Bibi und die drei Terroristen - E. Dence - E-Book

Bibi und die drei Terroristen E-Book

E. Dence

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Beschreibung

Bei Poseidon, ist Bibis Leben manchmal schwer. Als Einzelgängerin hat man zwar eine besondere Perspektive, aber ist das für eine Zwölfjährige auch genug? Es ist kein Wunder, dass ein verschlossenes, junges Mädchen ihre erste gute Chance auf wahre Freundschaft mit allen Mitteln voranzutreiben versucht. Doch stehen ihr auch drei megasüße aber furchtbar schlimme Hindernisse im Weg, die all ihre Träume noch gefährden könnten. Eine Abfolge unerwarteter Ereignisse sorgt dafür, dass sich Bibi in Rekordzeit weiterentwickeln oder untergehen muss. Wird sie alle Prüfungen bestehen und am Ende erfolgreich sein?

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E. Dence

Bibi und die drei Terroristen

Dieses Buch ist allen Haustierbesitzern gewidmetBookRix GmbH & Co. KG80331 München

Prolog

Werte Eltern, liebe Kinder. Bitte beachtet die Altersempfehlung bei allen Büchern, denn es werden auch Bücher geschrieben, welche nicht von Kindern oder Jugendlichen verstanden würden oder gelesen werden sollten. Dieses Buch wurde hauptsächlich für Kinder, Jugendliche und jung Gebliebene geschrieben.

 

Auch in diesem Buch geht es teilweise um die Welt der Tiere. Doch sind es hier die Menschen, die im Vordergrund stehen. Außerdem zeigt dieses Buch, wie diese Menschen mit ihren Haustieren umgehen. Vor allem, wenn zumindest ein Protagonist, ein junges Mädchen namens Bibi, selbst ein wenig ungewöhnlich ist, kann es überaus spannend und überraschend werden.

 

Lediglich Haustierbesitzer seien gewarnt, denn diesen Buch enthüllt, wie die Realität tatsächlich ist. ;-)

 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

Im Park nichts Neues

»Die Relativitätstheorie ist eine interessante Theorie von Einstein, auch wenn sie totaler Quatsch ist«, erklärte Adolf erheitert. Die anderen nickten und kicherten.

Der kleine Debattierklub hatte offensichtlich nur drei Mitglieder, aber Bibi amüsierte sich trotzdem köstlich beim heimlich Lauschen. Bibi hatte den netten Adolf schon oft im Park gesehen, aber die beiden anderen kannte sie nicht.

Der Opa in der Runde räusperte sich und erklärte, »Das wusste ich ja schon als Welpe, dass sich bei der Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit die Zeit nicht verlangsamt. Die Zeit ist im ganzen Universum eine Konstante. Das weiß doch jeder.«

Bibi versteckte ihr Gesicht hinter ihrem Comic, welches sie mitgebracht hatte. Was verstand eine Zwölfjährige schon von Einstein und seiner Relativitätstheorie? Das Gespräch fand sie trotzdem lustig.

»Der alte Albert Einstein hat sich eben einen seiner vielen Späße mit den anderen Wissenschaftlern erlaubt. Nur sind diese Möchtegerngenies dem guten, alten Albert noch nicht auf die Schliche gekommen. Zeit ist doch keine Variable«, kicherte die junge Dame in der Runde. »Meine Liebe, sag doch bitte Wissenschafter. Wir sind ja hier in Österreich. Wissenschaftler sagt man doch nur in Deutschland«, rügte der Opa.

Bibi fand das Gespräch so interessant, dass ihr Comic immer tiefer sank und schließlich starrte sie völlig unverblümt die Gesprächsrunde an.

»Wir werden beobachtet«, knurrte Adolf leise zwischen den Zähnen hindurch. »Schnell, Poposchnüffeln! Das macht die Menschen wahnsinnig und lenkt sie sofort ab«, schlug die junge Pudeldame vor. Sofort standen alle drei Mitglieder der Gesprächsrunde auf ihren vier Pfoten und umkreiste sich poposchnüffelnd. »Wuff - Was du nur wieder gefressen hast«, würgte Adolf zwischen den Zähnen hervor. »Wuff - Du riechst am Hintern auch nicht besser«, beschwerte sich der alte Opa, der wohl ein reinrassiger Mischling war. »Wuff - Mir wird schlecht. Ich wünschte, wir Hunde hätten keinen so guten Geruchssinn«, krächzte die junge Pudeldame und röchelte nach Luft.

Entsetzt, dass sie aufgeflogen war, nahm Bibi ihr Comic wieder hoch und versteckte ihren hochroten Kopf dahinter.

»Aufhören!! Lasst meine Grisabella in Ruhe, ihr Ferkel!«, kreischte eine entrüstete und sehr rüstige Hundebesitzerin. Sofort startete die korpulente Dame los. Für die kleine und schmächtige Bibi wirkte es, als würde ein Panzer auf die Hunde zurollen.

»Wuff - Wir sind Hunde und keine Ferkel. Deine Besitzerin muss wohl zum Augenarzt«, kicherte Adolf und beschnupperte Grisabellas Hinterteil jetzt erst recht.

‚Ojemine‘, dachte sich Bibi entsetzt und legte sofort ihr Comic zur Seite. Der Ausflug in die Hundeauslaufzone im Park verlief plötzlich gar nicht mehr so gut.

Die rundliche Frau hakte ihre Hundeleine bei Grisabella ein und zerrte die arme Hündin mit Gewalt ein Stück weg. Die anderen beiden Hunde bellten und waren sichtlich unzufrieden, »Wuff - Das ist ja unerhört«, »Wuff - Das ist ja Tierquälerei. Grisabella wird ja erwürgt.«

Die korpulente Frau drehte sich wütend zu den bellenden Hunden um und fauchte, »Ich werde euch Tölen schon Manieren beibringen!« Grisabellas Leine war wieder etwas lockerer und die unglückliche Pudeldame versteckte sich gleich vor Angst bibbernd hinter ihrem Frauchen, während die anderen beiden ihren Hund standen und heftig knurrten. Grisabellas Besitzerin holte einen Knirps aus ihrer Tasche und verlängerte ihn, ohne ihn aufzuspannen. Mit einem bösen Grinsen im Gesicht und den Knirps als Knüppel schwingend, stampfte sie auf die Vierbeiner zu.

