? Zielgruppenspezifische Beratung für Gewerkschaften und Betriebsräte sowie wissenschaftliche Forschung können auf der Suche nach betrieblichen und gesamtgesellschaftlichen Lösungen Unterstützung bei der Bewältigung dieser Herausforderungen anbieten. Vor diesem Hintergrund versucht das vorliegende Buch "Beratung anders. Consulting für Betriebsräte und Gewerkschaften" Einblicke in Erfahrungswelten und Perspektivendebatten verschiedener Akteursgruppen zu eröffnen. Dieses Buch richtet sich sowohl an Gewerkschaftsvertreter/innen und Betriebsräte als auch an interessierte Fachleute (Wissenschaft, Stiftungen, Berater, etc.).

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Klaus Kost (Hg.)

Beratung anders

Standortdebatte

Eine Reihe der Hans-Böckler-Stiftung

Klaus Kost (Hg.)

Beratung anders

Consulting für Betriebsräte und GewerkschaftenGewerkschaften im Umbruch –neue Anforderungen,neue Antworten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

Schüren Verlag GmbH

Universitätsstraße 55 • 35037 Marburg

www.schueren-verlag.de

© Schüren 2008

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagentwurf: Rolf Zöllig

Druck: Difo-Druck, Bamberg

Printed in Germany

ISBN: 978-3-89472-220-3

eISBN: 978-3-89472-802-1

Inhalt

Prof. Dr. Klaus Kost

Vorwort

Berthold Huber

Gewerkschaften im Umbruch – Neue Anforderungen, neue Antworten

Detlef Wetzel

Perspektiven der arbeitsorientierten Beratung – Neue Handlungsfelder aus Sicht der Gewerkschaften

Michael Vassiliadis

Michael Vassiliadis, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie im Gespräch mit Klaus Kost (Hrsg.) und Uwe Knape

Peter Scherrer

Gewerkschaftliche Beratung und europäische Netzwerke

Oliver Burkhard / Marc Schlette

Tarifverträge und Berater – Neue Handlungsfelder für Arbeitnehmerinteressen

Stefan Pfeifer

Die gewerkschaftliche Innovations- und Strukturpolitik und die Rolle der Berater

Thomas Schlenz

Betriebsräte und Berater – Betriebsratsarbeit als Innovationstreiber

Sadiye Mesci-Alpaslan

«Immer nur Restrukturierung – und wo bleiben die Beschäftigten?» Restrukturierungsprozesse und arbeitsorientierte Berater

Reiner Göbel / Markus Sendel-Müller

Verhandeln mit Strategie

Detlef Ernst

Neuansätze der arbeitsrechtlichen Unterstützung für Betriebsräte und Gewerkschaften

Tobias Wolters

Externe Berater und Sachverständige für den Betriebsrat

Mireille Battut / Philippe Duchamp / Pascal Nonat / Alpha Coseil

Beratung von Betriebsräten in Europa: Von der Diagnose zur Antizipation

Dr. Werner Altmeyer

«Äpfel und Birnen» vergleichbar machen: Berater im interkulturellen Kontext

Dr. Peter Wilke / Dr. Norbert Kluge

Arbeitnehmerbeteiligung jenseits nationaler Grenzen. Anforderungsprofil an Beratung für Betriebsräte und Gewerkschafter 194

Dr. Jürgen Grumbach

Von der Technologieberatung zur Gestaltung sicherer und guter Arbeit

Uwe Knape

Die Einführung von Informationsmanagement im Mitbestimmungsumfeld

Dr. Erika Mezger / Jörg Weingarten

Arbeitsorientierte Forschung und Beratung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Wolfgang Köbernik

Vom Personaltransfer zur Personalentwicklung

Autoreninformationen

Prof. Dr. Klaus Kost

Vorwort

Beratung anders – was ist das denn? Dann auch noch für Gewerkschaften und Betriebsräte? Können Arbeitnehmervertreter ihren Job nicht mehr ohne externe Unterstützung sachgerecht und erfolgreich erfüllen? Und was ist «arbeitsorientierte Beratung» – wieder so einer der (neu-) modischen Trends in der Consulterszene, die sich durch Anglizismen und jede Menge PowerPoint-Präsentationen unersetzlich zu machen vorgeben, frei nach der Devise «Hast du etwas zu sagen, oder zeigst du PowerPoint?».

