Berinshall - Die Schwestern der Nacht - Lilah Fox - E-Book

Berinshall - Die Schwestern der Nacht E-Book

Lilah Fox

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Beschreibung

Pina Morgaine hätte sich nicht vorgestellt, wie schwierig es ist, eine Akademie für Hexer zu besuchen. Kein WLAN, keine elektronischen Geräte, nichts ist erlaubt! Berinshall liegt in der Mitte von Norwegen, auf einer Klippe abgelegen - und sie kann noch nicht mal flüchten. Und dann verliebt sie sich in eine Hexe, die von allen anderen gemieden wird ...Doch die Hexe hat ein Geheimnis - und zur selben Zeit werden einige Schüler ermordet aufgefunden ..."Berinshall - Die Schwestern der Nacht" ist der 5. Teil einer Fantasy-Serie, deren Folgen monatlich erscheinen. Der 5. Teil kann jedoch unabhängig von den vorherigen Bänden gelesen werden.1 Nixenfluch und Blutcocktails2 Wolfsherz und Silbertinkturen3 Krähenkind und Mondlicht4 Feentraum und Sternentanz5 Berinshall - Die Schwestern der Nacht6 Berinshall - Das Lied der Hexe (erscheint voraussichtlich September 2018)

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Lilah Fox

Berinshall - Die Schwestern der Nacht

Elaria80331 München

1

Worauf hatte ich mich nur eingelassen?

Ich und eine Akademie?

Ich und ungefärbte naturblonde Haare?

Eine verfluchte Uniform?

KEIN HANDY?

Aber jetzt kam ich nicht mehr heraus. Wer sich einmal in der Akademie Berinshall verloren hatte, würde erst wieder diese heiligen vier Mauern verlassen, wenn der Winter begann. Für die nächsten elf Monate war ich hier drin eingesperrt.

Meine Kammermitbewohnerin war eine fünfzehnjährige Hexe mit dem Namen: Melancholia. (Eigentlich hieß sie Melanie, aber Melancholia kam ihr wohl besonders kreativ vor - ich sagte ihr nicht, dass das eigentlich Schwarzgalligkeit bedeutete). Melanie kam aus Deutschland, genauso wie ich, aus der Nähe von Berlin. Sie hatte drei Kisten voller Bücher mitgebracht, trug ihre Uniform akkurat gerade (während mein Umhang mir ständig über die Schulter rutschte und ich bereits von einigen Lehrern darauf angesprochen worden war). Und sie weinte jede Nacht bitterlich, weil sie ihre Familie vermisste.

Was wiederum bedeutete, dass ich seit drei Nächten kein Auge zugetan hatte und von ihrem leisen Wimmern aufwachte.

Melanie hielt mich bereits für ihre allerbeste Freundin. Dabei hatte ich ihr kaum etwas über mich erzählt. Dafür plapperte sie jedoch unaufhörlich.

»Ist das nicht ein schöner Morgen?«, fragte sie nun auch, während sie die Gardinen aufzog und Sonnenlicht in die kleine nach Staub riechende Kammer hereinließ.

Das hier drinnen sollte ich nun die nächsten Monate aushalten.

Mit ihr zusammen.

»Geht so«, murmelte ich und setzte mich auf. Es lag nicht nur an ihr, dass ich mich hier seltsam unwohl fühlte. Schon bei meiner Ankunft, als meine Eltern und meine Schwester mit ihrem Vampirfreund mich hier abgesetzt hatten, war mir irgendwie unbehaglich gewesen. Meine Mutter hatte behauptet, es liege nur daran, dass ich bereits Heimweh hätte. Was nicht der Fall war. Ich hatte es kaum ausgehalten, aus dem Dorf in Rheinland-Pfalz und dem riesigen Haus meiner Eltern auszubrechen. Seit meine Geschwister alle aus dem Haus waren, waren Mama und Papa unerträglich geworden und unterhielten sich nur mit einem Buch in der Hand.