Bibi hatte sich ihr Comic geschnappt und das dünne Heft zusammengerollt. Mit zwei langen Sätzen stand sie vor den Hunden und bot der Frau mutig die Stirn. Drohend hob sie das zusammengerollte Comic und schrie ganz laut, »Sag mal, spinnst du?!? Lass gefälligst die Hunde in Ruhe!!« »Geh aus dem Weg, du blödes Gör!«, fauchte die Frau, aber dann bemerkte sie, dass auch andere Leute in der Hundeauslaufzone auf den Zwischenfall aufmerksam geworden waren und sie selbst jetzt finster angestarrt wurde.

Die Frau wurde rot im Gesicht und zog sofort den Kopf ein. Dann drehte sie sich wortlos um und stapfte davon. Die arme Grisabella musste sich bei der kurzen Leine ganz schön anstrengen, nicht wieder gewürgt zu werden.

»Wuff - Ein großer Schäferhund wie ich, wäre schon alleine mit der ollen Schnepfe fertig geworden. Trotzdem, Danke«, bellte Adolf. Der Opa fügte hinzu, »Wuff - Die hätte ich locker auch selbst geschafft.« Adolf kicherte und sah auf den Opa belustigt hinab, da er ein sehr kleiner Mischling und kaum größer als die arme Grisabella war. Opas Blick wurde finster, »Wuff - Du glaubst wohl, nur weil du doppelt so groß bist wie ich, könnte ich dich oder die olle Schachtel nicht mehr schaffen.«

Bibi seufzte innerlich. Adolf schien immer mehr belustigt und Opa schien immer mehr verärgert zu sein. Schnell kniete sie sich neben den alten Mischling hin und flüsterte, »Du scheinst ja noch sehr aufgewühlt zu sein. Ich denke, da braucht jemand ein paar Streicheleinheiten.« »Wuff, wuff - Ich bin eine Kampfmaschine auf vier Pfoten und jetzt zeig ich euch, was eine Harke ist!«, knurrte der Opa bedrohlich. Bibi legte ihre flachen Hände auf seine Flanke und schob ihn einfach um, wobei sie vergnügt kicherte. Gleich darauf lag der hilflose Opa schon auf dem Rücken und seine vier kurzen Beine ragten in den Himmel. »Wuff - Lass mich in Ruhe. Ich werd’ euch alle beißen. Und wage es ja nicht, mir den Bauch zu kraulen!« Im nächsten Moment wurde dem hilflosen Opa aber doch der Bauch gekrault und der Opa jammerte, »Wuff - ’asch ischt unfair.« Verzückt hechelte er und seine Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul. Bibi verwöhnte den streitsüchtigen Opa und kraulte ihn auch zwischen den Ohren. Zum Abschluss gab es noch einen Kuss auf die Schnauze. Voller Energie rollte Opa wieder zurück auf seine vier Pfoten und sprang an Bibi hoch, was natürlich nur möglich war, weil sie noch kniete. Bibi gelang es, ihn unter den Vorderpfoten sanft hochzuhalten und ließ sich kichernd das Gesicht ablecken. »Wuff - Ich dachte, du wolltest sie beißen? Leckst du sie jetzt mit deiner Zunge zu Tode, du Kampfmaschine?«, bellte Adolf und er schien etwas neidisch auf den alten Opa zu sein. Bibi legte sich den Opa auf den Schoß und streichelte noch seine Flanke, während sie sich den unzufriedenen Adolf mit der freien Hand schnappte. Sie legte den Arm über seinen Rücken und streichelte auch ihn. Leise lobte sie die beiden Hunde, wie tapfer sie die Pudeldame verteidigt hatten.

 

»Dein Olaf lässt sich da ganz schon verwöhnen«, kicherte der eine Opa. »Dein Adolf wird doch auch gestreichelt«, erwiderte ein noch viel älterer Opa vergnügt. Die beiden alten Männer belegten eine der wenigen Bänke in der Hundeauslaufzone. Beide stützen sich zufrieden grinsend auf ihre Gehstöcke. »Eigentlich mag ich es ja nicht so sehr, wenn fremde Kinder meinen Hund streicheln. Aber hier werde ich einmal eine Ausnahme machen«, plauderte der jüngere Opa. »Ist das rothaarige Mädchen nicht deine Enkeltochter?«, wunderte sich der ältere Opa. Der jüngere Opa grunzte, »Du kennst doch meine Enkeltochter Monika. Die ist einen Kopf größer und hat schwarze Haare. Außerdem hat sie so ein ähnliches Hundehalsband, wie mein Adolf.« Der ältere Opa überlegte, »Ach, ja. Stimmt. Es wird immer schwieriger, mich an alles zu erinnern. Ich werde wohl schon etwas vergesslich. Meine Frau sagt immer, wenn mein Kopf nicht angewachsen wäre, würde ich ihn auch daheim vergessen.« Der jüngere Opa seufzte und rollte mit den Augen nach oben, »Deine Frau ist schon vor fünf Jahren gestorben.« Der ältere Opa wurde nachdenklich, »Schade. Hatte ich doch glatt vergessen. War ich auf der Beerdigung?«

 

»Kommt schon, meine zwei Helden. Eure Herrchen warten sicher schon«, lachte Bibi und lief langsam vor den Hunden her. Beide bellten und die Fröhlichkeit schien ihnen ins Gesicht geschrieben zu sein, als sie flink dem jungen, drahtigen Mädchen folgten. Kaum angekommen, begrüßte Bibi die beiden alten Opas sehr höflich und verbeugte sich sogar leicht. »Adolf gehört zu Ihnen und sein Freund müsste dann wohl Ihr Hund sein«, schloss Bibi. Der jüngere Opa grinste und nickte nur, aber der ältere Opa war gleich sehr gesprächig. »Hallo, Monika. Es ist schön, dass du mit dem Hund deines Großvaters so schön spielst. Und wie du meinen Knut vor der garstigen Frau gerettet hast, war auch sehr nett von dir.« »Dein Hund heißt Olaf. Der Hund, den du vorher hattest, der hieß Knut! Außerdem habe ich doch schon gesagt, dass das nicht Monika ist«, beschwerte sich der jüngere Opa. Der ältere Opa wurde rot und stammelte verlegen, »Oje. Ihr müsst einem alten Mann verzeihen. Ich werde wohl schon etwas senil.« Bibi nahm es mit Humor, »Das macht doch nichts. Knut und Monika sind ja auch sehr schöne Namen.« Dazu gab es noch Bibis bezauberndstes Lächeln, um zu zeigen, dass es sie nicht störte, verwechselt zu werden. Olaf setzte sich auch gleich zu seinem Herrchen und leckte ihm versöhnlich die Hand, bis sein Herrchen seinen getreuen Gefährten schließlich zwischen den Ohren kraulte. Der jüngere Opa seufzte, »Ja, in ein paar Jahren werde ich sicher auch so vergesslich sein. Mein guter Freund ist ja ganze zehn Jahre älter als ich und irgendwann lässt das Gedächtnis eben nach.«

Bibi schwieg und beobachtete lieber. Während die alten Opas sich über ihre Vergesslichkeit unterhielten, fand eine Etage tiefer eine ganz andere Diskussion statt.

