Bille und Zottel Bd. 10 - Im Hauptfach Reiten - Tina Caspari - E-Book

Bille und Zottel Bd. 10 - Im Hauptfach Reiten E-Book

Tina Caspari

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Beschreibung

Die Mädchen öffnen die Stalltür und prallen zurück. "Um Himmels willen, Bille! Alles ist voller Rauch! Es brennt", schreit Nico entsetzt. Mit einem Satz sind die Mädchen bei den Boxen. Die Pferde sind bereitsin höchster Aufregung. Wir müssen eine Panik verhindern, denkt Bille verzweifelt, die Pferde müssen ins Freie! Wird Bille mit dieser schwierigen Situation fertigwerden?

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TINA CASPARI

Im Hauptfach Reiten

Ruhe vor dem Sturm

„Warum lachst du?“

„Ich habe gerade eine Entdeckung gemacht.“

„Eine Entdeckung?“

„Ja, ich habe festgestellt, wie ähnlich ihr euch seid. Du und Zottel.“

Simons Blick wanderte mit zärtlichem Spott zwischen dem Profil des Ponys und dem Profil seiner Freundin Bille hin und her. Zottels Kopf über dem seiner Besitzerin, die wuschelige Pferdemähne und der widerspenstige Lockenschopf Billes, vom kräftigen Ostwind über Stirn und Augen geweht, die Nasen schnuppernd dem Meer zugewandt – sogar den gleichen Ausdruck von wacher Neugierde und Lebensfreude hatten sie.

„Ich glaube, das musst du mir näher erklären!“

Bille ließ sich auf die Ellbogen zurückfallen, kuschelte sich genießerisch in die Sandmulde, die zwischen dem Strandhafer ein kleines Nest bildete, in dem man vor Windböen geschützt war, und blinzelte zu Simon hinauf.

„Ich bin viel zu faul, um lange Erklärungen abzugeben!“

Simon streckte sich neben Bille im Sand aus und fasste in ihren blonden Schopf. „Es ließe sich immerhin sagen, dass du genauso ein Zotteltier bist.“

„He! Frech bist du gar nicht, wie? Und warum kommt dir diese Erkenntnis erst heute?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich gerade beobachtet habe, wie ihr zwei auf die gleiche Weise die Nüstern bläht.“

„Ich blähe die Nüstern? Das wird ja immer schöner!“

„Ja, du hast eine richtig süße Pferdenase. Wusstest du das nicht?“

„Jetzt behaupte nur noch, ich sehe auch sonst aus wie ein Pferd! Bei aller Liebe zu unseren Rössern, aber …“

„Keine Sorge! Außer den genannten Äußerlichkeiten hast du nur noch eines mit unseren Lieblingen gemeinsam …“

„Und das wäre?“

„Deine Pferdenatur.“

„Du unverschämter Typ! Na warte, meine Rache wird fürchterlich sein!“

„Das hoffe ich.“

Simon schloss die Augen und spitzte den Mund. Einen Augenblick war Bille in Versuchung, eine Hand voll Sand über seine Lippen rieseln zu lassen, aber dann beugte sie sich über ihn und gab ihm einen zarten Kuss auf die Nasenspitze.

„Was, nicht mehr? Das war aber wenig … Strafe!“

Simon schlang die Arme um Bille und zog sie fest an sich.

„Ich bin so froh, dass es dich gibt“, sagte Bille leise an seinem Ohr. „Das wird alles weniger schlimm machen.“

„Weniger schlimm? Was meinst du?“

„Groß-Willmsdorf. Die Umstellung, all die Neuen, die fremden Schüler und Lehrer, die den Hof und den Park bevölkern werden! Groß-Willmsdorf als Internat! Ich kann’s mir einfach noch nicht vorstellen. Anstatt der gewohnten Ruhe den ganzen Tag Lärm wie auf einem Schulhof! Überall werden sie ihre neugierigen Nasen hineinstecken, alles besser wissen wollen und …“

„Jetzt hör aber mal auf!“, unterbrach Simon seine Freundin und richtete sich auf. „Warte doch erst mal ab! Herr Tiedjen hat alle Vorkehrungen getroffen, dass der Schulbetrieb streng von Hof und Gestüt getrennt bleibt. Niemand wird unerlaubt den Hof betreten, und die Schüler und Lehrer … na, ich denke mir, wenn das ein Internat werden soll, in dem Reiten Hauptfach ist und das speziell für pferdebegeisterte junge Reiter geschaffen wird, für echte Pferdenarren, dann werden sie schon nicht so übel sein. Die Unechten, die nicht zu uns passen, die werden wir schleunigst rausekeln, meinst du nicht?“

Bille verzog das Gesicht.