»Bist du nicht dankbar, hier aufgenommen worden zu sein?«, fragte Melanie und blinzelte mich lächelnd an. »Es ist so wundervoll und Norwegen ist wirklich ein schönes Land. Auch wenn wir natürlich nicht viel davon gesehen haben und sehen werden, aber - es gefällt mir außerordentlich gut.«

Wenn Melanie nachts weinte, war sie dafür tagsüber umso unerträglicher - weil hyperaktiv und gespielt gut gelaunt.

»Ja.«

Ich seufzte, räkelte mich aus dem Bett. Da der Spiegel (der Ornamente hatte und einen Rahmen mit Dämonenfratzen - was ein bisschen so aussah wie der Spiegel von Schneewittchens Stiefmutter) direkt über der Kommode vor meinem Bett hing, fiel mein Blick sofort auf mein eigenes Spiegelbild - und ich erschrak. Ich hatte dunkle Augenringe, sah blass und unausgeschlafen aus und - mir fehlte Farbe. Rosa. Blau. Herrje. Ich fuhr mir durch meine blassen, beinahe weißblonden Haare und schauderte.

Das hier war ich nicht.

»Heute fangen die ersten Kurse an. Meinst du, wir haben was zusammen? Bei mir fängt es ja frühmorgens mit Flüchen an und später Vorsehung. Was ist bei dir?«

Ohne auf meine Antwort zu warten, blätterte Melanie ungefragt in meinem Stundenplan herum und stellte enttäuscht fest: »Oh. Schade. Heute werden wir uns nicht sehen.«

Den sieben dunklen Hexen der Walpurgisnacht sei Dank.

Ich sah ihr zu, wie sie ihren Umhang anzog und ließ mich dann von ihr dazu drängen, mir ebenfalls was überzuziehen, damit wir gemeinsam in der Halle frühstückten.

2

Auf den Korridoren der Akademie war schon viel los. Andere Schüler hasteten an uns vorbei, manche schwebten sogar (aus höheren Stufen) und wiederum andere standen in den Ecken und diskutierten aufgeregt miteinander.

Worum es wohl ging?

Aber Melanie ließ mir keine Zeit, mich genauer umzuhören, sie zog mich an einigen Steinstatuen vorbei (von denen man erzählte, dass sie des Nachts lebendig wurden, aber bisher hatte ich das nicht erlebt) und öffnete die Tore zur Speisehalle. Die recht armselig war, dafür, dass so viel Studiengeld bezahlt wurde. Es gab tagsüber nur drei verschiedene Gerichte, heute zum Beispiel: Haferschleim mit Kürbissuppe, Ingwerpüree und Dattelteig oder Pinienkern-Feldsalat mit Erdbeersoße.

(Wenn es nach Gwen, meiner Schwester, gegangen wäre, hätte dieser erste Teil auch genauso geheißen: Hexenkuss und Ingwerpüree. Aber ich habe mich durchgesetzt. Das ist schließlich meine Geschichte und nicht mehr die ihre.)

Am runden Tisch für »Erstklässler« (mit 16 in die erste Klasse zu kommen war auch ziemlich seltsam, aber wir waren halt spät dran) hockten bereits einige andere, die Melanies Ankunft mit Augenverdrehen in Kenntnis nahmen. So tat sie mir nun doch ein wenig leid. Niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben.

Aber sie merkte es zum Glück nicht.

Stattdessen begann sie den anderen von ihrem ersten Schultag vorzuschwärmen und davon, welche Kurse sie gleich haben werde und und und -

Ich war so müde, dass ich ihr kaum zuhörte.

Von den anderen kannte ich bereits ein paar: Henry aus einem Dorf in England, Ludlow, wenn ich mich nicht irrte. Eleonore aus Frankreich, Paris. Und dann noch der Junge, in den sie sich alle am ersten Tag verschossen hatten (Melanie leider auch): Jones. Aus Südafrika, Johannesburg. Ich wusste nicht, warum er mir nicht gefiel.