Adolf bellte, »Wuff - Hast du dir schon ausgerechnet, wo der russische Militärsatellit abstürzen wird?« Olaf erwiderte, »Wuff - Leichte Übung. Im indischen Ozean. Die Wissenschafter von der NASA liegen schon wieder komplett falsch.« Adolf lachte, »Wuff - Hast ja recht. Ein Wunder, dass die Menschen noch nicht den Planeten in die Luft gesprengt haben, so schusselig, wie die sind.« »Wuff - Und wir sind leider nur Hunde und können nichts dagegen ausrichten. Die Wetterprognose stimmt auch schon wieder nicht«, beschwerte sich Olaf. Adolf nickte zustimmend, während Bibi weiterhin fasziniert lauschte. Es war einfach toll, den Hunden zuzuhören.

 

»So, wir müssen heim. Komm, Adolf. Ich leg’ dir lieber gleich die Leine an«, verkündete der jüngere Opa. Bibi streichelte Adolf noch zum Abschied und wünschte beiden einen schönen Nachmittag.

»Komm, Adolf. Es geht heimwärts. Zieh nicht so an der Leine«, knurrte der jüngere Opa. »Wuff - Da geht es lang. Dort drüben gehen wir in die falsche Richtung«, knurrte Adolf und zog kräftig. »Vielleicht möchte Adolf noch einen kleinen Spaziergang machen?«, fragte Bibi unschuldig. Der Opa sah zuerst Bibi an und dann Adolf. Schließlich kicherte er, »Ich glaube, du hast recht. Dann werde ich noch eine kleine Runde mit Adolf gehen und dann geht es ab nach Hause.« »Wuff - So ein Glück. Jetzt kann ich die Richtung vorgeben und wir kommen doch noch zu Hause an. Wenn Herrchen die Richtung vorgibt, laufen wir doch nur stundenlang im Kreis herum. Mal wieder.«

Kaum waren die beiden verschwunden, meldete sich der ältere Opa zu Wort. »Adolf kennt zum Glück den Heimweg. Mach dir keine Sorgen um die beiden, Bibi«, feixte der Alte und sah Bibi quietschvergnügt ins errötende Gesicht. »Dann, dann bin ich jetzt doch nicht mehr Monika und Sie kennen mich sogar?«, stammelte Bibi. Mit einem Hops war der Alte auf den Beinen und grinste Bibi an, »Du bist die Tochter vom Tierarzt und meinem Gedächtnis geht es ausgezeichnet. Ich wünschte, ich könnte das von meinem Freund auch sagen.« Bibi fragte verwundert, »Aber warum spielen Sie dann den Vergesslichen?« Der alte Opa griff sich ans Kinn und kraulte die weißen Bartstoppel auf seiner ledrigen, faltigen Haut. Nachdenklich antwortete er, »Er fühlt sich einfach wohler, wenn er glaubt, dass er nicht alleine so vergesslich ist und das es alte Menschen gibt, denen es noch viel schlimmer geht. Außerdem nimmt er so auch meinen Rat an und geht wegen seiner Demenz und anderen Alterskrankheiten jetzt schön brav zum Arzt, was er vorher nicht gemacht hat.« Bibi nickte und verstand, »Ganz schön schlau.« »Wuff - Und da sagt man immer, die Intelligenz von uns Hunden würde nicht auf unsere Herrchen abfärben«, erklärte Olaf noch stolz, bevor auch diese beiden sich auf den Weg machten. Wehmütig sah Bibi ihnen nach. Haustiere waren bei Bibis Begabung etwas, was nur sehr schwer möglich war. Zumindest bei Hunden würde sie irgendwann sicher auffliegen, dass sie jedes Wort verstehen konnte, was Hunde bellten.

Zwei plus Eins macht Kopfweh

Bibi wollte noch nicht heim, daher schlenderte sie durch die Hundeauslaufzone. Dann fiel ihr ein, dass sie ihr Comic im Gras liegen hatte lassen und steuerte eilig das kleine Bänkchen an, bei dem die Diskussionsrunde stattgefunden hatte. Da Bibi nur Zehn Euro Taschengeld bekam, waren Anschaffungen wie dieses Comic natürlich sehr kostbar. Bibi verfluchte sich innerlich, weil sie so unachtsam gewesen war. Sie lief immer schneller und schließlich stand sie vor der Bank, neben der sie das Comic so achtlos ins Gras gelegt hatte. Sofort hob sie das Heft auf und blätterte es durch. Alles Mögliche hätte passieren können. Hunde hätten es zerbeißen können oder ein Häufchen darauf hinterlassen können. Nicht alle Hundebesitzer räumten sofort mit einem Sackerl alles weg, was die Hunde hinterließen. Nachdem die Hundeauslaufzone nicht sonderlich gut ausgeschildert war, verirrten sich auch immer wieder Familien mit Picknickkörben in die Auslaufzone. Es konnte sehr frustrierend sein, wenn sich Hunde anschlichen und vor allem die leckeren Würstchen aus dem Picknickkorb stibitzten. Selbst der Park nebenan war nicht sicher, denn Hunde hielten sich genauso wenig an die Begrenzung der Tafeln, wie es die Menschen taten, die versehentlich auf der falschen Seite picknickten.