Die sachliche Begründung für dieses Buch zum Thema «Beratung anders – Consulting für Betriebsräte und Gewerkschaften» leitet sich demgegenüber von der Erkenntnis ab, dass sich in den letzten 20 Jahren nicht nur, aber vor allem in Deutschland eine umfangreiche und thematisch differenzierte Landschaft unterschiedlichster Berater entwickelt hat, die meistens auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes als dem «Grundgesetz» betrieblicher Interessenvertretung ihre Dienste Betriebsräten und Gewerkschaften anbieten.1

Aber auch öffentlich finanzierte Projekte im Bereich von Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik, insbesondere in dem von der EU proklamierten «Sozialen Dialog», so der Fachterminus für das EU-Programm, ergänzen die vorrangig betrieblichen Einsätze arbeitsorientierter Beraterinnen und Berater. Vervollständigt wird diese Arbeit durch ihre Tätigkeit für europäische Betriebsräte und Arbeitnehmerorganisationen.

Eine allgemeingültige Definition dessen, was arbeitsorientierte Beratung sein könnte, existiert ebenso wenig wie die Berater und Beratungsgesellschaften einer Zertifizierung unterzogen werden. Hier müsste sicherlich noch die Spreu vom Weizen getrennt werden, denn die Qualität dieser arbeitsorientierten Beratung lässt manchmal zu wünschen übrig. Gefordert sind hier der DGB und seine Einzelgewerkschaften, indem sie ihre Vorstellungen von Themen und Kriterien der arbeitsorientierten Unterstützung der Tätigkeit von Betriebsräten und Gewerkschaften benennen und öffentlich machen. Es ist nur schwerlich vorstellbar, dass z.B. die großen amerikanischen Beratungsgesellschaften, die Meckies und Bergers – letztere jedoch eine bedeutende deutsche Consultingfirma – mit ihren meist mit Personalabbau und «Cost Cuting», d.h. fast ausschließlich auf Kostenreduzierung im Sinne von «Gesundschrumpfungsansätzen» fixierten Beratungsansätzen zur Förderung von Mitbestimmung, Beteiligung und Sicherung der Arbeitnehmerinteressen beitragen können. Arbeitsorientierte Berater sind nicht eine Variante von Meckies im Schafspelz, die sich aus der Erkenntnis, dass hier ein neuer Consultingteilmarkt entstanden ist, jetzt als Gutmenschen deklarieren. Arbeitsorientierte Beratung ist ein eigenständiger Beratungsansatz, der objektiv und sachgerecht arbeitet, wenn auch mit einer anderen Zielsetzung und Methodik, nämlich sozial verpflichtet und beteiligungsorientiert auf Augenhöhe zwischen Kunden – Betriebsräte, Gewerkschaften usw. – und beratenden Dienstleistern.

Insgesamt ist die wissenschaftliche wie publizistische Beschäftigung mit dem Thema «Betriebsratsberater» oder «arbeitsorientierte Beratung» sehr dürftig, Literatur oder Forschungsprojekte zu dieser Thematik gibt es fast nicht. Unter arbeitsorientierter Beratung könnte man unter Anlehnung an Bach2 am ehesten folgendes verstehen:

Arbeitsorientierte Beratung hat einen Belegschaften und Betriebsräte beteiligenden sowie die Mitbestimmung aktiv einbeziehenden und fördernden Ansatz. Über den Weg der Aktivierung der meistens betrieblichen Know-how-Träger, durch Beteiligung und Generierung organisatorischer wie betrieblicher Wissensbestände und -träger wird die Sicherung von Arbeitsplätzen, Sozial- und Rechtsstandards wie Tarifverträge usw. angestrebt. Eine solche Beratungsform berücksichtigt die Innovationsfähigkeit der Akteure und Belegschaften, die z.B. zur Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation, zur Verbesserung von Dienstleistungsqualität, Verfahren und Produkten, aber auch der Unternehmenskultur und anderer so genannter «soft skills» (Sozialkompetenz) führen kann.3

Zu verstehen ist diese Veränderung nur vor dem tief greifenden Strukturwandel der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten, die auch vor Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretungen nicht Halt gemacht haben. Dazu zählen Zusammenschlüsse von Gewerkschaften, Reduzierung der Anzahl von hauptamtlichen Gewerkschaftssekretären, Internationalisierung der Aktivitäten, explosionsartige Zunahme der Themen, die für Gewerkschaften wie betriebliche Interessenvertretungen von Relevanz sind und zu bedeutenden Handlungsfeldern geworden sind.

