Bille und Zottel Bd. 12 - Frühling, Freunde, freche Fohlen - Tina Caspari - E-Book

Bille und Zottel Bd. 12 - Frühling, Freunde, freche Fohlen E-Book

Tina Caspari

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Beschreibung

Die Zuhörer der öffentlichen Versammlung hören plötzlich nicht mehr dem Redner zu - sie starren das lustige, rot-weiß gescheckte Pony Zottel an. Zügig geht Zottel auf die großen Tische mit Kuchen und belegten Broten zu. Süßigkeiten liebt das kleine runde Pony besonders, und schon mampft es genüsslich die erste üppig verzierte Cremeschnitte ...

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TINA CASPARI

Frühling, Freunde,

freche Fohlen

Das fängt ja gut an!

„Ich komme mir vor wie ein Nachtwächter am Tage!“

„Bitte?“ Achmed, der türkische Stallhelfer, sah Bille verständnislos an.

Bille musste lachen. „Natürlich, das kannst du nicht wissen, ein Nachtwächter, das ist ein Mann, der in der Nacht herumgeht und schaut, ob alles in Ordnung ist. Er hält Wache. Und ich komme mir vor wie ein Nachtwächter, weil ich heute mit dir allein auf dem Hof bin und aufpassen muss und weil der Himmel am hellen Mittag so schwarz ist, dass man meinen könnte, es wäre Nacht.“

„Das gibt böses Wetter“, sagte Achmed besorgt. „Viel Schnee.“

„Ja, endlich Schnee! Es wird auch Zeit, schließlich haben wir Januar. Ich hatte mich so auf ein paar schöne Ausritte im Schnee gefreut. In drei Tagen sind die Ferien vorbei, und wir haben gar nichts vom Winter gehabt“, seufzte Bille.

Achmed teilte ihre Begeisterung für einen schneereichen Winter offensichtlich nicht, aber er schwieg höflich. In diesem Augenblick fegte eine Sturmbö heran, dass sie fast durch die offene Tür in die Stallgasse geweht wurden. Die Abfalltonne fiel krachend um und rollte über den Vorplatz, eine Wolke aus Strohhalmen und trockenen Blättern wirbelte bis zum Dach hinauf.

„Mach die Tür zu, und dann lass uns die Fenster schließen“, mahnte Bille. „Bis auf das eine hinten auf der windgeschützten Seite. Das zieht ja sonst wie Hechtsuppe!“

„Bitte?“

Bille stutzte. Sie sah Achmeds fragendes Gesicht, lernbegierig und verzweifelt darüber, dass die deutsche Sprache immer neue Geheimnisse für ihn bereithielt.

„O weh, jetzt frag mich bitte nicht, warum Hechtsuppe zieht“, sagte Bille lachend. „Das ist einfach so eine Redensart. Eine ziemlich blöde.“ Hinter ihr flog krachend die Tür zur Sattelkammer zu. „Komm, wir müssen uns beeilen, sonst weht es uns noch die Pferde aus den Boxen!“

Bald waren alle Fenster geschlossen. Der Sturm heulte um das Gebäude, als wolle er sich wütend Einlass verschaffen, aber drinnen herrschte friedliche Stille. Die Schulpferde genossen ihre Mittagsruhe und dösten vor sich hin. Bille ging noch einmal die Reihe der Boxen ab und warf einen prüfenden Blick auf ihre vierbeinigen Freunde, ehe sie wieder zum Reit- und Zuchtstall Hans Tiedjens, ihres väterlichen Freundes und Lehrers, zurückkehrte, wo sie heute allein Dienst tat.

Die Schwellung an Darlings Bein war zurückgegangen. Bis die Schüler des Reiter-Internats Groß-Willmsdorf aus den Ferien zurückkamen, würde die hübsche Rappstute wieder völlig in Ordnung sein. Natascha, die bildschöne Braune mit der breiten Blesse und der blauschwarz schimmernden Mähne, kam sofort zu Bille herüber und wollte schmusen. Der Schwarzschimmel Bobby hatte sich im Stroh ausgestreckt und seufzte zufrieden, und der rassige braune Janosch leckte verträumt an seinem Salzstein, als wäre er tief in Gedanken versunken. Rumpelstilzchen und Lucky, die beiden Isländer, teilten sich eine geräumige Box und schliefen eng aneinandergelehnt. Reggi – eigentlich hieß sie Regula –, eine Trakehner Hellfuchsstute, hatte in den Ferien zugenommen, ihr würden der wieder beginnende Schulbetrieb und Bewegung gut tun.

