Bille und Zottel Bd. 16 - Pusztaferien und Ponybriefe - Tina Caspari - E-Book

Bille und Zottel Bd. 16 - Pusztaferien und Ponybriefe E-Book

Tina Caspari

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Beschreibung

Für Bille erfüllt sich ein Traum: Sie wird zusammen mit ihrem Freund Simon Reiterferien in Ungarn machen. Zwei wunderbare Wochen lang werden sie die Pferdeherden in der Weite der ungarischen Puszta sehen, werden den Alltag eines großen Gestüts kennenlernen und die schönsten Abenteuer erleben.

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TINACASPARI

Pusztaferienund Ponybriefe

Große Pläne

„Ihr solltet Bille wirklich besser erziehen! Sie hat den halben Führstrick aufgefressen!“

Florian hielt seinem Bruder Simon vorwurfsvoll das angeknabberte Ende eines altersschwachen Hanfstrickes vor die Nase. Simon blickte verständnislos erst auf das zerfaserte Ende in Florians Hand, dann auf seine Schwester Bettina, die hinter ihm den Stall betrat.

Aus einer der Boxen tauchte lachend Bille auf. „Keine Verwechslungen bitte! Für die Untaten meiner vierbeinigen Tochter bin ich nicht verantwortlich! Glaubst du, dass einem Fohlen so ein Strick im Magen schaden kann?“

Simon stöhnte erleichtert.

„Für einen Augenblick war ich ganz durcheinander. Vielleicht hätten wir sie doch nicht nach dir nennen sollen! Wir werden ihren Namen anders abkürzen müssen. Sibyl oder Billy oder Silly. Sonst kriege ich jedes Mal einen Schock, wenn mir jemand von ihren Streichen erzählt!“ Dann legte er zärtlich den Arm um die Schultern seiner Freundin. „Nein“, fügte er ernst hinzu, „der schadet ihr sicher nicht, er ist ja nicht aus Kunststoff. Sie wird ihn verdauen und ausscheiden wie Stroh oder zernagtes Holz. Du solltest sie bei Zottel in die Lehre geben, der wird ihr beibringen, Ungenießbares von wahren Leckerbissen zu unterscheiden.“

Gemeinsam gingen sie die Stallgasse hinauf, an den Boxen der Mutterstuten vorbei, die entweder mit schweren runden Bäuchen der Stunde der Geburt ihres Pferdekindes entgegendösten oder bereits mit einem Fohlen diesen Trakt des alten Groß-Willmsdorfer Pferdestalles bewohnten, wo sie vor der Unruhe draußen abgeschirmt waren. Schließlich machten sie vor der Box der hübschen Fuchsstute Sinfonie halt. Das Fohlen Sibylle, bei dem sie vor wenigen Wochen Geburtshilfe geleistet hatten, glich seiner Mutter bis auf Kleinigkeiten. Die breite schneeweiße Blesse Sinfonies schien bei der Kleinen zu einem gleichmäßigen Kreidestrich geschrumpft, die hohen weißen Strümpfe der Stute erinnerten bei dem Pferdekind eher an rutschende Söckchen. Nur das Temperament hatte die kleine Sibylle ganz und gar von der Mutter geerbt.

Bille öffnete die Boxentür und trat ein. Simon, der ihr folgte, hatte Mühe, die Tür schnell genug wieder zu schließen, denn das Fohlen entdeckte die Möglichkeit auszureißen sofort und stand in Sekundenschnelle neben ihm, um sich hinauszudrängen.

„He, hiergeblieben! Du bist ja schneller als der Schall! Hast du das gesehen?“ Simon schob das neugierige Pferdekind liebevoll zurück.

Bille lachte.