In logischer Konsequenz dieser Veränderung von Gewerkschaftsarbeit und Mitbestimmungspolitik in Betrieben, Unternehmen und Regionen sind auch verstärkt Spezialisten gefragt, die als Unterstützer und Dienstleister ihre spezifischen Fachkenntnisse in diesem Spezialsegment des Consultingmarktes anbieten und einbringen. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um privatwirtschaftlich agierende Personen und Gesellschaften, die natürlich gewinnorientiert, aber sozialverantwortlich wie arbeitsorientiert arbeiten – und arbeiten müssen. Machen sie es nicht, dann erleiden sie entweder das Schicksal des Marktaustritts, der Insolvenz oder der Liquidation, wie es zuletzt der traditionsreichen ISA CONSULT GmbH ergangen ist. Die hundertprozentige Tochter der gewerkschaftlichen Vermögensholding kam trotz ihrer Größe – ISA CONSULT GmbH gehörte unbestritten zu den TOP FIVE der arbeitsorientierten Berater – seit Jahren aus ihrer (selbst verursachten?) Krise nicht mehr heraus. Es ist zu bedauern, dass damit einer der zentralen Akteure und Know-how-Träger nicht mehr existiert, der zusammen mit seiner Vorgängergesellschaft GEWOS zu den Pionieren der arbeitsorientierten Beratung in Deutschland zählte. Mit der Liquidation im Jahr 2007 ging eine weitere Atomisierung der Beraterlandschaft einher, viele ehemalige ISA – Kolleginnen und Kollegen haben sich alleine oder als Kleinstgesellschaft verselbstständigt. Dieser Trend ist um so mehr als tragisch zu bezeichnen, als in Deutschland eher größere und leistungsfähigere Beratungsgesellschaften benötigt werden, mit klaren Qualitätszertifikaten, höherer Leistungsfähigkeit, weitergehende Beratungstools und -themen anbietend usw., so dass diese Zersplitterung zur weiteren Intransparenz und unkoordiniertem Einsatz von irgendwelchen Beratern beiträgt.

Nichtsdestotrotz ist auch der arbeitsorientierte Beratermarkt als expandierend zu bezeichnen. Innerhalb des Gesamtsegments der Unternehmensberatung, der per anno ein Volumen von ca. fast 17 Mrd. € besitzt, spielen die arbeitsorientierten Berater und Beratungsunternehmen nur eine marginale Rolle. Im gesamten deutschen Beartungsmarkt gibt es fast 14.000 Beratungsunternehmen mit ca. 80.000 Beratern unterschiedlichster Ausrichtung.4 Der DGB-Bundesvorstand führt demgegenüber eine Datenbank mit ca. 350 Beratern und Consultingunternehmen, die als arbeitsorientiert zu bezeichnen sind. In diesem Verzeichnis sind auch einige Rechtsanwälte insbesondere mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht enthalten, so dass die bereinigte Zahl der «Anders-Berater» geringer ausfallen dürfte, wenn auch andererseits sicherlich nicht alle Personen und Gesellschaften durch die DGB-Datei erfasst sein dürften. Dennoch verhält sich das Verhältnis der arbeitsorientierten zu den – sehr oft Shareholderinteressen verpflichteten – Consultern, wie David zu Goliath.