„Hm, sicher kommen eine Menge hübsche, begabte Reiterinnen, die dich anhimmeln, dich Tag und Nacht belagern und sich von dir Privatunterricht geben lassen!“, sagte sie halb im Spaß, halb wütend und wandte sich von ihm ab.

Simon zog sie an den Schultern zu sich heran.

„Ja, ist denn das die Möglichkeit! Du bist eifersüchtig! Was soll ich denn da sagen, hm? Wenn dir die gut aussehenden Jungen zu Dutzenden zu Füßen liegen und um deine Gunst werben! Ich sehe sie schon vor mir, wie sie nachts Blumen aus Frau Lohmeiers Garten klauen und dir Sträuße durchs Fenster werfen! Wie sie dir im Stall Liebesbriefe zustecken und ihr letztes Taschengeld für silberne Armreifen rausschmeißen! Prügeln werden sie sich um dich! Und was wird dann aus mir?“

Bille lachte.

„Wir sind ganz schön blöd, wie?“

„Hm … Versprichst du mir was?“

„Was denn?“

„Wenn dir je solche Gedanken kommen, ich meine, in Bezug auf ein anderes Mädchen, versprichst du mir, gleich als Erstes zu mir zu kommen und mit mir darüber zu reden?“

„Abgemacht. Und du … Versprichst du mir das Gleiche?“

„Klar doch.“

Simon beugte sich vor, um Bille zu küssen, aber Zottel, dessen Zügel lose um Billes linken Arm hing, hatte jetzt genug von dem romantischen Blick über Strand und Meer. Energisch warf er den Kopf hoch und machte ein paar Schritte, sodass Bille das Gleichgewicht verlor und zur Seite rollte.

„Nichts wird einem gegönnt“, seufzte Simon abgrundtief. „Na komm, es ist ohnehin höchste Zeit für uns. Machen wir uns auf den Heimweg.“

Er stand auf, klopfte sich den Sand von Pulli und Reithose, dann streckte er Bille die Hand hin. Bille sprang auf die Füße und wollte sich Zottel zuwenden, aber Simon zog sie schnell an sich, nahm ihren Kopf in beide Hände und küsste sie so heftig, dass Bille alles um sich herum vergaß. Sie ließ die Arme sinken, und Zottels Zügel fiel zu Boden.

Zottel brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um seine Chance zu erkennen. Freudig trabte er zum Wasser hinunter, wandte sich nach rechts und ging in einen wiegenden Schaukelgalopp über. Simons Fuchsstute Pünktchen spitzte die Ohren und wieherte beunruhigt hinter ihrem Freund her. Simon und Bille ließen sich nicht stören.

Eine ganze Weile standen sie so und vergaßen die Welt um sich herum. Sie beendeten ihre Umarmung nicht einmal, als sich Hufgetrappel und heftiges Schnauben näherten und atemlos ein paar Reiter neben ihnen anhielten.

„Sagt mal, ihr vermisst nicht zufällig etwas?“, fragte Simons jüngerer Bruder Florian scheinheilig.

„Doch. Ein rot geschecktes Pony“, murmelte Simon, ohne Bille loszulassen. „Wir haben es euch entgegengeschickt, um zu sehen, wo ihr bleibt. Hat es euch gefunden?“

„So kann man’s auch nennen.“

„Wunderbar, dann können wir ja jetzt zurückreiten.“

Simon entließ Bille schweren Herzens aus seinen Armen und wandte sich seiner Stute zu. Bille nahm Zottel in Empfang und stieg in den Sattel.

„Lieb von dir, Flori, dass du ihn mir eingefangen hast, vielen Dank!“

„Na ja, man hat ja Verständnis … Liebe muss was Schönes sein“, brummte Florian – allerdings nicht allzu laut. Denn seit es ein Mädchen namens Nico in seinem Leben gab, das ihn, den erklärten Frauenfeind, bekehrt hatte, musste er sich vor dem Spott seiner Brüder in Acht nehmen.