Schließlich blieb Bille bei Luzifer stehen, dem nachtschwarzen Riesen mit dem Gemüt eines Lammes.

„Na, mein Dicker? Hast du endlich dein Diätziel erreicht und deine Traumfigur wiederbekommen? Die kleine Mini wird dich kaum wiedererkennen. Richtig gut siehst du aus! Hoffentlich ist sie vernünftig und verwöhnt dich nicht gleich wieder mit Keksen und Zucker.“

Die Lehrer des Internats, soweit sie eigene Pferde besaßen, hatten ihre Lieblinge mit in die Ferien genommen, ebenso die Schüler, die schon ein eigenes Pferd hatten. Nur Nicos Sylvester war hiergeblieben, die Reise war einfach zu weit und zu anstrengend für nur drei Wochen. Bille hatte für ihn extra einen Apfel eingesteckt, denn Florian hatte heute keine Zeit gehabt, ihn zu reiten. Ganz unglücklich war Florian gewesen, dass er mit den Eltern und Geschwistern zum fünfundachtzigsten Geburtstag der Großmutter fahren und den ganzen Tag fortbleiben musste. Das Pferd seiner heiß geliebten Freundin Nico zu versorgen wie sein eigenes, war für ihn Ehrensache.

Sylvesters Box gegenüber befanden sich die Boxen der drei Veteranen aus dem Zirkus, die Johnny der Indianer mitgebracht hatte, als er seine Stellung als Pferdepfleger im Schulstall antrat. Bille trat nacheinander zu Happy, Whisky und Maestro und klopfte ihnen zärtlich den Hals.

„Morgen früh ist er wieder da“, tröstete sie die drei. „Er musste mal wieder seine Schwester besuchen, und für den einen Tag konnte er euch schlecht mitnehmen, das versteht ihr doch, nicht wahr?“

Der Sturm wurde von Minute zu Minute stärker.

„Ich muss wieder rüber, Achmed“, sagte Bille. „Hier ist ja alles so weit in Ordnung. Wenn was ist, ruf mich drüben an. Johnny kommt heute Abend mit dem letzten Zug gegen Mitternacht. Bis dahin musst du die Stellung hier halten, okay?“

Achmed nickte halb stolz, halb unsicher. Aber da Bille sich vor dem Schneesturm nicht zu fürchten schien, wollte er sich seine Sorge nicht anmerken lassen.

Bille kam kaum hinaus, so stark drückte der Wind gegen das Tor. Sie zwängte sich durch den Spalt, und kaum war sie draußen, knallte der Torflügel hart ins Schloss. Dicke Schneeflocken trieben ihr in die Augen, kaum zwei Meter weit konnte sie in dem wirbelnden Weiß sehen, sie tappte wie eine Blinde an den Paddocks entlang. Erst im Park wurde es besser, hier schützten die hohen Eichen und Buchen sie vor den Angriffen des Sturms, und der Tanz der Schneeflocken endete im dichten Gewirr der Zweige über ihr. Die weiten Rasenflächen waren schon unter einem flauschigen Teppich verschwunden, das Herrenhaus des Gutes versteckte sich hinter einer Unzahl weißer Vorhänge.

Als Bille den alten Groß-Willmsdorfer Pferdestall betrat, glühte ihr Gesicht, und von den blond gelockten Stirnfransen tropfte es, als hätte sie gerade geduscht. Bille schüttelte den Schnee aus ihrem Parka und hängte ihn in der Sattelkammer zum Trocknen auf. Dann holte sie ihr Handtuch aus dem Schrank und trocknete sich Gesicht und Haare.

Der Sturm tobte unvermindert weiter. Drüben vor der alten Reithalle fielen krachend ein paar Bretter von einem Stapel. Es war fast ein bisschen unheimlich. Hans Tiedjen und sein Sohn Tom waren verreist, der alte Petersen war beim Arzt, und Hubert und Verwalter Lohmeier waren nach Neukirchen gefahren, um Frachtgut von der Bahn zu holen. Es kam selten vor, dass Bille ganz allein im Stall war und die volle Verantwortung trug.

Normalerweise machte ihr das nichts aus. Aber dieser Schneesturm konnte einen nervös machen. Was geschah, wenn die Straßen unpassierbar wurden? Wenn Petersen und Hubert nicht zurückkamen? Wenn der Strom ausfiel? Wenn … nein, sie wollte sich nicht verrückt machen. Schließlich war man mit sechzehn kein kleines Kind mehr. Und mit Pferden hatte Bille schließlich nicht erst seit gestern zu tun!