Es gibt keine verlässliche Zahl zum Marktvolumen des arbeitsorientierten Consultings. Bereinigte Schätzungen ohne Berücksichtigung der Honorare für Rechtsberatung und andere Anwaltskosten gehen davon aus, dass in Deutschland ca. 20 Millionen Euro für Beratungsdienste für Betriebsräte und Gewerkschaften ausgegeben werden, wovon ca. die Hälfte auf Grundlage von § 80 Abs. 3 und §111 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes erfolgen. Neue Wege, wie sie das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht (z.B. § 92 a), werden bislang nur unvollkommen genutzt, obwohl die Betriebsräte hier explizit aufgefordert werden, eigene alternative Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Arbeitsplätze zu erarbeiten und dabei externen Sachverstand nutzen zu können. Zukünftig werden die öffentlich finanzierten Projekte – Gutachten wie Beratung – dagegen die Ausnahme sein.

Wie haben sich Themen, Umfang und Methoden in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert? Welche Trends sind erkennbar, die die arbeitsorientierten Berater zukünftig erfüllen müssen?

Bis Ende der 1970er Jahre waren arbeitsorientierte Berater und Beratungsgesellschaften eine exotische Seltenheit, meistens auf juristisch qualifizierte Kolleginnen und Kollegen beschränkt. Beratung – soweit sie mit den extrem differenzierten Anforderungen in der Gegenwart vergleichbar ist – wurde wenn überhaupt, von den Gewerkschaften in eigener Leistung erbracht. Einige wenige Einrichtungen, wie die Sozialforschungsstelle in Dortmund, hatten sich zwar schon frühzeitig am Beratermarkt etabliert, doch reichte dies in der Summe nicht aus. Die explosionsartige Zunahme von Fragen und Problemen, mit denen sich Betriebs- und Personalräte und Gewerkschaften konfrontiert sahen und sehen, haben die Notwendigkeit zur Hinzuziehung von externem Sachverstand ausgelöst. So entstanden Anfang der 1980er Jahre die ersten DGB-Kooperationsstellen an Universitäten. Die «Gemeinsame Arbeitsstelle der IG Metall an der Ruhr Universität Bochum» nahm ihre Arbeit auf. Gutachtertätigkeiten des GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GmbH, der GFAH in Dortmund, die Aktivitäten der MEMO-Gruppe Bremen und Wissenschaftsläden ergänzten das arbeitsorientierte Spektrum. Technologieberatungsgesellschaften wurden gegründet. Zu dieser Zeit wurden die Keime für die arbeitsorientierte Beratungslandschaft gepflanzt, die sich seitdem stark differenziert, spezialisiert und regionalisiert hat. Wie bereits erwähnt entstanden auch an den Hochschulen Initiativen für eine «Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung», die ihr Know-how u.a. Betriebsräten und Gewerkschaften zur Verfügung stellen wollten. Im Zentrum dieser Aktivitäten standen sowohl Fragen der sozialverträglichen Technikgestaltung als auch regional- und strukturpolitische Initiativen zur innovativen Beschäftigungsförderung, die vorrangig staatlich finanziert werden sollten. Neben den DGB-Küstenstrukturprogrammen oder Ruhrgebietsinitiativen gehörte das durch die IG Metall getragene GEWOS-Gutachten «Beschäftigungsperspektiven für die Metallindustrie im Ruhrgebiet» zu den Meilensteinen in der Geburtsstunde der professionellen arbeitsorientierten Beraterinfrastruktur mit vorerst regionaler Schwerpunktbildung in strukturschwachen Regionen. In der Regel waren es Volkswirte, Geographen und Sozial- und Politikwissenschaftler, die sich meistens ohne operative Betriebserfahrung mit diesen Themen beschäftigt haben. In weiteren Ansätzen wurden krisengeschüttelte Betriebe (nicht selten damals von Gewerkschaften als «sterbende» Betriebe eingeschätzt) in die eher gutachterliche und weniger betriebs- wie lösungsorientierte Tätigkeit einbezogen. «Retten, was zu retten ist», war Mitte der 1980er Jahre noch nicht das Leitthema gewerkschaftlicher Struktur- und Betriebspolitik.5

Mit dem Ende der DDR nahm der Beratungsbedarf nicht nur im Bereich der arbeitsorientierten Beratung (aber auch hier) explosionsartig zu. Der Transformationsprozess der DDR-Staatswirtschaft und deren Unternehmen in die kapitalistische Marktwirtschaft verlief mit zahlreichen Brüchen und Problemen in Betrieben wie Regionen. Massenhafte Arbeitsplatzvernichtung war die Konsequenz. Alternativen für neue Arbeitsplätze und Initiativen im Sinne einer wettbewerbsfähigen Bestandsentwicklung etablierter Unternehmen waren gefragt. Konsequenter Weise wurden jetzt arbeitnehmernahe und sozial sensible Beratungsinstitutionen gesucht, die diesen Umstrukturierungsprozess sozialverträglich begleiten und gestalten konnten.