»Alles in Ordnung«, flüsterte Bibi erleichtert und strich beinahe zärtlich über ihren Lieblingshelden. Eigentlich war ihr Held eher ein Pechvogel, aber in diesem Comic hatte er sein Kostüm an und verteidigte die Stadt der Enten mit viel Witz und Charme vor allem Bösen.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich eine allzu bekannte, freundliche Stimme bei Bibi. Sofort drehte sich das Mädchen um, rief, »Papaaa!!!«, und fiel ihrem Vater um den Hals. Mit Mühe konnte er sein Gleichgewicht halten, denn er trug einen Transportkäfig in der einen Hand, der durch Bibis ungestümes Verhalten ordentlich durchgeschüttelt wurde. »Miau«, ertönte es leise aus dem Käfig und dann war es wieder still. Bibi ließ ihren Vater wieder los und inspizierte sofort den Inhalt des Käfigs. Die Katze darin lag matt da und sie war offensichtlich nur zum Miauen aufgewacht und gleich wieder eingeschlafen. »Wie süß«, flüsterte Bibi leise und ihr Vater erklärte sofort, »Ja, sie sieht jetzt schon besser aus. Sie ist bei uns in der Praxis abgegeben worden und sie war total verwahrlost. Entschuldige, dass ich zu spät gekommen bin. Ich musste mich erst noch um Kitty kümmern.« Bibi beschwichtigte ihren Vater sofort, »Ach, ich weiß ja, dass du dich nie ohne einen wichtigen Grund verspäten würdest. Ich hatte heute wieder nette Gesellschaft und mein neues Comicheft habe ich auch schon fast ganz gelesen.« »Ah, triffst du dich endlich mit Freunden aus der Schule?«, erkundigte sich ihr Vater hoffnungsvoll, aber Bibi verneinte. Für Bibi war die Welt eben eine andere, als für ihre Mitschüler. Bibis Eltern hatten großes Verständnis dafür, dass Bibi die Hundesprache verstehen konnte, aber ihre Mitschüler würden doch glauben, dass Bibi nicht alle Tassen im Schrank hätte. Ein paar garstige Mädchen in der Schule nannten Bibi ohnehin schon eine Hexe, bloß, weil sie rote Haare hatte. Es war nicht auszudenken, wie sie in der Schule gehänselt werden würde, wenn ihre Mitschüler mehr über Bibi wüssten. »Ich bin lieber eine Einzelgängerin und falle nicht weiter auf. Es ist besser so«, seufzte Bibi, aber in Wirklichkeit hätte sie natürlich schon gerne ein paar Freunde gehabt. »Ach, das ist alles meine Schuld. Dein feines Gespür für Tiere hast du sicher von mir geerbt«, seufzte ihr Vater. Bibi selbst fand es zwar auch schade, nahm es aber nicht so schwer, wie ihr Vater. Auch der Held in ihren Comics wurde oft unterschätzt und trotz aller Rückschläge gab er nie auf und erreichte fast immer seine Ziele. Vor allem, wenn er als Superheld unterwegs war. Der bloße Gedanke an den sprechenden Entenhelden machte Bibi wieder Mut und brachte die Freude zurück in ihr Herz. Außerdem gab es sprechende Enten nicht in der Wirklichkeit, denn Bibi hatte Enten schon oft Quaken gehört und sie hatte nie auch nur ein einziges Wort verstanden. »Miau«, sprach Bibi in den Käfig hinein, aber Kitty schlief einfach weiter. Die Katzensprache konnte Bibi selbstverständlich auch nicht. Es war ja schon mehr als genug, die Hunde verstehen zu können. »Bringst du mich nach Hause, Papa? Es wird schon spät«, fragte Bibi, griff sich die freie Hand ihres Vaters und zog ihn lächelnd hinter sich her. Natürlich hatte er nichts dagegen, sie nach Hause zu bringen. Bibis Eltern lebten zwar getrennt, aber Papa wohnte im zweiten Stock des selben Hauses, in dem Bibi mit ihrer Mutter im Erdgeschoss wohnte. Papa hatte eine schöne Terrasse in seiner Wohnung und Bibi hatte einen kleinen Garten im Erdgeschoss zur Verfügung, der sogar unter der Terrasse lag. Wenn Papa Zeit hatte, verbrachte er fast den ganzen Tag mit seiner Familie im Erdgeschoss und ging dann nur zum Schlafen hinauf in seine Wohnung. Warum sich Bibis Eltern überhaupt getrennt hatten, war aber immer noch ein Rätsel. Irgendwann würde Bibi dieses Rätsel lüften, aber ihre Eltern waren leider beide sehr stur und schweigsam bei diesem Thema.

 

Herr Seltsam war überaus glücklich, dass Bibi so eine tolle und verständnisvolle Tochter war. In der einen Hand sein neues Pflegehaustier und in der anderen Hand den frechen Rotschopf, der aber überaus liebenswert war, stolzierte er die Straße hinunter.

»Gibt es einen bestimmten Grund, warum wir diesen kleinen Umweg gehen?«, erkundigte sich Papa Seltsam. Bibi drehte sich um und nickte schelmisch. Herr Seltsam war schon oft mit Bibi hier entlang gegangen und sein Herz machte einen kleinen Freudensprung. In dieser Gasse gab es eine Tierhandlung mit einer großen Auslage, in der auch viel geworben wurde. Der kleine Umweg konnte nur bedeuten, dass Bibi ihm etwas zeigen wollte, was ihm gefallen würde. Schließlich standen sie vor dem großen Schaufenster und Herr Seltsam starrte verzückt auf die vielen Fische, die zu sehen waren. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen und er seufzte, »Futterfische.« Dann zuckte er zusammen, da er eigentlich so etwas nicht hätte sagen sollen. Schon hörte er die vorwurfsvolle Stimme von Bibi, »Das sind Zierfische. Herrgott, du bist schon genauso schlimm, wie Mama!« Herr Seltsam schüttelte schnell den Transportkäfig und hielt ihn ans Schaufenster. »Aber für die kleine Kitty sind das doch Futterfische. Meinst du nicht?«, fragte Herr Seltsam unschuldig und grinste dabei so breit er konnte. »Du flunkerst. Und wenn du keine Ohren hättest, dann würdest du jetzt im Kreis grinsen«, rügte Bibi ihren Vater. Doch war aus dem Käfig ein Miauen zu hören und Kitty schien von den Fischen auch sehr begeistert zu sein. Bibi packte ihren Vater wieder fest an der Hand und zog ihn fort. Dieser atmete erleichtert auf und folgte brav. ‚Ich muss echt mehr aufpassen‘, dachte sich der seltsame Tierarzt.

 

»Bis morgen, Papa«, rief Bibi ihren Vater hinterher, nachdem sie sich verabschiedet hatten. Papa drehte sich auf der Treppe um und winkte fröhlich. Sogar Kitty war aufgewacht und hob eine Pfote. Das ‚Miau‘ deutete Bibi als ein, ‚bis morgen‘. Bibi sah ihrem Vater noch nach, bis er verschwunden war. »Merkwürdig. Hat es mit den Hunden nicht auch so angefangen, dass ich geglaubt hatte, etwas zu hören, was nicht sein konnte?«, wunderte sich Bibi und zuckte mit den Schultern. »Ich seh’ Gespenster. Außerdem reichen mir schon die Hunde. Nur kein weiterer Stress«, beschloss das junge Mädchen und betrat die heimische Wohnung.