Irgendetwas an seiner Art stieß mich ab, dabei war er total nett und auch einer der wenigen, der jetzt freundlich mit Melanie sprach. Was sie dazu brachte, hysterisch zu kichern und rot anzulaufen. Jetzt fühlte sie sich nur noch mehr darin bestärkt, ihn anzuhimmeln. Aber womöglich war er einfach zu attraktiv, wie ein Mannequin. Er hatte dunkelblondes Haar, breite Schultern und ein so weißes Grinsen, für das Zahnärzte (für ihre Werbung) wohl gemordet hätten. Dazu noch seine leicht sonnengebräunte Haut und schon war das Übel verpackt.

(Eleonore behauptete ja, er würde wie ein berühmter Fußballspieler aussehen, aber das konnte ich nicht bestätigen. Mit Fußball beschäftigte ich mich nicht.)

»Oh, dann haben wir ja gleich zusammen Kunst«, sagte er sanft lächelnd in meine Richtung. Seine hellen grünen Augen glitzerten mich verschwörerisch an, als wolle er mich auch in seinen Bann ziehen - aber nix da.

Ich fragte gelangweilt: »Ach ja? Cool.«

Mama hatte immer behauptet, dass ich internetsüchtig sei - mittlerweile befürchtete ich das auch. Es fehlte mir, etwas zu twittern, in Online-Shops nach hübschen Sachen zu suchen, Instagram nach neuen Bildern zu durchforsten oder auf YouTube irgendwelche sinnfreien Videos zu schauen. Aber hier in Berinshall war es strikt untersagt (was ich erst im Nachhinein erfahren hatte), technische Geräte zu besitzen, weil die Gründerin offenbar mental im 13. Jahrhundert zurückgeblieben war - und diese Regeln aufgestellt hatte.

»Sollen wir schon los?«, fragte er mich.

Alle anderen Mädchen am Tisch sahen mich griesgrämig an. Bis auf Melanie, die leicht traurig wirkte.

Herrje, ich bin nicht in ihn interessiert. Ihr könnt ihn haben. Kämpft um ihn. Rauft euch. Was auch immer. Mir doch egal!

Aber stattdessen nickte ich und stand auf, da ich aus lauter Liebeskummer nach meinem geliebten Internet sowieso nichts herunterbekam.

Auf einmal ging ein Raunen durch die Halle.

Auf der anderen Seite vor dem Tresen erschienen zwei Mädchen, die einander glichen wie der Mond und die Sonne - und sich genauso zu unterscheiden schienen. Sie hatten goldbraune Haut wie Kaffee (was übrigens auch nicht in Berinshall erlaubt war, kein Latte Macchiato, kein Espresso, noch nicht mal ganz normaler Instant-Pulver), was die silbernen Haare der einen Zwillingsschwester umso kontrastreicher machte.

»Die Hyatts«, sagte Eleonore ehrfurchtsvoll. »Ich habe gehört, dass sie dabei sein werden dieses Jahr - aber ich habe es nicht geglaubt.«

»Wer sind die Hyatts?«, fragte Melanie kauend - an ihrem Kinn klebte etwas Erdbeersoße.

»Zwillinge, adoptiert von reichen Wölfen, lebten in New York, stammen aus Ägypten und - sind super gruselig«, erklärte Henry uns allen.

»Na ja, ich finde, sie sehen ganz nett aus«, sagte Jones stirnrunzelnd.

»Dann willst du sie aber nicht nachts auf den Fluren treffen. Sie sollen schon etliche andere verflucht haben. Die silberhaarige Schwester ist meines Erachtens Amunet und die schwarzhaarige Sherine.«

Henry schien sich außerordentlich gut mit den beiden auszukennen. Hatte er vorher sämtliche Wikipedia-Seiten über sie auswendig gelernt? Oh je, mir fehlte Wikipedia so sehr. Schon der Gedanke daran brach mir das Herz.

Vielleicht hatte ich ja deshalb nichts für den hübschen Jones übrig.

3

Während alle anderen die Schwestern anstarrten, wanderten wir am Tresen vorbei - wo sich die silberhaarige Schwester gerade etwas Essen auf den Teller lud.

Jones und ich suchten den Keller auf, wo die erste Kunststunde stattfinden sollte. Da ich bisher nur »normale« und »menschliche« Schulen besucht hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie das hier ablief.