Dennoch waren und sind betriebliche Restrukturierungs- und Innovationsprozesse nicht nur eine Angelegenheit der neuen Bundesländer. Bundes- und auch europaweit nehmen Fragen der Zukunfts- und Arbeitsplatzsicherung rapide zu. Gefordert sind marktfähige und durchsetzbare Machbarkeitskonzepte, die der (nicht immer substantiell fundierten) Kritik der Arbeitgeber und ihrer Verbände standhalten, ja nach Möglichkeit auch deren Zustimmung und Unterstützung im Hinblick auf die Umsetzung von Innovationsmaßnahmen gewinnen sollen.

Arbeitsorientierte Berater mit dem Schwerpunkt «Betrieb» haben deshalb verstärkt die Aufgabe:

• betriebswirtschaftliche Ist-Analysen zu erstellen und Zukunftsszenarien zu entwickeln,

• strategische Neuausrichtungen der Unternehmen im Auftrag der Betriebsräte zu initiieren und zu begleiten,

• Controlling von Vereinbarungen zwischen Tarif- und Betriebsparteien sicher zu stellen,

• Personal- und Organisationsentwicklung zu beherrschen,

• Moderationskompetenz für Konsensbildung und Umsetzungsschübe zu besitzen.

Wie vielschichtig Betriebsratsarbeit heute geworden ist, zeigt auch die regelmäßig durchgeführte WSI-Betriebsrätebefragung. Andere Handlungsfelder wie z.B. Kampagnenfähigkeit, Strukturpolitik, Einschätzung von Private-Equity-lnvestoren u.a. Themen kommen natürlich noch dazu.

Betriebliche Problembereiche und Problembedeutung 2005-2007

Betriebliche Probleme

*

Problem existent

(Häufigkeit in %)

Inten sitäts rate

**

(Mittel wert)

«Prioritätsrate»

***

(Häufigkeit in %)

Personalabbau/Beschäftigungssicherung

60.8

2.3

14.9

Altersteilzeit

58.8

2.9

3.7

Sozialplan/Interessenausgleich

31.5

2.3

4.9

Einschränkung der Ausbildung

19.9

2.9

0.2

Ausgliederung/Schließung oder Zusammenlegung von Betriebsteilen

33.8

2.4

6.7

änderung der Arbeitsorganisation

58.0

2.7

3.7

Arbeitsbedingungen älterer

38.2

3.0

0.5

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen

40.5

3.0

1.0

Gleichstellung von Männern und Frauen/ Frauenförderung

26.7

3.9

0.1

Einführung neuer Techniken

54.2

2.7

2.5

Arbeitsschutz/Gesundheitsförderung

77.0

2.8

1.8

Fort- und Weiterbildung

69.9

2.9

1.1

Erhöhung des Leistungsdrucks

70.9

2.5

5.5

Arbeitszeitkonten

67.0

2.5

10.3

Zielvereinbarungen/Mitarbeitergesprächen

66.9

2.7

4.1

mehr Überstunden

64.8

2.4

9.4

mehr Wochenendarbeit

38.0

2.7

2.9

betrieblicher Altersversorgung/Riesterrente

61.8

2.9

1.8

Einschränkung betrieblicher Sozialleistungen

32.8

2.8

1.6

Abbau übertariflicher Leistungen

36.9

2.6

3.4

Unterschreitung von Tarifstandards/ Kürzung tariflicher Leistungen

37.0

2.3

5.7

Wünsche der Beschäftigten nach flexiblen Arbeitszeiten

47.2

2.7

2.7

Verschlechterung des Betriebsklimas

64.3

2.6

4.9

Mangelnder Rückhalt des Betriebsrats bei den Beschäftigten

33.0

3.0

1.9

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz v. 2006

54.0

3.2

0.3

Neues Elternzeitgesetz v. 2006

26.2

3.6

0.0

*

Die Frage im Interview lautete konkret: Welche Entwicklungen und Probleme haben den BR seit Anfang 2005 besonders beschäftigt? Die Liste der möglichen Antworten war vom WSI vorgegeben; Mehrfachnennungen waren möglich.