»Hallo, mein Schatz. Hattest du einen schönen Nachmittag mit deinem Vater?«, erkundigte sich die wohl vertraute und immer freundliche Stimme ihrer Mutter. Sofort fiel Bibi ihr um den Hals und begann zu erzählen, was sie von den Hunden in der Hundeauslaufzone heute alles wieder aufgeschnappt hatte. Ihrem Vater hatte sie am Heimweg natürlich auch alles erzählt. Bibis Eltern belächelten ihre Gabe nicht und sie hielten ihre Tochter auch nicht für verrückt. Aber sie waren besorgt, denn Menschen, die Tieren beim Sprechen zuhören konnten, kamen im Regelfall in die Klapsmühle. Es war mit Sicherheit besser, nur mit Vertrauten so ein Geheimnis zu teilen.

 

Herr Seltsam hatte Kittys Transportkäfig abgestellt und sie war auch gleich wieder eingeschlafen. Ab und zu war ein leises Miauen oder Maunzen aus dem Inneren der Wohnung zu hören, aber das wurde von ihm absichtlich ignoriert. Bibis Vater war auch zu sehr damit beschäftigt, das Chaos zu beseitigen, welches seine beiden anderen Hausgäste angerichtet hatten. Die Katzen daheim waren durch die Haustierklappe in seiner Praxis auch erst kürzlich abgegeben worden. Herr Seltsam hatte noch kein neues Heim für die Katzen finden können, daher durften sie vorübergehend bei ihm wohnen. Allerdings waren es eher schlimme Katzen, die viel anstellten. Die Katzenkiste war wie immer sauber und unbenutzt. Dafür fand er seine Hausschuhe wieder, die von den beiden Katzen wohl versteckt und als Katzenklo benutzt worden waren. Hier war nichts mehr durch Putzen zu retten, daher wurde der Müllsack in der Küche sehr rasch immer voller. Zerbrochene Vasen, zerbrochenes Geschirr, neue Kratzspuren am Sofa. Der Kratzbaum, den Herr Seltsam für seine Gäste angeschafft hatte, war natürlich noch unberührt, als würden sich die Katzen nicht dafür interessieren.

Die beiden älteren Hausgäste waren eigentlich ja zwei Kater. Dass Kitty gerade abgegeben worden war, hatte deshalb einen Vorteil. Sie war nämlich ein Katzenweibchen und Herr Seltsam hoffte, dass sie einen guten Einfluss auf die beiden frechen Burschen haben würde.

»Wenn du wieder munter bist, Kitty, kannst du den beiden Burschen ja einmal zeigen, wie man ein Katzenklo benutzt. Die beiden sind sehr schlau und werden es sicher im Handumdrehen lernen. Oder sollte ich sagen, im Pfotenumdrehen?«, kicherte Herr Seltsam und kehrte die Erde aus einem zerbrochenen Blumentopf zusammen. Die Pflanze, die in dem Topf gewesen war, wies zahlreiche Bissspuren auf. Neben der Pflanze hatte sich dann einer der beiden frechen Burschen auch noch übergeben. Der Farbe des Erbrochenen nach, hatte ein Katzenmagen wohl doch keine Chance gehabt, die Pflanze zu verdauen.

»Miau - Im Pfotenumdrehen. Soll das etwa witzig sein?«, »Maunz - Dat ist nischt so jut. Een eschten Lustischbold haben wir da abjekriegt.«, »Miau, miau - Unser menschlicher Diener sollte vielleicht seine Prioritäten richtig setzen und uns endlich füttern.« ‚Essen gibt es erst, wenn Kitty munter ist‘, dachte sich Herr Seltsam grummelnd.

 

»Das war alles aus dem Park und jetzt habe ich noch eine Nachricht aus der Schule«, erklärte Bibi fröhlich. Auch ihre Mutter war wie immer sehr verständnisvoll für Bibi, die Hundelauscherin. Schnell kramte Bibi den Brief aus ihrem Schulrucksack hervor und überreichte ihn. Sie wusste nicht, was drinnen stand. Da sie eine Einserschülerin war, wartete sie jedenfalls gespannt, bis ihre Mutter den Brief geöffnet hatte und sich den Inhalt durchlas. Der Gesichtsausdruck ihrer Mutter verhieß jedoch nichts Gutes. Schließlich seufzte Bibis Mutter verzweifelt, »Der neue Schularzt hat deine Befreiung vom Schwimmen aufgehoben. Seiner Meinung nach, ist das Attest vom Hausarzt übertrieben und es ist ein Verbrechen, dass du nicht Schwimmen lernen sollst.« Bibi zuckte mit den Schultern und sagte, »Dann halte ich eben den Kopf über Wasser, wenn ich das Chlor im Schwimmbad nicht vertrage. Es wird schon irgendwie gehen.« Mit einem lauten Klopfen landete Mamas Kopf auf dem Esstisch und sie heulte, »Ach, Bibi. Das ist alles nicht so einfach. Es ist viel gefährlicher, als du denkst. Ich will doch nur, dass du glücklich und unbeschwert aufwachsen kannst.« Bibi verstand zwar nicht wirklich, wo das Problem war, aber sie versuchte trotzdem ihre Mutter zu beruhigen, »Melde dich doch einfach freiwillig, Mama. Zum Schwimmen dürfen auch immer ein oder zwei Elternteile mitkommen, damit sie auf die Schüler aufpassen. Ich sag’ halt niemand, dass du nicht schwimmen kannst, weil du auch so empfindliche Augen hast, wie ich.« Bibis Mutter wurde zornig, »Ich kann sogar besser schwimmen, als dein Turnlehrer und alle Schüler zusammen. Und du kannst das auch. Wir haben es eben einfach im Blut. Du musst nicht erst schwimmen lernen. Nur mit diesem mit Chlor verseuchten Wasser kommen wir nicht klar.« Bibi war verblüfft. Sie konnte schwimmen, obwohl sie es nie gelernt hatte? Allerdings konnte sie auch die Hunde verstehen, ohne es je gelernt zu haben.

 

Herr Seltsam taumelte in seine Wohnung zurück. Zum Abendessen war er bei Bibi und ihrer Mutter gewesen. Als ihm seine Ehefrau erzählt hatte, wozu Bibi in der Schule jetzt gezwungen wurde, war für ihn eine Welt zusammengebrochen. Die Katzen spürten sofort, dass etwas los war und sie versammelten sich um ihn, sobald er sich auf die Couch gesetzt hatte. Die neuen Kratzspuren an der Couch hatte Herr Seltsam ebenso übersehen, wie vieles andere. Sogar Kitty war munter oder vielmehr neugierig genug, denn sie schaffte es unbeholfen auf das Sofa, torkelte zu Herrn Seltsam und rollte sich auf seinem Schoß zusammen.