„Wollte sie dich reinlegen? Das ist nicht das erste Mal. Dem alten Petersen ist sie schon mehrmals entwischt. Sie hat ganz richtig erkannt, dass er nicht mehr so schnell laufen kann. Das nützt sie schamlos aus!“

„Intelligent auch noch! Da kann ich mich ja auf was gefasst machen, wenn ich dich eines Tages unterm Sattel habe. Aber wenn wir zwei uns einig werden, dann sollst du mal sehen! Dann sahnen wir ab, dass sich Bille die Große die Augen reiben wird vor Staunen!“

„Abwarten!“, widersprach Bille schmunzelnd. „Schließlich habe ich da auch noch so ein paar Geheimwaffen im Stall.“

„Wir werden uns die Siege brüderlich teilen. Was meinst du“, Simon klopfte dem Fohlen zärtlich den Hals, „schließlich bleibt’s ja in der Familie, oder?“

Wie zur Bestätigung rieb das Fohlen seine Nase an Simons Brust. Dann erinnerte es sich daran, dass es bereits wieder bohrenden Hunger verspürte, und wandte sich der Stute zu, um zu trinken. Aber kaum wollten Simon und Bille sich leise hinausschleichen, ließ es von seiner Mahlzeit ab und versuchte, ihnen zu folgen.

„Das geht leider nicht, mein Mädchen, heute wird drinnen gespielt. In zwei, drei Tagen, wenn die Koppeln nicht mehr so aufgeweicht sind, dürft ihr hinaus. Da kannst du dich dann austoben“, tröstete Bille das temperamentvolle Pferdekind.

„So ein Schlitzohr!“ Simon grinste. „Ich muss sagen, die Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen.“

„Zwischen ihr und Sinfonie?“

„O nein. Zwischen ihr und ihrer großen Namensschwester. Die muss auch immer ihren Kopf durchsetzen.“

Bille zwickte ihren Freund energisch in die Rippen. „Das nimmst du sofort zurück!“

„Pst! Wir sind auf der Mütter-Station!“ Simon legte in übertriebener Besorgnis den Finger an die Lippen. „Äußerste Ruhe bitte! Gekämpft wird nur auf dem Hof oder auf dem Heuboden.“

„Das kannst du haben!“

Bille ergriff Simons Arm und zog ihn nach draußen, vorbei an Florian und Bettina, die in Betrachtung des jüngsten Fohlens vor der Box der Stute Verona standen und ihnen erstaunt nachsahen. Auf dem Hof angekommen, musste Simon eine Kanonade von Püffen über sich ergehen lassen und wurde ordentlich gekitzelt. Seinen Gegenangriffen wich Bille geschickt aus, indem sie immer wieder rückwärtssprang, bis sie unversehens auf ein Hindernis stieß. Zwei kräftige Arme schlossen sich um sie und hoben sie hoch, als sei sie leicht wie ein Stück Papier. Ignaz der Schreckliche!

Simon verschränkte die Arme und lachte.

„Danke, Herr Albert. Lassen Sie sie noch ein bisschen oben, bis ich wieder zu Atem gekommen bin.“

„Was wird denn hier ausgetragen?“, dröhnte der Bass des von Bille zugleich geliebten und gefürchteten Lehrers. „Ein Freistiltraining für die nächste Olympiade oder der erste Ehekrach?“ Schwungvoll setzte er Bille auf den Boden zurück. „Könnt ihr mir übrigens sagen, wo ich Herrn Tiedjen finde?“

„Keine Ahnung, er wollte längst zurück sein“, antwortete Bille, froh, dem Gespräch eine andere Wendung geben zu können. „Er ist mit Lohmeier, dem Verwalter, in den Wald gefahren, wegen der Bestandsaufnahme der Winterschäden. Wir haben gleich Training bei ihm.“

„Gut, wenn er kommt, tut mir den Gefallen und sagt ihm, ich müsse ihn dringend sprechen. Ich bin in meinem Zimmer oben.“

„Machen wir.“

Bille sah der mächtigen Gestalt des Lehrers nach, der mit den schweren Schritten eines Bauern, der über seine Felder schreitet, zum Schloss hinüberging, in dem seit bald zwei Jahren das Reiter-Internat untergebracht war. Wer ihn so sah, hätte niemals vermutet, wie zartfühlend dieser Riese mit Pferden umging und welch ein ausgezeichneter Reiter er war. Nur schade, dass es so schwierig war, für einen Mann seiner Größe und seines Gewichts das richtige Pferd zu finden.