**

Die Frage lautete: Wie intensiv war die Beschäftigung mit diesem Thema auf einer Skala von 1 (sehr intensiv) bis 6 (überhaupt nicht intensiv)?

***

Die Frage lautete: In welchem Bereich lag das größte Problem für die Betriebsratsarbeit seit Anfang 2005? Etwas über 4% aller Befragten haben diese Frage nicht beantwortet.

Quelle: WSI-Befragung von Betriebsräten 2007 (gewichtete Ergebnisse/ nur Teilstichprobe Basisbefragung))

Insgesamt nimmt die Ausrichtung der betriebsspezifischen Fragestellungen an die arbeitsorientierten Beratung zu, so dass diese mit detaillierten Branchenkenntnissen kombiniert werden muss. Es werden heute folglich eher Betriebspraktiker als Berater gesucht und weniger wissenschaftlich ausgerichtete Gutachtenverfasser. Macher statt Schreiber sind gefragt. Daraus resultierend haben Themen der Regional- und Strukturpolitik zurzeit deutlich an Stellenwert verloren.

Ähnliche Veränderungen lassen sich auch in anderen Teilsegmenten der arbeitsorientierten Beratung feststellen. Beispielhaft an der Technologiedebatte kann die Entwicklung des Beratungsbedarfs von der reinen Technikgestaltung (Stichwort: Gefahren durch neue Technologien) hin zu Vereinbarungen über Arbeitsschutz, Gesundheitsmanagement und der Sicherstellung von Qualifizierungen beobachtet werden. Gestaltungsalternativen und keine Blockaden werden gesucht.

Fast immer basieren die Tätigkeitsfelder der aktuellen arbeitsorientierten Beratung auf einem angekündigten Personalabbau. Demnach sind für die Berater Kenntnisse im Bereich des Personaltransfers ebenso erforderlich wie die Unterstützungskompetenz für Betriebsräte bei Verhandlungen zum Interessenausgleich und Sozialplan.

Wie sehen die Themen und Handlungsfelder der Zukunft aus? Wie können Berater zur Stärkung von Mitbestimmung, Beteiligung und Sozial(staats-) prinzip beitragen? Welche Projekte und Programme sind geeignet, auch mit Hilfe von externem Sachverstand ein soziales und demokratisches Europa zu schaffen, in welchem Gewerkschaften und betriebliche Interessenvertretungen die Belange der abhängig Beschäftigten und ihrer Familien effektiv sichern können? Welchen Beitrag kann die «Triade» aus Gewerkschaften, betrieblichen Interessenvertretungen und externem Sachverstand zur Sicherung von Umwelt und Ökologie leisten?

Arbeitnehmervertreter sind somit mit mehr Fragen als Antworten konfrontiert, wenn es um zukünftige Anforderungen und Herausforderungen einer sozialgerechten wie wettbewerbsfähigen Arbeitswelt geht. Vor diesem Hintergrund sind die Gewerkschaften, als die Organisationsform der Beschäftigten, aber auch als deren «think tank» gefordert zu benennen, wie und in welchen Themenfeldern mit Consultern zukünftig zusammengearbeitet werden soll. Die Berater selber sind nur sehr begrenzt in der Lage, diese Zukunftsdebatten ihrer Handlungsebenen und inhaltlichen Schwerpunktsetzung autonom zu definieren. Dann würden nur kurzfristige und scheinbar «lukrative» Themen bevorzugt. Eine strategische Programmplanung des Dreiecksverhältnisses von Gewerkschaften, betriebliche Interessenvertretung und Consultants geht dagegen weit über eine kurzfristige Marktbetrachtung hinaus. Deshalb muss das Aufgabenprofil der arbeitsorientierten Berater und Beratungsgesellschaften eingebunden sein in die Strategie- und Zukunftsdebatten der Gewerkschaften, insbesondere der Einzelgewerkschaften.