Eigentlich hatte sie mit Black Arrow in die Bahn hinübergehen wollen. Jetzt vertröstete sie ihren prächtigen Rappwallach auf später. Es war besser, hier im Stall zu bleiben, bis der Sturm nachließ. Black Arrow langweilte sich ohnehin nicht, solange das Pony Zottel bei ihm in der Box stand. Die beiden vierbeinigen Freunde benagten sich gegenseitig hingebungsvoll die Kruppe und nahmen kaum Notiz von ihr.

Bille warf einen Blick in die anderen Boxen. Hans Tiedjens Turnierstars Feodora, Nathan und der Nachwuchs Troilus ließen sich durch den Lärm draußen überhaupt nicht stören. Auch die anderen waren ruhig, Troja, Sinfonie und San Pietro, der erst kürzlich in den heimatlichen Stall zurückgekehrt war.

Bille ging in den Fohlenstall hinüber. Die Einjährigen kamen neugierig heran, um mit ihr zu spielen, keiner schien durch das Heulen und Klappern draußen beunruhigt zu sein, und auch Billes Nervosität schwand.

Der Stutenstall lag am geschütztesten, hier drang das Lärmen und Toben von draußen nur gedämpft herein. Bille trat zu Donau in die Box und kämmte ihr zärtlich mit den Fingern den goldroten Schopf. Donaus Bauch zeigte eine kräftige Rundung. In drei Monaten war es so weit, dann brachte sie ihr nächstes Fohlen zur Welt. Ob es diesmal ein Stutfohlen wurde?

Aus der Nachbarbox meldete sich Iris. Sie streckte die Lippen gespitzt durch die Gitterstäbe, als wolle sie Bille einen Begrüßungskuss zuwerfen. Bille ging zu ihr hinüber und schmuste ausgiebig mit ihr.

Santa Monica schlief, und Bille störte sie nicht, sondern wandte sich der Box der Schimmelstute Jacaranda zu. Jacaranda schwitzte stark und lief unruhig hin und her. Bille erschrak. Sollte es schon so weit sein? Der Termin des Abfohlens war doch noch gar nicht gekommen, erst in vier oder fünf Tagen wurde das Fohlen erwartet. Regte die Stute sich vielleicht nur wegen des Sturmes so auf?

Bille sprach besänftigend auf sie ein und beobachtete sie dabei genau. Die Stute beruhigte sich scheinbar, aber gleich darauf begann sie von Neuem unruhig hin und her zu wandern; dann legte sie sich hin, stand wieder auf und scharrte ungeduldig.

„Du lieber Himmel, das hat mir gerade noch gefehlt!“, stöhnte Bille. „Kein Mensch außer mir im Stall und dann dieser Schneesturm – und Jacaranda fohlt! Ich muss sofort den Tierarzt anrufen!“

Um ganz sicherzugehen, beobachtete sie die Stute noch ein paar Minuten. Aber das Zittern, das jetzt in regelmäßigen Abständen durch den Pferdekörper lief, ließ keinen Zweifel zu: Jacaranda würde noch heute abfohlen.

Bille lief in die Sattelkammer hinüber und stürzte ans Telefon. Bei Dr. Dörfler meldete sich die Hauswirtschafterin.

„Der Herr Doktor ist unterwegs, Fräulein Abromeit, das kann spät werden. Soll ich was ausrichten?“

„Ja, bitte!“, rief Bille aufgeregt. „Es ist sehr wichtig! Eine der Stuten …“ Knacks! machte es in der Leitung. „Hallo, hallo, hören Sie mich noch? Hallo! Verdammt, tot! Dass das aber auch bei jedem Sturm wieder passieren muss!“, schimpfte Bille und knallte wütend den Hörer auf.

Was sollte sie tun? Plötzlich wurde sie von hemmungsloser Panik überfallen. Noch nie war sie mit einer fohlenden Stute allein gewesen, immer war der alte Petersen zur Stelle gewesen und meistens auch Dr. Dörfler. Wenn sie wenigstens Simon erreichen könnte! Aber der feierte zweihundert Kilometer von hier den Geburtstag seiner Großmutter. Und der Indianer kam erst spät am Abend zurück. Alle, die ihr hätten helfen können, waren unerreichbar. Bille dachte an Ignaz den Schrecklichen, ihren bewunderten Lehrer, der so grimmig aussah und doch so wunderbar sanft und sicher mit den Pferden umgehen konnte. Wie gern hätte sie ihn jetzt in der Nähe gewusst. Sie musste Hilfe holen – egal woher!