Würden wir mit einem Zauberstab Wasserfarbbilder in die Luft malen, die wie Nebel verdampften? Mit Pappmaché basteln und dann die Figuren zum Leben erwecken? Ölgemälde aus dem Rokoko zum Sprechen bringen?

Jones jedenfalls wirkte ziemlich erleichtert, die anderen los zu sein. Er suchte sich einen Sitzplatz direkt in meiner Nähe und holte aus seiner Tasche seine Sachen heraus. Der Kellerraum, in dem wir Kunst haben würden, war dunkel und mit nur wenigen Kerzen beleuchtet. Das würde es sehr schwer machen, irgendetwas zu sehen.

Aber nun denn.

Ich war neugierig.

»Darf ich dich etwas fragen?« Jones rückte noch ein Stückchen näher, sodass ich nun seinen Haferschleim-Atem abbekam.

»Klar.«

Was fanden die anderen Mädchen nur an ihm?

»Hast du es schon einmal getan?«

Was bitte sehr meinte er damit?

»Äh -«

»Ich meine, zu zaubern«, erklärte er hastig und schlug sich an die Stirn, grinste perlweiß. »In Johannesburg sind die Regeln sehr strikt, nur in den eigenen vier Wänden, wenn überhaupt. Ist es nicht ungerecht? Vampire dürfen Blut trinken, Wölfe dürfen jagen - aber unsereins, wir müssen unsere Fähigkeiten geheim halten.«

Ganz ehrlich? Ja. Hatte ich. Aber auch nur versehentlich. Zu Hause, mit zwölf. Aber ihm würde ich davon ganz sicher nicht erzählen. Sonst würde er mir noch die Nachtalben an den Hals hetzen. »Na ja, sie wollen halt nicht, dass das mit der Hexenjagd noch einmal passiert.«

Diesmal würden uns die Menschen vielleicht nicht auf Scheiterhaufen anzünden, sondern anderweitige Experimente mit uns anstellen. Es war immer noch besser, das alles geheim zu halten - auch wenn mein dummer jüngerer Bruder Ben mittlerweile etwas anderes glaubte und sich einer zwielichtigen Organisation namens den Dunklen Lilien angeschlossen hatte, die dafür kämpften, dass die Schattenwelt und die Menschenwelt sich vereinten.

»Ja, das stimmt wohl.« Jones zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder gerade hin, weil nun noch jemand eintrat.

Aber es war kein Lehrer, sondern nur eine von den berüchtigten Zwillingen. Die schwarzhaarige, Sherine. Sie setzte sich direkt auf die andere Seite des Raums, als wollte sie so weit weg wie möglich von uns anderen sein - und holte ein Heft hervor, in dem sie zu kritzeln begann.

»Ist sie nicht schön?«, fragte Jones - seine Ohren liefen dunkelrot an.

Oh. Dann hatte er sich offenbar entschieden - und zwar nicht für eines der Mädchen von unserem Frühstückstisch. Sondern für die mysteriöse Sherine, die nun sogar den Blick hob und uns nachdenklich anstarrte.

»Hat sie es gehört?«, flüsterte Jones und schwitzte. »Meinst du?«

»Ach Quatsch«, sagte ich. »Sie sitzt so weit hinten, sie wird sogar Probleme haben, den Lehrer vorne zu hören.«

Sherines mandelförmige Augen waren eisblau. Und sie hefteten sich so intensiv auf uns, dass es sogar mich unruhig machte. Genauso wie Jones. Ob ich mich irrte? Hatte sie ihn womöglich doch gehört? Ihre Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln, das jedoch nur ... mir gewidmet war. Sie nickte mir kurz zu und wandte sich dann wieder ihrem Heft zu.

»Hast du das gesehen? Oh nein, ich habe mich vor ihr blamiert.« Dafür, dass Jones aussah wie ein Modegott höchstpersönlich, war er ziemlich unsicher - was ihn irgendwie sympathisch machte. Er schien sich seiner Wirkung auf andere gar nicht richtig bewusst zu sein.

Kurz darauf kamen weitere Schüler hinzu, suchten sich Plätze - und gemeinsam warteten wir auf den Lehrer.