Aktuelle Studien über die Zukunft der Gewerkschaften zeigen, dass künftig für folgende Problemkreise Lösungen gefunden werden müssen:

• Sicherung des Tarifrechts

• Abwehr von betrieblicher Deregulierung und so genannter Arbeitnehmerbeiträge (Verzichte, Stundungen)

• Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen

• Mitarbeiterbeteiligung und Mitarbeitergesellschaften

• Finanzierung von Mitarbeiterbeteiligungen und Fortführungen nach Insolvenzen etc.

• Insolvenzberatung

• Treuhänderische Verwaltung von Beteiligungen, Finanzanlagen (z.B. im Rahmen so genannter Arbeitnehmerbeiträge bei Sanierungs- und Be- schäftigungssicherungsverträgen)

• Personalentwicklung

• Zukunftsfähige Organisationsstrukturen in Betrieben und Unternehmen

• Instrumente der sozial gestalteten Flexibilität

• Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit bei freiwilligem wie unfreiwilligem Arbeitsplatzwechsel und -Verlust

• Betriebliche Modernisierung im Globalisierungswettstreit

• Internationalisierung der Betriebe (Gesellschafter, Kooperationen, Forschungsverbünde, Europäische Betriebsräte, Sprachfähigkeiten, Anpassung der Standards usw.)

• Kampagnen (thematisch, regional, zeitlich begrenzt usw.)

• Werbung und Marketing (Mitgliederwerbekampagnen, Öffentlichkeitsarbeit, Unterstützung bei Betriebsratswahlen etc.)

• Coaching und Moderation

• Arbeitsmarktpolitische Initiativen

• Gender-Thematik

• Initiativen für sektorale wie regionale Wirtschaftsförderung

Diese Auflistung erfüllt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie zeigt jedoch den Wandel der Themen- und Aufgabenstellungen, die sich auch weiterhin in einem Veränderungs- und Erweiterungsprozess befinden.

Neben der thematischen Verschiebung sind auch strukturelle Herausforderungen in der Art der Beratung zu verzeichnen. Betriebsorientierte Machbarkeitsanalysen und deren Realisierung stehen im Zentrum arbeitsorientierter Beratung. Sprechen und schreiben reicht nicht mehr aus, machen und verantworten wird verlangt.

Vor diesem Hintergrund versucht das vorliegende Buch «Beratung anders. Consulting für Betriebsräte und Gewerkschaften» Einblicke in Erfahrungswelten und Perspektivdebatten verschiedener Akteursgruppen zu eröffnen.

Zum einen sind es mehrere Betriebsräte, die ihre Erfahrungen mit Consultern schildern, da sie einerseits mit deren Produkten und Empfehlungen konfrontiert waren und andererseits, mit den Konsequenzen des Personalabbaus und Eingriffen in den Besitzstand der Arbeitnehmer umgehen mussten. Auf der anderen Seite schildern arbeitsorientierte Berater ihre Arbeit mit den Betriebsräten und Gewerkschaften, aber auch mit dem Management.

Weiterhin kommen auch solche Berater zu Wort, die aus ihrer Sicht Einschätzungen zu der bisherigen Beratungsleistung abgeben und diese anhand der Europäisierung der Handlungsebene in den Gesamtprozess einordnen. Damit eng verbunden sind die beiden Beiträge aus arbeitsrechtlicher Sicht, die in die Schwierigkeit der Absicherung und Umsetzung des Betriebsratsanspruchs zur Hinzuziehung von externem Sachverstand einführen. Es wird deutlich, dass die verbesserungswürdige Gesetzeslage nicht das alleinige Kriterium dafür ist, ob Consulter für Betriebsräte zum Einsatz kommen. Mindestens genauso wichtig sind politische Durchsetzungsfähigkeit, intelligentes Agieren der Gremien und letztendlich auch ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad, ohne den auch die besten Gesetze nichts bewirken können.