Bettinas Stimme riss Bille aus ihren Gedanken. „Wollt ihr heute nicht arbeiten? Noch haben die Ferien nicht begonnen!“

„Das ist wahr.“ Bille seufzte tief. „Noch eine Woche! Ob ich das aushalte? Ich kann jetzt schon kaum noch schlafen vor Reisefieber. Jede Nacht liege ich da und denke, ich habe das sicher nur geträumt, dass wir nach Ungarn fahren werden.“

„Du wirst es schon noch rechtzeitig merken. Spätestens wenn wir angekommen sind. Inzwischen kehr mit mir in die raue Wirklichkeit zurück, wir müssen unsere Pferde noch fertig machen. Komm!“ Simon ging voraus zum Stall.

„Wen nimmst du als Erstes dran?“, erkundigte sich Bille.

„Jamaika, solange ich noch fit genug bin.“

„Ich fange mit San Pietro an.“

Während Bille den jungen Fuchswallach aus der Box holte, hörte sie draußen den Landrover in den Hof fahren und vor dem Stall parken. Gleich darauf erschien Hans Tiedjen im Türrahmen.

„Tut mir leid, Kinder, dass es ein bisschen länger gedauert hat. Ich muss schnell noch ins Büro, wir treffen uns dann auf dem äußeren Platz, der ist einigermaßen trocken.“

„Gut. Übrigens möchte Herr Albert dich dringend sprechen, Daddy, er ist in seinem Zimmer oben“, rief Bille.

„Ich rufe gleich mal rauf. Wenn es länger dauert, arbeitet ohne mich. Nach dem neuen Trainingsplan, den wir gestern zusammengestellt haben.“

Alles klar, dachte Bille. Komisch, dass alles klar ist. Ganz selbstverständlich, dass ich hier stehe und eines der wertvollsten Nachwuchspferde des großen Springreiters Hans Tiedjen sattle. Dass ich dieses Pferd trainiere und auf Turnieren reite. Und dass dieser Hans Tiedjen nicht nur mein Trainer und Lehrer, sondern mein Freund und so etwas wie ein Adoptivvater ist, dem ich alles verdanke, was jetzt mein Leben ausmacht. Sogar Simon. Denn hätte Daddy mich nicht damals nach Peershof gebracht, damit ich mich um Bettina kümmere, dann hätte ich die drei Henrich-Brüder nicht kennengelernt. Ich hätte niemals die Chance gehabt, reiten zu lernen, und wäre auch nicht Schülerin hier im Reiter-Internat geworden. Ich hätte Zottel nicht und nicht Black Arrow, mein Traumpferd. Und auch meine vielen Freunde nicht. Ich säße in Wedenbruck bei Mutsch und Onkel Paul und würde darüber nachdenken, ob ich Verkäuferin oder Arzthelferin oder doch lieber Sekretärin werden sollte.

„Was ist los?“, erkundigte sich Simon besorgt. „Schläfst du im Stehen? Du polierst seit fünf Minuten immer die gleiche Stelle, San Pietros Hals glänzt schon, als hättest du ihn mit Schuhcreme eingerieben.“

„Ach, ich habe bloß über etwas nachgedacht“, wehrte Bille verlegen ab. „Fertig? Dann lass uns gehen.“

Sie führten die Pferde am Zügel über den Hof. Die letzten Regenwolken hatten sich verzogen, die Dächer dampften unter der plötzlich einsetzenden kräftigen Sonneneinstrahlung. Aus den Bäumen des Parks klang ein vielstimmiges Vogelkonzert herüber, und die Sträucher hatten sich wie mit duftigen Schleiern aus frischem Grün überzogen. Es roch nach Frühling.

„Gib zu, du hast vorhin über unsere Reise nachgedacht! Machst du dir Sorgen?“, fragte Simon.

„Sorgen … worüber?“

„Ob du es mit mir aushältst. Ob du es aushältst, so lange von Zottel getrennt zu sein. Oder von zu Hause. Oder wie es ist, in so einem fernen, fremden Land zu sein, dessen Sprache man nicht spricht.“

Bille schüttelte lächelnd den Kopf.