»Miau - Jetzt spuck’s schon aus, Diener«, forderte der Schwarze Kater und leckte scheinbar uninteressiert an seiner schwarzen Pfote. Lediglich die beiden Ohren waren auf seinen menschlichen Diener gerichtet wie Radarschüsseln, mit denen er gespannt lauschte. »Wieso? Wieso?«, jammerte Herr Seltsam und starrte dabei melodramatisch auf die Zimmerdecke, während er Kitty geistesabwesend streichelte. »Miau - Dat sind Acht Punkte für den Ooftritt«, lobte der bunt getigerte, eher rundliche Kater. »Miau - Lass den armen Mann doch in Ruhe, Oliver. Es geht ihm nicht gut und ihr beiden wollt die Sache offensichtlich nur schlimmer machen«, rügte Kitty. Herr Seltsam jammerte, »Meine Tochter wird dazu gezwungen, in diesem chlorverseuchten Wasser Schwimmen zu lernen.«

»Miau - Das Gejammer wäre ja verständlich, wenn seine Tochter eine Katze wäre. Katzen schwimmen nicht«, miaute der Schwarze Kater und sprang auf die Anrichte, auf der das Aquarium stand. Die Fische darin waren tagsüber weniger geworden, aber Herr Seltsam hatte den Katzen keinen Vorwurf gemacht. Er musste ja nur ein Aquarium mit Deckel und vielleicht sogar Beleuchtung besorgen, dann könnten sich die Katzen keine Fische mehr schnappen. »Miau - Willst du schon wieder einen Fisch futtern? Das ist unhöflich, wenn wir hier ein Heim haben und ohnehin zu essen bekommen, Peter«, beschwerte sich Kitty bei dem Schwarzen Kater. Herr Seltsam registrierte, dass Kitty tatsächlich viel netter als die zwei Kater war, aber irgendwie konnte er sich trotzdem nicht freuen. »Noch nie hat jemand in meiner Familie das Chlor im Wasser vertragen. Bibi kann natürlich schwimmen, aber ein Schwimmbad ist die reinste Quälerei. Und dann könnten ja noch viele andere schrecklichere Dinge passieren«, erklärte Herr Seltsam geistesabwesend und geheimnisvoll. Dann war er still und er starrte auf den Couchtisch, ohne die Spuren von Katzenpfoten auf der Tischplatte zu beachten. Die zwei frechen Kater hatten in seiner Abwesenheit schon wieder alles verwüstet, aber dafür hatte er jetzt keinen freien Kopf. Er musste nachdenken, wie er das Schlimmste verhindern konnte.

 

»Also abgemacht. Du besorgst mir morgen einen Badeanzug und eine Badehaube und ich sage dem Klassenvorstand, dass du mitkommst. Falls ich im Schwimmbad wirklich Probleme bekomme, kannst du jederzeit eingreifen, egal, was ein Schularzt sagt. Habe ich irgendwas vergessen?«, erkundigte sich Bibi. »Nein. Nur, dass ich nochmal mit deinem Vater reden muss, weil er sich auch so viele Sorgen macht«, ergänzte Bibis Mutter. Bibi war zwar etwas verwirrt, aber sie widersprach lieber nicht. Diese Überfürsorge, wenn es ums Baden oder Schwimmen ging, hatten ihre Eltern schon immer gehabt. Dabei hatte Bibi sogar die größte Badewanne in der Wohnung, die es überhaupt gab und die sogar extra eingebaut worden war. Auch Papa hatte so eine riesige Badewanne in seine Wohnung installieren lassen. Dafür war in dem relativ kleinen Badezimmer sonst kaum noch Platz. Noch widersprüchlicher war, dass ihre Mutter sogar heute noch besorgt war, wenn Bibi ein Vollbad nehmen wollte. Daher badete sie auch lieber heimlich und begnügte sich ansonsten nur mit der Dusche. Über ihre empfindlichen Augen wusste Bibi aber Bescheid. Nur ganz wenig Shampoo, Duschgel oder Badewasser in den Augen genügte schon, dass diese furchtbar brannten und sogar eine Stunde lang knallrot wurden. »Manche Menschen vertragen diese widernatürliche Chemie in den Augen eben nicht«, hatten ihre Eltern immer schon behauptet. Trotzdem fand Bibi, dass ihre Eltern maßlos übertrieben.

Plötzlich läutete das Telefon. Es war ein alter Apparat am Festnetz, der auf einem Schuhkasten neben der Eingangstür stand. Ein Spiegel war darüber montiert, damit man sich nochmal selbst begutachten konnte, bevor man die Wohnung verließ. Bibis Mutter hastete ins Vorzimmer und erwartete natürlich, dass Bibis Vater dran war. Es war sicher besser im Vorzimmer mit ihm am Festnetz zu telefonieren, denn hier wäre es ja unmöglich zu lauschen, denn hier gab es keine Möglichkeit sich zu verstecken.

 

»Miau - Ganz schön schlau, die kleine Göre zum Aufpassen hinaufzuschicken, damit er unten in Ruhe mit seiner Frau reden kann«, miaute der arrogante Peter. »Maunz - Ick mag ihr. Die Rothaarigen bei den Menschen sind sicher janz jenauso doof, wie bei uns Katzen«, maunzte Oliver und grinste unschuldig. Kitty war sauer und miaute verärgert, »Miau, miau - Bei den Menschen sollen doch nur Blondinen doof sein. Und die Rothaarigen sind weder bei uns Katzen noch bei den Menschen doof. Das ist bloß eine böse Unterstellung.«

Bibi beobachte die drei Katzen, die vor sich hinmiauten und ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Was auch immer ihre Eltern unten ausheckten, ein Riesenproblem kam auf die Familie Seltsam gerade im Eiltempo zugerast. Hatte der rundliche Oliver etwa gerade Kitty und Bibi als doof bezeichnet? Hatte dieser freche Peter tatsächlich so einen miesen Charakter? Die Worte, die von den Katzen miaut wurden, waren immer klarer und deutlicher für Bibi zu verstehen. Fröstelnd realisierte Bibi, was gerade passierte: Sie mutierte gerade zur Katzenlauscherin und sie konnte nichts dagegen tun.