Last but not least stellen insbesondere Gewerkschafter aus IG Bergbau, Chemie und Energie sowie der IG METALL ihre Überlegungen vor, wie sich ein effektives Zusammenwirken der Partner aus Gewerkschaften, Betriebsräten und externen Sachverständigen verbessern lässt, um damit die Interessen der Beschäftigten besser vertreten zu können. Diese Ausführungen werden von allen drei Ebenen der Gewerkschaftsarbeit betrachtet: Zum einen aus Sicht der Verwaltungsstelle mit einer vorrangig lokalen regionalen Perspektive, aus Sicht der IG-METALL-Bezirksleitung sowie durch den Beitrag von Michael Vas- siliadis für den IGBCE-Vorstand und den Beitrag von Bertold Huber und Detlef Wetzel (IG-METALL-Vorstandes) aus Sicht eines Gewerkschaftsvorstandes. Aber auch die ständig an Bedeutung zunehmende europäische Dimension kommt zu Wort.

Das Buch beabsichtigt mit dieser Struktur einen Beitrag für eine Zwischenbilanz arbeitsorientierter Beratung sowie ihrer Weiterentwicklung vor allem in qualitativer Sicht zu liefern. Jeder Beitrag steht für sich und in der Verantwortung des einzelnen Autors.

Klaus Kost

Literaturverzeichnis

Bach, A.: Beteiligungsorientierte Konzepte als neue Form der Beratung von Unternehmen. Diss. Universität Dortmund 2002.

Bund Deutscher Unternehmensberater- BDU (Hrsg.): BDU- Trendbarometer 2008. Bonn 2008.

Kost, K. (Hrsg.): Wir retten was zu retten ist. Arbeitsplatzerhalt durch Belegschaftsinitiativen. Mannheim 2004.

Legner et. al: Beteiligung durch Projektarbeit. Frankfurt am Main 1997.

Schäfer, C.: Betriebliche Problembereiche und Problembedeutung 2005–2007. WSI Veröffentlichung 2008.

Weingarten, J., Lötscher, L. (Verf.): Grundlagen, Anforderungen und Perspektiven Arbeitorientierter Beratung. HBS-Studie 2007.

1   Jörg Weingarten; Lienhard Lötscher (Verf.): Grundlagen, Anforderungen und Perspektiven Arbeitorientierter Beratung. HBS-Studie 2007.

2   A. Bach: Beteiligungsorientierte Konzepte als neue Form der Beratung von Unternehmen. Diss. Universität Dortmund 2002.

3   Peter Legner et. al: Beteiligung durch Projektarbeit. Frankfurt am Main 1997.

4   Bund Deutscher Unternehmensberater- BDU (Hrsg.): BDU- Trendbarometer 2008. Bonn 2008.

5   Klaus Kost (Hrsg.): Wir retten was zu retten ist. Arbeitsplatzerhalt durch Belegschaftsinitiativen. Mannheim 2004.

Berthold Huber

Gewerkschaften im Umbruch – neue Anforderungen, neue Antworten

Einleitung

«Nach uns kommende Generationen werden uns nicht danach beurteilen, ob wir die Zeitverhältnisse richtig analysiert haben, sondern danach, ob wir im richtigen Zeitpunkt richtig gehandelt haben.»1 Mit dieser Formulierung Otto Brenners aus dem Jahr 1971 ist auch heute noch treffend umschrieben, worum es in der Gestaltung gewerkschaftlicher Politik vor allem geht und woran Gewerkschaften von ihren Mitgliedern und der Gesellschaft gemessen werden: um das praktische Handeln zum Wohle der Menschen. Das ist gerade angesichts der Umbruchsituation, in der sich die Gewerkschaften fraglos befinden, die entscheidende Richtschnur – aber auch eine anspruchsvolle Herausforderung. Denn seit den Anfängen der Arbeiterbewegung ist bekannt, dass eine treffende Analyse der Verhältnisse nicht ausreicht. Wir gestalten mit unseren Möglichkeiten – vor allem der Tarif- und Betriebspolitik – die Arbeitsbedingungen und nehmen Einfluss auf die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und auch kulturellen Rahmenbedingungen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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