„Irrtum. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, ich freue mich rundherum und ohne Abstriche und … ach, einfach unbeschreiblich! Worüber ich nachgedacht habe, das war eher … wie soll ich dir das erklären. Es ist so ein Gefühl, das mich manchmal ganz plötzlich überkommt. Wie ein großes Erstaunen darüber, dass ich es so gut habe. Verstehst du? Ich frage mich, womit ich das verdient habe.“

„Darauf wüsste ich eine Antwort: Du verdienst es dir täglich mit harter Arbeit und totalem persönlichem Einsatz. Und vor allem mit Liebe.“ Simon sah seine Freundin an.

„Könnte stimmen. He, der Frühling ist wohl eine ansteckende Krankheit, jetzt wirst du auch noch feierlich! Dagegen hilft nur eines: aufsitzen und los geht’s!“

Zunächst einmal ließen sie die Pferde sich im Schritt lösen. Während sie noch den Platz umrundeten, gesellte sich Florian auf seiner Stute Florentine zu ihnen.

„Na? Wie geht’s Ihrer königlichen Hoheit heute?“, neckte Bille den jüngsten der Henrich-Geschwister.

„Danke, recht gut. Die Frühjahrsmüdigkeit macht ihr offensichtlich zu schaffen“, berichtete Florian ernsthaft. Für ihn gab es kein wichtigeres Thema auf der Welt, als das Wohlbefinden seiner heiß geliebten Stute; dass die anderen ihn deswegen hin und wieder verspotteten, nahm er gelassen hin.

„Ach was“, widersprach Simon, „sie hat bei Weitem zu viel Winterspeck angesetzt. Sie braucht ein paar Wochen scharfes Training bei halben Rationen.“

„Spinnst du?“ Florian tätschelte Florentine den Hals, als müsse er sie für die Äußerung seines Bruders um Verzeihung bitten. „Das reguliert sich alles von selbst, dazu brauchen wir keine Radikalkur.“

Bille wollte etwas bemerken, ließ es dann aber. Es hatte keinen Sinn, Florian gute Ratschläge zu geben, er ignorierte sie einfach – es sei denn, man stimmte eine Lobeshymne auf sein Goldstück an. Sie trieb San Pietro an, ließ ihn ein paar Runden traben, um ihn für das anstrengende Training geschmeidig zu machen, und freute sich an den gelösten, weit ausgreifenden Schritten des jungen Wallachs.

Als Hans Tiedjen auf dem Platz erschien, waren sie fast mit der Arbeit fertig.

„Nur noch ein paar Galoppwechsel, dann haben wir’s geschafft.“

„Ihr wart fleißig, wie ich sehe. Er ist prachtvoll in Form!“

„Stimmt. Wir haben beide einiges runtergeschwitzt heute“, bestätigte Bille lächelnd und parierte San Pietro zum Schritt durch. Lobend klopfte sie ihm den vor Nässe dunkel glänzenden Hals. „Feiner Junge. Gut hast du’s gemacht.“

Sie hielt vor Hans Tiedjen an. Der Wallach prustete erleichtert und schüttelte heftig den Kopf. Ein Tropfenregen sprühte nach allen Seiten.

„He, ich habe heute schon geduscht, du Witzbold!“, protestierte Tiedjen und wischte sich das Gesicht mit dem Jackenärmel ab. „Übrigens habe ich eine Neuigkeit für euch, Bille. Im Büro lag ein Brief aus Ungarn, von meinem Freund Sándor. Er freut sich auf euren Besuch, schreibt er, ihr könnt so lange bleiben, wie ihr mögt.“

„Super! Und wir können dort auch übernachten? Ich meine, wir wollen ihm ja keine Umstände machen, wir könnten im Zelt oder auf dem Heuboden schlafen!“

„Nun“, Hans Tiedjens Ausdruck war schwer zu beschreiben, er überspielte geschickt ein Schmunzeln mit einer betont geschäftlichen Miene, „ich denke, da wird es keine Probleme geben. Er wird euch auf seinem kleinen Hof schon irgendwie unterbringen. Ihr werdet staunen, wie gastfreundlich die Ungarn sind!“

„Ja, davon habe ich schon gehört.“

Bille presste unvermittelt die Hand auf den Magen. „Es ist dieses Flattern in der Magengrube. Mit jedem Tag wird’s ein bisschen schlimmer“, gestand Bille kläglich. „Wie soll ich das nur noch eine ganze Woche aushalten?“