 

KNUTSCH

»Hör endlich auf, mich zu küssen. Auch wenn wir verheiratet sind, haben wir jetzt Wichtigeres zu bereden. Aber zuerst küsst du mich nochmal«, kicherte Frau Seltsam, wie ein verliebter Teenager. Vor Bibi hielten die beiden immer Abstand, denn wenn sie so etwas sehen würde, könnte sie überhaupt nicht mehr verstehen, warum ihre Eltern getrennt leben mussten. »Ich habe eben die beste und verständnisvollste Frau der Welt und ich liebe dich noch immer unendlich«, säuselte Herr Seltsam, der schon beinahe vergessen hatte, warum er eigentlich hier war.

KNUTSCH

 

»Maunz - Wat is ne rote Katze zwischn zwe schwarzn Katzn?«, erkundigte sich Oliver scheinheilig. Ebenso scheinheilig schüttelte der Schwarze Peter grinsend den Kopf. Oliver kicherte hämisch, »Maunz – Na, ne Jedächtnislücke.« Sofort lachten die beiden Kater wieder lauthals los und Kitty hetzte zuerst dem einen und dann dem anderen erfolglos hinterher. Sie war noch immer etwas benebelt und bei einer Verfolgungsjagd eindeutig im Nachteil. Bibi sauste hinterher und versuchte Kitty hochzuheben, damit sie die arme Katze streicheln und damit vielleicht auch trösten konnte. »Sind die beiden schlimmen Kater schon wieder garstig zu dir?«, erkundigte sich das Mädchen traurig, aber Kitty war so sauer, dass sie Bibi total unflätig anmiaute, »Miau, miau - Halt deinen frechen Schnabel, du bescheuertes Gör. Ich zerkratz dir das Gesicht, wenn du mich nochmal nervst.« Kitty tat es zwar sofort leid, aber jetzt war Bibi eingeschnappt. Sie durfte sich nur nicht anmerken lassen, dass sie tatsächlich verstanden hatte, was die Katzen sagten. »Ach, jetzt habe ich es verstanden. Ihr spielt nur fangen! Dann mache ich inzwischen sauber und ihr drei habt euren Spaß«, erklärte Bibi gezwungen fröhlich und lächelte. Sie machte sich auf den Weg in die Küche, blieb aber noch kurz im Vorzimmer stehen. Dass ihr wegen der garstigen Katzen und der Unverschämtheiten schon die Tränen herunterliefen, konnten die Katzen daher nicht mehr sehen. Die beiden schlimmen Kater hätten das wahrscheinlich sogar als Sieg gefeiert, ein kleines Mädchen zum Heulen zu bringen, vermutete Bibi. Bei Kitty war sie sich nicht sicher, aber nach der letzten Bemerkung war Bibi nicht nur traurig, sie war auch zornig auf die Katzen geworden. Papas Wohnung sah auch schon wieder wie ein Schlachtfeld aus.

»Maunz - Mann eh. Die is ja blöd wie een Meter Feldwech«, amüsierte sich Oliver. »Miau - Tja, Kitty. Wird wohl nix mit deiner neuen Freundin. Du musstest dich ja auch gleich zu ihr auf den Schoß legen, als sie gekommen ist und sich gesetzt hat. Dein Einschleimen bei dem niederen Menschenweibchen hat dir nichts gebracht, fürchte ich«, lachte der schlimme Peter. »Miau, miau - Pah, die doofe Göre kann mir eh gestohlen bleiben. Und jetzt zu euch beiden! Jetzt seid ihr dran!!!«

Bibi hatte von draußen gelauscht und war bei Kittys letzten Worten auch heftig zusammengezuckt. Jetzt sah Bibi aber Rot.

 

Nach einiger Zeit wurde der Lärm aus dem Wohnzimmer weniger. Bibi kam aus der Küche zurück und ignorierte das Chaos. Die drei Katzen torkelten durch den verwüsteten Raum und Kitty konnte noch immer niemand erwischen, denn sie war offensichtlich auch am meisten erschöpft. Ihre Zunge hing schon so weit raus, dass sie fast über den Boden schleifte, während sie schlurfend dem frechen Peter folgte. Oliver torkelte hinter das Sofa und ließ sich mit einem Platschen auf den Boden fallen, alle vier von sich gestreckt. »Maunz – Ick kann nischt mehr. Ick hab Durst«, maunzte der erschöpfte Kater.

Bibi klatschte die Hände zusammen und säuselte unschuldig, »Na, ihr habt euch aber ordentlich ausgetobt. Ich wette, ihr seid durstig. Ich hole euch gleich etwas zu trinken.« Fröhlich pfeifend verschwand sie wieder in die Küche und ließ drei verdutzte Katzen zurück. »Miau - Es ist fast so, als könnte sie Gedanken lesen«, wunderte sich Peter. »Maunz - Kann seen, dat sie nischt janz nutzlos is«, maunzte Oliver. »Miau - Durst«, röchelte Kitty.

Bibi kam gleich darauf zurück und stellte eine große Schale vor Kitty und Peter hin. Oliver rappelte sich auf und sauste auch zur Schale. Mit weit aufgerissenen Augen blieb er aber stehen. Bibi sagte mit ihrer freundlichsten Stimme, »Also los! Lasst es euch schmecken.« Die Katzen achteten nicht auf Bibis glucksenden Bauch. »Maunz - Ick hätt lieber ein warmes Würstchenheißmachwasser, bitte«, maunzte Oliver. »Miau - Da trinke ich doch lieber aus der Kloschüssel, wie so ein doofer Köter«, jammerte Peter. »Miau - Das dumme Gör hat eben keine Ahnung von Katzen. Was soll’s. Dann eben … igitt ... MILCH«, miaute Kitty fassungslos und begann tatsächlich die Milch zu schlabbern. Peter und Oliver hatten auch keine andere Wahl, denn der Durst zwang sie zu trinken.