„Armer Flori“, sagte Daniel, sein ältester Bruder, denn auch sofort. „Noch fünf Tage muss er das harte Los eines Strohwitwers ertragen, bis Nico zurückkommt! Wir werden ihr erzählen, wie er gelitten hat.“

„Das wirst du nicht tun!“

Florian versuchte, Daniel einen Schlag mit der Reitgerte zu verpassen. Er zielte zwar auf den Stiefel des Bruders, erwischte aber die Flanke seines Schimmels Asterix, der empört quiekend ausschlug, einen Riesensatz nach vorne machte und davongaloppierte. Daniel hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, so unerwartet kam der Blitzstart seines Wallachs.

„Du solltest es dir mit Asterix nicht verderben, Flori!“, rief seine Adoptivschwester Bettina lachend. „Du weißt doch, dass du ihn pflegen und reiten musst, wenn Daniel jetzt zum Studium weggeht. Er wird sich furchtbar an dir rächen und sich Nacht für Nacht in seinem Mist wälzen!“

Florian seufzte.

„Ein Schimmel ist wirklich das Letzte. Ich weiß schon, was ich an Bongo habe – stimmt’s, Dicker?“ Zärtlich kraulte er seinem kleinen Rappen die Mähne. „Der ist pflegeleicht! Auch wenn ich jetzt zu groß für ihn bin. Schade, dass so ein Pony nicht einfach mitwächst. Man müsste da mal was erfinden …“

Daniel war böse. Er erwartete sie hundert Meter weiter auf den Dünen. Es war ihm anzusehen, dass er sich gleich mit wilden Beschimpfungen auf den jüngeren Bruder stürzen würde, aber Bille ging dazwischen, ehe er richtig Luft geholt hatte.

„Nun kommt, vertragt euch, verderbt uns nicht den schönen Ferientag! Warum müsst ihr beiden dauernd streiten!“

„Das musst du verstehen, Bille!“ Tom Tiedjen, der neben Bettina ritt, grinste anzüglich. „Der eine ist schlechter Laune, weil seine Herzallerliebste fern von ihm weilt, der andere, weil er gerade keine hat.“

„Du sagst es“, maulte Florian. „Ihr vier seid ja auch ein öffentliches Ärgernis! Zwei Liebespaare in der Familie! Und das muss man sich den ganzen Tag mit ansehen!“

„Bist du nicht ein bisschen undankbar, Flori? Ich finde, du hast allen Grund, dich darüber zu freuen, dass Nico in Zukunft hier bei uns auf dem Reiter-Internat zur Schule gehen darf“, meinte Bettina. „Sonst würdest du sie nämlich frühestens in den nächsten Sommerferien wiedersehen. Was sind da schon die paar Tage Trennung!“

„Hahaha. Du hast’s nötig. Kaum hat sich Tom von dir verabschiedet, rast du schon wieder zum Telefon, um ihn anzurufen!

„Dafür sehen Tom und ich uns während der Schulstunden nicht. Du dagegen kommst mit Nico in eine Klasse!“

Bille kicherte. „Auf die Schulnoten bin ich gespannt!“

„Meine werden super, darauf kannst du dich verlassen“, sagte Florian überzeugt.

„Wieso denn das auf einmal?“

„Weil Nico ein Ass in allen Fächern ist, in denen ich schwach bin. Wir werden ihre Kenntnisse brüderlich zwischen uns teilen: Sie sagt mir, was ich nicht weiß, dafür darf ich dann bei ihr abschreiben.“

„Toll!“, spottete Simon. „Wirklich schade, dass es sich für Tom und mich nicht mehr lohnt, die Schule zu wechseln. Ich hätte zu gern erlebt, wie’s im Reiter-Internat zugeht!“

„Dafür hast du’s in ein paar Monaten hinter dir. Ich wünschte, ich wäre auch schon achtzehn und stünde kurz vor dem Abi …“, seufzte Bille.

„Mach dir nichts draus. Deine sechzehn Jahre stehen dir ausgezeichnet; genieße sie, solange du sie hast“, sagte Daniel onkelhaft. „Wenn erst mal das graue Alter zuschlägt, zwanzig Jahre, abgeklärt und weise, schau mich an – wenn ich jetzt an unserer Schule vorbeigehe, nennen sie mich Opa!“

Sie waren von den Dünen in einen Feldweg eingebogen, der zur Landstraße hinüberführte. Bettinas Haflingerstute Sternchen drängte energisch vorwärts.