„Ich glaube, dagegen bringt Bettina dir gerade das geeignete Mittel“, rief Simon, der mit seiner Stute neben ihnen hielt und die letzten Worte gehört hatte. „Dein Schätzchen hat heute anscheinend seinen aufmüpfigen Tag!“

Bille sah sich um. Tatsächlich konnte Bettina, die sich aufs Freizeitreiten beschränkte und nicht zur Truppe der jungen Turnierreiter gehörte, Billes Rappwallach Black Arrow kaum bändigen. Bille stieg ab und griff eilig in den Zügel ihres Lieblings. Erleichtert rutschte Bettina aus dem Sattel.

„Was ist denn in dich gefahren, Junge! Frühlingsgefühle?“, fragte Bille vorwurfsvoll.

„Scheint so. Ich hatte den Eindruck, Hubert hätte mir einen dreijährigen Hengst gegeben“, stöhnte Bettina. „Einen Augenblick sah es so aus, als wollte er mit mir durchgehen!“

„Na, dann viel Vergnügen!“ Hans Tiedjen hielt den ungebärdigen Rappen, bis Bille im Sattel saß. „Den sticht der Hafer. Die vom Tierarzt verordnete Woche Pause sitzt ihm in den Knochen. Bettina, reite du San Pietro trocken, der hat schon genug Dampf abgelassen.“

Während Bille sich bemühte, ihr Pferd einigermaßen zur Ruhe zu bringen, konnte sie sich eine letzte neugierige Frage nicht verkneifen.

„Du, Daddy, was wollte Ignaz der Schreckliche eigentlich von dir? Er sah so nachdenklich aus!“

„Ach ja? Nun, er hat gewisse Pläne, zu denen er meinen Rat brauchte.“ Hans Tiedjen war offensichtlich nicht bereit, das Geheimnis zu lüften.

„Reisepläne?“, erkundigte sich Bille.

„Noch größere.“

„Und … werden wir sie erfahren?“

Hans Tiedjen grinste unverhohlen.

„Du bist doch nicht etwa neugierig, oder? Aber ich denke, wenn ihr zurückkommt, werdet ihr sie erfahren.“

Bille hätte gern noch weitergefragt, aber Black Arrow drängte so mächtig gegen den Zügel, dass er ihr all ihre Aufmerksamkeit abforderte. Sie gab ihm – obgleich es gegen die Regel war – den Kopf frei und ließ ihn lostoben, erst nach drei Platzrunden fing sie ihn behutsam ein und parierte zum Schritt durch. Da hatte sich auch ihre eigene Unruhe gelegt.

Aller Abschied ist schwer

Die Woche verging schneller, als sie gedacht hatte, und als der letzte Tag vor der Abreise anbrach, stellte sie erschrocken fest, wie viel es noch zu tun gab.

Schon frühzeitig hatte sie eine Liste aufgestellt, der sie jetzt entnehmen konnte, was sie einpacken musste, was sie auf keinen Fall vergessen durfte und was in Groß-Willmsdorf vorzubereiten war. Immer wieder ging sie Punkt für Punkt durch, um zu prüfen, ob sie nicht etwas besonders Wichtiges übersehen hatte.

Mutsch und Onkel Paul trugen nicht dazu bei, ihr Reisefieber zu mindern. Wo immer sie Bille zu fassen bekamen, überfielen sie sie mit Fragen und guten Ratschlägen. Dass Mutsch und Onkel Paul die Gelegenheit benutzen wollten, selbst ein paar Tage zu verreisen, wenn ihr Küken ausgeflogen war, wie sie sich ausdrückten, machte die Sache nicht einfacher. So besonnen sich die beiden während der Arbeit verhielten, wenn sie Tag für Tag ihren Spar-Markt in Leesten versorgten, ein gutes Dutzend Angestellte beaufsichtigten und mit Lieferanten und Vertretern verhandelten, so kopflos wirkten sie auf Bille, als es um die Frage ging, wie viel Gepäck man mitnehmen müsse, welche Reiseroute zu wählen war und was man zu Hause noch organisieren musste.