‚Hab ich das irgendwann vielleicht gehört oder gelesen, dass erwachsene Katzen gar keine Milch trinken, weil sie keine Milch vertragen? Wer weiß das schon. Ich bin ja nur ein dummes Gör‘, dachte sich Bibi und säuselte, »Ach, ihr seid so brave Miezekatzen. Es freut mich ja so sehr, dass es euch schmeckt.«

Kurze Zeit später war die Schale fast leer und Peter verzog schon das Gesicht. Oliver lächelte und maunzte, »Maunz - Lecker isse ja, aber dat werden wir janz sischer noch bereuen.« »Miau - Es zwickt, es zwickt«, jammerte Kitty. Das Grummeln aller drei Katzenmägen wurde immer lauter. Kitty machte einen Katzenbuckel und blickte schon ganz verkniffen, »Miau - Ich würde ja hinters Sofa verschwinden, aber das Gör schaut uns zu!« Der Schwarze Peter jammerte, »Miau - Da bleibt uns nur das Katzenklo im Bad. Ich hoffe, das dumme Gör hat die Tür offen gelassen.« Doch bei Oliver war es am schlimmsten, denn er hatte die meiste Milch geschlabbert. Er kniff plötzlich das linke Auge zusammen, aber das rechte riss er ganz weit auf, »Maunz - Ick brodel, wie een Vulkan. Aus dem Wech!!!«

Oliver startete als Erster durch, dann folgenden die beiden anderen. Vergnügt kichernd hüpfte Bibi sofort den leidenden Katzen hinterher und fand sie nebeneinander am Katzenklo sitzend. »Maunz - Dat Gör schaut mir zu. Ick kann nischt«, ärgerte sich Oliver und schien gleich zu platzen. Bibi säuselte, »Ach, ihr wollt sicher ein wenig Privatsphäre.« Nachdem sie für die Katzen das Licht eingeschaltet hatte, ging sie raus und lauschte.

Pffffffrz - »Dat jibt Rache!« - Pffffrz

»Schaut bloß nicht zu mir rüber. Eine Dame braucht ihren Abstand bei so etwas« - PFFFFRZ

PFFFFRZZ - »Das werden wir dem dummen Gör schon heimzahlen«, ärgerte sich auch Peter

Bibi lauschte grinsend dem Pfffrz-Konzert und sah dann auf die Uhr. Papa war jetzt schon eine Stunde unten bei Mama. Es war zwar ärgerlich, aber so hatte Bibi zumindest die Gelegenheit bekommen, auch einmal ein wenig auszuteilen. Immer nur einzustecken, war einfach nicht gut für die Seele.

 

Bibi musste nicht lange warten, dann öffnete sich endlich die Eingangstür. Das Pfffrz-Konzert war in der Zwischenzeit etwas leiser geworden und wenn die Katzen wieder fit waren, könnten sie sich mit ihren scharfen Krallen vielleicht rächen, befürchtete Bibi. Es war sicher besser, dass Paps nach Hause gekommen war und er sich um die schlimmen Katzen wieder selbst kümmerte. Zumindest hatten die Katzen jetzt endlich das Katzenklo benutzt, was Bibi durchaus als Teilerfolg ansah.

Paps betrat mit leicht rotem Kopf das Vorzimmer und entschuldigte sich gleich dafür, dass es etwas später geworden war, als er versprochen hatte. Bibi war trotzdem sofort sauer. Papas Kleidung saß unordentlich, am Hemdkragen war Lippenstift und auf seinem Hals war auch noch ein Knutschfleck. »AHA! Du hast doch nicht etwa mit Mama rumgemacht?«, warf Bibi sofort ihrem Vater vor. Papa grinste schon wieder so unschuldig, wie vor der Auslage der Tierhandlung. »Naja, wir haben das Problem mit deinem Schwimmunterricht besprochen und dann, dann…. Hey, wir sind ja verheiratet. Wir haben ja gar nichts Unrechtes getan!«, verteidigte sich Papa Seltsam. Bibis Kopf wurde trotzdem rot und sie fluchte, »Echt jetzt? Du lässt mich mit den drei Katzen alleine und vergnügst dich mit Mama, während ich auf deine kleinen Monster aufpassen muss?« Genau in diesem Moment wankte Oliver aus dem Bad. Er torkelte, fiel auf die Seite und maunzte, »Maunz - Ick hasse Dir.« Bibis Vater war verstört, »Was ist denn hier los?« Bibi erklärte schnippisch, »Pffft. Dank mir benutzen sie jetzt endlich das Katzenklo und kacken dir nicht mehr hinters Sofa.« Herr Seltsam sauste ins Wohnzimmer, blickte hinter das Sofa, wobei er natürlich schon gewusst hatte, dass sich die Katzen dort verewigt hatten und er kam gespielt entsetzt zurück. »Ach, daher kommt der Gestank. Aber was steht denn da für eine Schale?«, wunderte sich Papa Seltsam. Bibi rief aus dem Vorzimmer, »Die Katzen haben Fangen gespielt und dann hatten sie Durst.« Sofort raste Paps ins Vorzimmer, nahm Bibi bei den Schultern und sah ihr tief in die Augen, »Aber, Bibi. Erwachsenen Katzen darf man keine Milch geben. Die trinken nur Wasser.« Peter torkelte aus dem Bad, platschte seitwärts um und jammerte, »Miau - Hirntote Göre. Das weiß doch jeder.« Bibi entgegnete ihrem Vater trotzig, »Das ist aber bei Tom und Jerry und den vielen anderen Zeichentrickfilmen ganz anders. Da trinken die Katzen immer Milch. Außerdem, was weiß ich schon von Katzen? Ich darf ja nur meinen Clownfisch Fred als Haustier haben. Andere Haustiere habt ihr mir nie erlaubt.« Papa Seltsams Gesicht wurde ganz freundlich und versöhnlich erklärte er, »Das Fernsehen ist dir in diesem Fall kein guter Ratgeber. Nur ganz kleine Kätzchen bekommen eine spezielle Milch zur Aufzucht, die der Muttermilch einer Katzenmutter sehr ähnlich ist. Ein Katzenmagen kann die normale Kuhmilch aus der Packung nicht verdauen.« Bibi nickte einfach und schielte auf die zwei leidenden Kater, die röchelnd auf der Seite lagen. Kitty torkelte auch noch aus dem Bad und meckerte, »Miau - Das rothaarige Gör ist eben doof. Dagegen ist keine Katzenminze gewachsen.« Im nächsten Moment lag sie erschöpft neben Peter und dieser miaute hämisch, »Miau - Ein Clownfisch namens Fred? Wir kommen dich gerne einmal zum Abendessen besuchen, wenn du schon schläfst. Fred klingt für mich nach Mitternachtsimbiss.« Oliver kicherte auch, aber Kitty schien trotz ihrer eigenen harten Worte doch ein wenig betrübt zu sein. Stand sie vielleicht bloß auf der Seite der beiden schlimmen Kater, um sozusagen mit den Wölfen zu heulen, damit sie selbst von den beiden in Ruhe gelassen wurde? Bibi kannte so ein Verhalten aus der Schule, denn da gab es diese Clique mit drei überheblichen Tussen, die ihre Mitschüler ebenfalls terrorisierten.