„Sternchen riecht den Stall. Sie erinnert sich ihrer Mutterpflichten. Kommt, legen wir mal wieder einen kleinen Trab ein“, schlug Bettina vor.

„Außerdem backt Fräulein Fuchs heute Apfelkuchen“, fiel Florian ein, „und den wollte ich unbedingt unter die Lupe nehmen, bevor er auf den Esstisch kommt. Wer weiß, ob er für euch überhaupt genießbar ist, oder ob ich ihn nicht besser gleich vernichte. He, Tom, kommst du mit nach Peershof oder reitest du gleich weiter?“

„Ich glaube, ich komme nicht mit. Troilus ist heute so zickig. Ich muss ihn noch ein bisschen toben lassen. Ich werde Bille heimbegleiten und dann noch für eine halbe Stunde mit ihm in die Halle gehen. Das wird sein jugendliches Temperament etwas zügeln.“

„Also, tschüss dann! Das war ein traumhaft schöner Ausritt! Hoffentlich bleibt das Wetter in den letzten Ferientagen so gut! Seid nicht böse, aber ich muss mich beeilen. Ich habe Mutsch und Onkel Paul fest versprochen, heute früher heimzukommen, um meinen Babysitterdienst pünktlich anzutreten“, rief Bille. „Meine liebe Schwester Inge nimmt es damit sehr genau.“

„Alles klar, wir sehen uns morgen in Groß-Willmsdorf. Hoffentlich ist dein Patenkind brav und gönnt dir einen ungestörten Fernsehkrimi!“ Bettina warf der Freundin zum Abschied eine Kusshand zu. „Aber er scheint ja ein Musterkind zu sein, wenn man deine Mutter so reden hört.“

„Genauso ein Musterkind wie ich … als Baby. Wäre ja noch schöner, er ist ja schließlich mein Neffe!“

„Na, dann üb mal schön Babyhüten.“ Florian grinste anzüglich. „Wird ohnehin Zeit, dass du das lernst. Was denn – kein Kuss für Simon? Das gibt’s doch nicht!“

„Mann, bist du naiv!“, brummte Daniel. „Für die ist doch das Programm noch nicht gelaufen, auch wenn sie sich jetzt für zwei Stunden trennen müssen. Oder hast du geglaubt, Simon ließe Bille allein in dem einsamen Haus mit dem schlafenden Baby …“

Diesmal war es Simon, der klatschend mit der Reitpeitsche zuschlug. Er allerdings traf Daniels Reitstiefel, und wenn Asterix auch diesmal quiekend auskeilte, dann nur vor Schreck.

„Hach, ist es wieder gemüüüütlich bei uns!“, stöhnte Bettina. „Ciao, Tom, pass schön auf Bille auf und verteidige sie gegen diese widerlichen Lästermäuler. Aus denen spricht doch nur der nackte Neid.“

„Wenn ihr meine kleine Schwester nicht in Ruhe lasst, schieß ich mal ganz locker aus der linken Hüfte!“, drohte Tom lachend. „Ciao, Tina, ich rufe dich nachher an.“

Tom und Bille ritten im Schritt die Landstraße hinunter. Erst auf dem Feldweg, der zum Dorf Wedenbruck führte, ließen sie ihre Pferde noch einmal richtig laufen.

„Lieb, dass du mitgekommen bist, Tom“, sagte Bille, als sie von der Dorfstraße in die Einfahrt bogen und Tom aus dem Sattel sprang, um das Tor zu öffnen.

Das Shetlandpony Moischele ließ von der Koppel her ein sehnsüchtiges Wiehern hören.

„Ich hol dich gleich, mein Kleiner, warte noch einen Augenblick!“, rief Bille hinüber.

Sie rutschte aus dem Sattel, löste den Sattelgurt und legte den Sattel neben sich ins Gras – was sie augenblicklich daran erinnerte, dass sie Onkel Paul versprochen hatte, heute noch den Rasen zu mähen.

„Ach, verdammt …“

„Was ist?“

„Ich hab was vergessen. Wie spät ist es?“

„Zehn vor sechs.“

„Oje. Tom, hast du nicht Lust, mir einen kleinen Gefallen zu tun?“

Tom grinste. Dann legte er den Kopf schief und ahmte Billes Stimme nach.