Mit fliegenden Fingern sattelte sie Zottel und zog ihn in die Stallgasse. Sie schlüpfte in ihren Parka, zerrte sich die Kapuze bis in die Stirn und führte Zottel in den Hof hinaus. Der Sturm packte sie, als hätte er nur darauf gewartet, sein Spiel mit ihr zu treiben. Der Schnee reichte ihr bereits bis an die Waden.

„Tut mir leid, Dicker, aber wir müssen ein funktionierendes Telefon finden. Am besten versuchen wir’s zu Hause in Wedenbruck. Wenn die Leitung dort auch unterbrochen ist, kann vielleicht Thorsten zum Tierarzt fahren.“

Bille schwang sich in den Sattel und trieb Zottel kräftig an. Aber kaum hatte sie den Stall hinter sich gelassen, verließ die panische Stimmung sie so plötzlich, wie sie sie überfallen hatte.

„Ich bin ein Idiot!“, sagte Bille laut. „Ich kann sie doch nicht einfach allein lassen! Ich muss bei ihr bleiben. Irgendwie werde ich es schon schaffen.“

Zottel war sichtlich erleichtert, als es zurück in den Stall ging. Bille warf den Sattel in die Stallgasse, aufräumen konnte sie später. Jetzt musste sie sich um Jacaranda kümmern. In Gedanken zählte sie auf, was beim Abfohlen zu beachten war. Sie hatte es oft genug beobachtet und sich gründlich eingeprägt.

Zuerst Wasser abkochen. Saubere Handtücher bereitlegen. Was wurde möglicherweise aus der Stallapotheke gebraucht? War die Box genügend mit Stroh ausgepolstert? Bille war jetzt vollkommen ruhig und konzentriert, rasch und sicher führte sie jeden Handgriff aus. Zunächst stellte sie in der Stallgasse alles bereit, was sie unter Umständen benötigen würde. Dann band sie mit einer sauberen Bandage den Schweif der Stute ein und wusch After, Scham und Euter mit einem milden Desinfektionsmittel sorgfältig ab, um das Fohlen vor Krankheitskeimen zu schützen. Schließlich polsterte sie die Wände der Box noch einmal mit einer dicken Schicht Stroh aus, sodass sie ein behagliches Nest bildeten.

Bille hatte ihre Vorbereitungen gerade beendet, als das Fruchtwasser abging. Nun würde es nicht mehr lange dauern. Jacaranda legte sich hin, gleich mussten die Presswehen beginnen.

Mit Entsetzen stellte Bille fest, dass die Stute sich viel zu nah an die Boxenwand gelegt hatte. So hatte das Fohlen unmöglich Platz genug, auf die Welt zu kommen, und es konnte sich verletzen! Jacaranda musste noch einmal aufstehen, aber würde sie es schaffen, die Stute hochzutreiben?

Bille hasste es, die Stute in diesem Moment so hart anzufassen, aber es musste sein. Nach ein paar kräftigen Klapsen und anfeuernden Zurufen erhob sich Jacaranda halb und sank zurück ins Stroh, aber der Ansatz reichte aus, sie weit genug von der Boxenwand wegrutschen zu lassen. Bille atmete auf. Jetzt konnte sie sich zurückziehen und von der Stallgasse aus beobachten, ob alles normal verlief.

Sie wagte nicht, sich auszudenken, was im Falle einer Komplikation geschehen sollte. Sie konnte nur inständig hoffen, dass bei einer Stute wie Jacaranda, die schon so viele Fohlen auf die Welt gebracht hatte, alles gut verlaufen würde.

Jetzt begann Jacaranda zu pressen. Bille hielt den Atem an vor Spannung, als etwas Dunkelglänzendes unter der Schweifrübe erschien, zurückglitt und mit der nächsten Wehe wieder sichtbar wurde. Das ging so eine Weile, und noch einmal wurde Bille von heftiger Angst befallen; ihr Herz klopfte hart, und kalter Schweiß stand ihr auf dem Rücken. Aber dann erschien sichtbar die Nase des Fohlens zwischen winzigen Vorderhufen; und jetzt wusste Bille, dass das Fohlen normal lag und ohne Schwierigkeiten auf die Welt kommen würde.