Kunst.

Was konnte ich mir darunter vorstellen?

Der Lehrer verspätete sich, sodass wir etwas länger auf diese Antwort warten mussten. Oder - war das etwa geplant?

4

Irgendwann stand ein bebrillter Junge auf, der so schmal war, dass die Uniform an ihm wie ein Bettlaken herunterhing. Er rüttelte an der Tür und stellte fest: »Ist zu. Oh nein. Wir sind hier eingesperrt.«

»Du bist nur nicht stark genug!«, grölte ein weiterer Typ, der sich aufbaute und seine Muskeln spielen ließ. Sein Englisch klang, als stamme er aus Australien. Er schob den anderen Jungen zur Seite und probierte es selbst.

Doch auch er schaffte es nicht.

Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Sherine die Augen verdrehte und mich ansah. Als wollte sie telepathisch mit mir kommunizieren.

Hm.

Ich hätte gerne gehört, was sie gerade dachte.

»Hä? Du hast doch bestimmt irgendwas getan.« Der Typ aus Australien beugte sich vor und lugte durch das Schlüsselloch, aber es war nichts zu sehen.

Auch die anderen standen nun von ihren Plätzen auf, sahen sich verwirrt um und suchten nach einem Ausweg.

»Hier. Seht ihr das?«, flüsterte ein Mädchen und wies auf eine Stelle an der Steinmauer. »Da ... da bewegt sich etwas. Oder?«

Sie hatte recht. Die Stelle an der Mauer flimmerte, wie bei einem kaputten Fernseher.

Sherine war die einzige, die sich traute, aufzustehen und mit der Hand über die Mauer zu streichen.

Daraufhin festigte sich das Bild an der Mauer und ein Gesicht trat hervor - nicht mehr wie bei einem Bildschirm, sondern so richtig, als würde es aus der Mauer heraus schmelzen. Eine lebende Statue. Ein Mann mit einem breiten Kiefer und ernsten Augen, der uns nacheinander musterte.

»Hm, wie ich sehe, seid ihr vollzählig. Aber ihr habt sehr lange gebraucht, um mich zu finden. Das ist kein guter Start, denke ich. Nichtsdestotrotz: Herzlich willkommen zu eurer ersten Stunde. Kunst ist etwas Außergewöhnliches und nicht ganz so traditionell wie die anderen Kurse. Ihr werdet schon genug Zaubersprüche lernen, Flüche beschwören, Katzen verwandeln und an Tinkturen werkeln - bei mir dürft ihr euch künstlerisch frei austoben. Aber dazu: Müsst ihr erst den Ausgang hier finden. Das ist eure Aufgabe für heute. Gruppenarbeit. Zusammenhalt. Vorher stellt ihr euch nacheinander vor. Und dann: Viel Spaß.«

Ein Mädchen mit hoher Stirn und pinken Strähnchen im Haar hob die Hand.

»Ja?« Der Lehrer, Herr Iversen, ein waschechter Norweger, runzelte die Stirn. »Sonst sind keine Fragen erlaubt, aber die eine dürft ihr wohl stellen.«

»Wenn wir es nicht schaffen?«, fragte das Mädchen mit großen Augen. »Lassen Sie uns dann wieder raus?«

Herr Iversens Steingesicht in der Mauer verzog sich zu einem begeisterten Lächeln. »Nö. Ihr bleibt so lange, bis ihr die Lösung findet. Ist das nicht spannend? Ich finde ja schon. Okay. Das war die letzte Frage. Viel Spaß!«

Im nächsten Moment schmolz sein Gesicht wieder und tauchte in der Mauer ab. Zurück blieb unsere siebenköpfige ratlose Truppe.

»Okay, er hat gesagt, wir sollen uns vorstellen«, sagte der Junge mit der Brille und scharrte mit den Schuhen. »Ich fang an, ich heiße Baltasar und komme aus Island.«

Daraufhin stellte sich auch der Typ aus Australien vor: »Pete.«

Das Mädchen mit den pinkfarbenen Strähnchen, auf die ich unheimlich neidisch in diesem Moment war: »Mayari.« Aus den Philippinen.