„Würdest du meine Ponys versorgen? Du bist ein Engel!!!“

„Das wollte ich gerade sagen.“

„Wusste ich doch.“

Tom band Troilus am Stall an, dann nahm er Zottel am Zaumzeug.

„Ich werde ihn auf der Koppel bei Moischele noch ein bisschen laufen lassen. Dann hat der Kleine Gesellschaft. Inzwischen richte ich das Futter her.“

„Du bist …“

„… ein Engel. Das hatten wir bereits.“

Bille holte den Rasenmäher aus der Garage und machte sich im Feuerwehrtempo an die Arbeit. Bis halb sieben musste alles fertig sein. Und sie hatte Mutsch versprochen, sich auch um das Abendessen zu kümmern. Wenn Mutsch abends einmal ausging – was selten genug vorkam –, dann war sie aufgeregt wie ein junges Mädchen, und man tat gut daran, ihr keinen Grund zum Ärgern zu geben.

Als Bille mit dem Rasen vor dem Haus fertig war, stürmte sie in die Küche, richtete in Windeseile ein paar üppig belegte Brote her, die sie mit Radieschen und Tomatenscheiben verzierte, deckte den Tisch, stellte Bier und Apfelsaft bereit und rannte wieder nach draußen.

Sie hatte gerade den Rasenmäher ums Haus herumgezogen, als sie das Auto ihrer Eltern vor der Einfahrt hörte. Bis Mutsch im Haus war und aus dem Schlafzimmerfenster schaute, hatte sie immerhin schon einen schmalen Streifen des hinteren Rasens gemäht.

„Na, das ist dir wohl gerade eben noch eingefallen“, rief Mutsch denn auch prompt. „Nun komm erst mal essen, den Rasen kannst du morgen früh fertig machen. Du musst doch gleich rüber zu Inge.“

Bille ließ den Rasenmäher stehen; sie schaute kurz zu Tom in den Stall, der verständnisvoll abwinkte und etwas wie „Ich mach das schon, geh nur“ murmelte. Sie achtete darauf, die staubigen Reitstiefel gleich in der Haustür von den Füßen zu ziehen, und lief in die Küche hinüber.

Während sie Bier in zwei Gläser schenkte, hörte sie Onkel Paul die Treppe herunterkommen.

„Dunkler Anzug! Krawatte!“, brummte er. „Und das bei dem Wetter!“

„Trink erst mal ein Bier“, sagte Bille mit dem milden Lächeln einer Krankenschwester. „Warum gehst du nicht ohne? Heutzutage muss man sich fürs Theater doch nicht mehr so fein machen! Als ich das letzte Mal mit war, hab ich eine Menge Leute mit Jeans und Pulli gesehen.“

„Das bring mal deiner Mutter bei! Hm, ist das lecker, das schmeckt ja raffiniert! Was ist denn das?“

„Bücklingsfilet auf Rührei. Das Rührei war ein Rest vom Frühstück.“

Mutsch stürmte – ein weißer Wirbelwind mit blauen Tupfen – in die Küche und zerrte verzweifelt an ihrem Reißverschluss.

„Typisch! Wenn ich’s wirklich mal eilig hab, muss das verdammte Ding sich einklemmen! Ich weiß nicht, ich muss schon wieder zugenommen haben, das Kleid war doch sonst nicht so eng! Und meine Haare, eine einzige Katastrophe! Du meine Güte, die Schuhe, ich hab ja die Schuhe noch gar nicht geputzt! Und meine Fingernägel wollte ich noch lackieren.“

„Nun man immer mit der Ruhe!“, brummte Onkel Paul begütigend. „Setz dich erst mal und iss etwas! Wir haben noch viel Zeit!“

„Essen? Jetzt? Dazu habe ich keine Zeit. Es ist zehn vor sieben!“

„Na und? Um acht fängt die Vorstellung an, und wir fahren höchstens vierzig Minuten. Die Karten haben wir schon, warum regst du dich also auf?“

Bille war auf den Flur gelaufen und hatte Mutsch die Schuhe geholt.

„Na siehst du, blitzsauber, ich wusste es doch. Hier, setz dich und trink einen Schluck, ich kümmere mich um deine Frisur. Onkel Paul wird dich füttern, und du lackierst deine Nägel, okay? Übrigens, wie heißt eigentlich das Stück, das ihr seht?“