Da! Jetzt glitt es ins Stroh, lag einen Augenblick wie tot, doch dann fing es an zu zappeln. Bille atmete auf. Die Eihaut um die Nase des Fohlens zerriss. Es atmete, nieste ein wenig Schleim aus den Nüstern; Jacaranda wandte sich ihrem Neugeborenen zu und begann es zu beschnuppern und abzulecken. Bille brauchte nicht einzugreifen, alles war gut gegangen.

„Ein kleiner Sohn! Jacaranda, du hast wieder ein Hengstfohlen! Grauschwarz wie ein Eselchen ist es. Das wird sicher eines Tages ein stolzer Schimmel! Was meinst du – vielleicht sollten wir ihn Januarsturm nennen? Weil er unterm Sturm geboren worden ist und so stürmisch auf die Welt kam. Ich werde es Daddy vorschlagen.“

Jacaranda hatte ihr Kind gründlich trocken geleckt. Jetzt machte es den ersten zaghaften Versuch aufzustehen. Bille rührte sich nicht, um die Stute und ihren kleinen Sohn nicht zu stören. Sie wusste, dass ein Eingreifen jetzt nur Verwirrung stiften würde, denn in diesen ersten Lebensstunden wurde das Fohlen auf seine Mutter geprägt, es lernte, sie als seine Mutter zu erkennen.

Eine Weile schaute sie regungslos zu, wie der kleine Kerl sich aufrichtete, wieder zurückplumpste, beim nächsten Mal kurz auf allen vier Beinen stand, wieder umfiel und es gleich noch einmal probierte. Schließlich stand er breitbeinig und leicht schwankend im Stroh, und die zierliche, samtweiche Nase stupste suchend am Bauch der Mutter herum. Jacaranda fuhr mit sanft massierenden Strichen ihrer Zunge über den Rücken des Kleinen, der schließlich bis zum Euter vordrang.

Jetzt konnte sie die beiden allein lassen. Leise räumte Bille Schüsseln und Eimer zusammen und verstaute Zellstoff und Handtücher im Schrank.

Im Stall nebenan schlug eine Tür, dann hörte sie Eimer klappern. Das musste Hubert sein. Oder der alte Petersen war vom Arzt zurückgekommen. Bille lief hinüber.

„Was für ein Wetter!“, empfing sie der alte Petersen. „Ich hab geglaubt, ich komme heute überhaupt nicht mehr nach Hause. Ist irgendetwas los gewesen?“

„Nur eine Kleinigkeit.“

Bille verschränkte die Arme und grinste den alten Pferdepfleger an.

„Eine Kleinigkeit? Was denn?“

„Kommen Sie mit mir rüber, ich zeig’s Ihnen.“

„Muss das gleich sein?“

„Ich denke schon.“

„Hast was kaputt gemacht, wie, und willst dein Gewissen erleichtern“, brummte der alte Mann. „Na schön, dann beichte mal.“

Bille ging schweigend vor ihm her. Als sie in das Halbdunkel des Stutenstalls traten, nahm sie ihn bei der Hand und zog ihn zu Jacarandas Box.

„Wir haben wieder einen Sohn. Und was für einen! Ist das nicht ein Prachtkerl?“

„Dunnerlittchen! Wann hast du denn das gemerkt?“

„Gemerkt? Als die Eröffnungswehen einsetzten. Ich habe versucht, den Tierarzt zu benachrichtigen, aber das Telefon ist unterbrochen. Und dann habe ich alles so gemacht, wie Sie es mir beigebracht haben.“

„Du hast das Fohlen ganz allein auf die Welt gebracht?“, fragte der alte Petersen kopfschüttelnd.

„Ganz allein?“ Bille lachte. „Ach nein, ich würde sagen, Jacaranda hat mir geholfen.“

„Gut gemacht, Mädchen, alle Achtung!“ Der Pferdepfleger schlug Bille freundschaftlich auf die Schulter. „Na komm, das muss begossen werden. Ich hab gerade Teewasser aufgesetzt. Einen kräftigen Tee mit Schuss können wir jetzt beide gebrauchen. Und dann gehen wir ans Füttern. Na, der Chef wird Augen machen, wenn er kommt!“

Ein Neuer im Schulstall

„Auf das erste Fohlen dieses Jahres!“ Tom hob sein Sektglas übermütig in die Höhe.

„Und auf Bille, die gestern ihre Prüfung als Geburtshelferin mit Glanz bestanden hat!“, rief Herr Tiedjen.